Ich sage einmal so: Der Grundsatz ist, dass wir schauen müssen gerade bei Jugenddelinquenz, gerade an Schulen, wo sich uns ein auch relativ breites Podium bietet, wie können wir es schaffen, dass Vergehen von Jugendlichen nicht einfach von irgendeinem Erwachsenen geahndet werden, und dann ist es gut, sondern wie können wir den Jugendlichen das Gefühl geben, dass sie bei Konflikten, die in ihren Schulklassen beispielsweise entstehen, an der Lösung dieser Probleme, an der Lösung dieser Konflikte auch selbst beteiligt sind und dass sie an Wiederherstellung von Gerechtigkeit, zumindest der Täter und das Opfer, mitbeteiligt sind und dass das nicht von übergeordneten erwachsenen Stellen ihnen aufoktroyiert wird, was zu geschehen hat.
Diesen Gedanken von Partizipation teilen wir und finden wir richtig. Aber man muss ganz genau darauf achten, weil es eben ein sehr heikles Thema ist, mit dem man sich auseinanderzusetzen hat, wie man das macht. Ich glaube, man kann auch den Einwand des Senats nicht vom Tisch wischen, dass Jugendstrafsachen generell nicht öffentlich zu verhandeln sind. Das heißt, es geht nicht, dass es dann am Ende eine große Schulversammlung gibt, und dann sitzen da vorne drei, vier jugendliche Richter, und diese entscheiden dann irgendetwas, sondern diese Probleme müssen wir im kleinsten Kreis lösen, aber wir müssen sie eben so lösen, dass die Jugendlichen das Gefühl bekommen, dass sie da eine Rolle mitspielen
Das, was wir bislang haben an Instrumenten, den Täter-Opfer-Ausgleich, die Sreitschlichter, die AntiStress-Programme, das alles wird ja auch in der Antwort des Senats genannt, das sind unserer Meinung nach schon sehr gute Ansätze, bei denen man sich auch überlegen muss, ob man überhaupt noch weitere braucht. Meine Kollegin Anja Stahmann nennt das gern Maßnahmen-Hopping. Das kennen wir im Bildungsbereich mitunter, das kennen wir auch im Sozialbereich, dass man immer neue Programme auflegt, ohne eigentlich damit den Kern des Problems zu berühren.
Wir müssen uns also überlegen, ob wir mit dem, was wir bisher an Programmen haben, nicht schon relativ viel erreichen können, denn können wir die nicht vielleicht noch ein bisschen verbessern? Aber müssen wir nicht einfach ganz grundsätzlich über die Finanzierung reden? Müssen wir nicht darüber reden, dass in Bremen-Nord mittlerweile die WiN-Mittel ausgelaufen sind, mit denen da der Täter-OpferAusgleich finanziert wurde? Müssen wir nicht darüber reden, dass wir das, was wir im Moment schon an guten Programmen haben, einfach nicht überall gewährleisten können, weil nicht entsprechendes Geld im Haushalt steht? Ich finde, das ist ein ganz zentrales Problem, wenn wir über dieses Thema heute hier reden.
Es wird ja auch in dieser Anfrage darüber geredet, inwieweit man dann die Schüler entsprechend fortbilden könnte für diese Teen-Courts. Ich glaube, es wäre auch ganz sinnvoll, überhaupt einmal Fortbildung anzubieten. Es muss dann gar nicht auf dieses neue Instrument der Teen-Courts hinauslaufen, aber ich glaube, dass generell die Möglichkeit, dass für Schulklassen Fortbildungsmaßnahmen in Stressprävention und so weiter angeboten werden, uns auch helfen könnte. Ganz grundsätzlich muss man sich ja eines immer vor Augen halten: Schüler in einer Schulsituation, in einer Klassensituation haben nur sehr schwer die Möglichkeit, einander aus dem Weg zu gehen, nachdem einmal etwas passiert ist. Die einzigen Möglichkeiten, die sich da bieten würden, wären, entweder verlässt der Täter oder das Opfer die Schule.
Das ist aber beides irgendwie nicht schön, und es wäre wünschenswert, es so zu lösen, dass sich beide Seiten dann noch halbwegs in die Augen schauen und miteinander weiter im Unterricht zusammenarbeiten können. Das muss eigentlich das Ziel sein. Deshalb haben wir da auch noch ein Stück weit eine andere Situation, als wenn es um Straftaten geht, die
irgendwo im Straßenverkehr passieren oder so. Da sehen sich Täter und Opfer danach nicht so schnell wieder. Wir müssen also ganz genau darauf achten, dass wir da, auch vor dem Hintergrund von Bildungspolitik, nämlich wer Angst hat, der kann nicht gut lernen, ganz zentral aufgefordert sind, Konflikte besser zu lösen, Konflikte so zu lösen, dass das Klassenklima davon profitiert und dass das auch ein Aspekt von Bildungspolitik ist. In diesem Sinne bedanke ich mich.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herrn! Das Projekt TeenCourt ist ein Anliegen gewesen, das meine Vorgängerin Catrin Hannken schon vor drei Jahren verfolgt hatte. Leider ist eine entsprechende Initiative damals nicht zu einen gewesen, und umso erfreuter bin ich daher, dass unser Koalitionspartner nun diese Initiative auf den Weg gebracht hat nach dem Motto lieber spät als nie.
Aber nun zum Inhalt unseres nunmehr gemeinsamen Anliegens! Jugendkriminalität nimmt leider ständig zu, und umso wichtiger wird natürlich auch die Bekämpfung des Fehlverhaltens von Jugendlichen. Dort, wo die Familien keinen geeigneten Einfluss auf ihre Kinder nehmen, sind wir gefordert, nach neuen Ebenen zu suchen, um der Jugendkriminalität zu begegnen. Es ist hier schon diskutiert worden, erster Ansprechpartner ist bei dieser Gelegenheit die Schule. Der Senat gibt eine ausführliche Antwort auf die Frage, welche Initiativen die Schulen auf den Weg gebracht haben, um Kinder stark zu machen und um sie nicht auf die schiefe Bahn geraten zu lassen.
Es gibt eine Vielzahl von Projekten, und, sehr geehrter Herr Crueger, es gibt gerade auch Lehrerfortbildungsmaßnahmen in umfangreichem Maße, es gibt Sozialtraining, es gibt Mediation und das Lions-QuestProgramm „Erwachsen werden“. All diese Projekte sind gut und sinnvoll, und ich danke bei dieser Gelegenheit allen Akteuren, die sich dieses Themas sehr engagiert angenommen haben. Herr Grotheer hat dazu ausführlich berichtet, dem ist nichts hinzuzufügen.
Ich möchte mich daher heute und hier auf das Thema Teen-Courts beschränken, und, sehr geehrter Herr Crueger, es wundert mich nicht, dass Sie heute auf der Seite des Senats kämpfen. Der Wahlkampf hat ja nun irgendwie begonnen. Ich habe das Gefühl, früher hätten Sie eher auf unserer Seite gestanden, auch wenn ich mir Ihre Argumente hier eben angehört habe. Es scheint eine Grundsatzfrage bei Ihnen zu sein.
Die Idee Projekt „Teen Court“ ist, das wurde schon gesagt, in anderen Bundesländern bereits umgesetzt
worden, und zwar in vier Städten in Bayern, aber genauso auch in Wiesbaden und in Siegen und seit letztem Jahr auch in Hamburg. Geplant ist dies in Frankfurt und in Bielefeld. Bei dieser breiten Palette von Interessenten, die dieses Projekt umsetzen wollen, habe ich die ablehnende Haltung in der Antwort des Senats auch nicht verstanden. Es wäre also gut, wenn der Senat sich damit beschäftigen würde, dass dieses Projekt inzwischen weit über Bayern hinausgeht.
Wie dieses Konzept funktionieren soll, hat Herr Grotheer eingangs dargestellt. Es ist ein Projekt, das natürlich auf die Beziehungen anspricht, die Jugendliche untereinander haben, und es ist auch an ganz klare Vorgaben gebunden. Gibt es keine Einigung in diesem Teen-Court, ist die Staatsanwaltschaft wieder am Zug, und sie kann nach Paragraf 45 Jugendgerichtsgesetz entweder von der Strafverfolgung absehen oder aber das Verfahren weiterverfolgen. Insofern sind die Instrumente ziemlich klar.
Es ist natürlich schon eine spannende Frage, ob es gelingt, Jugendliche eher auf einen guten und rechtmäßigen Weg wieder zurückzubringen, wenn altersgleiche junge Leute mit ihnen reden, ihnen auch das Unrecht ihrer Tat versuchen klarzumachen. Nun sagt uns der Senat, und, Herr Crueger, Sie sagten das eben auch, die Opfer würden nicht mit einbezogen. Ich sage Ihnen dazu, erstens sollen die Jugendlichen ja gerade Wiedergutmachung lernen und leisten, und zweitens könnte man ja darüber nachdenken, ob man nicht auch eine bremische Lösung konzipieren könnte, bei der die Opfer mit einbezogen werden, und drittens, denke ich, nützt es den Opfern, wenn es gelingen sollte, Jugendliche wieder auf den rechten Weg zu bringen und damit von weiteren Taten abzuhalten.
Die ersten Erkenntnisse aus den eben genannten Städten signalisieren eine geringere Rückfallquote im Rahmen einer Teen-Court-Entscheidung als bei den herkömmlichen Strafverfahren. Entsprechendes ist auch aus den USA zu hören, obwohl dort das Verfahren etwas anders aussieht. Der Justizsenator begründet seine ablehnende Haltung auch damit, dass es genügend präventive Maßnahmen gebe. Das TeenCourt-Projekt ist kein oder nur am Rande ein präventives Projekt, sondern es soll eingehen auf gerade schon geschehene Straftaten, also auf Delinquenten. Ich glaube, ein solches Projekt, das Jugendliche wieder auf den rechten Weg versucht zurückzuholen, wenn sie eine Straftat begangen haben, gibt es bisher so nicht.
Der Justizsenator sieht auch rechtspolitische Probleme. Diese Probleme scheinen in anderen Städten Teen-Courts nicht aufgehalten zu haben. Schließlich kommt die Kostenfrage. In Aschaffenburg zum Beispiel hängt das Projekt an dem Verein Hilfe zur Selbsthilfe, und andere Städte gehen ähnliche Wege. Ich denke, dass man auch in Bremen keinen neuen Träger und auch keine neuen Einrichtungen für einen TeenCourt braucht, und man könnte Kosten sparen, indem man auch hier diesen Weg geht, eine andere
Immerhin hat der Senat signalisiert, prüfen zu wollen, ob weitere neue Diversionskonzepte erforderlich sind, und ich würde mich freuen, wenn dieser Überprüfung dann ein Bericht im Rechtsausschuss folgen würde. Ich möchte für die CDU-Fraktion dafür werben, dass in diese Prüfung die vorhandenen Konzeptionen der Teen-Court-Entwicklung, insbesondere in Hamburg, einbezogen werden. Ich darf die Hamburger Schulsenatorin mit Genehmigung des Präsidenten zum Teen-Court zitieren: „Kriminalität an Schulen ist kein Grund zum Resignieren, sondern zum Handeln. Genau das machen wir mit dem neuen Projekt, es flankiert unsere Streitschlichterprojekte an den Schulen.“ Und der Justizsenator: „Unser Ziel ist es, kriminelle Karrieren frühzeitig zu unterbinden. Mit den Teen-Courts wollen wir den direkten Draht nutzen, den Jugendliche zu ihren Altersgenossen haben. Eine Missbilligung durch Schulkameraden kann mehr bewirken als der erhobene Zeigefinger eines Erwachsenen.“
In diesem Sinne hoffe ich, dass wir im Rechtsausschuss mehr Positives zu diesem Projekt hören. – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind uns in der Sache einig, je früher und je wirksamer kriminalpräventive Maßnahmen einsetzen, desto größer ist die Chance, die Entwicklung krimineller Karrieren von Kindern und Jugendlichen von vornherein zu verhindern. Das liegt nicht nur im Interesse der betroffenen jungen Menschen, ich glaube, es ist ein gesellschaftliches Anliegen. Im Lande Bremen haben wir das früh erkannt. Seit vielen Jahren existiert in Bremen und Bremerhaven ein engmaschiges, wirksames Netz präventiver Projekte. Wir haben dies in der Ihnen vorliegenden Antwort des Senats ausführlich dargestellt.
Sie alle leisten hervorragende Arbeit, dies gilt gleichermaßen für Polizei und Staatsanwaltschaft, für die Jugend- und Bildungsbehörden und nicht zuletzt für die in diesem Bereich tätigen freien Träger. Für neue Ideen sind wir immer offen. Der Senat ist bereit, jede Anregung kritisch und konstruktiv dahin zu überprüfen, ob ein Zugewinn an präventiver Wirkung zu erzielen ist. Die für ein neues Projekt einzusetzenden Mittel sollten dann kein Hindernis sein, wenn der Aufwand zum erzielten Erfolg in einem vernünftigen Verhältnis steht und andere bewährte Maßnahmen nicht darunter zu leiden haben.
Der Senat ist deshalb auch grundsätzlich bereit, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und zu über
prüfen, wie die weitere Entwicklung sich insbesondere dann am Beispiel Aschaffenburg darstellt. Wir haben aber auch sehr deutlich gemacht, dass wir das nicht einfach so unbesehen übernehmen. Die Frage, ob wirklich die Opferinteressen hier hinreichend bedacht werden, steht im Mittelpunkt unserer Kritik, wir sind da offen. Es kann sein, es muss nicht so sein. Bisher war es auch ein hohes Anliegen des Senats gewesen, gerade den Wert der Einbeziehung der Opfer zu betonen.
Wir werden deshalb die Untersuchungen auswerten und schauen, ob diese Maßnahmen so sind, dass wir sie auch in Bremen übernehmen können. Ich glaube, man sollte nicht sagen, das alles wird nichts kosten und kann im Rahmen unserer bestehenden Projekte nahtlos mit eingebaut werden. Zurzeit haben wir das Problem, dass wir darum kämpfen, die Projekte, die wir seit einigen Jahren hier in Bremen haben, auch zukünftig dauerhaft unterhalten und finanzieren zu können. Insofern muss man auch eine Abwägung treffen zwischen dem, was wir haben, und dem, was wir möglicherweise noch finanzieren können.
An dieser Frage wird sich kein Koalitionsstreit entzünden, zumal die Übereinstimmung in der Sache mit den Grünen bei mir nur temporärer Natur ist.
Die Koalitionsfrage werden wir damit nicht verbinden, und wir werden alles ganz entspannt weiter begleiten können. Wenn sich wirklich herausstellen sollte, dass dies eine sinnvolle Alternative in unserem System ist, warum nicht, dann sollten wir es aufgreifen, aber ich glaube, dass der Zeitpunkt dafür heute noch nicht gekommen ist. – Danke schön!
Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 16/1253, auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU Kenntnis.
Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen. Herr Senator, Sie werden darauf verzichten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bildung der Persönlichkeit als Leitbild für die Schulen im Lande Bremen ist zugegebenermaßen die etwas umständliche Überschrift zu einer wichtigen bildungspolirischen Debatte, was wird eigentlich in den Schulen in Bremen und Bremerhaven gelehrt und gelernt. Die CDU hat zu dieser umfangreichen Thematik Fragen an den Senat gestellt, deren Beantwortung wir heute debattieren, und ich habe die Hoffnung, dass sich auch unser Koalitionspartner, der sich leider bei der Fragestellung entzogen hatte, zumindest an der Debatte beteiligen wird.
In den vergangen Jahren hat diese Koalition viele bildungspolitische Altlasten entsorgt. Bildungspolitische Experimente und Alleingänge, die Bremen im Pisa-Länderranking auf den letzten Platz gebracht haben, wurden beendet. Ein System mit klarer Durchlässigkeit und durchgängigen Bildungswegen löst das alte Stufenschulsystem ab. Bildungsstandards und zentrale Abschlüsse sorgen für die schulische Qualität, die die Schülerinnen und Schüler in Bremen und Bremerhaven zu Recht erwarten dürfen und die ihnen lange vorenthalten wurde.
Bildung ist mehr als Wissen allein! Diese Aussage ist nicht erst seit Pisa 2000 neu. Mit einer neuen Lehrerausbildung und umfangreichen Maßnahmen zur Fort- und Weiterbildung, neuen Lehrplänen und Standards sollen Lernkompetenzen bei den Schülerinnen und Schülern verankert werden, die eine geeignete Grundlage für ein lebenslanges Lernen bilden.
Grund der Anfrage der CDU und damit der heutigen Debatte ist der Teil des Lernens in den Schulen, der wesentlich ist, der über die Kompetenzen hinausgeht, nämlich die Frage des Wissens. Bildung muss im 21. Jahrhundert mehr sein als das Aneignen von Kompetenzen und Lernmethoden, genauso, wie Bildung im 20. Jahrhundert mehr war als nur die Frage des Wissens. Es geht um die Kombination. Zur Bildung gehört die Vermittlung einer sprachlichen, kulturellen, staatsbürgerlichen, historischen, ästhetischen, musischen, ethischen, moralischen und religiösen Grundbildung. Der ganzheitliche Bildungsbegriff von Wilhelm von Humboldt, auf den sich der Senat in seiner Antwort dankenswerterweise beruft, der ergänzt wird, nicht ersetzt wird durch die Bildungsziele der UNESCO, ist Grundlage für eine umfassende ganzheitliche Bildung, wie wir sie anstreben. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.