Protocol of the Session on June 23, 2005

Der Abgeordnete Tittmann hat seinen Antrag mit der Drucksachen-Nummer 16/645 zurückgezogen. Damit erübrigt sich eine Abstimmung über diesen Antrag.

Verkauf von Gewoba-Anteilen verhindern!

Antrag des Abgeordneten Tittmann (DVU) vom 7. Juni 2005 (Drucksache 16/646)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Röpke.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Präsident, es tut mir Leid, ich sehe Frau Röpke nicht, ich sehe auch keinen anderen von den Senatoren hier. Wahrscheinlich ist das Thema den Leuten zu unwichtig, zu uninteressant, aber das ist deren Problem.

Nach dem letzten so genannten Sanierungsbericht des Finanzsenators, mit dem auch ein Resümee der gesamten Sanierungszeit von 1994 bis 2004 gezogen wird, hat Bremen infolge Ihrer politischen Glanzleistungen allein im vergangenen Jahr ein Defizit von sage und schreibe 900 Millionen Euro erwirtschaftet. Wären nicht die letzten Sanierungsraten des Bundes im Jahr 2004 geflossen, läge das Minus sogar bei 1,2 Milliarden Euro.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund wundert es mich überhaupt nicht, wenn politisch Verantwortliche im Zwei-Städte-Staat auch noch das letzte Tafelsilber verhökern wollen. Das heißt, Vermögen des Landes wird zunehmend ohne Skrupel rücksichtslos verschachert. So hat der rotschwarze Senat nun auch die Gewoba ins Visier genommen, denn bekanntlich scheut sich diese große Koalition schon lange nicht mehr, auch noch die restlichen verbliebenen sozialen Einrichtungen zu Lasten der so genannten kleinen Leute zu verscherbeln.

Bis zum 30. Juni läuft ein Prüfauftrag aus dem Koalitionsausschuss. Konkret geht es darum, Möglichkeiten dahingehend auszuloten, wie der Senat seine Mehrheitsbeteiligung bei den Immobilienunternehmen abstoßen kann. Genauer gesagt geht es um die Frage der Veräußerung höherer Anteile als der bereits beliehenen 24,2 Prozent Anteile bei der Bremer Investitionsgesellschaft mbH. Dazu muss man wissen, dass das Land Bremen noch mit 74,27 Prozent mehrheitlich Eigentümer, sprich Hauptaktionär, der Gewoba ist, denn zu den BIG-Anteilen kommen noch 50,7 Prozent der Hanseatischen Wohnungsbeteiligungsgesellschaft.

Gegen die Verkaufsabsichten, die Schuldenmacherei von SPD und CDU, hat vor allem auch der Gesamtbetriebsrat der Gewoba Bürgerinnen und Bürger zum Widerstand aufgerufen.

(Abg. F o c k e [CDU]: Aber von Ihnen will der sich nicht vertreten wissen!)

In einem Protestaufruf heißt es, Herr Präsident, ich darf mit Ihrer Genehmigung zitieren: „Die Entscheidung über den Verkauf müssen SPD und CDU für Bremen und Bremerhaven fällen. Zeigen Sie den Politikern der großen Koalition, dass Sie mündige Bürger sind und eine eigene Meinung zu den Verkaufsplänen haben! Wenn Sie Ängste und Bedenken haben, sollten Sie diese unbedingt zum Ausdruck bringen!“

Meine Damen und Herren, die Deutsche Volksunion kann diesen Aufruf zu hundert Prozent uneingeschränkt unterstützen und steht vor allem an der Seite der Mieter der Gewoba. Zu Recht muss von extremen wirtschaftlichen und unsozialen Folgen ausgegangen werden. Die vielen Mieter – jeder fünfte in Bremen und Bremerhaven wohnt bei der Gewoba – müssen sich im Falle eines Verkaufs auf deutlich höhere Mieten einstellen, sie müssen mit Kündigungen wegen Eigenbedarfs rechnen, und sie müssen hin

nehmen, dass Wohnungen und Gebäude verkommen, weil für die Instandhaltung kein Geld mehr zur Verfügung steht. Sprecher des Unternehmens warnen vor den Folgen für das Land Bremen, sollten Gewoba-Anteile zum Beispiel auch an ausländische Profitabzocker verhökert werden. Im Klartext: Im Land Bremen werden massiv Arbeitsplätze vernichtet, nicht nur beim Wohnungsunternehmen selbst, sondern auch bei etlichen Handwerksbetrieben, die von der Gewoba Aufträge bekommen.

Zudem steht außer Zweifel, dass im Falle des Verkaufs eine sehr bedeutende wirtschaftliche Einnahmequelle des Bundeslandes mit seinen beiden Stadtgemeinden wohl für immer verloren geht. Offenbar schert es gerade Politiker dieser großen Koalition nicht im Geringsten, dass das Verhökern von Gewoba-Anteilen an einen ausländischen so genannten Investor nur zur Folge haben wird, dass aus dem Unternehmen gezogener Reibach und Steuern ins Ausland gehen. Das scheint sie nicht zu stören! Auch interessiert es den Senat offenbar nicht, dass das Land Bremen den maßgeblichsten Partner bei der Entwicklung für die Stadtteilquartiere abschreiben kann und zudem die Mitverantwortung des Immobilienunternehmens für die soziale Wohnraumversorgung infolge des abnehmenden Anteils an bezahlbarem Wohnraum verschwindet.

Tatsache ist, dass ein Weiterverkauf von Anteilen der Gewoba für die Beschäftigten nicht nur den Verlust von Arbeitsplätzen bedeutet, sondern auch Dumpinglohn und Mehrarbeit bei geringem Einkommen nebst ausuferndem Leiharbeitereinsatz. Beispiele dafür gibt es zur Genüge: die Bremische Gesellschaft und Beamtenbaugesellschaft, heute Blackstone, oder aber die GSW, Berliner Wohnungsbaugesellschaft, heute Cerberus, die GAGFAH Wohnungsgesellschaft, heute Fortress, die Thyssen-Krupp AG, heute Morgan Stanley und so weiter. Die Investoren zielen in der Regel skrupellos und rücksichtslos auf den schnellen Superprofit, sie zehren die vorhandene betriebliche Substanz aus, bevor das Unternehmen Reste oder Teile dann nach wenigen Jahren weiterverkaufen kann.

Tatsache ist, dass in den letzten fünf Jahren allein Städte und Gemeinden in Deutschland sage und schreibe weit über 600 000 Wohnungen verscherbelt haben neben dem Verkauf der Wohnungsbestände aus Ländern und Bundeseigentum. Sogar ganze Siedlungen früherer Werks- und Sozialwohnungen, die einst mit Steuergeldern gebaut wurden, gehen infolge schändlicher Machenschaften etablierter Politiker jetzt an internationale Investgesellschaften, die skrupellos auf Profitmaximierung setzen. Auch in Bremen und Bremerhaven erkennen immer mehr Bürger, Gott sei Dank, die Unehrlichkeit der Altparteien, die zwar immer von sozialer Verantwortung faseln, aber Lebensgrundlagen wie zum Beispiel Wohnungen, Arbeitsplätze und so weiter dem globalen Haifisch-Kapitalismus ausliefern. Damit muss Schluss sein! – Ich danke Ihnen!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Hauptproblem bei dem, was Herr Tittmann hier macht, ist, dass er Kausalitäten herstellt, die so nicht im Raum stehen. Es geht nicht darum, die Gewoba, wie haben Sie gesagt, zu verkloppen oder irgendwie – –.

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Verscherbeln!)

Verscherbeln, genau! Es geht überhaupt nicht darum! Es geht um eine ernsthafte Prüfung, was mit diesem Unternehmen weiterhin zukünftig passieren soll.

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Und was wird die Folge sein?)

Die Frage bei der Gewoba ist aus unserer Sicht folgende: Die Gewoba ist ein wichtiges Instrument, auch der Stadtentwicklungspolitik, das ist hier im Haus auch einhellige Auffassung aller Parteien, davon bin ich fest überzeugt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

Die Gewoba ist aber, Herr Tittmann, keine soziale Einrichtung, wie Sie das formuliert haben. Die Gewoba ist ein Wirtschaftsunternehmen, und die Frage ist: Wie gehen wir als Stadt mit diesem Unternehmen, das hauptanteilsmäßig der Stadt gehört, um?

Was Sie jetzt machen, ist, dass Sie zuerst einmal sagen, die Mieter müssen sich große Sorgen machen. Zweitens sagen Sie, die Mitarbeiter müssen sich große Sorgen machen. Glauben Sie denn, dass wir hier im Haus nicht genau über diese Fragen nachdenken, was nämlich mit der Gewoba und deren Mietern und deren Mitarbeitern passiert? Sie unterstellen im Grunde genommen ja – wie sagen Sie immer, die Altparteien oder irgendwie – dem Hause hier, dass es rücksichtslos und sorglos damit umgeht. Wir werden Ihren Antrag deswegen ablehnen, weil wir all die Fragen, die sich um die Gewoba, um den Wohnungsbau und um die Sozialmieten der Gewoba drehen, sehr sorgfältig prüfen wollen.

Andererseits kann man aber nicht 25 Prozent Anteile bei der BIG liegen lassen und warten, wie die Zinsaufhäufung zunimmt, ohne an der Stelle tätig zu werden. Das wäre grob fahrlässig angesichts der derzeitigen Haushaltssituation unseres Bundeslandes, von der ich glaube, dass Sie nicht einmal den Hauch einer Ahnung haben!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. (A) (C)

Lassen Sie mich noch einen einzigen Satz sagen: Sie haben vorhin in irgendeinem Redebeitrag gesagt, Herr Tittmann, wir seien Ho-Chi-Minh-Pazifisten. Ich möchte Sie dahingehend aufklären, dass Ho Chi Minh alles war, aber bestimmt kein Pazifist!

(Heiterkeit und Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

(Unruhe)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Möhle, genau das wollte ich zum Ausdruck bringen!

(Unruhe)

Genau das wollte ich zum Ausdruck bringen! Es verwundert mich nur, dass Sie das gemerkt haben! Herr Möhle, wenn Sie sich so Sorgen machen um die Mieter der Gewoba und der Senat ja auch, wie Sie eben erwähnt haben, dann verwundert mich das schon sehr, dass hier auf der Senatsbank kein Senator bei dieser wichtigen Frage anwesend ist. Das wundert mich schon sehr. (Zurufe)

Ja, einer! Der ist aber eben gerade erst gekommen! Davor war keiner da!

Meine Damen und Herren, wenn die Pleitepolitiker von SPD, CDU und Grünen, die zähle ich mit dazu, die für die riesigen Fehlinvestitionen Musical-Theater, Space-Park,

(Unruhe – Abg. Frau W i n d l e r [CDU]: Neue Themen!)

wir haben heute Morgen darüber diskutiert, verantwortlich sind, heute hier behaupten, der Verkaufserlös von Gewoba-Anteilen lindere die Haushaltsnotlage im Bundesland Bremen, so ist das eine glatte Lüge! Zirka zwölf Millionen Euro Dividende schüttet die Gewoba jährlich an die Landeskasse aus. Abgesehen von den unsozialen Absichten, die hinter dieser Verkaufsabsicht stecken – ich sage bewusst Absichten, man weiß ja, was daraus dann kommt –, ist es eine Tatsache, dass die Entlastung des bremischen Haushalts durch einen Anteileverkauf nach Exper

tenschätzungen zirka zehn Millionen Euro jährlich ausmacht.

Meine Damen und Herren, 72 Millionen investiert das Immobilienunternehmen jährlich in seinen Wohnungsbestand. Zutreffend betont, und jetzt sollten Sie genau zuhören, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Gewoba, Herr Neitzel, dass bei einer Verkaufsabsicht an einen angloamerikanischen so genannten Investor alles darauf hindeutet, dass neben den 430 Gewoba-Beschäftigten auch die Arbeitsplätze von über 1000 Mitarbeitern in kleinen Handwerksbetrieben aller Voraussicht nach vor dem Aus stehen würden. Das ist sehr bemerkenswert!

Meine Damen und Herren, es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, auch für die Grünen, diesen Kahlschlag zu verhindern. Darum fordere ich Sie namens der Deutschen Volksunion auf, die GewobaAnteile weit mehrheitlich im öffentlichen Eigentum zu belassen! Es ist im Sinne und zum Wohle vieler Beschäftigter und auch der Mieter. Also, stimmen Sie dem Antrag der Deutschen Volksunion zu, bevor es zu spät ist!

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Angstmacher!)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag des Abgeordneten Tittmann, DVU, mit der Drucksachen-Nummer 16/646, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! (Dafür Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und Abg. W e d l e r [FDP])

Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab. Meine Damen und Herren, das war für heute der letzte Tagesordnungspunkt. Ich schließe die Sitzung und wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend.