Protocol of the Session on January 24, 2007

Grund der Anfrage der CDU und damit der heutigen Debatte ist der Teil des Lernens in den Schulen, der wesentlich ist, der über die Kompetenzen hinausgeht, nämlich die Frage des Wissens. Bildung muss im 21. Jahrhundert mehr sein als das Aneignen von Kompetenzen und Lernmethoden, genauso, wie Bildung im 20. Jahrhundert mehr war als nur die Frage des Wissens. Es geht um die Kombination. Zur Bildung gehört die Vermittlung einer sprachlichen, kulturellen, staatsbürgerlichen, historischen, ästhetischen, musischen, ethischen, moralischen und religiösen Grundbildung. Der ganzheitliche Bildungsbegriff von Wilhelm von Humboldt, auf den sich der Senat in seiner Antwort dankenswerterweise beruft, der ergänzt wird, nicht ersetzt wird durch die Bildungsziele der UNESCO, ist Grundlage für eine umfassende ganzheitliche Bildung, wie wir sie anstreben. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Das bedeutet auch, dass die Persönlichkeitsbildung der Schülerinnen und Schüler durch die Schulen gefördert wird und der Unterricht nicht mehr nur der klassische Frontalunterricht sein wird, sondern den Schülern Raum für eigenständiges Arbeiten ermöglicht. Insbesondere auch durch den Bremer Orientierungsrahmen Qualitätsentwicklung soll so die Arbeit in den Schulen auf ein neues Niveau gehoben werden. Mit der Einführung von regelmäßigen Vergleichsarbeiten und zentralen Abschlussprüfungen in allen Schularten ist im Lande Bremen die Grundlage geschaffen worden, um auch über das zu reden, was als kultureller Grundbestand unserer Gesellschaft durch die Schulen tradiert werden soll und damit als verbindlich gelten soll.

Es muss wieder über konkrete Fächer und Inhalte geredet werden. Hier ist die Senatsantwort leider ausweichend. In der Vergangenheit versickerten Inhalte im Beliebigen. Beliebigkeit war das große Problem bremischer Schulpolitik der Achtziger- und frühen Neunzigerjahre. Um es klar zu sagen: Ich wende mich ganz deutlich gegen die Vorstellung, nur die Bildung sei wichtig und sinnvoll, die sich im Sinne einer Kosten-Nutzen-Rechnung ökonomisch verwerten lässt. Schulpolitik kann nicht der Ersatz für Defizite in der Sozialpolitik, der Arbeitsmarktpolitik oder der Familienpolitik sein. Bildungsdefizite führen zu solchen Problemen.

(Beifall bei der CDU)

Bildung ist kulturelle Teilhabe, die Fähigkeit zum Selbstdenken und zum Transfer, zur begründeten Argumentation und zum eigenen Standpunkt. Bildung ist die Voraussetzung für Freiheit. Für Bildung und Erziehung ist Freiheit die Chance zur Verwirklichung von Persönlichkeit. Egalitäre Politik oder Erziehung dagegen schränken Individualität ein. Bildung und Erziehung haben deutlich zu machen, dass die größte Gefahr, die Gleichheit mit sich bringt, die ist, dass der Mensch in der Gleichheit die Fähigkeit zum selbstständigen Denken und zum Handeln verliert. Gerade diese Frage müssen wir als Politik immer beachten, wenn wir über Bildungschancen reden und über die Aufgabe, die der Bildungspolitik dabei zukommt.

Wissen ist Macht! Nichts wissen macht auch nichts, ist ein unter Schülern immer noch gern verbreitetes Motto. Ohne Wissen kann es aber keine Bildung und keine Identität geben. Deshalb ist es auch im Jahr 2007 nicht überholt, die Debatte um einen Bildungskanon zu führen. Die Antwort des Senats ist hier nach Auffassung der CDU-Fraktion ausweichend. Allein der Hinweis auf die neuen Bildungspläne reicht nicht aus, um dem neuen umfassenden Bildungsbegriff Rechnung zu tragen. Schule und Unterricht brauchen klare Fächer und Inhaltsstrukturen, denn solche Strukturen erleichtern die Orientierung in einer Flut an Informationen. Wir leben in einer Wissens-, keiner Informationsgesellschaft.

Die Wissenschaften und die Unterrichtsfächer untergliedern sich in Einzelbereiche, die nicht umsonst Disziplinen heißen. Eine notwendige und ernst gemeinte Debatte um einen solchen Bildungskanon muss sich an folgenden Bereichen orientieren, die die verschiedenen Zugänge zur Aneignung und Gestaltung repräsentiert: Das ist der Bereich Sprache und Literatur in der Muttersprache – also hier deutsch –, die Fremdsprache, Mathematik, Naturwissenschaften, Geschichte, Geografie, Politik, Wirtschaft, Religion, Ethik, Philosophie, Kunst und Musik sowie der Sport.

Politik, Pädagogik und Didaktik müssen konkret Antwort geben, welches Wissen Schule dem Schüler über sich selbst, welches Wissen Schule über das Verhältnis zu anderen und welches Wissen Schule über die Welt zu vermitteln hat. Dieses Wissen muss mit schulformspezifischer Ausrichtung systematisch aufgebaut und vermittelt werden. Ein solches Verständnis von Bildung eröffnet die Fähigkeit zu lebenslangem Lernen und zu lebenslanger Aufgeschlossenheit für neue Erkenntnisse und Herausforderungen.

Meine Damen und Herren, darum halten wir es für notwendig, dass im Sinne einer fachlichen Qualifikation, mit einer gewollten kulturellen Teilhabe die nachfolgenden Punkte beispielhaft Einzug halten in einen Bildungskanon, den wir nachträglich fordern: das aktive Verfügen über einen umfassenden, muttersprachlichen und fremdsprachlichen Wortschatz, das Beherrschen formaler Regeln der Muttersprache und einer oder mehrerer Fremdsprachen, das Einmaleins, Prozentrechnen und grundlegende mathematische Formeln, die wichtigsten Gesetze der Physik und Chemie, die wichtigsten Elemente sowie die häufigsten Gattungen in Botanik und Zoologie, umfassende topografische Kenntnisse zu allen Kontinenten, die großen Konstanten europäischer Kulturgeschichte, zentrale Werke der Literatur, bildenden Kunst und Musik, die Grundsätze des freien Rechtsstaats und der Demokratie sowie die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft und berufliche Realitäten.

Darüber hinaus müssen auch curricular Inhalte festgelegt werden, zum Beispiel die Frage der Individualität und Unvollkommenheit, Sprache und Denken, Freiheit und Verantwortung, Eigenverantwortung und Subsidiarität, aber auch Friedfertigkeit und Rechtstreue. Diese Punkte, meine Damen und Herren, sind für eine umfassende Bildung unverzichtbar und müssen nach Jahrgängen und Schulform differenziert, aber für die Lernenden und Lehrenden nachvollziehbar in die Bildungs- und Lehrpläne Einzug halten. Ich möchte das zum Beispiel an der vierten Klasse festmachen, da muss klar geregelt sein, was ein Schüler und eine Schülerin am Ende der vierten Klasse beherrschen muss, damit er oder sie dann in die Klasse fünf versetzt werden kann.

Es kann nicht sein, dass Bildungsdefizite fortgeführt werden. Es muss so sein, dass wir hier in Bremen eine klare Grundlage dessen bekommen, was Schülerin

nen und Schülern vermittelt werden muss, damit diese ihren Bildungsweg erfolgreich weitergehen können. Es soll nicht so weit gehen, weil ich die Einwände ja schon kenne, dass wir einzelne Wörter beim Wortschatz festlegen, so wie das andere Bundesländer zwar sehr erfolgreich, aber auch sehr umfangreich und umständlich machen. Es muss auch in Bremen möglich sein, dass wir klare Regelungen haben, und dies nicht aus einem Anfall von Bürokratie heraus, sondern damit man einen transparenten Einblick in ein Bildungssystem bekommt, in dem der Abschluss etwas wert ist!

Das Problem war doch, meine Damen und Herren, dass wir hier in der Vergangenheit Defizite hatten. Für die CDU ist dies ein wichtiges Thema, wir werden es in den nächsten Monaten, über die Legislaturperiode hinaus hier im Haus behandeln und werden dieses Thema vorantreiben, und ich hoffe sehr, dass wir dabei auch Ihre Unterstützung bekommen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat die Abgeordnete Frau Kauertz das Wort! – Bitte, Frau Kollegin!

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke, es wird gleich deutlich werden, warum sich die SPD-Fraktion dieser Großen Anfrage nicht angeschlossen hat. Ich gestehe auch, dass ich zunächst etwas Mühe hatte zu erfassen, was die Verfasser der Großen Anfrage verfolgen.

(Beifall bei der SPD)

„Bildung der Persönlichkeit als Leitbild für die Schulen im Lande Bremen“, unter diesem Titel läuft die Große Anfrage der CDU. Bildung der Persönlichkeit, das ist etwas Wichtiges! Diese Persönlichkeitsentwicklung zu fördern und zu unterstützen, das habe ich, das hat die SPD-Fraktion bisher allerdings als selbstverständlichen Auftrag aller erachtet, die mit der Betreuung, Erziehung, und Bildung von Kindern und Jugendlichen zu tun haben.

(Beifall der SPD)

Wenn ich nun höre, dass diese Bildung der Persönlichkeit als Leitbild für die Schulen im Lande Bremen in dieser Anfrage besonders herausgestellt wird, dann stellt sich mir die Frage, wie es im Lande Bremen aktuell um die Bildungs- und Erziehungsziele bestellt ist. Ich habe nachgelesen, es gibt nämlich etwas unter Paragraf 5 des Bremer Schulgesetzes. Dort ist festgeschrieben, dass schulische Bildung und Erziehung ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

den allgemeinen Menschenrechten, den im Grundgesetz und in der Landesverfassung formulierten Werten sowie den Zielen der sozialen Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit verpflichtet sind.

Es heißt, die Schule hat gemäß Satz 1 den Auftrag, gefährdenden Äußerungen religiöser, weltanschaulicher oder politischer Intoleranz entgegenzuwirken. Die Schule soll insbesondere erziehen, so steht es im bestehenden Schulgesetz, erstens zur Bereitschaft, politische und soziale Verantwortung zu übernehmen, zweitens zur Bereitschaft, kritische Solidarität zu üben. Die Schule soll erziehen zur Bereitschaft, sich für Gerechtigkeit, für die Gleichberechtigung der Geschlechter einzusetzten, soll erziehen zum Bewusstsein, für Natur und Umwelt verantwortlich zu sein, und zu eigenverantwortlichem Gesundheitshandeln, soll erziehen zur Teilnahme am kulturellen Lebens, zum Verständnis für Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen und zur Notwendigkeit gemeinsamer Lebens- und Erfahrungsmöglichkeiten. Schule soll erziehen zum Verständnis für die Eigenart und das Existenzrecht anderer Völker sowie ethnischer Minderheiten und Zuwanderer in unserer Gesellschaft und für die Notwendigkeit friedlichen Zusammenlebens. Schule soll erziehen zur Achtung der Werte anderer Kulturen sowie der verschiedenen Religionen, zur Bereitschaft, Minderheiten in ihren Eigenheiten zu respektieren, sich gegen ihre Diskriminierung zu wenden und Unterdrückung abzuwehren.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, lassen wir all das einmal kurz auf uns einwirken! Es ist ein hoher Anspruch, der hier formuliert wird, ein hohes Ziel, das sicher nicht allein durch die Schulen erreicht werden kann, sondern das das Zusammenwirken mit Eltern und anderen Erwachsenen voraussetzt, das unterstützt werden sollte beispielsweise durch Projektformen des Lernens sowie anderer Lernorte.

Damit nicht genug, im Bremer Schulgesetz unter Paragraf 5 Absatz 3 heißt es weiter: „Die Schule hat den Auftrag, Basiskompetenzen und Orientierungswissen sowie Problemlösungsfähigkeiten zu vermitteln, die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft von Schüler und Schülerinnen zu fördern und zu fordern und sie zu überlegtem persönlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Handeln zu befähigen. Die Schülerinnen und Schüler sollen insbesondere lernen, Informationen kritisch zu nutzen, sich eigenständig an Werten zu orientieren und entsprechend zu handeln, Wahrheit zu respektieren und den Mut haben, sie zu bekennen, eigene Rechte zu wahren und die Rechte anderer auch gegen sich selbst gelten zu lassen, Pflichten zu akzeptieren und ihnen nachzukommen, eigene Verhaltensweisen einschätzen und verändern zu können und gegebenenfalls Hilfe anzunehmen, das als richtig und notwendig Erkannte zu tun, Toleranz gegenüber den Meinungen und Lebensweisen anderer zu entwickeln und sich sachlich mit ihnen auseinanderzusetzen. Sie sollen lernen, selbst

kritisch, selbstbewusst zu werden, sollen lernen, ihre Wahrnehmungs-, Empfindungs- und Ausdrucksfähigkeiten zu entfalten, Kreativität und Eigeninitiative zu entwickeln sowie ständig lernen zu können. Sie sollen lernen, eigenständig wie auch gemeinsam Leistungen zu erbringen und den Wert der Gleichberechtigung von Mann und Frau in Geschichte, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft einzuschätzen.“ Ich denke, das ist wirklich eine sehr umfassende und reichhaltige Beschreibung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle hier definierten Bildungsziele, die das Bremer Schulgesetz auf der Grundlage des Artikels 26 unserer Landesverfassung aufführt, zeigen, dass es an den bremischen Schulen um eine Persönlichkeitsentwicklung, um die Entwicklung von Fähigkeiten und Haltungen geht, die erforderlich sind, um das eigene Leben im gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Zusammenhang verantwortlich, kompetent und befriedigend zu gestalten und dabei eine eigene soziale Verantwortung und kulturelle Identität zu entwickeln. Ich freue mich darüber, dass der Senat deutlich hervorhebt, dass der ganzheitlichen Bildung junger Menschen ein hoher Stellenwert beigemessen wird.

(Beifall bei der SPD)

Der Aufschlüsselung des Bildungsbegriffs „Bildung für das 21. Jahrhundert“ vonseiten der UNESCO unter der Federführung von Jaques Delors kann man sich nur anschließen. Kurzgefasst heißt es dort, lernend Wissen zu erwerben, lernen zu handeln, lernen mit anderen zu leben, lernen für das Leben. Gerade wenn es darum geht zu lernen, mit anderen zu leben, wird wohl klar, dass es insbesondere auch um Toleranz, Gerechtigkeit, Selbstständigkeit im Denken und um die Achtung der Wahrheit und der Würde des Menschen geht, um demokratische und rechtsstaatliche Haltungen, und dazu, wir haben es eben vernommen, finden wir im Schulgesetz recht umfassende Bildungsund Erziehungsziele. Diese dort formulierten Ziele mit Leben zu füllen, sie nach besten Kräften und mit Unterstützung aller Beteiligten umzusetzen, ist eine Aufgabe, der sich die Schulen im Land Bremen stellen.

Über die vorgenannten Bildungs- und Erziehungsziele gemäß Bremer Schulgesetz bilden die curricularen Rahmensetzungen aller Schulstufen und Fächer ab, welchen Beitrag die Lernprozesse im jeweiligen Fach zu relevanten Aufgaben der Persönlichkeitsbildung schwerpunktmäßig leisten können. Das Fach Wirtschaft/Arbeit/Technik zum Beispiel unterstützt spezifisch in seiner Orientierung auf bedürfnisgerechte, sozialverantwortliche Lebensgestaltung und gesellschaftliche Teilhabe die Persönlichkeitsbildung und Mündigkeit der Jugendlichen.

Ich sehe es ebenso wie der Senat, ein Leitbild zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung liegt be

reits vor. Die SPD-Fraktion ist der Auffassung, hier muss nicht wirklich etwas neu erfunden werden. Dass die Große Anfrage der CDU mit dem Hinweis auf den Pisa-Schock eingeleitet wurde, hat auch nicht wirklich etwas an dieser Erkenntnis verändert. Vergleichsarbeiten und zentrale Schulabschlüsse sind vielleicht ein Baustein, der dazu beitragen kann, die Qualitätsentwicklung von Schule zu steigern beziehungsweise zu überprüfen. Glücklicherweise heißt es in der Anfrage dann aber auch, dass Bildung mehr ist, als Vergleichsuntersuchungen wie Pisa messen können.

Wenn wir schon im Zusammenhang mit dem Thema Bildung der Persönlichkeit Pisa bemühen wollen, dann vielleicht im Zusammenhang mit der Definition, lernen, mit anderen zu leben, das heißt, Verständnis für die Mitmenschen, für ihre Geschichte, Tradition und geistigen Werte sowie interkulturelles und Generationen übergreifendes Verständnis, um Konflikte gemeinsam und friedlich lösen zu können. Es ist hohes Ziel, mit anderen zu leben, und man lernt es sicherlich am besten, wenn man es mit anderen zusammen lernt. Pisa steht nicht nur deshalb für integratives Lernen. Pisa macht deutlich, dass die frühe Selektion im deutschen Schulsystem für das schlechte Abschneiden unserer Schülerinnen und Schüler in nicht unerheblichem Maß verantwortlich ist.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Wo steht das, Frau Kauertz?)

Das schaffen Sie heute nicht mehr, ich bringe Ihnen das demnächst mit. Die Seitenzahl habe ich nicht im Kopf! Aber ich bringe Ihnen das mit! Das ist versprochen!

Ich wünsche mir jedenfalls, dass wir hier den Erkenntnissen der Pisa-Studie verstärkt Rechnung tragen und etwas mutiger die nötigen Korrekturen vornehmen. Für die Bildung der Persönlichkeit brauchen wir jedenfalls ganz sicher keine Selektierung, keine Persönlichkeitsbildung einerseits für Sekundarschüler, für Haupt- und Realschüler und andererseits für Gymnasiasten, sondern mehr miteinander und voneinander zu lernen.

(Beifall bei der SPD)

Nachdem ich also feststellen konnte, dass der Senat die meisten Fragen positiv beantworten konnte, nachdem wir praktisch feststellen, dass ein Leitbild bereits vorliegt, bin ich mit der Papierlage relativ zufrieden. Etwas anderes ist die Umsetzung im täglichen Leben, da braucht es immer wieder Unterstützung und vor allem auch Vorbilder. Vorbilder können und sollten wir alle sein. Gute Vorbilder sind sicherlich das beste Leitbild. In diesem Sinne schließe ich und danke für Ihr Interesse.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Frau Stahmann das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht so leicht, zu einem abstrakten Thema, das jetzt hier im Haus eine gewisse Abstraktionsstufe erreicht hat, noch einmal einen Bogen zu schlagen, der auch von draußen verstanden wird.

Worum geht es eigentlich an dieser Stelle? Herr Rohmeyer fordert mit dieser Anfrage, dass der Senat sich dafür einsetzt, dass ein Kanon verabredet wird. Ein Kanon soll dazu dienen festzulegen, welche Bildungsinhalte zu welchen Zeitpunkt in einem Schülerleben in sein oder ihr Leben treten sollen, also wann wird Heine gelesen, wie viel Heine wird gelesen? Soll ein Hauptschüler so viel Heine lesen dürfen wie ein Gymnasiast? Soll überhaupt „Der Fänger im Roggen“ in der Hauptschule gelesen werden, oder ist das eher Literatur, die für Gymnasiasten oder Realschüler vorgesehen ist?

Ich finde, darüber kann man trefflich streiten, wenn man sich aufmacht, selbst definieren zu wollen, was die Inhalte sind, die die jungen Menschen von heute brauchen, um morgen im Jahr 2020 oder 2015 auf dem Arbeitsmark zu bestehen, die sie brauchen, um selbst, was Sie als Anspruch formuliert haben, lebenslanges Lernen zu können. Die Sachen, die ich gelernt habe, interessieren meine Kinder heute teilweise schon herzlich wenig. Natürlich lege ich als Mutter Wert darauf, dass Kinder wissen, welche die berühmten Dichter in Deutschland sind, die Lehrer achten genauso darauf.

Herr Rohmeyer, Sie haben hier in gewisser Form meinen ehemaligen Klassenlehrer beleidigt, den ich am Gymnasium hatte. Da kann man nicht von „Billig-Gymnasium“ reden oder „ in Bremen wird einem das Abitur hinterhergeworfen“. Das möchte ich mir an dieser Stelle verbitten! Ich habe mir notiert, was wir alles gelesen haben, das kommt im Kanon der CDU, der Konrad-Adenauer Stiftung nicht vor. Wir haben „Das Totenschiff“ von Traven gelesen, „Das Leben der Anne Frank“. Wir haben Bücher von Ibsen und Schiller gelesen, und wir haben Kleist gelesen. Wir haben „Die Aula“ von Hermann Kant in der elften Klasse gelesen. Da kann man nicht sagen, dass es an Bremens Schulen ein Bildungsunbewusstsein oder eine große Dunkelheit gibt. Das muss man hier auch einmal zurückweisen.

Das gaukelt ja ein bisschen vor, dass wir keine Bildungsrahmenpläne haben und dass die Lehrer nicht wüssten, was sie in Klasse sieben oder acht ihren Schülerinnen und Schülern beibringen sollen. Das, was Sie hier anzetteln, ist eine verstaubte Debatte. Das geht zurück auf die Bildungstheorie des 19. Jahrhunderts, als man gedacht hat, welches Wissen muss ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

die Gesellschaft gemeinsam erwerben, um miteinander in Kommunikation treten zu können. Das, was die CDU hier macht, ist alter Wein, nicht in neuen Schläuchen, sondern das ist alter Wein in alten Schläuchen.

Schulen sind keine staatlichen Wärmehallen, Schulen sind keine Lernfabriken, sondern Schulen haben ein Interesse daran, Kindern und Jugendlichen Wissen beizubringen. Sie haben ein Interesse daran, Kinder und Jugendliche in ihrer Persönlichkeit zu fördern. Da treffen wir uns dann auch wieder an dieser Stelle, Claas Rohmeyer. Natürlich muss ein Klassenlehrer merken und auch Kenntnis darüber haben, welches Kind sich besonders für Musik interessiert. Das ist doch auch die Kunst eines Deutschlehrers, Jugendliche zur Literatur hinzuführen, sie zu verführen und zu merken, bei diesem Jugendlichen müssen wir etwas ganz anderes lesen als bei seiner Banknachbarin, die sich für ein ganz anderes Thema interessiert.

Ich finde, darum muss es doch gehen, dass Lehrer individuell erkennen, mit welcher Literatur sie Jugendliche zum Lesen, zum Lernen und zum Weiterlernen bewegen. Das leistet diese Große Anfrage an keiner Stelle. Da kann ich keinen Nutzen in dem Kanon erkennen. Wir müssen doch dahin kommen, dass wir den Schulen sagen, und da treffen wir uns auch wieder, folgende Lernziele müssen erreicht werden, die müssen mit Vergleichsarbeiten am Ende von Klasse vier und Klasse neun auch überprüft werden.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Das machen wir ja auch!)

Aber wir können doch nicht vorschreiben, dass donnerstags um elf Uhr oder im Jahr 2007 in der achten Geografiestunde Alaska gelernt wird.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Wie bei Margot Honecker!)

Wie bei Honecker, ruft Frau Hövelmann! Das würde ich nicht sagen.