Protocol of the Session on February 22, 2006

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Hat auch keiner gefordert!)

Nein, ich merke es auch nur an! Ich unterstelle Ihnen ja nicht, dass Sie es gefordert haben!

Allerdings muss ich noch einmal darauf hinweisen, wie ich eben schon sagte, es muss dies ohne Zwang oder Anordnung stattfinden. Dass der Dialog zunehmend wichtiger wird, zeigen die derzeitigen weltweiten Entwicklungen – wie Herr Dr. Güldner es auch schon erwähnte, den Grund kennen wir alle –, die zum Teil ja mittlerweile weltweit von Hass und Gewalt geprägt sind. Es muss aber ein ständiger Dialog zwischen anerkannten und akzeptierten Vertretungen sein, um frühzeitig Missverständnisse auszu

räumen und damit unter Umständen diese Entwicklungen erst gar nicht entstehen zu lassen.

Man muss dann natürlich auch kompetent darüber reden können, was und welche Dinge die Leute wie weit doch in ihrem Gefühl sehr stark berühren, denn in Bremen, müssen wir sagen, leben ja schon zirka 40 000 Muslime, die teilweise – wenn ich es aus den Veröffentlichungen, aber auch aus den Gesprächen richtig mitbekommen habe –, besonders seit den aktuellen Ereignissen, in großer Verunsicherung leben und sich auch nicht in ihrem Glauben ausreichend respektiert fühlen. Hierzu muss ich sagen, das ist natürlich eine Entwicklung entgegen der Integration, die wir hier alle gern möchten.

Hier gilt es besonders, über einen guten Dialog die Voraussetzungen für ein vernünftiges und akzeptiertes Zusammenleben zu schaffen. Ich beziehe es hier im Moment auf Bremen und Bremerhaven. Durch die derzeitige weltweite Verunsicherung dürfen die hier in Bremen erfolgreich begonnenen Integrationsbemühungen nicht gefährdet werden. Wir bekommen die Zwischenberichte des Integrationskonzepts und die Entwicklung immer vorgelegt, und das, was im Moment stattfindet, gefährdet natürlich viele Dinge. Deshalb ist der Dialog sicherlich wichtig.

Darum sollten wir die Entwicklung der demokratisch legitimierten Vertretung aller Muslime in Bremen begleiten, aber nicht staatlich verordnen. Außerdem gibt es schon eine Reihe von kompetenten Ansprechpartnern, wenn ich die gesamte Palette der ausländischen Mitbürger sehe – es sind ja nicht nur Muslime –, die wir hier in Bremen versuchen wollen als Einwohner in Bremen friedlich zu integrieren. – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Kleen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Antwort des Senats ist knapp und präzise. Sie spiegelt den Gedanken der Weimarer Reichsverfassung als Teil unseres Grundgesetzes wider, durch die der freie Zusammenschluss der Religionsgesellschaften innerhalb des Bundesgebiets gewährleistet ist, was nicht heißt, dass diese Entwicklung bei den Muslimen in Deutschland, nämlich ihre Interessen zu bündeln und sich zusammenzuschließen, nicht gesehen wird. Darauf ist schon hingewiesen worden. In Bremen gibt es den Arbeitskreis Bremer Muslime als Ansprechpartner. Die Gründung des Landesverbandes islamischer Gemeinschaften durch die islamische Föderation steht bevor. Auch auf Bundesebene ist bereits in den achtziger Jahren der islamische Arbeitskreis entstanden, 1995 ist daraus der Zentralrat der Muslime hervorgetreten. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Dass die gemeinsame Vertretung der Muslime nicht so ganz einfach zu organisieren ist, das hat Herr Peters schon angedeutet. Muslime müssen sich nicht durch die Religion verpflichtet einer bestimmten Gemeinde zuordnen, sich dort eintragen lassen. Deshalb gibt es eben ein sehr heterogenes Nebeneinander von verschiedenen Organisationen, die in der Regel nicht aus Abgrenzung zueinander entstanden sind, sondern oft aus Sprachgründen. Deshalb glaube ich auch, dass es schwierig sein wird, alle 40 000 Muslime in Bremen unter ein Dach zu bringen.

Ich teile die Einschätzung, dass es von den Muslimen ausgehen muss. Dass wir als Politik uns da nicht zurückhalten müssen, diese Einschätzung teile ich auch, wir sollten als Politik offen für jede Unterstützung sein und diesen Prozess hilfreich begleiten. Dass das nicht immer ganz leicht ist, das zeigt meines Erachtens auch schon die Große Anfrage der Grünen. In der Vorbemerkung zu diesen Fragen wird darauf verwiesen, dass das Verhältnis zwischen Staat, Mehrheitsgesellschaft und den Muslimen erschwert ist. „Die Ursache“, mit Genehmigung der Präsidentin setze ich mein Zitat fort, „für dieses Problem“ – laut GrünenAnfrage – „die Vielfalt verschiedener muslimischer Organisationen und Glaubensausrichtungen des Islam“. Ich frage mich, wie mein Stellvertreter im Ortsverein, der Muslim ist und den ich bisher in Huchting zur Mehrheitsgesellschaft gezählt habe, so etwas eigentlich empfindet. Ist daraus nicht zu sehen, dass die Muslime als Gesprächspartner es durchaus so lesen können: Bringt erst einmal eure Unübersichtlichkeit in Ordnung, einigt euch einmal auf eine Glaubensrichtung – und natürlich in Klammern, am besten auf einen intellektuellen, gemäßigten europäischen Islam –, dann ist auch das Verhältnis zur Mehrheitsgesellschaft erleichtert!

Ich glaube, dass auch solche Formulierungen dazu beitragen, dass wir uns schwer tun, aufeinander zuzugehen, und dass es nicht damit getan ist, einen Ansprechpartner bei den Muslimen zu identifizieren, um die gewaltigen Integrationsprobleme zu lösen. Dass sie gelöst werden müssen, daran kann, glaube ich, kein Zweifel bestehen. Wer, wie manch einer, heimlich hofft, dass sich die Probleme mit dem Ausländerrecht lösen können, der übersieht, dass 80 Prozent der unter zwanzigjährigen muslimischen Jugendlichen in Deutschland geboren sind, dass jährlich 200 000 Muslime den deutschen Pass erhalten und dass heute etwa eine Million Muslime Deutsche sind oder deutsche Muslime.

Die weitaus überwiegende Zahl, die Mehrheit dieser Menschen lebt harmonisch in den Stadtteilen, mit christlichen, andersgläubigen oder auch bekenntnisfreien Landsleuten zusammen, schwört nicht besser und nicht schlechter als ihre Nachbarn auf das Grundgesetz. Vor diesem Hintergrund entscheidet sich das Gelingen des Dialogs nicht an Vertretungen, sondern vor Ort. Muslime dürfen nicht ausgegrenzt werden, sie müssen differenziert wahrgenommen werden. Sie

dürfen sich aber auch nicht selbst abwenden und in eine zumeist überhaupt nicht religiös, sondern ökosozial begründete Parallelgesellschaft abtauchen. In diesem Zusammenleben vor Ort muss das gegenseitige Vertrauen durch einander Kennenlernen wachsen. Dieses Zusammenleben muss von Partnerschaft und konstruktivem Dialog geprägt sein, nicht von Kontrollen und Verboten. Islam ist mehr und etwas anderes als ein Sicherheitsproblem.

Hier sind die überörtlichen, die internationalen Verwicklungen angesprochen worden. Sie wirken doch auf unser Verhältnis immer wieder zurück. Die muslimischen Verbände in Deutschland und auch in Bremen haben sich mehrfach und deutlich vom Terrorismus, der im Namen des Islam passiert und den Namen des Islam missbraucht, distanziert. Vertrauen aufbauen heißt auch, dass nicht nach jedem neuen Anschlag reflexartig erwartet wird, dass sich die Muslime distanzieren, denn diese Forderung trägt den Vorwurf in sich, dass in Wirklichkeit viele Muslime mit den Terroristen sympathisieren. Auch im aktuellen Karikaturenstreit haben die Muslime überwiegend eine klare Haltung an den Tag gelegt. Sie reagieren empört auf die Karikaturen, und sie verurteilen entschieden die gewalttätigen Ausschreitungen. So und nicht anders reagieren fromme Anhänger anderer Glaubensgemeinschaften auf Verunglimpfung ihrer Heiligen.

Wenn es gelingt, Vertrauen aufzubauen, vertrauensvoll aufeinander zuzugehen, dann stellen sich die vielen Fragen, die Dr. Güldner hier genannt hat, die ich nicht wiederholen will, weil ich sie mir genauso aufgeschrieben habe. Bei dieser Zusammenarbeit in Schule, in Krankenhäusern, bei der Sozialarbeit darf aber nicht die Auseinandersetzung über Fragen der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, patriarchale Familienstrukturen, Zwangsheirat oder Extremismus tabuisiert werden oder als Einmischung empfunden werden. Wer heute die Zeitung gelesen und die Auseinandersetzung über den Film „Tal der Wölfe“ verfolgt hat, der weiß, dass der Prozess, der vor uns liegt, alles andere als ein einfacher sein wird. – Danke!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort Herr Bürgermeister Böhrnsen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will mich angesichts der bevorstehenden Mittagspause sehr knapp fassen, obwohl ich die Neigung hätte, darüber sehr ausführlich zu reden, aber Sie werden das sicherlich verstehen.

Herr Güldner, ich bitte sehr darum, dass die Antwort des Senats auf Ihre Anfrage nicht falsch interpretiert wird. Die Kürze der Antwort hat etwas mit der Frage zu tun. Dem Senat ist das Verhältnis und der Dialog mit den Religionen und Kirchen im Land

Bremen außerordentlich wichtig, und uns ist auch das Verhältnis der Religionen untereinander außerordentlich wichtig. (Beifall bei der SPD)

Ich lade Sie alle gern einmal ein zu kommen, wenn wir den interreligiösen Dialog in Form einer Friedensandacht im Rathaus haben, in meiner Amtszeit jetzt schon zwei Mal. Das ist eindrucksvoll, wenn wir erleben, dass es „goldene Regeln“ aller Religionen gibt. Alle Religionen haben im Kern gleiche goldene, feste, menschenfreundliche Regeln, nämlich Nächstenliebe und Achtung vor der Menschenwürde. Sie werden häufig von dem einen oder anderen falsch interpretiert. Das kann man erleben, eine wunderbare Veranstaltung, glaube ich! Weshalb wir uns kurz gefasst haben: Weil wir auch respektieren, was Staat und was Religion in unserer Gesellschaft ist! Das gibt unser Grundgesetz vor, unsere Verfassung lebt von der Trennung von Kirche und Staat. Religionen haben einen Freiheitsraum, in den der Staat nicht einzugreifen hat. Deshalb ist die Antwort, dass wir natürlich großes Interesse an dem Dialog mit Muslimen im Lande Bremen haben, aber der Senat nicht in die Strukturen eingreifen will und auch keinerlei Vorschriften machen wird. Natürlich werden wir aber unterstützen, wo Unterstützung nötig und gefragt ist. Ich empfehle uns sehr, dass wir uns klar machen, 40 000 Muslime im Lande Bremen gehören zu unserer Gesellschaft. Sie sind eine Bereicherung unserer Gesellschaft, die übergroße Mehrheit sind gläubige, mehr oder weniger, und rechtschaffene Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Lassen Sie uns doch – das soll mein letzter Satz in dieser knappen Bemerkung sein – nicht so viel über die Muslime reden, sondern lassen Sie uns mit den Muslimen reden und auch darüber, wie wir näher zueinander kommen, mehr voneinander erfahren, uns mehr kennen lernen! Das ist es nämlich, was den Dialog am Ende erfolgreich macht, übereinander mehr zu wissen, als man vorher wusste, um Vorurteile, die man lange gepflegt hat, vielleicht auch zerstören zu können. Das wäre der Auftrag.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 16/912, auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kenntnis. Wir sind jetzt an der Mittagspause angekommen. Ich unterbreche die Landtagssitzung bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 13.02 Uhr) * (A) (C)

Präsident Weber eröffnet die Sitzung wieder um 14.34 Uhr.

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Regierungserklärung zur Föderalismusreform Mitteilung des Senats vom 21. Februar 2006 (Drucksache 16/927)

Wir verbinden hiermit:

Föderalismusreform im Bremer Interesse nachbessern Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22. Februar 2006 (Drucksache 16/936)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Bürgermeister Böhrnsen. Die gemeinsame Beratung ist eröffnet. Das Wort hat Herr Bürgermeister Böhrnsen.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Eines der zentralen Reformvorhaben der Bundesrepublik steht unmittelbar vor dem Abschluss: die Verfassungsreform zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung. Bund und Länder haben lange über diese große Reform diskutiert und verhandelt. Durch die große Koalition in Berlin hat diese komplizierte Debatte neuen Schwung bekommen. Die Bundesregierung hat eine grundlegende Reform des deutschen Föderalismus weit oben auf ihre Agenda gesetzt. In der Koalitionsvereinbarung vom 18. November 2005 heißt es: „Die große Koalition hat sich auf die Modernisierung bundesstaatlicher Ordnung auf der Grundlage der Vorarbeiten in der Föderalismuskommission von Bundestag und Bundesrat geeinigt. Aus der Mitte des Deutschen Bundestages werden mit den Ländern abgestimmte Entwürfe für ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes und für ein Artikelgesetz, das die Änderung beziehungsweise den Erlass der dazugehörigen Gesetze umfasst, eingebracht und zügig verabschiedet.“ Jetzt ist die Zielgerade in Sichtweite. Schon Anfang März soll das Reformpaket beschlossen werden. Bremen war daran auf Länder- und auf Bundesseite aktiv beteiligt. Ein so umfassendes Reformwerk ruft natürlich auch Skeptiker und kritische Stimmen auf den Plan. Der notwendige breite Konsens kann nur durch das Eingehen von vielen Kompromissen auf allen beteiligten Seiten erreicht werden. Auch der Bremer Senat musste Chancen und Risiken genau abwägen.

Um eine Beurteilung des sich jetzt abzeichnenden Reformpakets zu ermöglichen, will ich zunächst noch

mals das grundsätzliche Anliegen der Reform ins Gedächtnis rufen. Der deutsche Föderalismus hat sich insgesamt bewährt und auch solch große Herausforderungen wie die Herstellung der deutschen Einheit bewältigt. Warum also jetzt eine Föderalismusreform?

Bei allem Engagement für unsere föderale Ordnung ist uns allen klar, und wir haben immer wieder erlebt: Sie hat auch zu langen Entscheidungswegen geführt, es hat politische Blockaden gegeben, es war für Bürgerinnen und Bürger häufig nicht mehr klar: Wer entscheidet was? Wer ist wofür verantwortlich? Warum dauert vieles so lange? Autonome Handlungsspielräume von Bund und Ländern wurden mehr als notwendig eingeschränkt, und dem Föderalismus wurde eine Hauptschuld am so genannten Reformstau gegeben. Gleichzeitig fühlten sich die Länder in ihren Handlungsmöglichkeiten, die die Verfassung ihnen grundsätzlich gewährt, in der Praxis mehr und mehr behindert.

Auch die Finanzhilfen des Bundes und die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern wurden von Teilen der Wissenschaft und vor allem den finanzstärkeren Ländern seit längerem kritisch dargestellt, weil die politische Verantwortlichkeit für bestimmte Länderaufgaben dem Wähler nicht genügend deutlich werde.

Für den Bund wiederum stellte sich der deutsche Föderalismus im Rahmen des europäischen Einigungsprozesses als allzu schwerfällig dar, während die Länder darüber klagten, dass sie bei europäischen Entscheidungen nicht ausreichend berücksichtigt würden.

Übergeordnetes Ziel der Reform ist es deshalb, wieder klarere Verantwortlichkeiten zu schaffen, zügige Entscheidungsprozesse zu ermöglichen und einen europäischen, europafähigen Bundesstaat zu gewährleisten. Damit soll zugleich die politische Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger erhöht werden.

Meine Damen und Herren, die Kernpunkte der Reform sind: erstens eine Reform der Mitwirkungsrechte des Bundesrats! Grundsätzlich sind Regelung und Organisation der Verwaltungsverfahren Sache der Länder. In der politischen Praxis regelt aber immer stärker der Bund die Verfahren durch eigene Gesetze unter Beachtung der Mitwirkung der Länder. Diese Gesetze sind nach Artikel 84 Absatz 1 des derzeit geltenden Grundgesetzes zustimmungspflichtig im Bundesrat. Inzwischen werden beinahe zwei Drittel aller Gesetze diesem Verfahren unterworfen. Im Ergebnis heißt das: Reformen kamen entweder gar nicht mehr zustande oder in einer faktischen, aber nicht gewählten großen Koalition.

Mit den damit häufig verbundenen Blockaden von Bundestag und Bundesrat soll nun Schluss gemacht werden. Die Zustimmungstatbestände im Bundesrat werden deutlich reduziert. Im Gegenzug erhalten die Länder mehr Gestaltungsmöglichkeiten beim Verwal

tungsverfahren und bei der Einrichtung von Behörden. Zudem werden einige neue, sachlich begründete Fälle der Zustimmungsbedürftigkeit, nämlich bei Bundesgesetzen mit erheblichen Kostenfolgen für die Länder, eingeführt, Artikel 104 a Absatz 4 Grundgesetz in seiner neuen Fassung. Damit wird der Einfluss der Länder im Bundesrat zwar eingeschränkt, aber im Wesentlichen, bei der Ausführung der Gesetze und dort, wo es um ihr Geld geht, wird er auf der anderen Seite auch gestärkt. Davon profitieren in erster Linie die Landtage, in Bremen die Bremische Bürgerschaft.

Auch die Kommunen gewinnen durch die Reform: Dem Bund wird es zukünftig nicht mehr möglich sein, Bundesgesetze zu erlassen, die später von den Kommunen, unabhängig von ihrer eigenen Finanzlage, finanziert werden müssen.

Der zweite Kernpunkt ist die Reform der Gesetzgebungskompetenzen. Im deutschen Föderalismus liegt die Gesetzgebungskompetenz im Prinzip bei den Ländern. Abgesehen von einigen wenigen Bereichen ausschließlicher Bundesgesetzgebung darf der Bund in den Materien der konkurrierenden Gesetzgebung nur gesetzgeberisch tätig werden, wenn es erforderlich ist, um die Einheit des Rechts- und Wirtschaftsstaates zu wahren. Wo er eine Rahmengesetzgebungskompetenz hat, muss er den Ländern einen substantiellen Gestaltungsspielraum belassen. Soweit die Theorie!

In der Realität wurden die Gesetzgebungsbefugnisse der Länder aber immer mehr zurückgedrängt. Der Bundesgesetzgeber hat die bestehenden konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeiten fast vollständig ausgeschöpft. In der Rahmengesetzgebung wurden vielfach in Einzelheiten gehende und unmittelbar geltende Regelungen getroffen.

Das soll nun durch die Abschaffung der Rahmengesetzgebung und eine Neuordnung des Katalogs der konkurrierenden Gesetzgebung weitgehend rückgängig gemacht werden. Dadurch soll die föderale Struktur wieder gestärkt werden. Wichtige Bausteine dabei sind: Die Länder erhalten im Rahmen ihrer Kulturhoheit die volle Kompetenz betreffs der Hochschulen bis auf die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse. In diesen beiden Bereichen erhalten die Länder aber die Möglichkeit, von den Regelungen des Bundes abzuweichen. Die Länder erhalten die Kompetenz, das Besoldungs- und Versorgungsrecht sowie Teile des Beamtenrechts für die Beamten und Beamtinnen der Länder und Kommunen selbständig und eigenverantwortlich zu regeln. Einzige Ausnahme sind die Statusrechte und -pflichten, die in der Verantwortung des Bundes bleiben. Er hat dazu weiterhin das Recht der konkurrierenden Gesetzgebung. Zugleich wird den Ländern – gleichberechtigt neben dem Bund – das Recht übertragen, das Beamtenrecht „fortzuentwickeln“.

Der Bund soll zukünftig ein einheitliches Umweltgesetzbuch entwickeln. Die umweltbezogenen Ma

terien aus der Rahmengesetzgebung, also der Naturschutz, die Landschaftspflege, der Wasserhaushalt, werden in die konkurrierende Gesetzgebung überführt. Wenn das Gesetzeswerk abgeschlossen ist, erhalten die Länder gewisse Abweichungsrechte.

Darüber hinaus werden noch weitere Kompetenzen mit Regionalbezug in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder überführt, darunter Ladenöffnungszeiten, Gaststätten, Spielhallen, lokaler Lärm, Versammlungsrecht, Notariatswesen, Wohnungswesen, Heimrecht und Strafvollzug.

Umgekehrt erhält der Bund ausschließliche Kompetenzen, um zentralstaatliche Aufgaben bundeseinheitlich regeln zu können, zum Beispiel bei der Nutzung der Kernenergie, im Melde- und Ausweiswesen, beim Waffen- und Sprengstoffrecht. Zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus erhält der Bund die Möglichkeit, die Kompetenzen des Bundeskriminalamts zu erweitern.

Mit dieser klareren Trennung der Kompetenzen ist die Erwartung verbunden, dass auch eine größere gesellschaftliche Transparenz der Entscheidungsverfahren erzielt wird. Die Bürgerinnen und Bürger sollen wieder nachvollziehen können, wer für welche Aufgabe zuständig und politisch verantwortlich ist.