Protocol of the Session on January 24, 2007

In diesem Zusammenhang habe ich erwähnt, man könnte vielleicht auch überlegen, ob jemand, der zur Beratung kommt, nicht vielleicht auch ein Vorlesebuch mitbringen könnte. Das wäre eine zusätzliche Maßnahme, durch die auch die Bildung gestärkt würde, denn für uns als Sozialdemokraten hat umfangreiche Bildung auch mit Gesundheitsvorsorge zu tun. Ich weiß, es gibt in Sachsen ein Modellprojekt, da werden von den Kinderärzten bei der Geburt schon Vorlesebücher mitgegeben, damit die Kinder und auch die Eltern als ein erstes Medium ein Buch in die Hand bekommen. Das wäre eine Idee, die man hier auch mit verfolgen könnte.

In der Antwort des Senats wurde auch vieles zur Ernährungsfrage gesagt. Hier muss man frühestmöglich ansetzen, beim Ernährungsverhalten. Dazu bieten sich stadtteilorientierte Angebote an, wie sie in den Häusern der Familie schon vorhanden sind. Hier, wie gesagt, werden viele Beispiele genannt. Ich meine, sie müssten nur noch stärker vernetzt werden.

Auch werden die Migranten angesprochen. Hier fände ich es vielleicht ganz sinnvoll, wenn bei den verpflichtenden Integrationskursen, die jetzt angeboten werden, hier Möglichkeiten geschafft werden hinsichtlich Ernährungsverhalten, Bewegungsverhalten, dass es Informationen gibt, wo das möglich ist, wie man das macht. Ich glaube, da müsste man im Bundesamt für Integration einmal ausleuchten, ob nicht noch mehr Möglichkeiten bestehen, um hier erste Ansätze bei der Integration auch auf dem Gebiet des Gesundheitsverhaltens zu schaffen.

Zur Ernährung: Ein großes Problem ist natürlich die Bewegung in jungen Jahren, diese hat ziemlich abgenommen. Hier muss einiges noch einmal nachjustiert und noch mehr vernetzt werden. Es gibt zwar Beispiele wie „Junge Familien in Schwung“, Bewegungskindergarten, wie es in der Antwort des Senats heißt, aber ich glaube, hier bedarf es doch noch stärkerer Aktivitäten. Vielleicht gibt es Chancen, wenn jetzt das Präventionsgesetz noch einmal in den Bundestag kommt und da vielleicht noch mehr Möglichkeiten ausgebaut werden.

Hinsichtlich dieser Angebote ist es natürlich wichtig, wie wir die Personen in den Stadtteilen und Ortsteilen, die eine schwierige Sozialinfrastruktur haben, zu solchen Angeboten heranbringen. Dazu gibt es ja auch schon die ersten Schritte laut der Antwort des Senats, dass das Institut Public Health an der Universtät Evaluationsmöglichkeiten, Prüfungsmöglichkeiten erarbeitet, damit man einmal sieht, wie wir die entsprechenden Zielgruppen erreichen und wie sich das Ganze ausgewirkt hat. Ich glaube, hier besteht eine sinnvolle Verknüpfung zwischen Universität und gesellschaftlichen Ansprüchen, und das sollte man weiter ausbauen.

(Beifall bei der SPD)

In der Antwort des Senats wird auch noch einmal auf die Lehrpläne an den Grundschulen und so weiter eingegangen. Das Thema ist dort angebracht, es ist jederzeit möglich, über diese Themen zu unterrichten und sie auch zu behandeln. Allerdings sage ich, das ist mehr ein Theoriegebäude. Wichtig ist, dass die Lehrer und auch das Personal an Ganztagsschulen handlungsorientiert vorgehen, dass sie den Punkt „Essen und Bewegung“ vielleicht noch mehr integrieren. Hier bieten sich gute Chancen, denn ein gutes und vitaminhaltiges Essen hat auch etwas mit Kultur zu tun, und gemeinsames Essen wirkt sich positiv auf das Schul- und Lernklima aus. Wenn dieses

regelmäßig zu den Ritualen im Kindergarten- und Schulalltag gehört, kann das nur förderlich sein.

Ein ganz wichtiger Punkt in der Anfrage ist, dass das hiesige BIPS einen Millionenauftrag bekommen hat für eine EU-Untersuchung, wie solche Präventionsmaßnahmen wirken. Wie die Auswirkungen sind, das ist ein interessanter Ansatz. Das soll zwar in Niedersachsen laufen, aber ich hoffe doch, dass hier in Bremen die Ergebnisse auch zur Anwendung kommen, damit die hiesige Bevölkerung von diesem Forschungsauftrag etwas hat. Wie gesagt, meine Damen und Herren, die ganze Palette an gesundheitlichen Maßnahmen ist nicht nur eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, sondern auch wichtig für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft, und deswegen finden wir den Ansatz richtig und unterstützen ihn und werden ihn kontinuierlich begleiten.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Crueger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Zuruf von der CDU – Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Was hat er ge- sagt?)

Ich habe das wohl gehört, Herr Oppermann! Herr Oppermann sagte, dass hier heute irgendwie die Luft heraus ist. Ich glaube, da hat er auch ein bisschen recht. Wir haben heute ein ernstes Thema, das wir diskutieren müssen. Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten, und sie sind auch die schwächsten Glieder unserer Gesellschaft. Also haben sie ein Recht und wir die Pflicht, sie vernünftig zu schützen.

6 Prozent aller Kinder leben bundesweit in Risikofamilien, und nicht erst seit den letzten Monaten, seit dem Fall Kevin, sondern bereits davor wussten wir, dass wir dort wahrscheinlich auch als Politik die größte Aufgabe vor uns sehen, weil wir da noch lange nicht so gut sind, wie wir sein müssten. Jugendhilfe, gerade auch Frühförderung in dem Bereich, ist noch lange nicht so weit, wie wir uns das eigentlich wünschen würden, wie wir vielleicht auch in anderen Bereichen der Jugendhilfe bereit sind, sondern wir müssen da ganz klar nacharbeiten.

Noch viel zu häufig ist es so, dass die Hilfen erst dann zum Tragen kommen, erst dann eingesetzt werden, wenn es bereits sehr spät ist. Häufig werden auch die entsprechenden Indizien, also etwas, was auf eine Vernachlässigung oder was auf eine Misshandlung hindeutet, erst sehr spät bemerkt. Dann können die Hilfen erst zu diesem späten Zeitpunkt kommen, aber ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

wir müssen schauen, wie schaffen wir das, schon bereits früher zu merken, wenn in einer Familie bei einem Kind etwas nicht stimmt, wie können wir da sensibler werden, wie können wir da als Staat auch unsere Augen schärfen, das ist die Aufgabe.

Es steht natürlich immer im Spannungsfeld, das ist ganz klar, zu den individuellen Freiheiten jedes Einzelnen, auch der Familien, aber wir als Staat haben die Garantenpflicht, wir sind dafür verantwortlich, letzten Endes Kindeswohl zu sichern. Ich glaube, das ist eine sehr ernste Aufgabe, und da müssen wir auch mit allen Möglichkeiten, die wir haben, versuchen, diese Aufgabe anzugehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Gerade bei Säuglingen und Kleinkindern ist das Gefährdungsrisiko besonders hoch. Sie können sich am schlechtesten artikulieren, sie sind auf der anderen Seite auch am empfindlichsten für den Entzug von elterlicher Sorgfalt und Fürsorge, also gerade dort ist die Situation am vertracktesten und die Aufgabe am ernstesten. Wir haben mit dem Ausbau der U3-Plätze, was ja eigentlich eine ganz andere Debatte ist, aber ich glaube, sie schlägt auch in diese Frage mit hinein, schon ein Stück weit etwas erreicht.

Wenn wir jetzt wirklich ganz selbstbewusst sagen, wir machen es uns zur Aufgabe in Bremen, Plätze für unter Dreijährige anzubieten, nicht nur 20 Prozent, was eine willkürliche Festlegung ist, sondern tatsächlich bedarfsdeckend und möglichst bis zur Vollversorgung, gibt es irgendwann einmal einen Rechtsanspruch von 0 bis 6 Jahren auf einen Kindergartenplatz, ich glaube, das wäre ein Schritt in die richtige Richtung, dass es nämlich da nicht nur um Arbeitsmarktaspekte und so weiter geht, sondern dass es ganz klar einen betreuerischen, einen pädagogischen Anspruch hat. Das würde uns schon ganz klar helfen, auch in schwierigen Familiensituationen als Staat Familien besser entlasten und gegebenenfalls besser reagieren zu können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Kinder, die vernachlässigt oder misshandelt werden, erleben einen ganz eklatanten Vertrauensverlust, verlieren ihr Gefühl für sichere Bindung, und ich glaube, dass man auch sagen kann, dass Vernachlässigungen meist erst nicht als akute Reaktion, als einmalige Handlung, sondern häufig als schleichender Prozess, als chronischer Mangelzustand sozusagen, entstehen. Wir müssen uns als Politik und als Staat erst einmal überlegen, wie überhaupt das Problem geartet ist, und welche Möglichkeiten dann geeignet sind, dieses Problem anzugehen.

Ich glaube, Herr Bartels, Sie haben das gesagt, Sie nehmen da ein bisschen Rücksicht auf uns, haben aber

trotzdem als Koalition erst einmal schon etwas beschlossen, und wenn die Grünen dann irgendwann mit ihrer Fachdiskussion fertig sind, dann kann man ja schauen, ob die von der Koalition beschlossenen Maßnahmen wirklich so richtig sind. Ich glaube, das ist insofern ein bisschen überstürzt, da es an dieser Stelle gerade sehr sensibel ist. Einfach einmal zu beschließen, wir machen jetzt dies oder das, und sich erst hinterher die Auswirkungen zu überlegen und sich erst hinterher zu überlegen, ob diese Entscheidung wirklich richtig war, das kann man vielleicht in anderen Politikfeldern machen, das mag so sein, aber ich glaube, in diesem Bereich ist das nicht lauter, weil es einfach der Ernsthaftigkeit des Themas nicht gerecht wird. Wir müssen erst diskutieren, und dann müssen wir handeln.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich glaube, dass Zwangsuntersuchungen, so wie sie ja durchaus gerade aus der Politik von vielen im Moment befürwortet werden und wie sie auch hier von der Koalition beschlossen wurden, nicht das richtige Mittel sind, um das Problem anzugehen, mit dem wir uns konfrontiert sehen. Das mache ich nicht nur daran fest, dass man außerhalb des parlamentarischen Raumes, meine Kollegin Doris Hoch hat das in der letzten Debatte schon ganz deutlich gesagt, eigentlich kaum jemanden findet, der das wirklich gut findet. Ob es der Berufsverband der Kinderärzte Deutschlands ist, ob es der Kinderschutzbund ist, ob es das Deutsche Jugendinstitut ist, all diese Fachleute, auf die wir ja eigentlich als Politik immer gern hören wollen, sagen, dass sie gegen die verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen sind.

Ich glaube, dass man das auch begründen kann und dass das auch plausibel begründet wird von diesen Kritikern, warum sie diese Position vertreten. Es ist nämlich so, dass zum einen viele Eltern, die ihre Kinder vernachlässigen oder misshandeln, häufig mit ähnlichen Problemlagen in ihrer eigenen Kindheit konfrontiert wurden – dort wiederholen sich Abläufe –, dass gerade diese Eltern eine hohe Scheu haben, sich nach außen zu öffnen. Es gibt eine große Angst, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Deshalb schadet eine zwangsmäßig verordnete Hilfe mehr, als dass sie nützt, weil sie die Familie weiter in die Isolation treibt. Die Eltern versuchen, sich noch weiter in ihrer Nische wegzuducken und nicht den Schritt auf jemanden zuzumachen, der ihnen vielleicht Hilfe anbieten will. Ich glaube, dass man deshalb damit mehr schadet als nützt.

Wir haben in der Antwort auf die Großen Anfrage gesehen, wie hoch prozentual der Anteil derjenigen ist, die mit ihren Kindern in die U-Untersuchungen gehen. Das schwankt zwischen 100 und 78 Prozent, das sind gar nicht so schlechte Werte. Ich glaube, diejenigen, die wir nicht erfassen, also die Prozente, die jeweils fehlen, um auf die 100 zu kommen, sind

gerade die Fälle, an die man sensibel herangehen muss. Dann einfach zu sagen, wir verpflichten es, würde für die, die jetzt schon gehen, keinen Unterschied machen, aber es würde gerade die, die eigentlich unsere Zielgruppe sein müssen in dieser Debatte, vor den Kopf stoßen. Hier müssen wir uns einfach bessere Möglichkeiten überlegen, wie wir an diese Familien herankommen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich glaube, die konkreten Maßnahmen, die wir als Grüne vorschlagen würden, wären, dass wir zu allererst die U-Untersuchungen, die wir haben, reformieren müssen. Hier gibt es bereits seit einigen Jahren innerhalb der Kinderärzteschaft, die diese U-Untersuchungen, diese Frühuntersuchungen, bislang vornehmen, entsprechende Bestrebungen in dem zuständigen Bundesausschuss, sie zu reformieren. Ich glaube, das ist richtig!

Das hat auch ganz viel mit dem Ausbildungsstand und mit der Qualifizierung der Kinderärzte zu tun. Da muss man, glaube ich, auch sagen, dass die Kinderärzte häufig überfordert sind und wir durch Fortund Weiterbildung zuerst einmal gewährleisten müssen, dass ein Kinderarzt, egal ob in einer U-Untersuchung oder in einer ganz normalen Routineuntersuchung, in der Lage ist, Signale zu deuten und aufzunehmen, genauso wie wir das auch schon lange für die Lehrer in Anspruch nehmen, für die Menschen in sozialen Einrichtungen, in Kindergärten, dass wir sagen, wir müssen sie in ihren Sinnen schärfen, wir müssen ihnen die Fähigkeit geben zu erkennen, wenn sie mit einer Problemlage konfrontiert sind, und so gilt das auch an dieser Stelle ganz klar für die Kinderärzte.

Ich glaube außerdem, dass man durchaus überlegen kann, ob die U8-Untersuchung, die bislang ab dem dreieinhalbten Lebensjahr durchgeführt wird, analog zu einer Schuleingangsuntersuchung umgestaltet wird für den Kindergarten, weil wir in Bremen einen sehr hohen Anteil an Kindern haben, die in den Kindergarten gehen, das schwankt in Bremen-Stadt zwischen 95 und 97 Prozent. Man sollte auch hier versuchen, die U-Untersuchung sinnvoll umzustrukturieren. Hier gibt es Vorschläge, die man ruhigen Gewissens aufgreifen könnte.

Wir müssen die frühen Hilfen ausbauen. Problembeschreibungen von Fachleuten, die sich dann eine Familie anschauen und sagen, dies und das ist die Schwierigkeit, werden häufig, so sagen das zumindest die Fachleute, von den Familien als diskriminierend aufgefasst. Ich glaube also, die Aufgabe muss sein, niedrigschwellige, möglichst flächendeckende Angebote zu entwickeln, die es nicht erst möglich machen, dass sich die Familien stigmatisiert fühlen, sondern die ganz selbstverständlich neben vielen anderen Kompetenzen – es wurde ja auch in dieser Debatte viel über gesunde Ernährung, gesunde Bewegung

gesagt – einhergehen. All das, plus die Vorsicht zu schauen, ob es Fälle von Vernachlässigung gibt, zusammen genommen, glaube ich, kann man bündeln, um es damit zu entstigmatisieren.

Es gibt seit langem die Forderung nach Early-Excellent-Center, nach Familien-Zentren, in denen jeder Mensch, jedes Elternpaar die Möglichkeit hat, wenn das Kind beispielsweise in den Kindergarten gebracht wird, sich gleichzeitig noch ein bisschen Erziehungsberatung dazugeben zu lassen, also lokal in den Strukturen, die es schon gibt, Kompetenzen, die im Moment zerfasert sind – ich komme dann zum Schluss –, zu bündeln. Ich glaube, das wäre ein großer Schritt, wenn wir das schaffen würden. Dann könnten wir ganz vieles auf einmal erreichen, eben auch das, was wir uns hier in dieser Debatte gern vornehmen wollen. Bislang sind die Early-ExcellentCenter über den Modellstatus noch nicht hinausgekommen. Ich würde mir das wünschen, dass wir das schaffen. Dann könnte man auf die Weise auch Entlastungsstrukturen und all das, was ich für sehr wichtig halte, schaffen.

Ein allerletzter Gedanke, den ich noch habe: Die Familienhebammen, über die wir in der letzten Bürgerschaftssitzung diskutiert haben, möchte ich auch an dieser Stelle wieder anführen. Es ist sozusagen mein ceterum censeo. Ich glaube, dass wir Familienhebammen brauchen und dass wir sie stärken müssen, dass wir mehr davon brauchen und dass eine einzige Familienhebamme, wie vom Ressort vorgeschlagen, nicht ausreicht. Wir werden die Debatte im Jugendhilfeausschuss weiterführen. Ich habe das Einverständnis von Herrn Grotheer als stellvertretenden Vorsitzenden und Interimsvorsitzenden, dass wir im Februar darüber reden werden. Ich freue mich auf die Fachdebatte in diesem Ausschuss. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Nächster Redner ist der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Großen Anfrage mit der Drucksache 16/1199 beschäftigen wir uns mit dem schon längst überfälligen Thema „Regelmäßige Gesundheitsvorsorge im frühkindlichen Bereich“. In Anbetracht des schrecklichen und grausamen Todes des kleinen Kevin aus Bremen ist erstens eine sofortige gesetzliche Einführung der effektiven Umsetzung einer regelmäßigen Gesundheitsvorsorge im frühkindlichen Bereich dringend erforderlich gewesen, und zweitens stellt sich doch die Frage, ob der kleine Kevin bei einer frühzeitigen gesetzlich vorgeschriebenen Zwangsvorsorgeuntersuchung im frühkindlichen Bereich heute noch leben könnte. Tatsache ist doch, dass in Deutschland sage und schreibe laut Statistik über 80 000 Kinder in höchster Not sind, die zwingend auf unsere Hilfe angewiesen sind, ich sage hier in aller

Deutlichkeit, überlebenswichtig auf unsere Hilfe angewiesen sind.

Laut Schätzungen von UNICEF sterben bundesweit jährlich circa 100 Kinder an den Folgen schwerer Misshandlungen und Verwahrlosung. 2005 waren es nach Aussage des Bundes Deutscher Kriminalbeamter sogar 178 misshandelte und verwahrloste getötete kleine Kinder, mit steigender Tendenz. Meine Damen und Herrn, 80 000 kleine Kinder werden mitten in Deutschland täglich grausam gequält, misshandelt, missbraucht und verwahrlosen. Die Dunkelziffer dürfte aber weitaus höher liegen. Immer mehr kleine Kinder sterben an den Folgen schwerer Misshandlungen und das sogar unter staatlicher Obhut und Fürsorgepflicht des Jugendamtes wie hier in Bremen.

Hier sage ich im Namen der Deutschen Volksunion, es muss sofort rigoros politisch gehandelt werden und das nicht nur mit einer Großen Anfrage, denn der grausame Tod des kleine Kevin ist wahrlich kein Einzelfall. Fast täglich können Sie aus der hiesigen Presse und wöchentlich aus der „National-Zeitung“ Schlagzeilen entnehmen! Allen Zahlen und Fakten aus der „National-Zeitung“, Herr Dr. Güldner, können Sie zu 100 Prozent glauben, denn ich glaube, es gibt in Deutschland keine andere Zeitung, die so überprüft, überwacht und beobachtet wird wie die „National-Zeitung“ des DVU-Bundesvorsitzenden Dr. Frey.

(Zuruf des Abg. C r u e g e r [Bündnis 90/ Die Grünen])

Darum sollten Sie jetzt auch genau zuhören: 15. Januar 2004, Carolina, 3 Jahre, vom Freund der Mutter ausgepeitscht, verbrannt, grausam gestorben! 1. Juni 2007, Dennis, 6 Jahre, in Cottbus, verhungert in der Kühltruhe gefunden! 1. Juli 2004, Michael, 2 Jahre alt, verhungert, verdurstet, tot in Hamburg gefunden! 1. März 2005, Jessica, 7 Jahre alt, Tod durch Verhungern, in Hamburg gefunden! 3. November 2005, Tim, 2 Jahre, gestorben an grausamen Misshandlungen in Elmshorn! 16. Oktober 2006, Kevin, 2 Jahre alt, gestorben an grausamen Misshandlungen unter staatlicher Obhut, hier in Bremen, und so weiter. Ich kann Ihnen das noch seitenlang ausführen. Das ist nur der Anfang des Schreckens.

Meine Damen und Herren, das sind ganz wenige namentliche Beispiele von grausam misshandelten und vernachlässigten, getöteten kleinen Kindern. Diese Namen, stellvertretend für viele andere getötete kleine Kinder, wird die Deutsche Volksunion niemals vergessen. Diese kleinen, unschuldigen und schutzbedürftigen Kinder sind über einen sehr langen Zeitraum schwer misshandelt, gequält und missbraucht worden. Sie sind unter unendlichen Qualen und sehr großen Schmerzen langsam und grausam gestorben. So etwas Grausames und Schreckliches darf niemals vergessen werden, und es darf auch nie wieder pas

sieren, dass nichts passiert. Ich werde im Namen der Deutschen Volksunion immer wieder und zu jeder Zeit lauthals hier im Parlament dafür sorgen, dass Sie es niemals vergessen werden.

Ich frage mich, wie viele dieser grausam getöteten kleinen Kinder heute noch leben könnten, wenn wir in Deutschland eine Familienpolitik betreiben würden, die ihren Namen „Familienpolitik“ auch verdient, und wie viele dieser kleinen, unschuldigen Kinder heute noch leben könnten, wenn eine regelmäßige Gesundheitsvorsorge im frühkindlichen Bereich bundesweit schon viel früher zur Pflicht geworden wäre, wenn zahlreiche Mitarbeiter des Jugendamtes nicht so erbärmlich versagt hätten, weil sie die flehenden Hilfeschreie dieser armen, gequälten, kleinen, unschuldigen Kinder nicht gehört haben oder vielleicht sogar nicht hören wollten.

Diese kleinen Kinder sind auch deshalb so grausam gestorben, weil sehr viele Menschen, zu viele Menschen, nicht rechtzeitig hingeschaut, sondern einfach nur weggeschaut haben, weil wir heute in einer brutalen und grausamen, ich-orientierten Wegsehgesellschaft leben. Diese kleinen und unschuldigen Kinder sind auch deshalb so grausam gestorben, weil verantwortliche Politiker immer erst dann reagieren, wenn solche grausamen Schicksale öffentlich gemacht worden sind und es für effektive politische Maßnahmen schon viel zu spät ist.

Das ist für die Deutsche Volksunion unerträglich. Darum hat die DVU schon viel früher gefordert, dass Früherkennungsuntersuchungen schon bei ganz kleinen Kindern zur gesetzlichen Pflicht werden, damit überforderten und diesbezüglich auffälligen Eltern sofort durch das Jugendamt eine Aufsichtsperson zur Seite gestellt wird, das heißt ein schnelleres und rigoroseres Handeln und Durchgreifen und schnellere Hilfe durch das Jugendamt. Kinderschutz und Kinderrechte müssen des Öfteren und schneller vor die Elternrechte gestellt werden. Das Frühwarnsystem muss viel besser vernetzt und ausgebaut werden. Bei Nichtbeachtung der frühkindlichen Pflichtuntersuchungen muss über eine Einführung einer Bußgeldstrafe nachgedacht werden, das heißt eventuelle Kürzung des Kindergeldes.