Protocol of the Session on February 22, 2007

Herr Grotheer, vielleicht waren Sie etwas skeptisch, ob das alles so gut und schnell gehen könnte, aber ich glaube, diese Skepsis war in diesem Fall nicht angebracht. Die einzelnen Verbesserungen, die Sie vorgetragen haben, haben unsere volle Unterstützung, und ich will sie auch im Einzelnen nicht alle wiederholen.

Ich möchte nur auf einen Punkt eingehen: Ich begrüße sehr, dass die Koalition in Berlin einen Vorschlag des Bundesrats aufgegriffen und die Nebenklage im Jugendstrafverfahren eingeführt hat. Dies war auch ein zentrales Anliegen der Opferschutzverbände und des Deutschen Juristentages im Jahr 2002 und garantiert dem Opfer im Verfahren gesetzlich verankerte und umfassende Rechte, die jetzt weitergehend sind, als dies im Entwurf der Ministerin vorgesehen war. Insgesamt, denke ich, sind die Verfahren für die Verletzten mit den neuen Regelungen erheblich erleichtert worden und entlasten die Opfer.

Im Anschluss an die Diskussion von heute Morgen, liebe Frau Wargalla, darf ich noch einmal daran erinnern, vielleicht überdenken Sie das mit dem offenen Vollzug als Regelvollzug noch einmal, denn gerade ein ausgewogenes Verhältnis oder ein Nebeneinander von offenem und geschlossenem Vollzug ist natürlich auch ein Opferschutz.

Die CDU-Fraktion, darauf möchte ich bei dieser Gelegenheit hinweisen, hat sich auch in ganz anderen Bereichen für den Schutz der Betroffenen eingesetzt. Auf Initiative der CDU zum Beispiel ist der strafrechtliche Schutz von Stalking-Opfern eingeführt worden und aktuell beraten wir, auch auf unsere Initiative hin, im Rechtsausschuss, wie man die Prävention vor Sexualstraftaten, -straftätern in Bremen verbessern kann, auch dies soll natürlich dem Opferschutz dienen.

Ich darf bei der Gelegenheit auch an Verbände und Organisationen erinnern, die sich in ganz besonderer Weise um die Opfer kümmern und die unsere Unterstützung und Anerkennung noch mehr brauchen, als wir es bisher vielleicht getan haben. Ich darf in diesem Zusammenhang beispielhaft den Verein Schattenriss nennen, der sich um Frauen und Mädchen kümmert, die Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind. Schattenriss mag exemplarisch stehen für viele andere gleich wichtige und gleich gut funktionierende Organisationen.

Trotz all dieser Bemühungen, da gebe ich allen hier im Hause recht, die das mittragen, werden wir den Opferschutz auch in der Zukunft nicht aus den Augen verlieren. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Tittmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Güldner, von

einem Doktor muss man doch zumindest erwarten können, dass er wenigstens richtig lesen kann! Darum verstehe ich auch nicht, wie Sie auf diese wahnsinnige Idee kommen konnten, dass auf unseren Aufklebern „Türken nach Istanbul“ stehen würde oder könnte. Das ist natürlich falsch!

(Glocke)

Auf den Aufklebern steht der Spruch der größten türkischen Zeitung „Hürriyet“ von Seite eins: „Türkei den Türken!“ Wir haben ergänzt: „Und Bremerhaven den Deutschen!“

Herr Abgeordneter Tittmann, ich bitte, die parlamentarischen Regeln zu beachten und hier zum Thema zu sprechen! Es geht um den Punkt „Mehr Rechte für Opfer“!

(Beifall)

Wenn ich persönlich angegriffen werde, dann muss es mir auch gestattet sein, dass ich mich dagegen wehre! Wenn Sie das nicht zurücknehmen – –.

Herr Abgeordneter Tittmann, Äußerungen der Präsidentin werden erstens nicht kommentiert, und zweitens gibt die Geschäftsordnung andere Möglichkeiten vor, wenn Sie sich persönlich beleidigt fühlen, aber nicht heute und hier zum Tagesordnungspunkt 18 „Mehr Rechte für Opfer“!

(Beifall)

Ja, klatschen Sie ruhig, schütteln Sie die Köpfe, dann weiß ich, dass ich recht habe und Sie nichts verstanden haben! Meine Damen und Herren, Ihre Große Anfrage „Mehr Rechte für Opfer“ ist meines Erachtens an Scheinheiligkeit kaum noch zu überbieten! An dieser Alibischeinanfrage „Mehr Rechte für Opfer“ können unsere Bürgerinnen und Bürger deutlich erkennen, dass in diesem Jahr wichtige Wahlen sind und dann, wie so oft nach den Wahlen, wieder alle leeren Versprechungen vergessen sind. Laut Aussage des SPD-Vizekanzlers Müntefering darf man Sie ja nicht einmal mehr an Ihren Wahlaussagen messen.

Meine Damen und Herren, ich habe nachweislich im Namen der Deutschen Volksunion schon in vielen diesbezüglichen Debatten mit Zahlen, Fakten und anhand unzähliger Beispiele lauthals deutlich bewiesen, dass in sehr vielen Fällen die Täter mehr Rechte als die armen Opfer haben. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass ich bei einigen diesbezüglich gemachten Aussagen von etablierten Politikern – und hier insbesondere von gefühlsduseligen Aussagen, ja, man kann sogar schon von unverantwortlichen,

tränenreichen, gefühlsduseligen Auswüchsen sprechen –, einigen Abgeordneten vom Bündnis 90/Die Grünen der Meinung bin, dass es ihnen in den meisten Fällen mehr um Täterschutz als um Opferschutz geht. Da unterscheiden wir uns doch sehr deutlich! Der Deutschen Volksunion geht es nur in erster Linie rigoros und uneingeschränkt um viel mehr Rechte für die Opfer als um gefühlsduselige Rechte für die Täter. Das heißt ganz klar und eindeutig: Opferschutz vor Täterschutz!

Sie schreiben hier völlig zu Recht, mit dem am 1. September 2004 in Kraft getretenen Opferschutzrechtsreformgesetz sind die Verfahrensrechte von Kriminalitätsopfern in Strafverfahren gegen erwachsene Täter gestärkt worden. So wurde die Informationspflicht gegenüber Opfern erheblich ausgebaut. Beispielsweise werden sie bereits im Ermittlungsverfahren über ihre Rechte informiert und so weiter. Da ich ja leider nur 5 Minuten Redezeit habe, werde ich mich diesbezüglich in einigen DVU-Anträgen noch ausführlicher darüber äußern.

Das hört sich im ersten Moment ja alles sehr gut an, reicht aber für mehr Rechte für Opfer bei Weitem noch lange nicht aus. Dieses Opferrechtsreformgesetz ist ein billiges, schaumschlägerisches Opferrechtsreformgesetz und sonst gar nichts wie alle gescheiterten, halbherzigen Reformgesetze dieser rotschwarzen Chaosregierung!

Unsere Bürgerinnen und Bürger fragen sich doch schon viel zu lange, und das zu Recht, in was für einer Gesellschaft wir eigentlich leben, wenn zum Beispiel die kleine unschuldige, unendlich lange entführte und grausam missbrauchte Stefanie aus Dresden mit Tränen in den Augen, zitternd, ängstlich und geschockt, öffentlich in den Medien, händeringend, weinend, flehend und traumatisiert bitten muss: Bitte sperrt ihn für immer weg! Das ist ein Skandal sondergleichen! So etwas ist für die Deutsche Volksunion einfach unerträglich und geht schon zu lange!

Viele Bürgerinnen und Bürger fragen sich doch zu Recht: Hätten der grausame, unendliche Missbrauch der kleinen Stefanie und sehr viele unzählige andere Kindesmissbräuche vielleicht verhindert werden können? Hätte man vielleicht das schreckliche, grausame, schmerzvolle unendliche Martyrium der kleinen, geschundenen Stefanie aus Dresden viel schneller beenden oder gar verhindern können, wenn zum Beispiel – wie in den USA – die Namen, Adressen und der Wohnort von verurteilten Kinderschändern, insbesondere der Wohnort von solchen Bestien in der unmittelbaren Nähe von Kindergärten, Kindertagesstätten, Spielplätzen und Schulen ins Internet gestellt worden wären? Das ist eine berechtigte Frage, worüber man vielleicht einmal nachdenken sollte!

Meine Damen und Herren, mehr Rechte für Opfer bedeutet aber auch, mehr rechtlichen Schutz für die Opfer. Aber solange zum Beispiel Kinderschänder und Sexualstraftäter, wie von den etablierten Po

litikern versprochen worden ist, in den meisten Fällen immer noch nicht rigoros für immer – ich meine für immer – weggesperrt werden und solange immer wieder verurteilte Kinderschänder aufgrund eines positiven Gutachtens Hafturlaub, Haftverschonung und Freigang erhalten und sogar vorzeitig aus der Haft entlassen werden, bis dann ein kleines Kind wieder einmal von einem mehrfach vorbestraften Wiederholungstäter grausam geschändet und umgebracht wird, solange in Deutschland politisch nichts Effektives dagegen unternommen wird, solange spreche ich Ihnen jegliches Recht ab, jemals wieder das Wort „Mehr Rechte für Opfer“ oder „Opferschutz“ in den Mund nehmen zu dürfen!

(Glocke)

Meine Damen und Herren – –. Ja, bitte?

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende!

(Beifall)

Gut, ich komme zum Schluss! Für die Deutsche Volksunion sind die Worte „Mehr Rechte für Opfer“ keine leere populistische Floskel. Für die Deutsche Volksunion sind Opferschutz und mehr Rechte für Opfer eine politische, uneingeschränkte Verantwortung und Verpflichtung. Daran halten wir uns auch!

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Wargalla.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

(Abg. Frau B e r k [SPD]: Frau Präsidentin!)

Ich war gerade ziemlich erschüttert, Herr Tittmann! Ich rate Ihnen, jetzt, während meines Vortrages, nicht hinauszugehen, sondern dem zuzuhören! Ich bin gern bereit, mich mit Ihnen auseinanderzusetzen, Ihnen zu sagen, welche Gesetze Sie alle durcheinandergebracht haben. Was Sie behaupten, ist überhaupt nicht wahr!

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Reden Sie ein- mal mit den Opfern! Reden Sie einmal mit den Opfern, wenn sie noch leben!)

Es wäre vielleicht ganz gut, einmal zuzuhören, was diese Bundesrepublik alles für die Opfer in den letzten Jahren getan hat, was Sie immer noch abstreiten!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich bin richtig aufgeregt, wirklich wahr! Wenn ich das höre, was Sie hier alles behaupten, was hinten und vorne nicht stimmt. Wissen Sie, mir fällt eigentlich nur eine Metapher dazu ein:

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Wo leben Sie eigentlich?)

Die Trommel ist groß, weil sie innen hohl ist!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU – Zuruf des Abg. T i t t m a n n [DVU])

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen einfach, um Ihnen zu zeigen, was wir alles für den Opferschutz getan haben, einmal raten, die Anmerkungen des Senats auf die Antwort zu lesen, denn dort sind wirklich die meisten wirksamen Rechte für die Opfer beschrieben.

Es war die rot-grüne Regierung, die die meisten Rechte zum Opferschutz eingeführt hat, das muss man sagen! 1998 wurde das Zeugenschutzgesetz eingeführt, ein Jahr später die Verankerung des TäterOpfer-Ausgleichs, in der letzten Legislaturperiode das erste Justizmodernisierungsgesetz, das Opferrechtsreformgesetz – Herr Tittmann, es ist nicht von der Großen Koalition, es ist von der rot-grünen Regierung – und das Sexualstrafrecht.

Bei all diesen Gesetzen wurden die Rechte der Opfer von Straftaten verstärkt in den Fokus gestellt, damit dieses Mal wirklich ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. Es gibt nicht nur eine Geldstrafe mehr bei sexuellem Missbrauch. Die Verjährungsfrist für sexuellen Missbrauch beginnt erst mit dem 18. Lebensjahr der betroffenen Kinder. „Minderschwere Fälle“ wurden gestrichen, weil das von den Opfern oft als Verharmlosung empfunden wurde. Strafbarkeitslücken wurden geschlossen, wie zum Beispiel das Anbieten von Kindern im Internet. Kinderpornografie ist keine Bagatelle mehr, das war es vorher! Die Höchststrafe dafür betrug ein Jahr, jetzt sind es fünf Jahre. Selbst der Besitz von Kinderpornografie ist strafbar. Die DNA-Analyse wird bei allen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ermöglicht, das war vorher nicht möglich. Die Sicherungsverwahrung von Heranwachsenden, die nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt wurden, wird in einem eng eingegrenzten Rahmen, das heißt, wenn sie über 5 Jahre verurteilt werden, ermöglicht. Das ist genau das, was Sie hier angeprangert haben, das gäbe es nicht, Herr Tittmann! Das hat alles Rot-Grün auf den Weg gebracht, und es ist gut so!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Opferrechtsgesetz schützt deshalb insbesondere die Opfer von Sexualverbrechen vor mehrfachen

Vernehmungen zum gleichen Gegenstand, damit fiel eine große Belastung für die Betroffenen weg. Den Opfern von Prostitution und Zuhälterei wurden Nebenklagerechte eingeräumt. Eine Nebenklage im Jugendstrafverfahren gegen Heranwachsende wurde möglich gemacht – Heranwachsende sind diejenigen, die zur Tatzeit 18, aber noch nicht 21 Jahre alt waren. Im Strafverfahren gegen Jugendliche wurden die Beteiligungsrechte und die Stärkung der Informationsrechte eingeführt. Es ist möglich, zivilrechtliche Verfahren im Strafverfahren nach dem Erwachsenenrecht geltend zu machen, das sogenannte Adhäsionsverfahren – Herr Grotheer hat erklärt, was das ist –, das alles unter der Ägide der rot-grünen Regierung! Was diese rot-grüne Regierung in ihrer Amtszeit für die Opferrechte auf den Weg gebracht und beschlossen hat, kann sich wirklich sehen lassen, meine Damen und Herren!

Die Große Koalition in Berlin – jetzt komme ich auf die eigentliche Sache – hat mit dem zweiten Justizmodernisierungsgesetz beschlossen, auch die Nebenklage gegen Jugendliche – die gab es noch nicht, nur gegen Heranwachsende und Erwachsene – und das Adhäsionsverfahren – also das Verfahren, das man gleich zivilrechtliche Ansprüche im Strafverfahren geltend machen kann – auch für die Heranwachsenden zuzulassen. Das gab es bisher auch noch nicht.

Ich denke, alle Fraktionen im Bundestag haben ihre Bedenken vorgetragen, dass diese zwei Punkte auf der einen Seite halbherzig und auf der anderen Seite wahrscheinlich rechtlich nicht möglich sind. Aber sie haben darauf keine Rücksicht genommen. Die Methode von Rot-Grün, nämlich jahrelang verhandeln und auch mit dem Rechtsausschuss immer wieder diskutieren, so, dass viele Parlamentarier auch von der CDU den Gesetzen zugestimmt haben, haben sie leider Gottes diesmal nicht praktiziert, sie haben sie mehr oder weniger durchgepeitscht.

Ich möchte ganz kurz zum Adhäsionsverfahren etwas sagen: Wir haben es noch nicht sehr lange, das heißt, wir wissen also nicht, ob es sich bewährt hat. Man hätte es vielleicht erst einmal auswerten sollen, man hätte überlegen sollen: Vielleicht muss man es besser machen, vielleicht kann man auch irgendetwas weglassen, vielleicht geht das doch irgendwie auf der anderen Seite schneller. Man hätte vielleicht, um den Opfern einen Gefallen zu tun, sagen müssen: Wir überprüfen es, wenn sich wirklich herausstellt, dass es ein gutes Mittel ist, dann machen wir es auch für die Heranwachsenden. Meiner Meinung nach war das zu schnell, wir müssen abwarten, ob es greift, wie es gedacht ist.