Protocol of the Session on April 24, 2007

Sie wissen doch ganz genau, dass Unterricht ausfällt, dass Klassen zusammengelegt werden, und Sie selbst haben doch auf diesen ganzen Podiumsdiskussionen in den letzten Wochen gesagt, es gibt in Bremen einen viel höheren Unterrichtsausfall, als zugegeben wird vom Ressort.

Bremen liegt bei der Schüler-Lehrer-Relation bundesweit auf Platz 8. Im Stadtstaatenvergleich liegt Bremen deutlich hinter Berlin und Hamburg. Bremen muss nach Meinung der Grünen gegenüber allen Bundesländern aufholen und darf sich nicht weiter abkoppeln. Das hat die Koalition nicht verstanden in ihrer Regierungszeit. Eine im Bundesvergleich bestenfalls durchschnittliche Unterrichtsversorgung wird den schwierigen Rahmenbedingungen in Bremen – Stichwort 40 Prozent Migranten, steigende Zahl, unter den Schülerinnen und Schülern – nicht gerecht.

Wenn der Bürgermeister das jetzt aufgreift, finde ich, ist das überfällig, und es ist auch richtig. Allerdings hätte der Bürgermeister vor seinem Auftritt vor der Personalversammlung die Antwort des Senats vom

20. März 2007 auf die Anfrage der Grünen zum Thema „Drohende Rentnerlücke im Lehrerzimmer“ lesen sollen. Er versprach auf der Personalversammlung die Wiedereinführung der Altersteilzeit, wenn sie sich finanziell darstellen lässt. In der Senatsantwort – die ist nur 3 Wochen alt – heißt es dagegen noch: Altersteilzeit ist aus Haushaltsgründen finanziell nicht darstellbar. Unterschrift unter der Anfrage: Jens Böhrnsen! Ich stelle fest: Einen Senat mit einer einheitlichen Position gibt es hier nicht!

Aus den vorliegenden Zahlen erkennt jeder, dass akuter Handlungsbedarf besteht. Wir brauchen ein Personalkonzept für den Zeitraum 2007 bis 2017, um den Generationswechsel an den Schulen handhabbar zu machen. Fast die Hälfte der Bremer Lehrerinnen und Lehrer geht in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Wir müssen als Bundesland endlich eine Strategie entwickeln, wie es gelingen kann, dass wir uns nicht weiter abkoppeln und genügend Nachwuchs finden, um der drohenden Lehrerlücke im Lehrerzimmer begegnen zu können. Das Problem wurde von der Koalition bisher nicht angepackt.

Die Atmosphäre zwischen Behörde und Schulen ist offenbar zerrüttet, das möchte ich hier auch noch sagen. Nach Hunderten von Überlastanzeigen der Lehrkräfte musste der Bildungssenator peinlicherweise vom Gericht gezwungen werden, sich mit den Personalräten auseinanderzusetzen. Das habe ich noch nie gehört, dass das bisher hier der Fall war, dass ein Bildungssenator gerichtlich gezwungen werden musste, mit dem Personalrat zu sprechen! Ich frage mich, wie auf diese Weise Impulse in die Schulen hineingetragen werden sollen!

Die Schulen sind unter der Fuchtel der Großen Koalition, anders kann ich das gar nicht sagen, zu nachgeordneten Dienststellen degradiert worden. Kritik wird abgebügelt, von einer Aufbruchstimmung ist nichts zu merken. Dabei sind die Schulleiterinnen und Schulleiter der Motor für die Schulentwicklung. Die Bildungsbehörde muss endlich ihre Scheuklappen absetzen und die Schulleiter und die Lehrerinnen und Lehrer auch mit an Bord nehmen, denn nur so kann auch wieder der Kahn auf Kurs kommen. So aber, wie das in den letzten Monaten gelaufen ist, kann es nicht weitergehen!

Damit nicht genug! Es gibt wieder eine weitere seltsame Konsequenz aus Pisa: die Reform der Lehrerausbildung. Künftig sollen Grundschullehrer schlechter ausgebildet werden als Gymnasiallehrer. Sie sollen kürzer studieren, vermutlich, weil die Kinder kleiner sind, anders kann man sich das gar nicht erklären, nach welcher Logik das hier erfolgen soll. Es ist ein Irrsinn aus meiner Sicht, denn wir wissen doch, dass es auf die ersten Jahre im Bildungssystem ankommt und wir die Pädagogen im Kindergarten und in der Grundschule besonders gut ausbilden müssen, und nicht, dass wir die Lehrer besser ausbilden müssen, die in den späteren Jahren arbeiten.

Ein sauteurer Schuss in den Ofen war die sogenannte Bildungs-GmbH, die wir als unsinniges und teures Projekt von Beginn an abgelehnt haben. Nun erzählt der Bürgermeister auf der Personalversammlung, er sei von der ersten Stunde an dagegen gewesen. Da frage ich mich: Wer hat denn hier als Fraktionsvorsitzender der SPD gesessen und die Hand gehoben? Die CDU will es ja an dieser Stelle auch nicht mehr gewesen sein. Da fragen wir uns doch hier als Opposition: Von wem werden wir hier eigentlich regiert, von Außerirdischen oder von einem Senat, der handlungsfähig ist?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Schulen klagen zu Recht über überbordende Bürokratie, die Koalition hat das hartnäckig ignoriert und beschloss obendrauf, Herr Rohmeyer, ein Stakkato an Maßnahmen. Frau Hövelmann, vielleicht können Sie dazu auch noch einmal etwas sagen! Wir meinen, alle Verordnungen und Regelungen müssen dringend durchgecheckt werden, ob man sie wirklich benötigt. Auf einiges kann man sicher getrost verzichten.

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn die Koalition jetzt meint, man wolle die getroffenen Maßnahmen verlangsamen, verstetigen und vertiefen, dann ist das der Erkenntnis geschuldet, dass in den letzten Jahren der blanke Aktionismus geherrscht hat, zu schnell, zu oberflächlich, zu kurzatmig war das Handeln der Koalition. Eine Schulentwicklung kann aber nur mit den Lehrern und Schulleitungen gelingen, von einer Reform ganz zu schweigen. Schulentwicklung braucht Zeit, Herr Rohmeyer, da haben Sie Recht, aber Schulentwicklung braucht auf keinen Fall eine Große Koalition. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort hat der Abgeordnete Rohmeyer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Stahmann, es war doch wirklich eine Freude, von Ihnen noch einmal zu hören, dass Sie das auch so schön dargestellt haben, warum Sie eigentlich der geborene Nachfolger der Bildungspolitik der Siebziger- und Achtzigerjahre sind. Sie haben nichts aus den Ergebnissen der Bildungsuntersuchungen verstanden, wenn Sie hier sagen, dass das alles ein Schuss in den Ofen war! Ihr Konzept, das Sie hier vorstellen, meine Damen und Herren von den Grünen, ist das gleichmacherische Konzept, von dem sich Teile unseres Koalitionspartners zumindest verabschiedet haben, aber Sie wollen das alles wieder einführen. Sie wollen hier keine individuelle Förderung, Sie wollen alle über ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

einen Kamm scheren, Sie wollen die Schulentwicklung hier in Bremen wieder zurückdrehen.

Sie haben versucht, hier ein Bild darzustellen, als ob hier keine Reformen begonnen wurden, Frau Stahmann. Sie haben im Prinzip an den letzten Jahren völlig vorbeigeredet, Sie haben hier wirklich Sachen vom Stapel gelassen, als ob die Reformen Aktionismus wären! Meine Damen und Herren von den Grünen, ich hätte Sie einmal sehen wollen, wenn hier nach Pisa nichts gemacht worden wäre.

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Sie hätten ja wahrscheinlich jahrelang hier noch im Früchteteekreis debattiert, meine Damen und Herren von den Grünen! Da musste gehandelt werden, da sind Kinder in der Schule!

(Beifall bei der CDU)

Da muss doch gehandelt werden, meine Damen und Herren, da kann man doch nicht noch jahrelang so tun, als ob hier nichts gewesen wäre!

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Ihre Kinder sind nicht in der Schule, Herr Rohmeyer! Unsere Kinder sind in der Schule!)

Es sind Kinder in der Schule, liebe Frau Kollegin Stahmann, und es ist dann auch die Verantwortung der Politik, zu handeln und nicht jahrelang noch zuzuschauen.

Sie haben gesagt, man habe Begabungsschubladen und ein frühes Sortieren. Menschen sind unterschiedlich, begreifen Sie das endlich, und müssen unterschiedlich gefördert werden!

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Das gleichmacherische Schulsystem in Bremen ist gescheitert. Ich hoffe, Sie nehmen es zur Kenntnis! Wir haben den Rahmenplan Bildung und Erziehung auf den Weg gebracht. Es gibt dort durchaus noch Defizite. Wir als Koalition – Herr Kollege Tschöpe, ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern, dass Sie auch ein Teil dieser Koalition sind, gelegentlich hat man ja nicht den Eindruck – haben diesen Rahmenplan Bildung und Erziehung auf den Weg gebracht. Da gibt es noch Defizite. Es gibt auch Defizite in der Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Kinder, Jugend und Bildung. Da haben wir als CDU Ihnen schon mehrfach einen Vorschlag gemacht. Sie müssen sehen, dass diese Ressorthakeleien auf dem Rücken von Kindern und Jugendlichen ein Ende haben, dass dort keine

Reibungsverluste mehr sind! Wir haben gesagt, dass es eine gemeinsame Ressortverantwortung für Kinder, Jugend, Bildung und Erziehung geben soll.

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau S t a h - m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Wie lan- ge brauchen Sie noch, wenn Sie es 10 Jah- re lang nicht hinbekommen haben?)

Diesen Vorschlag kennen Sie. Ich weiß, Sie lehnen es ab. Ich sage: Es ist gut, wenn wir eine gemeinsame Verantwortung für diesen Bereich Bildung und Erziehung in einer Hand haben. Darüber können dann noch die Menschen draußen im Lande entscheiden, welches Konzept besser ist. Es ist, glaube ich, müßig, Ihnen das noch einmal vorzubeten, Frau Stahmann, Sie sollten es verstanden haben.

Wir haben nach Ihrer Aussage ein selektives und unübersichtliches Schulsystem. Wir haben ein Schulsystem, das auf drei Säulen beruht, und die Menschen in Bremen haben Schulvielfalt. Das ist etwas, was Sie nicht wollen, das weiß ich, Sie wollen die Einheitsschule. Wir geben den Menschen die Möglichkeit zu wählen zwischen einem integrierten System, einer berufsorientierenden Säule, der Sekundarschule und dem gymnasialen Bildungsgang. Das sind drei unterschiedliche Bildungsgänge, dafür brauchen wir unterschiedliche Lehr- und Bildungspläne, und diese drei Bildungsgänge haben unterschiedliche Abschlüsse, das müssen Sie auch verstehen, Frau Stahmann. Dafür haben wir inhaltliche Entwicklungen auf den Weg gebracht.

Diese neue Bremer Schule – ich sage das noch einmal, darüber haben wir schon lange gestritten, aber ich versuche, es Ihnen noch einmal zu erklären – wächst hoch, ist jetzt in der siebten Klasse. Daher kann auch durchaus für Menschen, die sich nicht so intensiv damit beschäftigen, der Eindruck entstehen, als ob es unübersichtlich sei, weil ein altes System auswächst und ein neues System hochwächst. Wenn Sie aber als in diesem Fall Wissende, in Anführungszeichen, so tun, als ob dies unübersichtlich sei und da den Menschen auch noch eine Verunsicherung herbeireden,

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Wir tun nicht so, es ist unübersicht- lich!)

dann handeln Sie nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich, um die Menschen zu verunsichern. Das, meine Damen und Herren, ist ziemlich schändlich, das darf ich Ihnen von den Grünen auch ganz deutlich sagen!

Wir haben, da sind wir uns einig, hohe Unterrichtsausfälle. Es gibt diese Behördenstatistik, ich sage dazu auch, darin ist nicht alles erfasst. Wir haben darüber zwei Debatten Ende letzten Jahres gehabt, und wir

als CDU haben auch deutlich gesagt: Es muss hier entsprechende Neueinstellungen geben, um Unterrichtsausfälle zu beseitigen. Bei den ganzen hohen Ansprüchen, die wir an ein Bildungssystem, die wir an den verkürzten Bildungsgang im Gymnasialbereich stellen, müssen auch die in der Stundentafel vorgesehenen Stunden, und das sind schon weniger, als zum Beispiel die Schülerinnen und Schüler in Bayern im selben Zeitraum bekommen, garantiert erteilt werden.

Über die Frage der Mitbetreuung haben wir uns damals gestritten, ob das Unterrichtsausfall ist oder nicht. Ich halte es für notwendig, dass hier Transparenz herrscht, darauf haben wir uns auch geeinigt, dass das in Zukunft transparenter dargestellt wird. Der Unterrichtsausfall ist eines der größten Probleme, die wir im Schulbereich haben, und wir werden uns auch im kommenden Haushalt dafür einsetzen, dass hier etwas getan wird, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Es gibt ein großes Problem, das hat Frau Stahmann richtigerweise angesprochen, das ist das Verhältnis Schule und Behörde. Ich möchte jetzt allerdings nicht wie Frau Stahmann hier mit dem Benzinkanister noch ein bisschen zündeln, indem ich noch versuche, das Feuer anzuheizen. Es hat eine Schulleiterbefragung eines neuen Schulleiterverbandes gegeben, daraus kann man ableiten, dass es ein Problem bezüglich der Kommunikation zwischen den Schulen und der Behörde gibt, aber auch, was das Klima insgesamt betrifft. Ich begrüße daher ganz ausdrücklich die von Herrn Senator Lemke in der vergangenen Woche angekündigte externe Evaluation der Bildungsbehörde selbst. Das ist eine Forderung, die die CDU schon lange erhoben hat, dass nicht nur die Schulen überprüft werden, sondern dass auch die Arbeit der Behörde genau evaluiert wird, und dann werden wir auch sehen, ob alle Mitarbeiter in Ihrer Behörde eigentlich notwendig sind, Herr Senator Lemke.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/Die Grünen)

Wir wollen da keinen Wasserkopf haben, sondern wir wollen eine klare, schlanke, effiziente Behörde, die sich als Dienstleister für die Schulen versteht. Hier haben wir eine Forderung, die wir lange aufgestellt haben, was die Arbeit der Behörde angeht, sie wird jetzt erfüllt. Ich glaube, dass das bei den Schulen auch gut ankommen wird, Herr Senator Lemke, dass eben nicht nur die Schulen überprüft werden, darauf haben wir uns vor einigen Jahren schon geeinigt, sondern dass jetzt auch die Arbeit der Behörde dort auf den Prüfstand kommt.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung der Abgeordneten Frau Stahmann?

Von Frau Stahmann immer, Frau Präsidentin!

Bitte, Frau Stahmann!

Ich fühle mich geschmeichelt, Herr Rohmeyer! In der letzten Sitzung der Bildungsdeputation, das ist noch nicht so lange her und müsste eigentlich auch noch in Ihrem Kurzzeitgedächtnis gespeichert sein, hat der Bildungssenator den Sprecherinnen und Sprechern in der Bildungsdeputation und den anwesenden Deputierten mitgeteilt, dass er sich selbst entschlossen hat, seine Behörde einer Qualitätsüberprüfung zu unterziehen. Ehe wir uns streiten wie in einem Werbespot von Ricola – wer hat’s erfunden? – möchte ich an dieser Stelle doch sagen: Der Bildungssenator war der Erste, der dies vorgestellt hat!

(Beifall bei der SPD)

Es war, Frau Kollegin Stahmann, auch keine Frage! Sie werden in den Programmen und Forderungen der CDU-Partei und der CDUFraktion nachlesen können, dass auch wir uns mit der Arbeit der Behörde die ganze Zeit beschäftigt und eine solche Überprüfung gefordert haben. Ich habe eben nicht gesagt, dass wir es erfunden haben. Ich habe dem Senator dafür gedankt, dass er eine solche Evaluation vornehmen lässt! Nichts anderes habe ich gesagt, aber es war letzte Woche Donnerstag, es sollte in unseren beiden Gedächtnissen sein.

Ich habe letzte Woche nicht die Forderung erhoben, und der Senator hat darauf geantwortet, aber die CDU hat diese Forderung schon lange schriftlich, das können Sie nachlesen, Frau Kollegin Stahmann, dass wir die Arbeit der Behörde überprüfen. Das ist ja eigentlich auch im Sinne der Grünen-Fraktion, wenn ich mich an Ihre Debattenbeiträge bei den zahlreichen Podiumsdiskussionen, wo wir beide uns zurzeit zumindest treffen, erinnere.

Meine Damen und Herren von den Grünen, Frau Stahmann, Sie haben der CDU zu einer erfolgreichen Klientelpolitik gratuliert. Dazu möchte ich Ihnen nur noch einmal zwei Sachen zum Selbstverständnis sagen, wir sind ja schließlich nicht wie die Grünen oder die FDP eine Klientelpartei, sondern wir sind eine Volkspartei, und als Volkspartei sprechen wir die große Mehrheit der Menschen in dieser Stadt an. Von daher, wenn Sie sagen, die große Mehrheit in dieser Stadt ist unsere Klientel, dann sehen Sie das richtig, weil die große Mehrheit der Menschen in Bremen unsere Bildungspolitik auch unterstützt, weil sie Schul

vielfalt begrüßt und sich nicht in eine Einheitsschule pressen lassen will, Frau Kollegin Stahmann.

(Beifall bei der CDU – Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)