Protocol of the Session on September 10, 2003

Jetzt möchte ich aber noch einmal zu Herrn Jäger kommen, weil das auch das Ganze belebt, wenn eine Koalition nicht immer im Gleichschritt marschiert. Wissen Sie, es regt mich ja wirklich auf, wenn Sie ausführen, dass Sie dafür gesorgt haben, dass der Investitionsstau bei der Hochschule Bremen abgebaut wurde. Darf ich Sie daran erinnern, dass wir allein zwei Jahre einen Stopp beim Bau der Hochschule Bremen hatten, weil Ihr Senator Perschau mit Vehemenz versucht hat, die Hochschule Bremen nach Grohn zu verlagern? Ich kann mich noch an die Häme erinnern, die Frau Motschmann losgelassen und Frau Kahrs richtig damit überschüttet hat, als sie die Internationale Universität ansiedeln wollte. Ich weiß, dass meine Kollegen in der Fraktion aus Bremen-Nord auch erst auf diesem Zug waren, die Hochschule Bremen zu verlagern, aber sie sind rechtzeitig abgesprungen.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU)

Manchmal ist das nämlich wichtig, zum richtigen Zeitpunkt gezielt abzuspringen! Es waren die vielen Gespräche, und ich war da oft beteiligt. Es waren die Professoren, Herr Professor Peitgen und auch Herr Professor Timm, die uns die Kontakte in die USA ermöglicht haben. Erst mit dem Wechsel von Herrn Hattig ins Wirtschaftsressort, der mit Frau Kahrs in Houston war, hat das Ganze doch erst Fahrt bekommen. Dann sind Sie erst so weit gewesen, dass Sie auch den Zug bestiegen haben.

Ich bin ja froh, wir kommen gut miteinander aus, wir streiten uns einmal, aber am Ende finden wir immer einen Konsens. Aber wenn Sie sagen, dass die Inhalte zwar in der Ampel entstanden, aber Sie erst für das Geld gesorgt haben, da muss ich Ihnen sagen, und ich habe das ja alles mitgebracht, 1992 haben wir ein Investitionssonderprogramm für den Wissenschaftsbereich mit einer Milliarde im Senat beschlossen. Sie haben das dann mitgemacht. Ich sage auch, in den Wirtschaftsförderungsausschüssen – Herr Dr. Schrörs ist jetzt nicht da, ich muss mich nicht wiederholen – haben Sie auch mitgeholfen. Aber jetzt so tun, als ob diese gute Wissenschaftspolitik, die wirklich gut ist und die Sie mitgemacht haben und der Sie nichts entgegensetzen konnten, auf Ihrem Mist gewachsen ist beziehungsweise auf Ihrem guten Einfluss, das möchte ich hier wirklich bestreiten!

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte Ihnen noch eines sagen: Im Wahlkampf hat es mich wirklich geärgert, als ich dann gelesen habe, Sie hätten durchgesetzt, dass wir Kognitionswissenschaften, Biotechnologie – –. Auch das habe ich alles mitgebracht, es war im „Weser-Report“: „Herr Jäger erklärt, er hat durchgesetzt.“ Ich sage Ihnen, das haben wir alles schon vor Ihnen gemacht. Als Sie dazu gekommen sind, war das alles schon in Fahrt.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt noch eines, das wird meinen Fraktionsvorsitzenden vielleicht freuen: Sie haben auf Technopolis eine Grabrede gehalten. Ich sage Ihnen, es gibt ein gutes Sprichwort: Totgesagte leben länger, und das glaube ich für dieses Projekt auch. Wir werden weiter daran arbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort Herr Senator Lemke.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir fünf Anmerkungen zu dieser Debatte über die Erfolge der Bremer Wissenschaftspolitik!

Erstens: Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich ein ganz klares Bekenntnis aller Fraktionen zur Entwicklung und auch zur Perspektive unserer Bremer Wissenschaftspolitik gehört und zur Kenntnis genommen habe. Was mich ein bisschen irritiert hat, ist der Streit über die Urheberschaft. Ich will Ihnen dazu ganz klar sagen, dass ich das gar nicht so sehr einer politischen Partei oder einer politischen Koalition anheften will, sondern ich bedanke mich bei den hervorragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die gemeinsam eine unglaubliche Kraftanstrengung hinbekommen und damit unsere Politik umgesetzt haben. Ohne die vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wäre dies überhaupt nicht möglich gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens, meine Damen und Herren – das ist heute Vormittag noch nicht so ganz deutlich zum Ausdruck gekommen –, möchte ich noch einmal darauf hinweisen, weil im Prinzip durch die ausführliche Rede von Frau Berk und auch von Herrn Jäger die Erfolge eigentlich sehr schön dargestellt sind und es unsinnig wäre, wenn ich das jetzt noch einmal repitierte, aber ein Aspekt, der mir besonders gut gefällt, auf den ich auch immer wieder angesprochen werde, ist die unglaublich fruchtbare Zusammenarbeit zwischen der regionalen Wirtschaft und unserer Universität. Das war vor 20, 25, 30 Jahren völlig anders, und das hat sich in einer ganz hervorragen

den Art und Weise wirklich positiv für unsere regionale Wirtschaft ausgewirkt. Ich bin wirklich sehr froh darüber, dass es hier zu diesem engen Schulterschluss zwischen unseren Unternehmern, gerade im Bereich der Forschung und Entwicklung, und der Universität mit den Hochschullehrern und den Institutsleitern gekommen ist.

Drittens, Herr Jäger, zu 95 Prozent konnte ich ja Ihrer Rede zustimmen, in ein zwei Punkten nicht ganz so sehr, aber das ist auch nicht so schlimm. Zur Selbstauswahl haben Sie mich kritisiert oder haben gefordert, dass ich mich stärker einsetze. Wir haben in der KMK diese Regelung für die Hochschulen erleichtert, wir haben den Hochschulen das angeboten. Allerdings sage ich Ihnen, das wird nicht durch Anordnung des Senators besser, sondern das wird besser, wenn die Hochschulen die Möglichkeiten, die ihnen jetzt geboten werden, auch entsprechend nutzen. Das gegen die Interessen der Hochschulen per bürokratischer Anordnung und Richtlinien durchzusetzen, wäre meines Erachtens der völlig falsche Weg.

Sie haben den Senator eben kritisiert, der – und das ist zugegebenermaßen richtig – sich sehr viel Mühe gibt, die Situation an unseren Schulen zu verbessern. Da sind wir Tabellenletzter, da haben wir heftige Defizite, da haben wir heftige Probleme, und das ist ein Problem, das allererste Priorität hat. Aber wissen Sie, wenn Sie uns heute so gelobt haben, die Behörde, die Hochschulen, die Institute, dann ist es nicht wichtig, Herr Jäger, dass der Senator drei-, viermal in der Woche in der Zeitung als Wissenschaftssenator steht, sondern die Hochschulen, die Hochschullehrer, die Mitarbeiter müssen in den Medien vorkommen und nicht der Senator!

(Beifall bei der SPD)

Viertens: Frau Schön, Sie kritisieren, dass wir uns nicht genügend um die Studien- und Lehrbedingungen kümmern. Ich sage, das ist ja auch durch die Beiträge von Herrn Jäger und Frau Berk eigentlich klar geworden, wir haben sehr gute Leistungen im Bereich der Forschung. Was die Drittmittelakquisition angeht, sind wir ganz weit vorn. Wir haben hier einen Bedarf, gerade bei Studienabbrechern, dagegen müssen wir etwas tun, wir müssen auch eine deutlich bessere Studienberatung hinbekommen und klarere Strukturen erhalten.

Allerdings müssen wir in dem Bereich, ohne uns in der Bürokratie erdrücken zu lassen, auch Wege finden, wie das Frau Berk eben noch einmal ganz klar gesagt hat, um hier die Studiendauer deutlich zu verringern. Wenn Sie sich anschauen, wie wir da nachhinken, das ist ja in den letzten Jahren nicht besser, sondern eher schlechter geworden, und da, wo andere Universitäten jetzt mit Studienkontenmodellen oder auch mit Einschreibgebühren arbeiten, stellen wir auf einmal fest, dass mit einem Mal möglicher

weise Studenten an unsere Universität kommen, die wir gar nicht so unbedingt gern wollen. Wir wollen ja nach Möglichkeit die Studentinnen und Studenten haben, die hier ein Interesse daran haben, an unserer wunderbaren Universität, an den Hochschulen, an den Forschungsinstituten mit einer klaren Perspektive zu arbeiten, und das soll nicht ein Studieren um des Studierens willen sein, sondern um einen Abschluss zu machen, und die Studentinnen und Studenten müssen wir dann fordern und fördern, um zu diesen von uns geforderten Abschlüssen zu kommen.

Letzter Punkt, das ist allerdings natürlich so aus meiner Sicht in diesen Tagen der Punkt, der mich am meisten bewegt, der Haushalt. Wir haben im Moment die Situation, dass wir uns in allerheftigsten Verteilungskämpfen befinden. Das wissen Sie als Abgeordnete, da brauchen Sie nur täglich die Zeitung aufzuschlagen und „Buten un binnen“ zu sehen. Wir arbeiten heftig daran, den vorhandenen Kuchen zu verteilen, und ich kann Sie nur recht herzlich bitten, uns dabei zu unterstützen, die von Herrn Jäger geforderte Verlässlichkeit auch einzuhalten, damit wir die Rahmenbedingungen, die wir mit den Hochschulen eingegangen sind, auch erhalten können. Wenn wir hier den Fehler begehen und sagen, das ist ja alles konsumtiv, was da gemacht wird, da kann ja leicht gestrichen werden, und wir haben ja alle Verträge immer unter den Haushaltsvorbehalt gestellt, dann zerstören wir das Konstrukt, das in den letzten Jahren so erfolgreich arbeiten konnte.

Warum konnte es denn so erfolgreich arbeiten? Weil wir Kontrakte gemacht haben nach harten Sparverhandlungen! Jedes Jahr mussten sich die Hochschulen in den letzten vier Jahren um Millionen einschränken von dem, was sie sich erträumt hatten. Das hat hervorragend geklappt. Fragen Sie den alten und neuen Finanzsenator, wie die zufrieden sind mit der Abwicklung der Kontrakte! Das ist für andere vorbildlich. Wenn man jetzt nach dieser vorbildlichen Arbeit sagt, aber hier müsst ihr euer Sparopfer genauso wie alle anderen aufbringen, obwohl sie bereits die Kontrakte eingegangen sind, wäre das ein völlig falsches Signal.

Deshalb, meine Damen und Herren, lassen Sie uns das nicht nur bei Wahlveranstaltungen, sondern auch in den Haushaltsberatungen sagen, dass diese Investitionen, ich beziehe Bildung jetzt ausdrücklich mit ein, in Bildung und Wissenschaft nicht Ausgaben sind, die konsumtiv zu betrachten sind, sondern, meine Damen und Herren, dass das Investitionen für die Entwicklung unserer beiden Städte sind. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Mitteilung des Senats, Drucksache 15/1454, Kenntnis.

Meine Damen und Herren, es ist 13 Uhr, wir treten in die Mittagspause ein, und die Fortsetzung der Sitzung ist um 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 13.01 Uhr)

Präsident Weber eröffnet die Sitzung wieder um 14.32 Uhr.

Die Sitzung der Bürgerschaft interjection: (Landtag) ist wieder eröffnet.

Auf dem Besucherrang begrüße ich recht herzlich eine Schülergruppe aus Duderstadt, die sich gerade auf Klassenfahrt in Worpswede befindet.

(Beifall)

Seien Sie ganz herzlich begrüßt und willkommen!

Arbeitsstand der Umsetzung der Empfehlungen des „Runden Tisches Bildung“

Mitteilung des Senats vom 6. Mai 2003 (Drucksache 15/1477)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Lemke.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Hövelmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Koalition hat sich für die nächsten vier Jahre einen Schwerpunkt gesetzt, der lautet, Sie wissen es: Bildung hat absolute Priorität! Oberstes Ziel ist es hierbei, gemeinsam mit allen Beteiligten, also mit den Schulen, den Kindertagesstätten, mit den Erzieherinnen, mit den Lehrerinnen und Lehrern, natürlich Schülerinnen und Schülern und den Eltern, den Pisa-Schock zu überwinden.

Notwendig wird es sein, unselige ideologische Auseinandersetzungen zu vermeiden, denn sie lähmen die Kräfte, Kollege Rohmeyer!

(Heiterkeit – Abg. R o h m e y e r [CDU]: Bravo! Bravo!)

Sie lähmen die Kräfte, die wir für die schnelle und vor allem auch messbare Qualitätsverbesserung un––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

serer Schulen dringend brauchen. Außerdem haben sie zu den Ergebnissen geführt, die deutschen Schulen heute im internationalen Vergleich die rote Laterne zugeteilt haben. Der „Runde Tisch Bildung“, besetzt mit allen gesellschaftlich relevanten Kräften, geleitet und unterstützt von externen Experten, ist genau diesen ideologiefreien Weg gegangen und hat einstimmig Empfehlungen an den Senat verabschiedet. Hierbei waren, ich sage es nur der Ordnung halber noch einmal, schulstrukturelle Empfehlungen ausgeschlossen. Dieser Bericht liegt uns heute hier zur Debatte vor.

Der „Runde Tisch Bildung“ hat zehn Empfehlungen abgegeben und sieben Arbeitsgruppen eingesetzt. Themenschwerpunkte waren kritisches Lesen, eigenständiges Urteilen und selbständiges Handeln, dann, ein Förderprogramm zu entwickeln zur Sprachund Lesekompetenz, weiter die strukturelle Stärkung des Primar- und Elementarbereichs, das Aktionsprogramm Schulen in kritischer Lage zu entwickeln, die Stärkung von Schulversuchen, Qualität und Qualitätssicherung zur Aufgabe aller zu machen und, last but not least, die Schulleitungen zu stärken und Qualitätsmanagement der Einzelschulen zu entwickeln.

Jede Arbeitsgruppe hat ihren Zwischenbericht im März 2003 vorgelegt, ein abschließender Bericht wird uns Ende des Jahres erreichen. Jeder kann heute schon feststellen, dass zahlreiche Anregungen der Experten bereits Eingang in politisches Handeln gefunden haben. So gab es bezogen auf den Bereich Sprach- und Lesekompetenz flächendeckend Sprachstandserhebungen für alle 4700 Schulanfängerinnen und Schulanfänger. Da wurden dann 608 Kinder speziell in den Kindergärten, also noch bevor sie in die Schule gekommen sind, gefördert.

An 17 Standorten wurden Vorkurse für Migrantinnen und Migranten in Grundschulen eingerichtet, dort werden Kinder in Gruppen von acht bis zehn Kindern gefördert, also in ganz kleinen Gruppen. Es gibt 30 Förderstandorte für Kinder, die spezielle Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Schreibens haben oder Lernschwierigkeiten im mathematischen Bereich. Auch in der Sekundarstufe I wurden an zwölf regionalen Standorten Angebote spezieller Förderung eingerichtet. Meine Damen und Herren, das folgt dem Grundsatz, dass wir nicht lange warten, sondern schnell handeln, weil wir wirklich keine Wochen und schon gar nicht Monate verlieren dürfen!

Leseintensivkurse in zehnwöchigen individuellen Kursen und Leseclubs an allen Grundschulen und an ganz vielen Schulen und Schulzentren der Sekundarstufe I sind mit Hilfe der Pisa-Sondermittel eingerichtet worden. Mir ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig, meine Damen und Herren, dass die Ergebnisse dieser Maßnahmen penibel überprüft werden, dass also nicht das Geld hingegeben wird und nicht wieder hingesehen wird, son

dern dass hingesehen wird, dass jedem einzelnem Kind individuell bescheinigt wird, was bei der Förderung herausgekommen ist. Es wird ihnen testiert, sie bekommen das für die weiterführende Schule mit, und es wird auch gemeinsam beraten, wie man weitere Schritte entwickeln kann, um Defizite aufzuheben. Es darf nicht mehr vorkommen, meine Damen und Herren, dass ein Kind dem Unterricht nicht folgen kann, weil es die deutsche Sprache nicht versteht oder die Wörter nicht lesen kann, und das bezieht sich, wie wir seit Pisa sehr deutlich wissen, nicht nur auf ausländische Kinder.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident, die Zeit reicht nicht aus, um auf alle Maßnahmen einzugehen, Ihnen liegt ja ein umfangreicher Bericht vor. Ich möchte aber noch auf die Grundschulen kommen. In den Grundschulen sind die Unterrichtsstunden für Mathematik und Deutsch erhöht worden. Es wird Englisch vermittelt, es werden täglich Lern- und Übungssequenzen für Lesen, Schreiben und Mathematik eingeplant, und, darüber freue ich mich ganz besonders, die ersten Ganztagsgrundschulen haben in unserer Stadt in diesem Schuljahr ihre Arbeit aufgenommen, weitere werden folgen.