Protocol of the Session on July 12, 2006

Die vierte Anfrage betrifft Unternehmensinsolvenzen. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Liess, Dr. Sieling und Fraktion der SPD.

Bitte, Herr Kollege Liess!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Wie hat sich in Bremen und Bremerhaven die Zahl der Unternehmensinsolvenzen, insbesondere die der Insolvenzen von Firmen, die vor weniger als fünf Jahren gegründet wurden, in den vergangenen drei Jahren entwickelt?

Zweitens: Wie viele Arbeitnehmer beziehungsweise Arbeitsplätze waren von diesen Firmenzusammenbrüchen betroffen, und in wie vielen Fällen konnten dabei wie viele Arbeitsplätze, Gesamtzahl, durch Betriebsfortführungen erhalten werden?

Drittens: Welche Rolle haben die Instrumente der Wirtschaftsförderung, insbesondere die der Bremer Aufbau-Bank, bei der Insolvenzvermeidung gespielt?

Die Anfrage wird beantwortet von Herrn Senator Kastendiek.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Die Datenerhebung der amtlichen Insolvenzstatistik sieht eine Aufschlüsselung nach Bremen und Bremerhaven – wie in der Fragestellung gewünscht – nicht vor, so dass sich die Beantwortung ausschließlich auf die Landeszahlen Bremens bezieht.

Zu Frage eins: Im Land Bremen wurden nach Datenlage des Statistischen Landesamtes in den Jahren 2003 297, 2004 324 und 2005 306 Insolvenzverfahren von Unternehmen beantragt. Davon wurden jeweils rund 150 Verfahren mangels Masse abgewiesen. Die amtliche Statistik unterscheidet bei der Aufnahme der Insolvenzdaten, soweit dies ermittelt werden kann, nach dem Alter des jeweiligen Unternehmens. Dabei werden die Kategorien „unter acht Jahre alt“ und „davon unter drei Jahre alt“ berücksichtigt.

Danach lässt sich feststellen, dass in 2003 42,8 Prozent der Insolvenzen von Unternehmen beantragt wurden, die jünger als acht Jahre und davon wiederum mehr als die Hälfte der Unternehmen, 55,9 Prozent, unter drei Jahre alt waren. In 2004 waren 68,5 Prozent der beantragten Insolvenzverfahren von Firmen unter acht Jahren und davon zu rund 44,6 Prozent von Unternehmen bis zu drei Jahren beantragt worden. Im Jahre 2005, in dem sich das Insolvenzgeschehen nach einem Anstieg um knapp zehn Prozent in 2004 ungefähr auf das Niveau von 2003 eingependelt hat, ist auch der Anteil der jüngeren Unternehmen bis acht Jahre in diesem Bereich wieder auf den Level von 2003 mit 42,8 Prozent gefallen. Allerdings ist darin ein wesentlich deutlicherer Anteil der sehr jungen Unternehmen bis zu drei Jahren mit 75,6 Prozent enthalten. Dieses Phänomen lässt sich zumindest teilweise mit dem erheblichen Anstieg des Gründungsgeschehens in 2004, verursacht durch die arbeitsmarktpolitischen Reformen, zum Beispiel IchAG, erklären.

Zu Frage zwei: Die amtliche Statistik des Statistischen Landesamtes Bremen belegt, dass durch das

Insolvenzgeschehen in den Jahren 2003 2066, 2004 2298 und in 2005 1145 Arbeitsplätze betroffen waren. Die Frage hinsichtlich der durch Betriebsfortführungen geretteten Arbeitsplätze kann nicht beantwortet werden, da zu diesem Themenkreis weder Daten bei den Statistischen Landesämtern, dem Statistischen Bundesamt noch bei den Amtsgerichten vorliegen. Auskunft zu ausgewählten Fällen könnten lediglich die eingesetzten Insolvenzverwalter geben.

Zu Frage drei: Die Wirtschaftspolitik des Landes zielt zuvorderst auf die Schaffung günstiger Standortbedingungen der regionalen Wirtschaft, um deren Investitionstätigkeit anzuregen und dadurch neue Arbeitsplätze zu schaffen und vorhandene zu sichern. Zu diesem Zweck steht ein differenziertes, sich ergänzendes Instrumentarium der Wirtschaftsförderung zur Verfügung. Unmittelbar tragen insbesondere die einzelbetrieblichen Förderungen zur wirtschaftlichen Stärkung der Unternehmen bei und damit zu deren langfristiger Wettbewerbsfähigkeit. Diese Förderungen von BIG/BIS und BAB wirken demnach möglichen Insolvenzen bereits frühzeitig entgegen.

Mit der Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfe steht der Bremer Aufbau-Bank zudem ein Instrument zur Verfügung, mit dem in Einzelfällen von besonderer landespolitischer Bedeutung auch unmittelbar bevorstehende Insolvenzen abgewendet werden können. Der Versuch, akuten Insolvenzgefahren durch öffentliche Förderungen entgegenzutreten, stellt jedoch ordnungspolitisch gesehen einen besonders starken Eingriff in den Markt dar und unterliegt starken, insbesondere EU-beihilferechtlichen Restriktionen, denn Insolvenzen sind in einer Marktwirtschaft grundsätzlich ein ordnungspolitisch normaler Vorgang. Eine Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfe wird im Lande Bremen deshalb nur in Ausnahmefällen gewährt. So konnte zuletzt kleinen Zulieferunternehmen, die im Zuge der Insolvenz der Lloyd-Werft Bremerhaven unverschuldet in Schwierigkeiten geraten sind, schnell und unbürokratisch geholfen werden.

Das Land Bremen setzt auch auf den Einsatz „weicher“ Instrumente; hier ist insbesondere das von der BIG-Gruppe, den Kammern und RKW getragene „Insolvenztelefon“ zu nennen. Das Land Bremen beziehungsweise seine Gesellschaften können allerdings unternehmerisches Handeln nicht ersetzen. Dies bleibt Aufgabe der Unternehmen beziehungsweise die Aufgabe eines Insolvenzverwalters. – Soweit die Antwort des Senats!

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Zunächst vielen Dank für die ausführliche Antwort, Herr Senator! Sie haben ausgeführt, dass wir 2005 einen sehr hohen Anteil von Unternehmen hatten, die in Insolvenz gegangen sind. Sehen Sie da für den Senat etwa in der Form Handlungsbedarf, die Existenzgründung, die wir schon un

terstützen, auch nach der eigentlichen Gründung weiter intensiver zu begleiten, um diese Anzahl senken zu können?

Bitte, Herr Senator!

Herr Abgeordneter, Sie haben recht, in 2005 war insbesondere bei den sehr jungen Unternehmen, also die Unternehmen, die nicht älter als drei Jahre waren, ein sehr hoher Anteil von Insolvenzen zu vermelden. Einen Grund dafür habe ich schon in der Antwort des Senats zu nennen versucht. Es mag sicherlich auch daran liegen, das ist aber nur eine Vermutung, dass die Gründer vielleicht nicht so vorbereitet waren, wie das erforderlich hätte sein können. Deswegen bleibt weiterhin ein Schwerpunkt, entsprechend ist auch die Finanzierung im vergangenen Jahr oder Anfang dieses Jahres bewilligt worden, die Gründungsaktivität mit der B.E.G.INStart-Initiative zu unterstützen. Deswegen muss das Ziel sein, egal ob nun aus Ich-AG oder aus welchen Motiven auch immer, dieses Angebot noch verstärkt potentiellen Existenzgründern zu machen, dies bekannt zu machen und dafür zu werben, sich mit der Thematik sehr intensiv auseinanderzusetzen. Eine zu wenig gründliche Vorbereitung einer Existenzgründung ist immer die beste Gewähr dafür, dass man nach kurzer Zeit schon wieder die Segel streichen muss.

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Können Sie uns mitteilen, inwieweit das Insolvenztelefon, das Sie angesprochen haben, auch tatsächlich von Unternehmern angenommen wird, die vor einer Insolvenz stehen?

Bitte, Herr Senator!

Ich kann Ihnen die konkrete Zahl jetzt nicht nennen, die würde ich Ihnen aber gern nachliefern, wenn das Ihr Einverständnis findet, weil das sicherlich auch eine Zahl ist, die in der Deputation von hohem Interesse ist. Ich schlage vor, dass wir dies vielleicht auch in einer der nächsten Deputationssitzungen zu einem gesonderten Tagesordnungspunkt machen.

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Senator! Ich habe noch eine Frage: Es ist im Rahmen der Bremer Aufbau-Bank von der Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfe als einem tauglichen Instrument gesprochen worden. Es hat sich auch in einigen Fällen, ein Beispiel haben Sie genannt, als wirklich sehr taugliches Instrument erwiesen. Ist dieses Instrument eigentlich derzeit auch mit Mitteln ausgestattet?

Bitte, Herr Senator!

Dies wird ad hoc im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten, hier entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen, entschieden. Das Beispiel Lloyd-Werft hat auch gezeigt, dass vorher gar nicht konkret die erforderlichen Mittel benannt werden können, sondern dass diese natürlich von den Einzelfällen abhängig sind. Weil es Ausnahmefälle sind, muss man dann in solchen dramatischen Situationen auch dafür Sorge tragen, dass solche Bereiche entsprechend ausgestattet werden.

Ich will aber noch einmal deutlich machen, dass dies wirklich nur die Ausnahme sein kann und dass man mit den Beratungsangeboten, die es auf vielfältiger Ebene gibt, eigentlich dafür werben muss, dass sich die Unternehmen möglichst frühzeitig an diese Fördereinrichtungen wenden. Das ist der beste Schutz vor Insolvenzen.

In aller Regel ist das Kind schon in den Brunnen gefallen, wenn die Insolvenz angemeldet wird. Die Unternehmen müssten eigentlich sechs bis zwölf Monate früher kommen. Dafür gibt es zahlreiche Aktivitäten, auch von der BAB. Wir überlegen auch gemeinsam, wie wir die BAB auch in der Außenwirkung noch besser darstellen. Die Produkte, die da sind, sind gut, zum Beispiel auch im Vergleich mit der N-Bank in Niedersachsen, aber offensichtlich ist die Bekanntheit noch nicht so weit getragen worden. Deswegen ist das, glaube ich, auch ein Punkt, über den wir uns noch einmal intensiv Gedanken machen müssen, um auch die Bekanntheit der Aktivitäten verstärkt weiterzutragen.

Nach meiner Überzeugung ist es immer der beste Schritt, frühzeitig zu handeln, wenn sich Unternehmenskrisen andeuten. Da gibt es entsprechende Hinweise, zum Beispiel bezüglich Eigenkapitalverzehr in gewissen Zeiträumen, dass dann die Unternehmer auch den Mut haben zu sagen, dass sie Förderung, Hilfe in Anspruch nehmen, anstatt nun sehenden Auges in das Ende zu laufen.

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Die fünfte Anfrage mit dem Titel „Gegen Verharmlosung von Rechtsextremismus“ wurde inzwischen von der SPD-Fraktion zurückgezogen.

Die sechste Anfrage trägt die Überschrift „Wem half der Innensenator im Fall Kurnaz?“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Tschöpe, Grotheer, Dr. Sieling und Fraktion der SPD.

Bitte, Herr Kollege Tschöpe!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Treffen Presseberichte zu, wonach das Bremer Landeskriminalamt neben dem Bundeskriminalamt die USA bei Ermittlungen gegen Murat Kurnaz, der seit mehr als vier Jahren ohne Anklage im USLager Guantanamo festgehalten wird, unterstützt hat?

Zweitens: Welcher Art waren die Informationen, die das Bremer Landeskriminalamt übermittelte?

Drittens: Hält der Senat es unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten für zulässig, andere Staaten oder fremde Geheimdienste mit Informationen in solchen Fällen zu unterstützen, in denen die Verfahrensgarantien der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ missachtet werden?

Die Anfrage wird beantwortet von Herrn Bürgermeister Röwekamp.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage eins: Im Fall Kurnaz hat das Landeskriminalamt Bremen Mitteilungen im Rahmen des kriminalpolizeilichen Informationsaustauschs in Staatsschutzangelegenheiten auf der Grundlage des Gesetzes über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten ausschließlich an das Bundeskriminalamt weitergegeben. Die in der Anfrage angeführten Presseberichte, wonach das Landeskriminalamt neben dem BKA die USA unterstützt haben soll, sind unzutreffend.

Zu Frage zwei: Das Landeskriminalamt Bremen hat keine Informationen an die USA für Ermittlungen im Fall Kurnaz übermittelt.

Zu Frage drei: Der Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten, der sich nach dem Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen richtet, ist ebenso bundesgesetzlich geregelt wie der internationale kriminalpolizeiliche Informationsaustausch, der durch das Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten, BKAG, bestimmt wird. Demzufolge hat das Landeskriminalamt Bremen nur Informationen an das BKA als zuständige Bundesbehörde gegeben.

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Auf welcher Grundlage sind denn diese Informationen im Fall Kurnaz überhaupt gesammelt worden? Es muss ja eine Rechtsgrundlage dafür geben.

Bitte, Herr Bürgermeister!

Das Landeskriminalamt Bremen hat nach meiner Information lediglich die Erkenntnisse, die in dem laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gesammelt worden sind, an das Bundeskriminalamt weitergeleitet.

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Wann sind diese Informationen denn weitergeleitet worden?