Die politische Landschaft sieht doch so aus, dass an der einen Stelle, wie eben ausgeführt, immer noch munter weiter Geld ausgegeben wird, während an anderer Stelle bei der Schule, bei den Kindergärten, bei der sozialen Sicherheit, aktuelles Stichwort „Eingliederung von behinderten Menschen“, bei den Mitarbeitern im öffentlichen Dienst so gekürzt wird, dass vieles vor dem Zusammenbruch steht. Es geht immer um konkrete Umverteilungspolitik, die hier stattfindet. Aus den Bereichen, in denen der Staat, die demokratisch verfasste Gesellschaft, gestaltet, wird Geld in die Verringerung des unternehmerischen Risikos von Privatinvestoren gelenkt. Das hat mit Sanierung nichts zu tun, es geht hier auch nicht um einzelne Fehlentscheidungen, sondern es geht um die Ausrichtung Ihrer Politik.
Ich möchte nur Beispiele nennen, die stellvertretend für andere stehen. Wir haben gestern in der Stadtbürgerschaft gehört, wie unerträglich die finanzielle Situation bei den Schuldnerberatungen ist, wo Menschen in einer sozialen Notlage konkret Hilfe bekommen, ohne die sie aus der Schuldenfalle nicht wieder herauskommen. Kein Geld, sondern Beratung und Unterstützung! Wenn diese Hilfe von der Allgemeinheit nicht mehr organisiert und finanziert wird, findet sie schlicht nicht mehr statt.
Heute wird in der „taz“ berichtet, dass Justizsenator Henning Scherf die Schuldnerberatung im Gefängnis schließen will. Konkret soll eine Mitarbeiterin des Vereins Bremische Straffälligenbetreuung, die seit 25 Jahren hervorragende, allgemein anerkannte Arbeit macht, arbeitslos werden. Das ist nicht nur unanständig, sondern das ist auch extrem kurzsichtig. Es ist doch für jeden unmittelbar einsehbar, dass entlassene ehemalige Strafgefangene ohnehin riesengroße Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben, aber dass es geradezu ausgeschlossen ist, einen Job zu finden, wenn dann auch noch eine Lohnpfändung läuft! Generell gilt, dass es auch für den Staat billiger ist, in die Lösung konkreter Probleme von Menschen Geld zu stecken, solange sie lösbar sind. Das ist doch ganz offensichtlich!
Es geht aber auch noch um ein weiteres Problem: Die Fähigkeit, für diese spezielle Klientel überhaupt eine Schuldnerberatung zu machen, diese Fähigkeit geht auf unabsehbare Zeit verloren. Mit der Frau geht auch das Wissen. Das ist keine Sache, die man in schlechten Zeiten einmal eben eindampft, wo man dann später eine Stellenausschreibung macht, und dann läuft das alles wieder so wie vorher. Es geht ja nicht nur um den konkreten Fall, sondern das betrifft alle gesellschaftsgestaltenden Bereiche, in denen die große Koalition ihre kurzsichtigen Kürzungen vornimmt.
Die Arbeitslosenberatungen, die geschlossen werden, sind ein weiteres Beispiel. Mit der Institution verschwindet auch das Wissen, die Fähigkeit der Gesellschaft und des Staates, bestimmte Probleme überhaupt angehen zu können, wird unterminiert. Das Gemeinwesen wird aufgelöst, und dagegen steht Bündnis 90/Die Grünen.
Wir als Opposition können die Einnahmeprobleme des Bremer Haushalts, vier Milliarden Euro Ausgaben und drei Milliarden Euro Einnahmen, auch nicht lösen. Die Krise in Bremen besteht ja aber nicht nur aus diesem Problem, das in Bremen niemand lösen kann, und erst recht nicht kurzfristig, sondern es kommt dazu, dass der Senat weiterhin kaum Anstalten unternimmt, sich der Ausgabenkontrolle zu stellen. Es gibt einerseits das objektive Problem und andererseits die Politik der großen Koalition, die das alles noch viel schlimmer macht.
Bündnis 90/Die Grünen hat gesagt, dass Bremen alle Ausgaben auf den Prüfstand stellen muss, die man jetzt noch zurückholen kann, und wir haben ein Verfahren beschrieben, wie das gehen soll. Das ist von Berlin abgeschaut, wo das dortige Verfassungsgericht bestimmte Regeln aufgestellt hat, die hoffentlich zu einer stärkeren politischen Auseinandersetzung über Ausgaben führen. Wir können hier in Bremen, solange wir durch die bundesstaatliche Finanzverteilung auf die Unterstützung der anderen Länder und des Bundes angewiesen sind, keine laxeren Regeln bei der Haushaltsführung gelten lassen als anderswo. Die Verschwendungsprojekte, die ich vorhin genannt hatte, müssen eingestellt werden, und jedes Verfahren, wo diese genannten Projekte durchrutschen, taugt nicht viel!
Wenn Bremen sein Recht vor dem Bundesverfassungsgericht suchen muss, dann müssen hier die Hausaufgaben gemacht werden. Die Koalition hat sich ein Stück weit auf uns zu bewegt, und wenigstens ab 2006 könnte dank Bündnis 90/Die Grünen etwas mehr Rationalität in die Haushaltsführung einziehen, aber es reicht natürlich nicht aus. Auch im Jahr 2005 gibt es erhebliche Investitionen. Das ganze Anschlussinvestitionsprogramm ist nicht untersucht beziehungsweise dem Verfahren nicht unterzogen. Ich habe für meine Fraktion letzte Woche im Haushalts- und Finanzausschuss detaillierte Kritik dargelegt. Ich möchte das hier nicht wiederholen.
Wir halten das Verfahren, das Sie gewählt haben, für nicht ausreichend für 2005. Dem Antrag von Herrn Wedler werden wir dennoch nicht zustimmen, weil wir keine Auslegungsschwierigkeiten bei der Verfassung haben, sondern ein tatsächliches Problem bei der Umsetzung, und durch ein Gutachten des Staatsgerichtshofs, irgendwann gegen Jahresende, würde
sich die Situation nicht verbessern. Wir werden den Nachtragshaushalt aus den genannten Gründen ablehnen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Vorredner haben zu Recht darauf hingewiesen, dass der Nachtragshaushalt für das Jahr 2005 im Wesentlichen aus zwei Gründen vorgelegt wurde, einmal, da wir über 500 Millionen Euro eingeplante Einnahmeerwartung nicht realisieren können, so kann man das umschreiben. Das heißt aber auf Deutsch, der Kanzler hat sein Wort nicht gehalten, das er Bremen gegeben hat, und deswegen müssen wir dieses Geld per Kredit aufnehmen, um die Lücke im Haushalt zu schließen.
Das Zweite sind die Auswirkungen von Hartz IV. Hier war kalkuliert worden, dass uns 120 Millionen Euro Entlastung zur Verfügung stehen. Wir wissen allerdings inzwischen, dass auch diese Zusage oder das, was der Bund ausgerechnet und zugesagt hat, nicht eingehalten wird.
Wir haben in der letzten Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses einen Bericht gehabt, aus dem deutlich wird, dass eine Lücke von 43,5 Millionen klafft und dass wir diese in den Revisionsverhandlungen vom Bund fordern werden. Das macht deutlich, dass hier zusätzlich eine erhebliche Lücke entsteht. Wenn ich schon bei den Problemen des Haushalts 2005 bin, dann will ich darauf hinweisen, Frau Wiedemeyer hat das auch angesprochen, dass wir natürlich ein Problem aufgrund der Steuerschätzung haben, das sind zwölf Millionen. Wir werden aber noch eine weitere Schätzung haben.
Wenn man das nimmt, was gestern über die Konjunktur berichtet wurde, da wurde festgestellt, dass wir nur durch den Export einen Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt haben, wenn wir die Binnenkonjunktur nehmen würden, dann hätten wir ein Minuswachstum. Das macht deutlich, wohin wir durch die rotgrüne Bundesregierung gebracht worden sind. Ein weiteres Problem haben wir durch die nicht aufgelöste Minderausgabe, und wir haben noch Mehrbedarfe der Ressorts. Das wird im Laufe des Jahres zu lösen sein. Ich hoffe, dass möglichst viel von dem so abgearbeitet werden kann, dass wir möglichst wenig zusätzliche neue Schulden aufnehmen müssen.
Auf das Verfahren, das die Frage der Anwendung der Urteile von Niedersachsen und Berlin betrifft, hat Frau Linnert hingewiesen, auch die Vorredner sind darauf eingegangen. Ich glaube, dass das Verfahren, das wir hier jetzt gemacht haben, dieses konzentrierte Verfahren, nach dem wir beim Haushalt 2005 verfahren sind, richtig ist. Ich glaube auch, dass wir uns bei
der Frage des Haushalts 2006/2007 intensiv damit beschäftigen müssen, welche Auswirkungen es hat. Ich will auf meine Vorredner in meinem Beitrag eingehen. Frau Wiedemeyer, Sie haben in Ihrer Pressemitteilung kritisiert, Sie haben es heute auch angesprochen, und zwar etwas differenzierter als in der Pressemitteilung, aber da die Pressemitteilung zuerst hinausgegangen ist, will ich doch aus der Pressemitteilung zitieren; Frau Wiedemeyer betonte, „dass eine Ursache für den dramatischen Verlust des Steueraufkommens in der unverantwortlichen Blockadepolitik der Berliner Opposition von CDU und FDP liegt.
Im Interesse des Landes fordere ich hiermit die Repräsentanten der Bremer CDU auf, sich nicht länger von parteipolitischen Gesichtspunkten leiten zu lassen, sondern künftig den Bundesratsinitiativen zuzustimmen, die der Einnahmeverbesserung des Staates und damit auch Bremens dienen.“ Ich finde, der letzte Halbsatz gilt auch dann, wenn es einen Wechsel in Berlin gegeben hat und nicht nur so lange, wie dort Rotgrün regiert.
Wir werden diese Presseerklärung, liebe Kollegin, sehr gut aufheben und immer wieder hier zitieren, wenn eine andere Situation sein wird.
Man muss immer vorsichtig sein bei dem, was man formuliert und welche Aussagen man trifft. Zweitens, Sie sagen, eine Ursache für die dramatischen Verluste des Steueraufkommens sei die unverantwortliche Blockadepolitik der Berliner Opposition. Das haben Sie mit einem Beispiel unterlegt, das ich aufgreifen will, nämlich mit der Eigenheimzulage. Sie wissen doch aber ganz genau, liebe Frau Kollegin, Sie sind doch viel zu sehr Expertin, wenn man die Eigenheimzulage 2004 völlig gestrichen hätte, dann hätte das beim Bund und in den Ländern im Jahr 2005 zu Mehreinnahmen bei allen Gebietskörperschaften von 200 Millionen Euro geführt. Wie Sie sich dann dazu versteigen können zu sagen, die Zahl haben Sie ja vorsichtshalber nicht erwähnt, aber Sie haben gesagt, man hätte mit der Streichung der Eigenheimzulage die Steuermindereinnahmen kompensieren können! Welch schlichter Unsinn!
Sie wissen es aber auch ganz genau! Dass Sie sich aber hier so hinstellen und dass Sie das einfach einmal
(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Aber für 2010 ist sie richtig! – Abg. F o c k e [CDU]: Für 2010 ja!)
Dann, das müssen Sie ja auch noch erwähnen, Sie verkünden doch im Bund, und das haben Sie hier auch schon einmal vertreten, dass man dieses Geld, das man da einsparen will, nicht zur Haushaltsentlastung einsparen will, sondern Sie haben immer wieder gesagt, Rotgrün in Berlin, alle unisono, das Geld wollen wir aber für Bildung und Wissenschaft ausgeben.
Ach so! Entschuldigung, Herr Sieling, Sie sagen, das soll wachstumsfördernd ausgegeben werden, Frau Wiedemeyer hat eben gerade etwas anderes gesagt, es sollte zur Einsparung, zur Finanzierung der Steuerausfälle genutzt werden! Was gilt denn nun?
(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD – Abg. D r. S c h u s t e r [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)
Hat der Landesvorsitzende Recht, oder hat die Vizevorsitzende Recht? Wen meinen Sie jetzt? Herr Kollege, kommen Sie gleich hier nach vorn, erzählen Sie das, dann haben Sie Zeit genug! Ich lasse meine Rede dadurch nicht unterbrechen.
Im Übrigen will ich auf diese Aussage entgegnen, Frau Kollegin, ich verlasse mich doch eher, was die Frage der Steuerausfälle angeht, auf den Finanzsenator. Er hat, das kennen Sie ja auch, zur Mai-Steuerschätzung Folgendes ausgeführt, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten:
„Gesamtwirtschaftliche Entwicklung: Unter dem Eindruck eines schwachen Jahresabschlusses 2004 und anhaltenden geringen Vertrauens in die Auftriebskräfte der Inlandsnachfrage hat der Arbeitskreis Steuerschätzung die Wachstumserwartung des realen Bruttoinlandsprodukts gegenüber der Mai-Steuerschätzung des Vorjahres für das laufende Haushalts
jahr um 0,7 Prozent auf nur noch ein Prozent zurückgenommen. Auch die Annahmen zur Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter sowie der Unternehmensund Vermögenseinkommen, zwei weitere Größen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, die die Steuerentwicklung mitentscheidend prägen“ – Frau Kollegin, mitentscheidend prägen! – „wurden noch einmal deutlich reduziert.“
Weiter heißt es: „Stabilisierender Faktor der nationalen wirtschaftlichen Entwicklung ist nach wie vor die Weltwirtschaft. Kompensiert werden die für Deutschland nutzbaren Auftriebstendenzen im Welthandel nach wie vor durch eine eher problematische binnenwirtschaftliche Ausgangslage. Trotz zuversichtlich stimmender Auftragseingänge und zufriedenstellenden Klimas steht eine Trendwende bei den Investitionen nach wie vor aus, wobei Inlandsnachfrage und Euroaufwertung bei sinkenden Lohnstückkosten Effekte der Welthandelsbelebung nachhaltig abschwächen. Weiterhin rückläufige Beschäftigungszahlen, Minderung der Einkommen im öffentlichen Dienst, stagnierende bis sinkende soziale Transferleistungen auf verfügbare Einkommen, Renten, Sozialhilfe, Wohngeld sowie eine nach wie vor steigende Sparquote lassen auch eine Erhöhung des privaten Konsums, der rund 60 Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts bestimmt, nicht kurzfristig erwarten.“
Lieber Herr Köhler, dies sagt der Finanzsenator, und dies ist unisono die Meinung in der ganzen Bundesrepublik Deutschland, wie die Lage ist, die sich hier voll auf Bremen auswirkt. Sich dann so hinzustellen, als seien Sie derjenige, der grüne Herr Köhler, der hier der großen Koalition eine ordentliche Finanzpolitik in das Stammbuch schreiben kann! Wer das sieht, was da in Berlin gemacht wird, wie da herumgewurstelt wird, da tragen die Grünen ein erhebliches Stück Verantwortung mit, keiner distanziert sich von den Grünen, sondern sie tragen das mit, weil sie an ihren Sesseln in Berlin kleben!
Wir haben quasi vier Jahre Stagnation, wir sind seit Jahren das Schlusslicht in Sachen Bruttoinlandsprodukt und so weiter. Sich dann hier hinzustellen, als könnten Sie das alles besser machen, das finde ich schon sehr wagemutig!
(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Kehren Sie doch einmal vor Ihrer eigenen Tür, Herr Pflugradt!)
Wenn Sie die alte Leier mit den Investitionen wiederholen, dann müssen Sie wissen, dass wir nach wie