Protocol of the Session on March 16, 2005

Ich hätte mir gewünscht, dass wir einmal eine richtige Debatte über die Chancen der maritimen Wirtschaft in Bremen und Bremerhaven führen, gerade vor dem Hintergrund des Wegbrechens der Werften, das schreitet weiter voran. Da die maritime Wirtschaft ein Wachstumsmarkt ist, hätte ich mir gewünscht, dass wir darüber zu einem anderen Zeitpunkt vielleicht hier einmal richtig debattieren. Insofern, finde ich, ist diese Anfrage etwas zu eng gefasst gewesen. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort Herr Senator Lemke.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin mit Frau Schön der Auffassung, dass wir sehr differenziert auf die Anfrage geantwortet haben, vielleicht noch etwas breiter, als die ursprüngliche Fragestellung war, das stand auch in meiner Vorlage. Ich finde es aber richtig,

dass wir es etwas breiter beantwortet haben, ansonsten wäre es etwas zu schmal gewesen, wenn wir uns nur mit der Hochschule und den Problemen der Hochschule hier in Bremen befasst hätten.

Ich gehe darüber hinaus noch einen kleinen Schritt weiter. Es ist ein Thema, das nicht nur uns in Bremen betrifft, sondern es interessiert eigentlich die Küstenländer, die Küstenregionen in Norddeutschland. Diesbezüglich kann ich Sie auch darüber informieren, dass wir bei den norddeutschen Wissenschaftsministern auch an diesem Problem arbeiten, da es von der Stoßrichtung völlig klar ist, es ist weiterhin wichtig, dass wir im maritimen Bereich Flagge zeigen, dass wir die Angebote so attraktiv halten, um dem Ausbildungsbedarf auch begegnen zu können.

Wir sind in einer erfreulichen Entwicklung, das sah vor einigen Jahren noch ganz anders aus. Heute haben wir im Zuge der Globalisierung, insbesondere durch die Entwicklung der neuen Märkte in China, ein rasantes Wachstum und eine rasante Nachfrage nach Schiffstransporten. Dafür brauchen wir nicht nur die Schiffe, sondern wir brauchen auch die Mannschaften, die Kapitäne und die Offiziere an Bord.

Ich kann Ihnen, Frau Akkermann, nur sagen, es ist überhaupt keine Frage, dass wir gesprächsbereit sind, wenn es darum geht, mit den Hochschulen darüber zu diskutieren, inwieweit wir ihre Ausbildungssituation weiter optimieren können. Ich bin allerdings der Meinung, dass wir, wenn wir die Hochschulen in ihrer Autonomie stärken, uns natürlich auch sehr zurücknehmen. Ich bemühe mich da jedenfalls, und ich weiß, dass es auch von der Wissenschaftsdeputation so getragen wird, nicht den Hochschulen in ihre Studiengangsplanung hineinzuregieren, sondern zu sehen, wo sie gegebenenfalls Defizite haben, wo wir sie auch zum Tun anregen können. Ich will Ihre Anfrage gern zum Anlass nehmen, um noch einmal mit den Hochschulen zu sprechen, wo sie Unterstützung benötigen. Mir ist es aus den Hochschulen sowohl in Bremerhaven als auch in Bremen noch nicht deutlich geworden.

Unterstützen kann ich Frau Schön auch in der Frage der beiden Punkte, die sie angesprochen hat, was die Bereitschaft der Reeder angeht, weitere Ausbildungsplätze an Bord bereitzustellen. Das ist deutlich zu wenig, hier gibt es einen erheblichen Bedarf.

Es ist natürlich auch überhaupt nicht zufriedenstellend, meine Damen und Herren, diese Zahl, die Sie genannt haben, die auch in meinen Unterlagen steht, dass im Durchschnitt die Schiffsoffiziere nur 4,8 Jahre tatsächlich in ihrem erlernten Beruf an Bord der Schiffe bleiben. Man muss erkennen, dass hier etwas schief läuft nach einer so langen Ausbildung, wir haben es in Ihren Beiträgen erfahren, in unserem Papier steht es, Sie haben darauf hingewiesen, wie lange man intensiv studiert und dann im Durchschnitt nur 4,8 Jahre an Bord eines Schiffes verweilt. Das ist nun völlig

kontraproduktiv. Hier, finde ich, müssen wir auch mit den Reedern darüber reden, wie sie die Situation der Beschäftigten versuchen zu verbessern, dass die Arbeit, die Beschäftigung an Bord attraktiver für die dort Beschäftigten wird, denn das steht in keinem Verhältnis, eine sehr lange und sehr teure Ausbildung und dann nur dieser relativ kurzfristige Einsatz. Hier gibt es also auch von mir aus diese Rückfrage.

Ich fasse zusammen: In der Tendenz gibt es überhaupt keinen Unterschied zwischen den Wünschen und den Forderungen von Frau Akkermann, die Sie vorgetragen haben, dass wir die Situation hier durchaus im Blick behalten müssen. Ich sperre mich überhaupt nicht, wenn es darum geht, mit Wirtschaftsunternehmen, mit Sponsoren gemeinsam zu arbeiten, um die Ausbildung noch besser zu machen. Wir vernachlässigen hier nichts.

Wir haben auch Gott sei Dank wieder steigende Studienanfängerzahlen. Wir haben einen sehr erfolgreichen neuen Studiengang in Bremerhaven. Es freut mich sehr, dass dieser Studiengang Cruise Industry Management hier in Bremerhaven so hervorragend angenommen wird und uns auch dort bereits die Reedereien signalisieren, dass die Absolventen hoch nachgefragt werden. Niemand von denjenigen hat jetzt bereits auch während des Studiums ein Problem, auf die Schiffe zu kommen, um dort Praktika zu absolvieren, sogar schon zu arbeiten. Das wird mir jedenfalls von der Hochschule berichtet.

Ich finde, da sind wir auf einem sehr, sehr guten Weg, und wir werden das auf keinen Fall vernachlässigen. Ich sage aber auch noch einmal, das, worauf Herr Grotheer vorhin hingewiesen hat, der maritime Ausbildungsgang in Richtung Arbeitsplätze auf den Schiffen ist nur ein Bruchteil dessen, was wir insbesondere im Auge behalten müssen. Wir haben durch den vorzüglichen Ausbau unserer Häfen die große Möglichkeit, ganz Europa logistisch zu versorgen. Da ist eigentlich der viel interessantere und viel größere Bereich an Ausbildungs-, an Arbeitsplätzen. Da gibt es auch eine sehr gute Kooperation zwischen uns und Wirtschaft, um diesen Ausbildungsbereich weiter zu stärken, um die Arbeitsplätze in diesem Bereich sowohl für Bremerhaven als auch für Bremen im Interesse der hier lebenden Werktätigen zu stärken. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 16/560, auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD Kenntnis.

Wirtschaftskraft von unten fördern statt angebotsorientierter Flächenpolitik

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 17. Februar 2005 (Drucksache 16/542)

Wir verbinden hiermit:

Gewerbeflächenentwicklung in Bremen

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD vom 15. März 2005 (Drucksache 16/572)

D a z u

Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 16. März 2005 (Drucksache 16/573)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Bürgermeister Dr. Gloystein.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Irgendwie gehen zurzeit merkwürdige Dinge in dieser Stadt vor sich. Jahrelang haben wir dagegen gekämpft, dass die Arberger/Mahndorfer Marsch bebaut wird. Jahrelang haben wir gesagt, die Uniwildnis muss erhalten bleiben. Jahrelang haben wir gegen diese Pläne des Senats gekämpft. Jetzt auf einmal, wie aus heiterem Himmel, beschließt der Koalitionsausschuss, dass es tatsächlich wohl so ist, dass wir zu viele Gewerbeflächen haben und diese nicht mehr benötigen.

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Eine sozialdemokratische Erkenntnis!)

Nein, nein! Wir haben es sehr deutlich gemacht! Ich sage Ihnen ganz klar: Wir haben an der Frage, übrigens auch an der Frage der Stadthalle – man wundert sich ja, wenn man heutzutage die Zeitung liest –, seinerzeit nichts anderes gemacht, als zu sagen, dass es keine vernünftige betriebswirtschaftliche Rechnung für dieses Projekt gibt. Seltsamerweise liest man dann aber heute, dass ganz andere die Erfinder dieser Kritik seien. Nein, das sage ich ganz deutlich: Da haben wir Grünen mit unserer Kritik an dieser Stelle sehr, sehr richtig gelegen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Schön ist, wenn es ernst gemeint bei Ihnen angekommen ist, dass wir wirtschaftspolitisch tatsächlich einen Wandel brauchen. Wir können es an den Zahlen ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft

sehr deutlich machen. Sie als große Koalition haben über Jahre einen Sanierungskurs mit dem Ziel betrieben, die Haushalte zu sanieren, aber auch den Strukturwandel hinzubekommen. Jetzt ist ja klar, und da sage ich auch nichts anderes, dass es Bremen aus eigener Kraft nicht schaffen wird und auch nicht schaffen kann. Das heißt aber nicht, dass man keinen eigenen vernünftigen Anteil braucht. Genau um diesen eigenen vernünftigen Bremer Anteil, meine Damen und Herren, geht es bei dieser Frage.

Wirtschaftspolitik ist im Wesentlichen von der CDU als eine Politik definiert worden, die sich darum zu kümmern hat, Gewerbeflächen zu erschließen. Das ist die Kernpolitik der großen Koalition gewesen. Sie haben im gesamten ISP von 2,4 Milliarden Euro allein für Gewerbeflächen 872,3 Millionen Euro ausgegeben, das sind 36,6 Prozent. Das macht deutlich, dass genau das Ihre Schwerpunktsetzung war.

Jetzt habe ich den neueren Koalitionsvereinbarungen entnommen, dass Sie offensichtlich erkennen, dass ein Wandel vonnöten ist. Wir haben unseren Antrag im Übrigen gar nicht so sehr in Richtung Gewerbeflächen eingebracht. Ich bin heute Morgen verblüfft gewesen, den Antrag der großen Koalition zu sehen, der heute Morgen als Dringlichkeitsantrag sehr kurzfristig eingebracht worden ist, obwohl mein Antrag auch bei Ihnen schon seit vier Wochen in der Diskussion sein könnte. Da haben Sie sich im Übrigen aber ausschließlich auf die Frage der Gewerbeflächen konzentriert. Ich begründe meinen Antrag zuerst und gehe dann auf Ihren Antrag ein.

Bremens Wirtschaftswachstum, und das ist das Fatale, ist in den Jahren von 1994 bis 2004 um 19,2 Prozent angestiegen, im Vergleich aber zu Deutschland viel niedriger, da das Wirtschaftswachstum auf Bundesebene, also nur Westdeutschland, bei 23,7 Prozent liegt. Sie sehen also, im Vergleich zur Bundesgröße schneidet Bremen wirtschaftlich derzeit schlechter ab.

Wir haben hier Benchmarking von Ihnen hin und her. Immer wenn die Daten gut waren, haben Sie Ihre Großen Anfragen gemacht, haben sich hier selbst belobigend auf die Schulter geklopft. Nachhaltig haben Sie nicht sehr viel für den Strukturwandel in dieser Stadt, in diesem Bundesland getan. Das zeigen die Daten, die jetzt auf uns zukommen werden.

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Das ist falsch, auch wenn Sie es immer wiederholen, Herr Kollege!)

Sie werden ungleich viel schlechter sein.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Zahl der Erwerbstätigen nenne ich Ihnen gleich dazu: Bremen hat eine Abnahme um 1,6 Prozent. In Deutschland gibt es aber einen Anstieg um 3,1 Pro

zent. Das sind die Zahlen der Erwerbstätigen. Lediglich in den Jahren bis 2002 konnte ein überdurchschnittliches Wachstum erreicht werden. Jetzt fallen wir aber hinter den Bundesdurchschnitt zurück. Seitdem gibt es auch keine Großen Anfragen der großen Koalition zu diesem Thema, leider Gottes!

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Auch wenn Sie den Rechnungshof zitieren, wird das nicht richtiger!)

Jetzt noch einmal zu den Gewerbeflächen! Wir haben heute aktuell 382 Hektar für Gewerbeflächen zur Verfügung, in Realisierung sind immer noch 52,6 Hektar zusätzlich. Wir wollen, dass Sie tatsächlich dazu übergehen, Wirtschaftspolitik neu zu definieren. Das ist der Sinn und der Zweck unseres Antrags. Wir wollen eine Neuausrichtung der Förderphilosophie, wir wollen die Abkehr von dem irrigen Gedanken, dass das bloße Angebot an Gewerbeflächen mit Autobahnanschluss per se schon Wirtschaftswachstum bringt. Damit muss in Bremen und Bremerhaven endlich Schluss sein!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Bremen nutzt sein technologisches Potential nach wie vor kaum. Wenn Sie sich all die Daten anschauen, Herr Focke, werden Sie erstaunt sein, welche Möglichkeiten wir hier hätten und wie wenig diese genutzt werden! Das hat damit zu tun, dass Sie eben mehr in Köpfe investieren müssen, mehr in Forschung und Entwicklung investieren müssen und vor allen Dingen auch in Technologietransfer als in Beton. Das, hoffe ich, ist jetzt nicht nur aufgrund der fehlenden Mittel Ihre neue Politik, sondern ich hoffe, dass diese neue Politik künftig in diesem Haus beschlossen wird und auch vom Senat getragen wird, die nämlich genau das umsetzt, was wir als Grüne seit Jahren in diesem Hause fordern. Da verweise ich nur auf meine Kollegin Frau Trüpel, die genau an der Stelle und genau in diesem Hause immer wieder gesagt hat, dass es nicht ausreicht, ausschließlich auf Gewerbeflächen zu schauen.

(Abg. F o c k e [CDU]: Haben wir auch nie!)

Im Übrigen ist der Vorwurf, dass wir überhaupt nicht auf Gewerbeflächen schauen wollten, auch irrig, da wir dem durchaus an vielen Punkten auch zugestimmt haben.

Wenn wir jetzt also weniger Gewerbeflächen vermarkten müssen oder vermarkten wollen oder vermarkten können, wie auch immer, dann ist die Frage, ob die Struktur der BIG, so wie sie jetzt organisiert ist, eigentlich noch schlau, richtig und zeitgemäß ist. Die BIG ist aufgebläht, muss man sagen,

inzwischen auf 212 Beschäftigte, die im Grunde genommen ausschließlich für die Frage der Vermarktung zuständig sind. Ich möchte gern, dass sich die Koalition darüber schlaue Gedanken macht und da demnächst einen vernünftigen – –.