Das muss sich, glaube ich, auch jemand, der politisch sicherlich Kritik vertragen kann, nicht sagen lassen. Ich sage Ihnen auch, wenn es nicht von diesem Pult aus gesagt worden wäre, wenn Herr Tittmann nicht Bürgerschaftsabgeordneter wäre, dann müsste er möglicherweise mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen. Das wird nicht passieren, weil er es hier von dieser Stelle aus gesagt hat. Ich finde aber, es ist ein Anlass für eine Rüge, die hier eigentlich hätte erteilt werden müssen. Ich rege an, dass sich der Vorstand der Bürgerschaft noch einmal mit diesem Thema beschäftigt. Ich finde, wir dürfen das hier nicht ständig durchgehen lassen!
Zur Sache, was die Unterzeichnung des Zusatzprotokolls angeht: Es ist in der Tat so, dass wir es hier mit einer kaum nachvollziehbaren Entscheidungslage zu tun haben, dass nämlich die Bundesrepublik einerseits an der Erarbeitung dieses Papiers beteiligt gewesen ist, es andererseits aber nicht unterzeichnet und nicht ratifiziert hat. Dies könnte ja nun dahingehend verstanden werden, dass die Bundesrepublik die Folter nicht mit dem notwendigen Nachdruck bekämpfen will. Das ist, und das möchte ich Ihnen kurz darlegen, falsch. Wir haben nämlich innerstaatlich solch hohe Standards von präventiven und reaktiven Maßnahmen gegen Folter, Regelungen in allen möglichen Bereichen, dass wir sagen können: Wir wären froh, und das wollen wir ja, dass andere Staaten auch diesen Standard erreichen.
Wir haben zum Beispiel für den Bereich des Abschiebegewahrsams einen Beirat, der sich mit Beschwerden beschäftigt, der darauf achtet, dass die Dinge dort in Ordnung sind. Fünf Personen, die nicht für den Senator für Inneres tätig sein dürfen, die aber vom Senator für Inneres berufen werden, bilden den Beirat, der den Abschiebegewahrsam überwacht. Für den Bereich des Polizeigewahrsams gibt es die Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, wenn dort Dinge passieren, die nach Auffassung des Betroffenen nicht in Ordnung sind. Wir können sicher sein, dass Beschwerden, die dort erhoben werden, nicht unterdrückt werden, sondern dass sie an die Stellen kommen, die sich dann damit beschäftigen und sich mit den Sachverhalten auseinander setzen.
Wir haben eine Besuchskommission nach dem PsychKG, die regelmäßig die psychiatrischen Krankenhäuser überwacht, besucht, die sich informiert, Gespräche mit den Betroffenen ebenso führt wie mit den Mitarbeitern. Auch dort ist innerstaatlich gewährleistet, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Wir haben für den Bereich des Strafvollzugs die Anstaltsbeiräte nach Paragraph 162 des Strafvollzugsgesetzes, deren Aufgabe ebenfalls ist, sich der Beschwerden anzunehmen, die aus dem Bereich der Gefangenen kommen. Wir haben für die staatlichen Heime
eine staatliche Heimaufsicht, die ernst genommen wird. Wir erleben es, dass Beanstandungen erhoben werden und dass diesen Beanstandungen auch abgeholfen wird.
Wir haben schließlich eine funktionierende Kontrolle von allen möglichen staatlichen Einrichtungen durch die Presse. Auch wenn es nicht immer allen gefällt: Die Presse spielt in diesem Zusammenhang bei uns eine ganz, ganz wichtige Rolle. Wir haben ein umfassendes Rechtsschutzsystem gegenüber Behörden. Wir haben die Fachaufsichten durch die obersten Landesbehörden, und wir haben schließlich das Petitionsrecht an das Parlament. Auch das wird bei uns wahrgenommen, und es wird ernst genommen. Wer weiß, wie die Verwaltungen sich bemühen, Sachverhalte aufzuklären, wenn der Petitionsausschuss angerufen worden ist, der weiß, dass dies ein sehr, sehr wirksames Mittel ist. Schließlich kann jedermann, der sich durch staatliche Maßnahmen benachteiligt fühlt, die Gerichte anrufen, auch da wissen wir, dass das funktioniert. Ich sage also, wir haben ein sehr, sehr ausgefeiltes System der Prävention und der Reaktion in diesem Bereich.
Auch wenn wir Europa anschauen, dann müssen wir feststellen, dass es da ein ausgefeiltes System gibt. Abgesehen davon, dass unsere direkten Nachbarn, was rechtsstaatliche Standards angeht, uns in nichts nachstehen, ist es so, dass es einen Anti-Folter-Ausschuss des Europarats gibt, der mit hochkarätigen Fachleuten besetzt Einrichtungen besucht, der sich davon überzeugt, dass alles seine Ordnung hat. Dass dieses System funktioniert, das können wir an einem Beispiel belegen, dass nämlich vor einigen Jahren die Schweiz im Zusammenhang mit dem Tod einer Person im Rahmen einer Abschiebeaktion gerügt wurde. Die Schweiz hat daraufhin umfangreiche innerstaatliche Maßnahmen ergriffen und hat Vorsorge getroffen, dass so etwas nicht wieder passiert. Das bedeutet also, wir können stolz darauf sein, dass wir hohe Standards in Deutschland und dass wir hohe Standards in Europa haben.
Es geht also in Wirklichkeit bei uns nicht um die Frage, ob wir die Unterzeichnung dieses Protokolls für überflüssig halten, weil alles geregelt ist, sondern es geht nur um die Frage, ob hier aus übergeordneten Gründen ein politisches Signal außenpolitisch gesendet werden soll. Da bin ich ganz froh darüber, dass unser Justizsenator im Rahmen seiner Möglichkeiten alles getan hat, in Verhandlungen mit den anderen Bundesländern dafür Sorge zu tragen, dass eine Unterzeichnung stattfindet. Ich gehe davon aus und fordere dazu auf, dass diese Bemühungen weiter betrieben werden, das Ziel zu erreichen, um das es uns geht, nämlich die Unterschrift der Bundesrepublik Deutschland unter dieses Zusatzprotokoll. – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Wort vielleicht zu den Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung! Wir wissen in der Tat, dass weltweit, bevorzugt in Gefängnissen, heute noch gefoltert wird. Von daher gesehen haben wir uns immer für die Unterzeichnung des Protokolls ausgesprochen, allein um außenpolitisch ein Signal zu setzen.
Innenpolitisch wissen wir natürlich mit allen anderen Ländern, dass wir eigentlich Schwierigkeiten haben, ein weiteres Kontrollinstrument zu implementieren. Wenn ich mir vorstelle, was wir in Bremen an Möglichkeiten haben: Sie haben die Gelegenheit, sich jederzeit Zugang in die Anstalt zu verschaffen. Die Verteidigung kann das. Wir haben einen Anstaltsbeirat, der sich um die Belange der Gefangenen kümmert. Wir haben ein ganz entwickeltes Beschwerdesystem, der Petitionsausschuss ist schon erwähnt worden. Wir haben die Möglichkeiten der gerichtlichen Kontrolle. Wir haben ständige Begehungen der Anstalt durch die Justizbehörde und so weiter.
Das heißt, dass die Bundesrepublik Deutschland insgesamt einen Standard in diesem Bereich entwickelt hat, der vorbildlich ist. Das bedeutet nicht, dass in der Bundesrepublik nichts passieren kann. Sie erinnern sich – ich glaube, es ist jetzt gerade einmal sieben Jahre her –, dass wir uns in einem Untersuchungsausschuss mit diesem leidvollen Thema in Bremen beschäftigt haben, wo Gefangene trotz aller Kontrollinstrumente massiv misshandelt worden sind! Von daher gesehen ist es immer eine ständige Aufgabe und eine Anforderung an uns, sich darum zu kümmern und solche Entwicklungen erst gar nicht aufkommen zu lassen.
Es ist aber wie gesagt das Problem mit diesem Zusatzprotokoll: Ist eine weitere Kommission notwendig? Wir haben jetzt einen Kompromiss gefunden, der sehr wahrscheinlich auch von allen Ländern im Ergebnis getragen wird. Wir werden also, um hier dann auch wirklich außenpolitisch ein Signal zu setzen – wir dürfen nicht zum Alibi für andere Länder werden, die in der Tat Folter für völlig normal halten und sagen, weil die Bundesrepublik nicht mitmacht, dürfen wir weitermachen wie bisher –, dafür werben, und ich denke, dass am Ende dieses Prozesses die Unterzeichnung und Ratifizierung stehen wird. – Schönen Dank!
Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats mit der Drucksachen-Nummer 16/652 auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU Kenntnis.
Mit Einverständnis des Abgeordneten Tittmann wollen wir jetzt in den noch verbleibenden 20 Minuten noch die beiden Tagesordnungspunkte 30 und 31 behandeln.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte Sie bitten, Herr Präsident, ob wir den Antrag der DVU, Tagesordnungspunkt 31, in der nächsten Sitzung behandeln können. Zu der vorgerückten Stunde wäre es wahrscheinlich besser.
Wir haben noch zwanzig Minuten, Herr Abgeordneter Tittmann! Es ist genau 17.40 Uhr. Wir haben bis 18 Uhr Sitzung, und ich glaube, dass wir ruhig den Tagesordnungspunkt noch abarbeiten.
Meine Damen und Herren, es geschehen doch noch Wunder! Seit ewigen Zeiten haben Behindertenverbände einen Behindertenbeauftragten gefordert. Dann endlich, nach langem Hin und Her hat der Landtag endlich, endlich 2004 einstimmig die Einsetzung eines Behindertenbeauftragten beschlossen!
Was ist passiert? Erst einmal wieder, wie so oft, nichts! Man hat die Behinderten, wie so oft, einfach im Regen stehen lassen. Man hat ihre berechtigten Sorgen und Nöte und den einstimmigen Beschluss des Landtags lange Zeit einfach ignoriert. Tatsache ist doch, wir hätten bereits zum 1. November 2004 einen Behindertenbeauftragten haben können und sogar haben müssen.
Nun komme ich zu dem Wunder! Am 2. Juni habe ich namens der Deutschen Volksunion folgenden Antrag hier eingebracht, Herr Präsident, ich darf zitieren: „Die Bremische Bürgerschaft, Landtag, möge beschließen: Der Bremer Senat wird aufgefordert, umgehend dafür Sorge zu tragen, dass die Stelle eines Bremer Behindertenbeauftragten dem Beschluss der Bürgerschaft vom Sommer 2004 entsprechend besetzt werden kann.“ Am 8. Juni 2005 konnte ich der Presse entnehmen, es wird endlich ein Behindertenbeauftragter für das Land Bremen eingesetzt. Wenn das kein Wunder ist, dann weiß ich wirklich nicht, was sonst noch ein Wunder sein soll!
Wenn mein heutiger Antrag mit dazu beigetragen haben sollte, Herrn Joachim Steinbrück als Behindertenbeauftragten für das Land Bremen endlich einzusetzen, dann, meine Damen und Herren, hat die Deutsche Volksunion zum Wohl und im Interesse vieler Behinderter sehr viel erreicht.
Meine Damen und Herren, das Ziel der Deutschen Volksunion, einen Behindertenbeauftragten für das Land Bremen zu bekommen, ist im Sinne der Deutschen Volksunion, von Ihnen, vielleicht auch auf Druck der Deutschen Volksunion, endlich erfüllt worden, wenn auch sehr spät. Es ist aber im Sinne der Behinderten endlich erreicht worden. Deshalb ziehe ich den Antrag zurück und wünsche dem Behindertenbeauftragten, Herrn Steinbrück, bei der Bewältigung seiner sehr schweren Aufgabe, den Interessen der behinderten Menschen bei allen Vorhaben der öffentlichen Hand frühzeitig und rigoros Gehör zu verschaffen, namens der Deutschen Volksunion viel Kraft, Mut und Erfolg. Die uneingeschränkte Unterstützung der Deutschen Volksunion hat Herr Steinbrück immer und zu jeder Zeit! – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich weiß nicht, worüber ich mich mehr wundern muss zu dieser späten Stunde, über diese Frechheit, über diese Plattheit oder über diese Anmaßung von Herrn Tittmann, dass er nun den Behindertenbeauftragten initiiert hat!
(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. (A) (C)
Meine Damen und Herren, wir haben uns schwer getan mit dem Einsetzen eines Behindertenbeauftragten. Man könnte sagen, gut Ding will Weile haben. Die Vorstellungen hier im Haus gingen weit auseinander. Wir haben uns geeinigt. Herr Steinbrück wird am 1. Juli seine Arbeit aufnehmen.
Das ist keine leichte Arbeit. Das wird eine schwere Arbeit sein, vor allen Dingen, weil er in einer in der Bundesrepublik Deutschland einmaligen Situation diese Arbeit aufnimmt. Diejenigen, die mit Herrn Steinbrück gemeinsam an dem Gleichstellungsgesetz für Behinderte gearbeitet haben, haben Herrn Steinbrück als ausgleichenden, hervorragenden, ruhigen, bedächtigen, immer an der Sache interessierten Mann kennen gelernt. Mir hat das Spaß gemacht, mit ihm damals zusammenzuarbeiten. Ich habe dabei auch viel gelernt, viel mitgenommen.
Wir freuen uns mit den Behindertenverbänden, dass wir so weit sind, dass Herr Steinbrück seine Arbeit aufnehmen kann. Die Freude hier im Haus ist vielleicht größer als die der Behindertenverbände. Ich jedenfalls und die CDU-Fraktion, und ich denke, ich spreche für das ganze Haus, wir sind froh, dass wir diese Sache geschultert haben. Unsere guten Wünsche werden Herrn Steinbrück ab 1. Juli begleiten. Viel Erfolg bei seiner schwierigen Arbeit!
Der Abgeordnete Tittmann hat seinen Antrag mit der Drucksachen-Nummer 16/645 zurückgezogen. Damit erübrigt sich eine Abstimmung über diesen Antrag.