Meine Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich mich für die Antwort des Senats bedanken, weil deutlich geworden ist, dass wir mit den vorhandenen Rahmenbedingungen in Bremen und Bremerhaven eine gute Grundlage für Beratung und Hilfe als Angebot für betroffene Frauen und zur Herstellung von Öffentlichkeit und Aufklärung haben.
Wir dürfen jedoch nicht stehen bleiben und sind gemeinsam in der Verantwortung, konsequent Bedingungen zu schaffen, die eine falsch verstandene Toleranz einer so genannten Multikultigesellschaft gegenüber nicht zulassen.
Das Stichwort heißt Integration. Mit dem Voranschreiten der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund wird die Tradition der Zwangsverheiratung schwinden. Integration und Gewaltprävention sind Maßnahmen, die einen breiten gesellschaftlichen Ansatz fordern. So müssen auch die initiierten Maßnahmen gegen häusliche Gewalt ausgebaut und fortgeführt werden. Auch das von der rotgrünen Bundesregierung geförderte Ganztagsschulprogramm und der Ausbau der Betreuung der unter Dreijährigen sind notwendige Bausteine für die bessere Integration von Mädchen und Jungen mit Migrationshintergrund.
Die Aufklärung über das Recht auf ein freies Leben und eine selbstbestimmte Partnerwahl kann so schon früh vermittelt werden.
Im Bundesrat wurde am 8. Juli beschlossen, den Gesetzesantrag für das so genannte Zwangsheiratsbekämpfungsgesetz in den Bundestag einzubringen. Danach soll das Strafmaß auf zehn Jahre erhöht werden, und es soll Änderungen im Zivilrecht geben, die unter anderem die Antragsfrist für die Aufhebung einer durch widerrechtliche Drohung geschlossenen Ehe auf drei Jahre verlängert. Wir müssen uns nach
Meine Damen und Herren, wir alle sind gefordert, im Sinne von Prävention ein Netz zu schaffen und dauerhaft zu erhalten, welches den betroffenen Frauen ermöglicht, ein selbstbewusstes und selbstbestimmtes Leben unter anderem mit einer selbst gewählten Partnerschaft einzugehen. Wir sind gefordert, ins Gespräch zu kommen, aufzuklären, hinzusehen und dafür zu sorgen, dass die Frauen Schutz und Hilfe bekommen und ihre Grundrechte wahrnehmen können. Das ist ein langer Prozess, der kontinuierlich und verlässlich von uns allen geführt und kontrolliert werden muss. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben hier im Februar in diesem Haus sehr ausführlich über die Thematik und das Problem der Zwangsverheiratung in Deutschland diskutiert. Wir alle hatten damals das Schicksal der jungen Frau aus Berlin vor Augen, die von ihrem eigenen Bruder ermordet worden ist und zuvor zwangsverheiratet wurde. Der Mord wurde damit gerechtfertigt, dass er im Namen der Ehre stattgefunden habe. Dieses Beispiel hat uns alle erschreckt und sicherlich auch den einen oder anderen aufgerüttelt, einmal darüber nachzudenken, was hier in Deutschland vorgeht.
Dieses Schicksal dieser jungen Frau aus Berlin ist allerdings kein Einzelschicksal in Deutschland. Viele Fälle sind so. Es gibt Gott sei Dank viele Fälle, die nicht zum Mord, nicht zur Gewalt führen, aber viele Fälle, in denen es unterdrückte Gewalt gibt, Frauen gegen ihren Willen zwangsverheiratet werden, die nicht die Möglichkeit haben, sich zur Wehr zu setzen, weil ihnen der Mut fehlt, weil ihnen die Familie fehlt, weil ihnen vielleicht auch in Deutschland Institutionen und Mitmenschen fehlen, die unterstützen können. Ich glaube, daher ist es eine Sache, an den Staat zu appellieren, strafrechtlichen Schutz, Institutionen und Beratung zur Verfügung zu stellen. Es ist, glaube ich, auch ein Appell an uns alle, etwas mehr zu tun, mehr auf Mitbürger zuzugehen, egal vor welchem Hintergrund, ob Migrantenfamilien oder auch andere, einfach einmal zuzuhören, anzusprechen und hinzuschauen, wie die Situation denn wirklich in der Familie ist, wie es bei der Nachbarin aussieht, ob sie in ihrer Situation zurechtkommt, ob sie ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Hilfe braucht, vielleicht einfach einmal ein bisschen offener zu sein, offener auf andere zuzugehen und für die Probleme anderer Menschen ein Ohr zu haben. Ich denke, dass sollte uns alle hier etwas mehr als bisher angehen!
Wir tun viel in Bremen, und ich glaube, da muss man den Senat auch loben für das, was in dem Bereich gemacht worden ist. Das ist nicht nur der strafrechtliche Schutz. Auch das, denke ich, ist richtig, dass im Strafgesetzbuch der Tatbestand der Zwangsverheiratung eingeführt worden ist, weil das Strafgesetzbuch immer noch ganz klar die Sanktionen und die Grenzen vorschreibt, in denen wir uns hier in Deutschland bewegen. Es ist damit nach außen dokumentiert, dass Zwangsverheiratung in Deutschland unter Strafe steht und gesellschaftlich und strafrechtlich geächtet wird.
Das ist ein wesentlicher Schritt gewesen, aber der zweite Schritt ist die Beratung, die dazu gehört, eben dass man für die Familien und für die betroffenen Frauen, also für beide ein offenes Ohr hat. Man muss den Frauen, wenn sie vor Zwangsverheiratung geschützt werden müssen oder schon zwangsverheiratet worden sind, aber auch den Familien nahe bringen, dass Zwangsverheiratung in Deutschland ein Unrecht ist und dass ihnen Hilfe geboten wird. Es gibt die Beratungsstellen hier in Bremen, die vorhin schon genannt wurden. Es gibt die AWO-Beratungsstellen und andere, wo ausreichend Mitarbeiter zur Verfügung stehen, die auch entsprechend geschult werden. Die Polizei und die Standesbeamten in Bremen werden entsprechend geschult und auf die Problematik hingewiesen. Es gibt Informationsblätter, die darauf hinweisen, und Fortbildungsveranstaltungen, die dazu sicherlich einen wichtigen Beitrag leisten.
Zum Teil bleibt der Bericht des Senats etwas unkonkret. So kann ich mir ein bisschen wenig darunter vorstellen, wenn da zitiert wird, dass in Bremerhaven-Wulstorf ein aktiver Beitrag durch das Amt für Jugend und Familie geleistet wird. Ich hätte gern ein bisschen konkretisiert, was der aktive Beitrag ist. Bei anderen Fragen, wenn ein Dialog und eine öffentliche Vermittlung zur Verfügung gestellt werden, hätte ich das gern auch noch ein wenig konkretisiert, was genau dort gemacht wird, und dass man das vielleicht noch einmal in der Deputation oder auch im persönlichen Gespräch erörtern kann, was sich denn genau dahinter verbirgt und was gemacht wird.
Ich glaube, wichtig ist, dass wir uns in den Diskussionsrunden, und in erster Linie ist ja der islamische Glauben sozusagen die Gemeinde, an die wir uns wenden, wo die Problematik am häufigsten auftritt, mit Vertretern der Moscheen in Verbindung setzen, um da auch ganz deutlich zu machen, was in Deutschland Recht ist, was in Deutschland machbar ist, was in Deutschland geschützt ist und was nicht. Ich glaube,
man darf das nicht mit falsch verstandener Toleranz oder falsch verstandener Religionsfreiheit begründen, sondern eine Zwangsverheiratung ist ein Einschnitt in die Rechte einer Frau, der teilweise eben mit Gewalt durchgeführt wird, und ist ganz klar ein Straftatbestand in Deutschland. Es ist eine Menschenrechtsverletzung, und das müssen wir immer wieder deutlich machen. Das kann nicht mit Religion gerechtfertigt werden. Das kann nicht mit unterschiedlichen Auffassungen gerechtfertigt werden, das ist nicht rechtens, und es wird in Deutschland niemals rechtens sein.
Wir sollten aber eben, und das versuchte ich auch eingangs zu sagen, nicht nur da ansetzen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, also wenn die Zwangsverheiratung eingetreten ist, wenn Gewalt bereits vorherrscht, sondern wir sollten auch ganz sensibel auf andere Bereiche reagieren und uns wirklich auch differenziert damit auseinander setzen. Ich habe noch die Rede des Herrn Tittmann vom letzten Mal hier im Ohr, der das dann so pauschal mit Multikulti, das geht alles nicht, abtut. Ich glaube, man darf weder zu sehr Toleranz üben und sagen, macht alles, was ihr wollt, noch darf man in die Ecke gehen, dass hier gar nichts gemacht werden darf, sondern man muss ganz genau hinschauen, was in die Freiheitsrechte eingreift und was nicht. Da fangen wir ja zum Beispiel auch beim Kopftuchverbot in den Schulen an. Auch das ist ein Mittel, womit teilweise Zwang ausgeübt wird. Wenn eine Frau sich bewusst dafür entscheidet, ist es ihr Recht, aber wenn sie aufgrund ihres familiären Hintergrundes dazu gezwungen wird, aufgrund des Einflusses oftmals eben männlicher Mitglieder in ihrer Familie, dann, finde ich, sind wir auch als Staat gefordert, sind wir auch als Mitmenschen gefordert einzugreifen, um einer Frau ihre Rechte in dieser Gesellschaft zu geben.
Das betrifft viele Bereiche, von denen ich einfach denke, dass wir etwas genauer hinsehen müssen, dass wir auch oftmals eben in unser Umfeld genauer hinsehen müssen, wo Rechte von Frauen, gerade von Frauen in diesem Bereich beschnitten werden. Darauf müssen wir sensibel reagieren und zur Verfügung stehen, wir müssen aber auch ganz klar sagen, in Deutschland gilt das nicht, in Deutschland hat jede Frau das Recht, selbst zu entscheiden, wen sie heiratet, ob sie ein Kopftuch trägt, wie sie sich nach außen verhält, wie sie Beziehungen zu anderen Menschen aufbaut, wie sie Beziehungen zu ihrer Familie pflegt!
Das alles ist das Recht der Frau, aber nicht das Recht anderer Mitglieder der Familie oder Außenstehender. Das sollte, finde ich, im Vordergrund stehen, und das müssen wir auch jeder Frau vermitteln. Das müs
sen wir jedem Migrantenkind vermitteln, das müssen wir auch deutschen Kindern vermitteln, dass sie dieses Recht haben und dass sie diese Rechte wahrnehmen müssen. Wir müssen ihnen schon in den Kindergärten, in den Schulen, aber auch in den Familien und im Umfeld von Anfang an Mut dazu machen, dass sie ihre Rechte wahrnehmen, dass sie ihre Freiheit wahrnehmen und dass sie wissen, welche Möglichkeiten sie in Deutschland haben. Dazu, glaube ich, können wir alle unseren Beitrag leisten, und ich hoffe, wir tun das auch. – Danke schön!
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr froh darüber, dass wir hier in den drei Fraktionen im Hause so eine große Einigkeit in dieser Sache haben. Bei allem politischen Streit, den wir hier notwendigerweise auch austragen, ist es, glaube ich, ganz wichtig, bei solchen Fragen der Selbstverständigung einer Gesellschaft – was wollen wir dulden, was wollen wir nicht dulden, welche Werte, hier geht es ja auch sehr stark um Werte, was die beiden Kolleginnen auch angesprochen haben, es geht einmal ausnahmsweise nicht um Geld, es geht einmal um Werte, aber das ist ja auch ein sehr spannendes Thema – darüber nachzudenken, haben wir da eigentlich Grundüberzeugungen, die auf einer Linie liegen? Ich sage das natürlich auch gerade in Abgrenzung zu einer Partei beziehungsweise einem Mitglied dieses Hauses, wo wir die Grundüberzeugung eben nicht teilen. Ich bin sehr froh, dass das in dieser Debatte wie bereits im Februar so noch einmal herauskommt, meine Damen und Herren.
Wir sind uns völlig einig darin, dass wir es mit einem Phänomen zu tun haben, das man vielleicht an einer Stelle noch einmal differenzieren muss. Es gibt ja das Phänomen der so genannten arrangierten Heirat, früher hierzulande auch üblich gewesen, dass Eltern, Verwandte ein Wort mitsprechen bei der Frage, wen man heiratet. Das ist ja eher eine sehr alte Tradition.
Es ist dann die Frage: Kommt Zwang dazu, oder wird das freiwillig akzeptiert? Es gibt ja auch Fälle, das ist jetzt ein Teil, wo wir es eben nicht mit strafrechtlichen Dingen zu tun haben, wo die Betroffenen das akzeptieren, dass das so ist. Vielleicht haben Sie auch eine Studie gesehen, die gemacht worden ist, das ist ein sehr kleiner Teil der befragten türkischen Mädchen und Frauen, die das für sich so akzeptieren, dass das in Ordnung ist, dass die Familie den Ehepartner mit aussucht. Ich glaube, darüber reden wir heute nicht. In vielen Fällen ist es leider so, dass sehr viel ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Zwang, körperliche Gewalt, Druck hinzukommen, und dann kommt es zu dem Phänomen, von dem wir sprechen, der so genannten Zwangsheirat.
Ich bin sehr froh, dass die beiden Kolleginnen einen Punkt angesprochen haben, der ja immer wieder missverstanden wird. Unverständlicherweise findet man ihn, wir wollen zwar hier keine Gerichtsschelte betreiben, auch in einigen Gerichtsurteilen manchmal wieder. Das ist das gute Recht des jeweiligen Gerichts, dennoch darf man es hier, glaube ich, einmal ansprechen, das ist dieser so genannte Kulturrelativismus. Das ist ein ganz furchtbar akademisches Wort, meint aber etwas, das man ganz leicht verstehen kann, nämlich dass man sagt, wenn eine Straftat, wenn eine Menschenrechtsverletzung begründet wird mit bestimmten traditionellen oder ethnischen Gründen, na gut, wenn es so ist, dass das da so üblich ist, dann ist das in Ordnung. Das ist etwas, wogegen wir uns hier, glaube ich, einmütig aussprechen. Es ist nämlich nicht in Ordnung!
Es gibt nirgendwo auf der Welt überhaupt eine ethnische Begründung dafür, Menschen Zwang anzutun, Gewalt anzutun. Jeder, der das einmal geglaubt hat oder heute auch immer noch glaubt, liegt meines Erachtens vollkommen schief. Es gelten universell die Menschenrechte für jeden Menschen, für jede Frau in diesem Fall. Wenn wir manchmal auch eben in solchen einschlägigen Gerichtsurteilen lesen, na ja, das dürfe man da jetzt nicht so eng sehen, weil das wäre dort nun einmal so, woher die Betroffene komme, dann glauben Sie es nicht, wehren Sie sich dagegen, sprechen Sie sich dagegen aus, wo immer das möglich ist! Eine solche Relativierung von Gewalt und Menschenrechtsverletzung darf es einfach nicht geben, meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Auf Vorlage der Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag wurde in diesem Jahr das Strafgesetzbuch noch einmal geändert, das wurde auch angesprochen. Es ist übrigens einstimmig geschehen, man muss hier gar keine Gräben aufreißen, die es gar nicht gibt, es war eine einstimmige Entscheidung im Bundestag, um den besonders schweren Fall der Nötigung jetzt auch auf diese Frage der Zwangsheirat zuzuspitzen mit Strafen, vielleicht kann man das hier auch noch einmal sagen, zwischen sechs Monaten und fünf Jahren. Was ganz interessant ist, dass auch die Strafbarkeit des Versuchs eingeführt worden ist! Das heißt also, das Ausüben von Druck auf diese Mädchen, auf diese Frauen, auch wenn das vielleicht am Ende nicht in eine Heirat mündet, aus welchen
Gründen auch immer, ist ebenfalls strafbar. Das ist, glaube ich, auch eine wichtige Botschaft, die von dieser Gesetzesänderung des Deutschen Bundestages ausgeht, meine Damen und Herren.
Es ist jetzt noch einmal, das wurde angesprochen, im Bundesrat anhängig, ob es noch darüber hinausgeht. Ich bin dafür auch offen, aber die Beratung ist ja jetzt durch die Bundestagswahl unterbrochen, und wie das so ist zwischen Bundestag und Bundesrat, wird man erst einmal sehen, einen eigenständigen Straftatbestand einzuführen, also das praktisch aus der Nötigung herauszunehmen und ein Zwangsheiratsgesetz zu machen. Ich würde immer sagen, wenn es denn diesem Anliegen, das wir hier alle gemeinsam haben, dient, kann man das so machen. Wenn es besser im Nötigungsparagraphen aufgehoben ist, ich mag das von hier aus im Moment noch nicht abschließend beurteilen, kann man es auch da lassen. Allerdings finde ich schon, dass man sehr genau prüfen soll und möglicherweise dann auch gemeinsam diesen Schritt noch gehen soll, wenn es denn nützt, dass hier ein eigener Straftatbestand geschaffen wird.
Ich glaube, wichtig ist, dass man noch einmal darauf hinweist, und das sollte vorhin mein Verweis auf unsere eigene Vergangenheit sagen, dass es ja hier nicht nur einen religiösen Zusammenhang mit dem Islam gibt. Den gibt es, aber es gibt, was wir hier vorfinden, natürlich auch patriarchalische, traditionelle, teilweise sogar noch stammesgebundene Verhaltensweisen, die diese Dinge sanktionieren, diese Dinge dulden. Das heißt, wir müssen immer zwei Dinge im Kopf haben, den religiösen Hintergrund, aber eben auch, dass Menschen hier aus einem gesellschaftlichen Umfeld kommen, wo eben ein Denken herrscht, das hier lange Zeit schon, Gott sei Dank, überwunden ist. Auch gegen dieses Denken, auch wenn es dann nicht religiös motiviert ist, sondern einfach nur traditionell, sollten wir uns in der gebotenen Form aussprechen.
Ich finde richtig, dass wir, und das sagt die Antwort des Senats auch noch einmal – auch von meiner Stelle aus noch einmal vielen Dank an die Senatorin –, großen Wert auf die Sensibilisierung des Umfeldes legen, gerade auch, wir haben das in der letzten Debatte ja auch angesprochen, auf das Gespräch mit den Moscheen, mit den Vereinen, mit den Migrantenorganisationen. Das ist, denke ich, ein ganz wichtiger Punkt. Ich würde es ablehnen zu sagen, dass wir als Parlament, Gericht oder Strafrechtsinstitution hier allein dafür zuständig sind, gegen dieses Problem zu kämpfen, sondern ich glaube, dass aus den Migrantengesellschaften heraus, die hier bei uns leben, eben auch eine sehr starke Bewegung kommen muss, in ihren eigenen Gruppen dieses Verhalten
Ich glaube auch, dass man das Ganze, und das ist ein weiterer Punkt, mit Fragen ergänzen muss, die sich auch im Aufenthaltsrecht stellen. Das ist jetzt nicht der Bereich Soziales, den Senatorin Röpke vertritt, sondern mehr ein Punkt der Innenpolitik. Wir haben es heute auch immer noch so, dass die Opfer solcher Verbrechen manchmal, natürlich nicht gewollt, aber eben indirekt, durch unser Aufenthaltsrecht bestraft werden. Wir haben mehrere solche Fallgruppen.
Nehmen Sie einmal an, es werden Frauen, und das geschieht ja, in ein anderes Land, ins Ausland entführt, werden dort hingebracht, um dort dann zwangsverheiratet zu werden! Selbst wenn sie sich dort dann aus dieser Situation befreien können, wenn sie länger als sechs Monate weg waren, man hat das ja bei diesem Fall des Menschen gesehen, der nun seit vier Jahren in Guantanamo sitzt, wenn man also länger als sechs Monate Deutschland verlassen hat, dann erlischt die Aufenthaltsgenehmigung. Für diese Frauen ist es dann nicht mehr möglich, nach Deutschland zurückzukommen, obwohl sie gegen ihren Willen quasi aus Deutschland entführt worden sind. Hier muss meines Erachtens dringend nachgebessert werden.
Der umgekehrte Fall ist auch, wenn eine Frau aus dem Ausland nach Deutschland kommt, hier gegen ihren Willen zwangsverheiratet wird, dann muss sie nach unserem Gesetz zwei Jahre mit diesem Mann zusammenbleiben, bevor sie ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erwirbt. Erst danach, erst wenn sie zwei Jahre ununterbrochen mit ihm zusammen war, kann sie ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erwerben, wenn sie sich von diesem Mann trennt. Ich denke, bei einer Zwangsverheiratung, und das würde auch zum Opferschutz gehören, gehört es dazu, einen Härtefall anzuerkennen, dass auch vor Ablauf dieser Zweijahresfrist die Frau in der Lage ist, sich von dieser zwangsweise herbeigeführten Beziehung zu trennen und dass sie dann ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erwirbt. Auch hier muss das gerade neu geschaffene Zuwanderungsgesetz, das Aufenthaltsgesetz noch nachgebessert werden, wenn wir den Opferschutz für diese Frauen ernst nehmen.