Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.
Ich gehe davon aus, Frau Senatorin Rosenkötter, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD nicht mündlich wiederholen möchten, sodass wir direkt in eine Aussprache eintreten.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Großen Anfrage „Zustand der ambulanten Pflege im Land Bremen“ wollten wir als Große Koalition zum einen Daten abfragen, welche die Ist-Lage der ambulanten Pflege konkret beschreiben, zum anderen wollten wir in Erfahrung bringen, ob auch in Zukunft eine ausreichende ambulante Pflegelandschaft gewährleistet ist. Um Stellung zu der umfangreichen 12-seitigen Antwort des Senats zu nehmen, noch einmal ein paar Fakten vorweg!
Erstens: Der Pflegebedarf im häuslichen Bereich wird in den nächsten Jahren zunehmen, zum einen, weil die Menschen immer älter werden und damit oft am Ende auch pflegebedürftig, zum anderen, weil sich auch die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus immer mehr verkürzt.
Zweitens: Umfragen haben ergeben, dass trotz der gesellschaftlichen Trends hin zu mehr Individualisierung und hin zu mehr Singularisierung die älteren Mitmenschen Wohnformen nachfragen, die auf gemeinschaftliches Zusammenleben und auf nachbarschaftliche Unterstützung setzen.
Drittens: Pflege mit ihrer Infrastruktur und mit ihrer Qualität ist auch ein wirtschaftlicher Standortfaktor. Durch ein vielfältiges Angebot an Pflege, sowohl ambulant als auch stationär, können nicht nur Bremerinnen und Bremer, sondern auch und vor allem Bürgerinnen und Bürger aus dem Umland als Neubürger gewonnen werden und somit auch zu Steuermehreinnahmen Bremens beitragen.
Meine Damen und Herren, hierauf muss Bremen vorbereitet sein. Die Senatsantwort zeigt nach Auffassung der CDU-Fraktion deutlich, Bremen ist für die Herausforderungen, die an eine ambulante Pflege gestellt werden, bestens aufgestellt. Die CDU-Fraktion erkennt aus der Senatsantwort einige positive Botschaften.
Botschaft 1: Wir haben in Bremerhaven und Bremen Trägervielfalt, Kooperation und eine beispielhafte Vernetzung, und wir haben auch eine ganze Menge an Beispielen von innovativen Projekten auch und gerade im Bereich der Versorgung von an De––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
menz Erkrankten. Sie wissen, morgen werden wir hierzu auch einen Antrag beraten und hoffentlich auch positiv verabschieden.
Botschaft 2, meine Damen und Herren, ist, bei plötzlich auftretendem Pflegebedarf sind überall in Bremerhaven und Bremen pflegerische Einsätze sofort möglich, und diese ohne Wartezeiten flächendeckend in allen Regionen!
Botschaft 3: Durch die Angebotsvielfalt, den Wettbewerb und die Qualität hat Bremen im Bereich der Pflege einen sehr guten Ruf. Mit Genehmigung der Präsidentin zitiere ich aus der deutschlandweit erscheinenden Pflegefachzeitschrift „Care konkret“ vom 2. März dieses Jahres, dort heißt die Überschrift „Ambulantisierung: Zukunftsorientierte Altenhilfepolitik in Bremen“.
Darunter die beiden Schlagwörter oder Leitsätze: Ambulante Angebote in Bremen werden konsequent ausgebaut, und stationäre Angebote werden qualitativ verbessert. Meine Damen und Herren, nach Überzeugung der CDU-Fraktion muss dieser eingeschlagene Weg des Grundsatzes „ambulant vor stationär“ konsequent weitergegangen werden!
Die vierte Botschaft der Senatsmitteilung ist, meine Damen und Herren, Bremerhaven und Bremen verfügen über eine ganze Menge an Dienstleistern, an Institutionen, ich sage jetzt einmal, an Macherinnen und Machern, die für den hervorragenden Ruf als Pflege- und Wohnstandort verantwortlich sind. Ich nenne hier die Dienstleister in der Projektförderung und in den Dienstleistungszentren. Ich nenne die Beratungsstellen und für Bremerhaven speziell die Sozialstationen. Ich nenne auch die immer mehr und immer besser kooperierenden Wohnungsbaugesellschaften und allen voran die vielen ambulanten Pflegedienste mit ihren Beschäftigten. Meine Damen und Herren, ich erwähne jedoch auch ausdrücklich die Träger und Beschäftigten der stationären Pflege.
Ich komme zum Schluss! Die CDU-Fraktion bedankt sich bei allen eben genannten Trägern und Beschäftigten, bedankt sich beim Senat für den richtig eingeschlagenen Kurs des Grundsatzes „ambulant vor stationär“. Dieser Kurs, meine Damen und Herren, ambulante Angebote ausbauen und stationäre Angebote qualitativ verbessern, erhält auch weiterhin die volle Unterstützung der CDU-Fraktion. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für diese umfangreiche Vorlage zur ambulanten Pflege im Lande Bremen. Dieser Bericht muss aber weiter ein Arbeitspapier der Sozialpolitiker und Gesundheitspolitiker bleiben.
Die SPD-Fraktion kommt insgesamt wie der Senat zu einer positiven Bewertung. Die Angebote, die zurzeit von der Wohnungswirtschaft und den Pflegedienstleistern in Bremen und Bremerhaven entwickelt und bereits erprobt und durch die Fachkommission „Wohnen im Alter“ begleitet werden, entsprechen der Zielsetzung, im Alter möglichst in gewohnter häuslicher Umgebung zu bleiben. Im Land Bremen wird die Unterstützung von Angehörigen, die niedrigschwellige hauswirtschaftliche Versorgung durch die Nachbarschaftshilfen sowie die Versorgung in der ambulanten professionellen Alten- und Krankenpflege durch Dienstleistungszentren in Bremen, Sozialstationen in Bremerhaven, verschiedene Beratungsstellen und durch ambulante Pflegedienste effektiv gewährleistet. Herr Bensch hat das hier eben alles dargelegt, das möchte ich nicht wiederholen.
Klar muss uns aber sein, dass die Familienangehörigen in der ambulanten Pflege eine große Aufgabe übernehmen und dass es an vielen Stellen, wo es keine Angehörigen gibt, aus unterschiedlichen Gründen oft zu einer problematischen Versorgung kommt. 14 600 Pflegebedürftige im Land Bremen sind eben nur die Menschen, die schon eine Pflegestufe haben. Die Dunkelziffer, die es daneben gibt, darf für mich da nicht außer Acht gelassen werden, das sind die Menschen, die eben noch nicht die Pflegestufe 1 beantragt haben oder dazu auch gar nicht in der Lage sind. Die Entwicklung der Zahlen der letzten fünf Jahre zeigt eine steigende Tendenz der Zahl der Pflegebedürftigen, und die demografische Entwicklung wird einen weiter ansteigenden Bedarf mit sich bringen.
Die kurze Redezeit zwingt mich, nur auf einige Punkte des Berichts einzugehen. Der Bericht weist auf, wie wenig Kontrollmöglichkeiten es bei den ambulanten Pflegediensten gibt. Hier muss weiter daran gearbeitet werden, dass durch eine bundesgesetzliche Regelung für den Bereich der ambulanten Pflege Möglichkeiten der Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle geschaffen werden können, wie sie in den stationären Alteneinrichtungen durch das Heimgesetz bereits bestehen.
Ein weiterer wichtiger Punkt in der Pflegelandschaft sind die Sozialdienste im Krankenhaus, die geriatrischen Kliniken und Tageskliniken, um den Übergang in das häusliche Umfeld wieder möglich zu machen. Dies wird bei immer kürzeren Krankenhausaufenthalten zukünftig noch wichtiger sein.
Wichtig ist für mich auch die Projektförderung. Hiermit unterstützen wir im Land Bremen 72 mal wichti––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
ge neue und gute Ideen, zum Beispiel mit der Arbeit von pflegenden Angehörigen und auch von den Pflegebedürftigen selbst, dass diese geschult werden. In 14 Projekten befassen wir uns mit dem Thema „Demenz“. Ein bekanntes Projekt in der Demenz ist die Demenzinformations- und Koordinierungsstelle DIKS. Der hier erstellte Veranstaltungskalender ist für mich vorbildlich und ein echtes Handwerkszeug für die Angehörigen.
Die Dienstleistungszentren mit den vielschichtigen Angeboten sind ein gutes Netz für die älteren und behinderten Menschen in der Stadt Bremen. Bremerhaven leistet dies durch Sozialstationen und Pflegedienste. Auf die neuen Wohnformen mit Versorgungsangeboten bin ich zu Beginn meiner Rede schon kurz eingegangen. Hier müssen wir noch mehr Angebote schaffen, und zwar in allen Stadtteilen.
Der begonnene Weg muss weiter entwickelt werden, von den Beispielen der anderen Städte können wir lernen. Hier ist die Wohnungswirtschaft besonders gefordert. Stationäre Pflegeeinrichtungen wird es trotz einer guten ambulanten Versorgung aber auch weiter geben müssen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich spreche heute zur Mitteilung des Senats zum Zustand der ambulanten Pflege im Land Bremen. Mein Vorredner und meine Vorrednerin, Herr Bensch und Frau Wangenheim, haben bereits ausführlich über die Antwort des Senats gesprochen. Ich möchte meinen Schwerpunkt auf die Pflegeversicherungsreform legen.
Doch zuvor möchte ich noch ein paar Vorbemerkungen machen. Wir Grünen sind selbstverständlich für den Grundsatz „ambulant vor stationär“, auch für die bessere Berücksichtigung von Demenzkranken in der Pflegeversicherung setzen wir uns ein. Auch möchten wir, dass die Dienstleistungszentren in Bremen in unserer Stadt mehr Geld bekommen und nicht weniger Geld!
Des Weiteren nehmen wir auch mit Freude zur Kenntnis die vorhandenen Wohnprojekte, die auch in der Antwort des Senats aufgeführt worden sind. Die Wohnungswirtschaft ist mit ins Boot zu ziehen, und es ist in einigen Stadtteilen schon gelungen. Der Weg ist richtig, und er muss weiter gegangen werden!
Jetzt komme ich zur Reform der Pflegeversicherung! Wir Grünen meinen, es reicht nicht, nur allein die
Finanzen der Pflegeversicherung in Ordnung zu bringen, sondern es muss der Pflegebedürftige in den Mittelpunkt der Reform gestellt werden. Ein „Weiter so“ zulasten aller geht natürlich nicht! Natürlich ist ein solides Finanzkonzept wichtig, doch die konkreten Probleme der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen verschwinden nicht allein durch eine Beitragssatzerhöhung oder durch eine unsinnige Kopfpauschale, wie sie gerade gestern wieder aus Bayern in die Diskussion geworfen wurde. Man gibt das erste Jahr 1 Euro pro Monat, und das soll dann alles privat finanziert werden, und das zweite Jahr 2 Euro und dann bis zu 6 Euro. Aber so kennen wir das ja, das war ja bei der Gesundheitsreform ähnlich, da wurde ja auch jeden Tag eine neue Sau durch das Dorf getrieben!
Priorität soll unserer Meinung nach eine umfassende Strukturreform sein. Die Interessen der Betroffenen müssen konsequent im Mittelpunkt stehen. Diese brauchen keine Standardleistungen im Minutentakt, sondern flexible und individuelle Hilfe. Überforderte Angehörige brauchen wirksame Entlastung, um Pflege und Beratung vereinbaren zu können.
Ein Baustein kann eine Pflegezeit sein, wie zum Beispiel die Elternzeit, doch auch vor und während und nach dieser Pflegezeit brauchen Angehörige praktische Unterstützung. So muss etwa der Pflegedschungel rigoros gelichtet werden. Dafür könnten unserer Meinung nach fest verankerte Casemanagerstrukturen das richtige Mittel sein, um im Einzelfall Orientierung und eine passgenaue Versorgung zu sichern. Übrigens in Japan, das ja schon länger mit diesem Problem zu kämpfen hat, hat man damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Man hat dort private Casemanager für die Pflege eingeführt. Diese arbeiten nach festen Qualitätskriterien, und das hat sich, so hört man, im Pflegebereich sehr gut bewährt.
Nötig ist auch eine unabhängige Pflegeberatung, um Rat für spezifische Probleme zu erhalten, die gibt es zwar schon zum Teil, aber die muss hier in Bremen stärker ausgebaut werden. Wir brauchen funktionierende Versorgungsnetzwerke. In diesen Versorgungsnetzwerken sollten die Akteure, zum Beispiel die Pflegekassen, die Pflegedienste, das Ehrenamt, die Betroffenenverantwortung, die Dienstleistungszentren und so weiter, zusammenarbeiten.
Nicht zuletzt müssen wir aber auch den Verbraucherschutz und die Transparenz im ambulanten Pflegebereich stärken, denn es muss ohne große Probleme möglich sein, Preise und Leistungen der Einrichtungen oder Pflegedienste zu vergleichen. Kurzum, wir brauchen Phantasie für die neue Pflege! Wir hoffen auf eine umfassende Strukturreform in der Pflege
Herr Kollege Schmidtmann, Sie haben ganz oft die Bundespolitik erwähnt und die Bemühungen, die finanzielle Lage im Bereich der Pflege zu verbessern. Darin stimmen wir alle überein, aber ich habe einmal eine Frage an Sie: Hat die über mehrere Jahre von Rot-Grün gestellte Bundesregierung denn jemals versucht, die Pflegesätze zu erhöhen? Ich meine, Sie waren 7 Jahre in der Verantwortung als Bündnis 90/Die Grünen mit der SPD. Meine Frage ist: Haben Sie jemals ernsthaft versucht, gab es gesetzgeberische Initiativen, die Pflegesätze bedarfsdeckend zu erhöhen? Da kann es nur Ja oder Nein geben!