Wenn Sie die alte Leier mit den Investitionen wiederholen, dann müssen Sie wissen, dass wir nach wie
vor eine Lücke haben, dass wir nach wie vor die Aufholjagd bei den Investitionen nicht vollzogen haben!
Die Investitionslücke, liebe Frau Linnert, die in den achtziger und neunziger Jahren entstanden ist – auch zu Ihrer Regierungszeit ist die Investitionslücke größer geworden –, ist größer geworden. Das ist doch ein Stück unserer Probleme in Bremen.
Einerseits stellen Sie sich hin und kritisieren diverse Sparbeschlüsse, die wir im Bereich Bildung und Soziales getroffen haben, andererseits sagen Sie, wir haben nicht genug gespart. Dabei ist doch die Wahrheit: Kein Bundesland hat bei den konsumtiven Ausgaben so viel – –.
Liebe Frau Kollegin Linnert, Ihre ständigen Zwischenrufe stören ein bisschen! Einmal eine Zwischenbemerkung ist ja ganz angenehm, aber nicht immer unaufhörlich dazwischenreden!
(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Wie bitte? Das ist ein Parlament hier! – Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grünen]: Soll sie jetzt eine Strafarbeit schrei- ben?)
Kein Bundesland – ich wiederhole das – hat im konsumtiven Bereich so viel eingespart wie Bremen. Kein Bundesland hat im Personalbereich so viel eingespart wie Bremen. Wenn Sie sich die Berichte, die an den Finanzplanungsrat seit 1994 gegangen sind, ansehen, welche konkreten Einsparungen getroffen wurden, konkrete Ausgabenkürzungen gemacht worden sind, da können wir uns wirklich sehen lassen.
Dies immer mit kritischen Nörgeleien hier zu versehen wird der Tatsache nicht gerecht, es sei denn, man ist Verdrängungskünstler und nimmt nicht das wahr, was wirklich passiert ist.
Wissen Sie, ich will das gern noch einmal wiederholen, ich habe das neulich schon einmal hier gesagt: Wer sich hier hinstellt und denkt, er könnte glaubhaft die große Koalition kritisieren, der muss doch einmal die Auswirkungen Ihrer Regierungspolitik aus Berlin zur Kenntnis nehmen! Da heißt es nämlich, ich zitiere: „Der Anteil der Armut“ – eine EU-Definition, Haushaltseinkommen unter 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens der betroffenen Haushalte – „stieg von 1998“, als wir noch regierten, „von 12,1 Prozent auf 13,5 Prozent.“ Es ist das Ergebnis Ihrer Politik, dass wir inzwischen bei 13,5 Prozent liegen!
Meine Damen und Herren, das müssen Sie sich einmal hinter die Ohren schreiben, wer im Glashaus sitzt, der sollte nicht mit Steinen werfen.
(Beifall bei der CDU – Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Kehren Sie vor Ihrer eigenen Tür!)
Mit Ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik haben Sie damit wohl etwas zu tun! Natürlich haben wir hier auch Auswirkungen der Bundespolitik. Dass wir völlig isoliert von der Entwicklung der Bundespolitik sein können, das ist ja wohl ein Irrglaube.
Bundesweit 39 320 im Jahre 2003! Fast eine Verdopplung der Zusammenbrüche! Ich könnte hier auch andere Beispiele nehmen, und deswegen wiederhole ich, was ich eben gesagt habe, lieber Herr Köhler: Machen Sie das erst einmal in Berlin besser, und dann können Sie hier auch glaubhaft Kritik üben! – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei der ersten Lesung des Nachtragshaushalts 2005 habe ich einige grundsätzliche Äußerungen zum vorgelegten Haushaltsplanentwurf ge
macht, das möchte ich heute nicht wiederholen. Die Stichworte sind vorhin auch schon genannt worden, es ist der Ausfall des Kanzlerbriefs, es sind die technischen Umsetzungen im Zusammenhang mit Hartz IV, insbesondere habe ich auf die Verschuldung hingewiesen, auf die Höhe der Verschuldung und die daraus resultierenden Verpflichtungen, nicht nur für unsere Haushalte, sondern auch für die späteren Generationen. Das möchte ich heute nicht wiederholen.
An meiner grundsätzlichen Einschätzung dieses Haushaltsentwurfs 2005, des Nachtragshaushaltsentwurfs 2005 hat sich nichts geändert. Das vorgelegte Zahlenwerk blieb unverändert, selbst wenn einige wenige in den Haushalt 2005 eingestellte so genannte neue Haushaltspositionen zusätzlich von den Ressorst erläutert wurden.
Schaut man sich die so genannten neuen Haushaltspositionen etwas näher an, dann stellt man fest, dass es sich dabei nicht um Positionen handelt, die für die Beseitigung der extremen Haushaltsnotlage von Bedeutung sind, die die Einnahmepositionen des Haushalts verbessern oder die Ausgaben reduzieren. Nach meiner Einschätzung handelt es sich durchweg um ganz normale neue Haushaltspositionen. Das ist etwas anderes als das, was damit eigentlich verbunden werden sollte. Es bleibt die Tatsache für mich, dass durch die im Nachtragshaushaltsgesetz 2005 geplante zusätzliche Kreditaufnahme die in unserer Landesverfassung in Artikel 131 a und im Haushaltsrecht enthaltene Kreditbeschaffungsgrenze deutlich überschritten wird.
Im ersten Jahr nach Ablauf der Sanierungsphase kann kein verfassungskonformer Haushalt vorgelegt werden, obwohl dies doch das erklärte Ziel der Sanierungspolitik war. Das strukturelle Haushaltsdefizit der bremischen Haushalte besteht nicht nur fort, es droht auch, sich ständig zu vergrößern. Nirgendwo ist Land in Sicht. Selbst die Koalitionsbeschlüsse zur künftigen Haushalts- und Finanzpolitik bringen keine Antwort. Das Streben nach einem ausgeglichenen Primärhaushalt geht ebenfalls an der Landesverfassung vorbei. Damit wird das Scheitern der von der großen Koalition betriebenen Sanierungspolitik für jedermann offenbar. Wir stehen vor der Situation und der Frage, wie es künftig und auch in diesem Jahr mit dem Staatsschiff Bremen weitergehen soll.
Im vorgelegten Zahlenwerk nicht berücksichtigt sind die Ergebnisse der jüngsten Steuerschätzung, die uns in Bremen und Bremerhaven ganz erheblich negativ betreffen werden. Gegenüber dem Haushaltsanschlag 2005, darauf ist schon hingewiesen worden, ist ein Minus der regulären Einnahmen in Höhe von gut zwölf Millionen Euro zu verzeichnen, gegenüber der letzten Steuerschätzung sogar ein Minus von gut 31 Millionen Euro. Dazu kommt noch das Minus, das wir im Bremerhavener Haushalt zu verzeichnen haben. Für die nächsten Haushaltsjahre, speziell auch für den nächsten Doppelhaushalt, ist keine Besserung
Nach den jüngsten Erklärungen aus dem Senat und aus der Koalition ist nicht vorgesehen, die zusätzlichen Einnahmedefizite im Haushalt 2005 durch konkrete zusätzliche Anstrengungen auszugleichen. Es soll durch, wie es heißt, Gegensteuerungsmaßnahmen im Haushaltsvollzug, also ohne Konsequenzen im vorgelegten Nachtragshaushaltsentwurf ausgeglichen werden. Angesichts der Minusausgleichspositionen aus den Vorjahren, die noch erwirtschaftet werden müssen, erscheint mir dies schlechterdings fast unmöglich.
Bei den Beratungen im Haushalts- und Finanzausschuss zum Nachtragshaushalt 2005 spielte die Frage, wie man denn das Überschreiten der Kreditbeschaffungsgrenze verfassungskonform rechtfertigen will, eine wichtige Rolle. Zwei Gesichtspunkte waren dabei von besonderer Bedeutung. Der erste Gesichtspunkt, der in unserer Landesverfassung in Artikel 131 a auch vorgesehen ist, war die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Bei Vorliegen – das ist die Logik dabei – einer solchen Störung, könnte die durch die Höhe der Investitionen festgelegte Kreditbeschaffungsgrenze überschritten werden. Dabei muss man aber sehen, dass es sich um eine Ausnahmeregelung handelt und dass in besseren Zeiten, wenn die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorbei ist, nicht nur die zusätzliche Kreditaufnahme zurückgeführt werden muss, sondern die zusätzlich aufgenommenen Kredite auch wieder getilgt werden müssen. Das ist die Logik im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz des Bundes, das hier zugrunde liegt.
Ursprünglich war vorgesehen, das Überschreiten der Kreditbeschaffungsgrenze im Nachtragshaushalt 2005 auch mit der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu begründen. Davon hat man jedoch Abstand genommen. Wir bekamen im Haushalts- und Finanzausschuss eine Tischvorlage, und entsprechend ist es dann heute auch in die Vorlage eingeflossen, die wir hier zu debattieren haben. Warum man Abstand genommen hat, wurde bei den Beratungen nicht erläutert. Möglicherweise hat man kalte Füße in der Argumentation bekommen.
In der heutigen Vorlage, die wir hier zu beraten haben, ist dieser Punkt dann auch bei den Beschlussempfehlungen nicht mehr enthalten. Damit hat man allerdings auch die einzige Möglichkeit, die unsere Landesverfassung als Ausnahmefall und in zeitlicher Begrenzung für eine Überschreitung der Kreditbeschaffungsgrenze für denkbar hält, beiseite geschoben.
Der zweite Gesichtspunkt, der bei den Beratungen im Haushalts- und Finanzausschuss im Zusammenhang mit der Überschreitung der Kreditbeschaffungsgrenze und ihrer Rechtfertigung eine Rolle gespielt hat, war das Fortbestehen einer extremen Haushalts
notlage in unserem Bundesland. Dabei stützte man sich auf zwei richterliche Entscheidungen, insbesondere die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Berlin vom 31. Oktober 2003. Außerdem war maßgeblich, dass die Haushaltsnotlage für Bremen bereits in dem seinerzeitigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts festgestellt worden war.
Die richterlichen Entscheidungen können nur Wirkung für ihr jeweiliges Bundesland, also Berlin oder Niedersachsen, entfalten, nicht für Bremen. Sie sollen aber trotzdem in analoger Weise für unser Bundesland angewendet werden, analog deshalb, weil unsere Landesverfassung als Grund für eine Überschreitung der Kreditbeschaffungsgrenze das Vorliegen einer extremen Haushaltsnotlage nicht vorsieht.
Ich habe erhebliche Zweifel, ob die analoge Anwendung der richterlichen Entscheidungen, vor allem der aus Berlin mit ihren Ausführungen zur Überschreitung der Kreditbeschaffungsgrenze im Gefolge einer extremen Haushaltsnotlage, vor dem Hintergrund unserer Landesverfassung richtig ist. Deshalb bin ich der Meinung, dass diese Frage nicht nur von unserer Verwaltung, sondern auch vom Staatsgerichtshof näher geprüft werden sollte, denn nur dieser ist befugt, über die Auslegung der Landesverfassung und andere staatsrechtliche Fragen zu entscheiden. Deshalb mein Antrag mit den aufgeworfenen Fragen!
Sicher ist es richtig, dass seinerzeit für das Bundesland Bremen und auch das Saarland eine extreme Haushaltsnotlage festgestellt wurde. Diese Feststellung war dann ja auch der Grund dafür, dass Bremen bis zum Jahr 2004 Sanierungszahlungen erhielt. Im Jahr 2005 sollte die Sanierung dann abgeschlossen und damit die extreme Haushaltsnotlage beseitigt sein. Ich glaube nicht, dass die seinerzeitige Feststellung einer extremen Haushaltsnotlage im Bundesland Bremen über den Sanierungszeitraum hinaus noch Gültigkeit hat, heute also noch zur Begründung einer Überschreitung der Kreditbeschaffungsgrenze herangezogen werden kann. Beleg dafür ist für mich die Tatsache, dass es niemand im Bundesgebiet so sieht und auch entsprechend handelt. Auch bei den Gesprächen in Berlin um die Einlösung des Kanzlerbriefs spielte dies keine Rolle.
Ich halte das jetzt zur Begründung für das Überschreiten der Kreditbeschaffungsgrenze angeführte Argument der extremen Haushaltsnotlage finanzpolitisch und auch verfassungsrechtlich für äußerst problematisch, denn dies bedeutet nichts anderes, als dass es im völligen Belieben von Senat und Regierungsmehrheit liegt, entgegen dem klaren Wortlaut unserer Landesverfassung Kredit über das Limit der Verfassung hinaus zu beschaffen. Das kann nicht sein! Im Sanierungszeitraum flossen wenigstens Sanierungszahlungen ohne Finanzverpflichtung in den bremischen Haushalt, keine zusätzlichen Kredite, die die künftigen Haushalte und die späteren Generationen mit ihren Zins- und Tilgungsverpflichtungen zu
sätzlich belasten. Eine überhöhte Kreditaufnahme, wie sie jetzt im Nachtragshaushalt 2005 geplant ist, beseitigt nicht das strukturelle Defizit, sondern verschlimmert die Situation noch zusätzlich.
Als Konsequenz für das aktuelle Haushaltsgeschäft im Jahre 2005 sehe ich deshalb nur die Möglichkeit, die vorläufige Haushaltsführung bis auf Weiteres fortzusetzen und die Beschlussfassung über den Nachtragshaushalt 2005 erst einmal auszusetzen. Ich möchte Sie bitten, bevor wir uns in ein verfassungsrechtliches Niemandsland begeben, den Staatsgerichtshof die im Haushalts- und Finanzausschuss diskutierten Möglichkeiten für eine Überschreitung der Kreditbeschaffungsgrenze prüfen zu lassen, ehe wir endgültig über den Nachtragshaushalt 2005 entscheiden.
Wir müssen als Bürgerschaft den Anspruch haben, auf verfassungsrechtlich sicherem Boden zu stehen. Daran gibt es für mich erhebliche Zweifel. Stimmen Sie also deshalb meinem Antrag, den ich heute hierzu eingereicht habe, zu, und stimmen Sie damit dann auch meinem Anliegen zu, die Beschlussfassung über den Nachtragshaushalt 2005 heute auszusetzen! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da ich diesen für unsere Bevölkerung unsozialen und unerträglichen Nachtragshaushalt schon in der ersten Lesung mit deutlichen Worten namens der Deutschen Volksunion uneingeschränkt abgelehnt habe, möchte ich mich aber trotzdem zur zweiten Lesung noch einmal kurz zu Wort melden.