Protocol of the Session on February 23, 2005

Ich bleibe also dabei: Es führt kein Weg daran vorbei, uns auf uns selbst zu besinnen. Die große Koalition muss sich ehrlich machen, sie muss das Scheitern ihrer bisherigen Haushalts- und Finanzpolitik eingestehen, sie muss den Bürgern reinen Wein einschenken, vor allem hier in Bremen, und sie muss endlich anfangen, auch unliebsame, oder wie die Kammer hier in Bremen sagt, unpopuläre Entscheidungen zu fällen. Ein Blick nach Niedersachsen, wo die FDP ja mitregiert, könnte dabei sicherlich sehr lehrreich sein.

Ich kann dem Bürgerschaftspräsidenten nur zustimmen, der in seiner Neujahrsansprache mit Blick auf den Kanzlerbrief und die großen Entscheidungen, vor denen Bremen in diesem Jahr steht, zu mehr Offenheit und Transparenz den Bürgern gegenüber geraten hat. Ich finde es gut, wenn das Parlament eine Enquete-Kommission zum Thema „Bremen 2020 – Sanierung und Zukunftssicherung“ einsetzt. Die Nichteinlösung des Kanzlerbriefs und die dadurch aufgeworfenen Probleme zwingen dazu, dass wir uns hier in Bremen neu aufstellen und über alles reden und dabei aber auch offen und ehrlich mit den Bürgern umgehen. Wir sollten dabei dann nicht nur auf die anderen und den angeblich so schlechten bundesstaatlichen Finanzausgleich schie-len, sondern uns auf uns selbst besinnen und auf den vom Grundgesetz vorgegebenen Rahmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist ja nett, dass ich auch noch einmal an die Reihe komme, trotz vorhergehender Meldung, aber es ist egal. Herr Böhrnsen, dass Sie an den Kanzlerbrief geglaubt haben, zeigt mir deutlich, dass Sie sogar heute noch an den Weihnachtsmann glauben.

Meine Damen und Herren, die Regierungserklärung des Senats hört sich im ersten Moment sehr positiv für Bremen an. Für mich aber ist diese Regierungserklärung nichts anderes als eine große Märchenstunde. Herr Dr. Scherf, Ihre Regierungserklärung war eine eindeutige glasklare Bankrotterklärung für das Bundesland Bremen und sonst gar nichts. In Ihrer beschönigenden Regierungserklärung haben Sie wahrscheinlich wohlwissend folgende wichtige Punkte Ihres politischen Versagens vergessen zu erwähnen. Das macht nichts, dafür werde ich jetzt einmal Klartext reden. Alle Punkte Ihres politischen Versagens jetzt hier heute aufzählen zu wollen, würde den zeitlichen Rahmen dieser Landtagssitzung bei weitem erheblich überschreiten.

Meine Damen und Herren, Sie haben die Kleingartenpachten unsozial und überdurchschnittlich erhöht, Sie haben bei den Beamten unverantwortliche Kürzungen beim Weihnachtsgeld, bei Pensionen und Streichung des Urlaubsgeldes rücksichtslos vorgenommen, und ein Ende Ihrer katastrophalen Politik und Kürzungen ist noch nicht abzusehen bei verlängerten Wochenarbeitszeiten ohne Lohnausgleich. Herr Bürgermeister Dr. Scherf hat eine Gehaltsabsenkung mit den niedrigen Lebenshaltungskosten in Bremen begründet. Nun soll uns Herr Dr. Scherf auch einmal zeigen, wie, wo und wann im Allgemeinen in Bremen die niedrigen Kosten zu finden sind und wie diese angeblich allgemeinen niedrigen Lebenshaltungskosten, die unsozialen Kürzungen und die steigenden Kosten für unserer Bürgerinnen und Bürger aufgefangen oder ausgeglichen werden können, aber das wird uns Herr Dr. Scherf ja gleich erklären.

Des Weiteren warten wir meines Wissens immer noch auf die Rückbuchung einer Fehlbuchung des Finanzressorts von sage und schreibe 1,7 Millionen, damit aber noch lange nicht genug! Sie haben in Ihrer Erklärung vergessen zu erwähnen, dass das kleine Bremen im Jahr eine Milliarde DM nur an Zinsen für seine Schulden bezahlen muss. Sie haben ganz vergessen zu erwähnen, dass Bremen mit unzähligen Scheinfirmen Schulden macht, die im Haushalt meines Erachtens nicht auftauchen, dass meines Wissens der Haushalt mit falschen Zahlen schöner geredet wird, als er in Wirklichkeit ist, dass die Stadt Bremerhaven durch Ihre Politik 27 Prozent Arbeitslosigkeit hat und so weiter.

Nun, meine Damen und Herren, kommt das Allerhärteste, wirklich das Allerhärteste: Sie haben sich, wovor ich Sie schon nachweislich immer deutlich gewarnt habe, auf das Wort eines SPD-Bundeskanzlers verlassen, der meiner Meinung nach noch nie, aber auch noch nie sein Wort gehalten hat, immer nach dem Motto „heute versprochen, morgen gebrochen“. Ich meine den dubiosen Kanzlerbrief, für dessen restliche Brotkrümel sich unser Bürgermeister Dr. Scherf sogar noch brieflich großherzig bedankt hat oder besser gesagt das Bundesland Bremen blamiert und lächerlich gemacht hat. Wenn das nicht so traurig wäre, könnte man direkt darüber lachen.

Meine Damen und Herren, Sie haben auch ganz vergessen, dass durch Ihre Politik die Gewalt an Schulen im unerträglichen Maße ausufert, dass die innere Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger schon lange nicht mehr gewährleistet ist. Das beste Beispiel ist doch die erschreckende Tatsache, dass es in Bremen aufgrund der Abschaffung des Brechmitteleinsatzes möglich ist, und ich glaube, nur in Bremen möglich ist, dass man schwarzafrikanische und andere Drogendealer laufen lassen muss. Das ist für die Deutsche Volksunion unerträglich.

Herr Senator Röwekamp, wenn so Ihre Politik der harten Hand aussieht, dann einmal gute Nacht für die innere Sicherheit Bremens! Für mich ist das keine Politik der harten Hand, sondern eine Politik auf Kosten der inneren Sicherheit eines kuscheligen Patschhändchens. Tatsache ist doch, dass Sie irrsinnigerweise Polizeireviere, Meldeämter und so weiter geschlossen haben und wahrscheinlich weiter schließen werden.

Dass unsere Kinder in Bremer Schulen durch fehlende Investitionen frieren müssen wie im Schulzentrum Börder Straße und auch anderen – –.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen: Bördestraße!)

Ja, Bördestraße! Sie wissen, was ich meine! Das ist schon einmal ganz gut so, aber Sie tun nichts dagegen!

Meine Damen und Herren, dass unsere Kinder durch Ihre verfehlte Bildungspolitik sprich Pisa, Iglu-Studio, Iglu-Studie, keine Zukunft mehr haben,

(Heiterkeit bei der SPD und beim Bün- dnis 90/Die Grünen)

dass unsere Kinder in Bremen – wenn Sie darüber lachen können, ist das Ihr Problem! – nur sehr schwer einen Ausbildungsplatz oder eine Lehrstelle bekommen – –.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ein bisschen Ahnung muss man ja schon haben!)

Beruhigen Sie sich doch, Herr Dr. Güldner, ich fange doch gerade erst an! Sie können nachher noch einmal etwas sagen!

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wenn es nach mir geht, können Sie auch wieder aufhören!)

Ja, das weiß ich! Weil Sie es nämlich nicht verstehen!

Meine Damen und Herren, das ist ja schon fast unmöglich, dass unsere Kinder hier eine Lehrstelle bekommen. Ihre Gewerbeansiedlung ist erbärmlich gescheitert. Gewerbepark Hansalinie, Büropark Oberneuland, Technologiepark an der Universität und so weiter, Leerstände ohne Ende! Das ist Ihre Politik, oder aber Ihr Musicaldesaster, Space-ParkDesaster und so weiter! Ihre verschwenderische Großmannssuchtpolitik ist ein Fass ohne Boden, ein Fass ohne Ende. Sie haben auf Kosten und zu Lasten unserer Bürger und auf Kosten der Zukunft unserer Kinder eine unverantwortliche Steuergeldverschwendung ungeahnten Ausmaßes betrieben.

Außerdem werden Sie durch Hartz IV, Ein-EuroJobs sowie durch Billiglohnarbeiter aus aller Herren Länder für eine noch höhere Arbeitslosigkeit und weiteren drastischen Sozialabbau verantwortlich sein. Das sage ich Ihnen heute schon voraus! Alles ist bis jetzt eingetroffen und übertroffen worden! Sie werden auch weiterhin im verstärkten Maße dafür verantwortlich sein, dass immer mehr Firmen ins osteuropäische Ausland abwandern werden oder noch mehr mittelständische Unternehmen und andere Unternehmen und Firmen in Bremen und Bremerhaven Insolvenz anmelden müssen. Dafür tragen Sie die politische Verantwortung! So, und jetzt können Sie darüber lachen!

Meine Damen und Herren, angesichts dieser erschreckenden Tatsachen heute eine solche Regierungserklärung abzugeben ist an Unehrlichkeit und Schamlosigkeit nicht mehr zu überbieten. Sie sind mit Ihrer Sanierungspolitik erbärmlich gescheitert, Sie sind mit Ihrer Politik insgesamt erbärmlich gescheitert! Damit gefährden Sie die Selbständigkeit des Bundeslandes Bremen.

Meine Damen und Herren, die eben ach so großartig gehaltene Regierungserklärung war eine einzigartige Katastrophe. Es war eine gruselige Märchenstunde und sonst gar nichts. Ich sage Ihnen aber im Namen der Deutschen Volksunion, Sparen allein sichert nicht die Selbständigkeit und die Zukunft des Landes Bremen. Sie müssen dringend die Einnahmesituation des Landes verbessern. Sparen aller

dings sollten Sie zum Beispiel bei den Geschäftsführergehältern der unzähligen städtischen Gesellschaften. Wenn Herr Böhrnsen hier sagt, dass man das Gehalt der Geschäftsführer dem des Bürgermeisters unterordnen soll, dann meine ich doch wohl, dass es nicht heißen soll, dass man nun das Gehalt von Bürgermeister Dr. Scherf verdoppelt oder verdreifacht. Das machen wir dann selbstverständlich im Namen der Deutschen Volksunion nicht mit!

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Dann sind wir ja beruhigt!)

Alle Bauvorhaben schnellstens auf den Prüfstand zu stellen ist dringend erforderlich, zum Beispiel die Subventionen für das unsägliche Zech-Hotel in Bremerhaven und so weiter. Die Liste Ihrer unsäglichen und nicht mehr nachvollziehbaren Subventionspolitik ist unendlich. Ich jedenfalls werde mich mit dieser Regierungserklärung nicht zufrieden geben, weil Sie mit Ihrer verfehlten Politik niemals, aber auch niemals einen verfassungskonformen Haushalt erreichen werden. Ich kann Ihnen versichern, dass ich als Bremerhavener Abgeordneter meine ganze Kraft und Energie dafür einsetzen werde, dass die Sorgen und die Interessen der Stadt Bremerhaven und ihrer Bevölkerung von Ihnen anständig und mit Respekt vertreten werden und die Bremerhavener von Bremen nicht laufend untergebuttert werden oder, besser gesagt, übers Ohr gehauen werden.

Herr Dr. Scherf, die Bürger des Landes Bremen fragen sich doch schon seit Jahren, wann Sie endlich das effektiv politisch umsetzen wollen, was Sie uns hier seit Jahren vorpredigen: Wir müssen dies tun, wir müssen jenes tun. Fangen Sie also endlich damit an, Ihre seit Jahren beschönigenden Predigten auch politisch umzusetzen! Wenn Ihre ach so erfolgreiche Politik vollzogen worden ist, wie Sie immer so schön sagen und behaupten, dann frage ich mich und die Bürger fragen sich auch, warum dann zum Beispiel das schöne, kleine Bremerhaven eine unerträgliche, noch beschönigte Arbeitslosigkeit von zirka 27 Prozent hat, wenn Ihre Politik so in Ordnung ist. Das ist Ihr Ergebnis Ihrer ach so erfolgreichen Politik. Es ist eine Politik der Schande und sonst gar nichts!

Zuletzt noch ein guter Rat an die Mickymausredakteure des Satireblättchens „taz“: Vielleicht sollten Sie etwas weniger kiffen, weniger Alkohol schlappern,

(Unruhe beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das geht ja nun gar nicht! Per- sönliche Verunglimpfung!)

dann würden Sie hier im Plenarsaal auch keine umherfliegenden, Nase bohrenden Gespenster sehen!

Also, ihr Hascherls der Satirezeitung „taz“: Vielleicht etwas weniger kiffen, weniger Alkohol schlappern, denn ansonsten überholen Sie mit Ihren Wahnvorstellungen noch das hetzerische und rassistische Blatt von 1933, den „Stürmer“, und das wollen wir doch nicht, oder?

Also: Etwas weniger kiffen, weniger Tabletten hineinwerfen, das vernebelt den Verstand, und das wollen wir nicht! – Ich danke Ihnen!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Linnert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Tittmann, das zeigt ja, wes Geistes Kind Sie sind,

(Beifall)

dass Sie glauben, dass Sie von hier aus Vertreterinnen und Vertreter der freien Presse als Mickymausredakteure verunglimpfen können

(Abg. B ö d e k e r [CDU]: Und verglei- chen mit dem „Stürmer“!)

das zeigt, und das ist noch geschmeichelt, Sie wissen nicht, was Sie tun, ich glaube, Sie wissen das nicht!

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Doch, das weiß ich!)

Ich glaube, Sie meinen, dass Sie für Ihre Klientel hier einen guten Auftritt machen.

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Das meinte ich!)

Es ist nur peinlich! Wir leben in einem Land mit Pressefreiheit, und es gehört sich einfach nicht, Presseorgane dermaßen zu beschimpfen, und es gehört sich überhaupt nicht, Menschen so zu verunglimpfen. In meiner politischen Tradition kommt so etwas nicht vor, in Ihrer offensichtlich doch!

(Beifall – Zurufe vom Bündnis 90/Die Grü- nen – Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Im Üb- rigen sollte der Präsident so etwas auch rü- gen!)

Herr Tittmann, Sie haben weder die Ernsthaftigkeit noch das Wissen, um sich darüber hier auseinander zu setzen, wie eigentlich die finanziellen Grundlagen unseres Gemeinwesens sind. Sie liefern hier die ewig gleiche Tirade hart an der Beleidigung und Beschimpfung der Akteure ab, aber machen keinen einzigen Vorschlag, der sich in die Wirklich

keit umsetzen ließe, was man denn eigentlich anders machen könnte.

Auf eine Sache, die Sie hier wieder gemacht haben, weil Sie damit ja nur Instinkte bedienen wollen, will ich gern noch ein bisschen genauer eingehen. Die Bremerhavener werden von den Bremern über das Ohr gehauen!

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Jawohl!)

Sie wissen nicht, wovon Sie reden! Wenn Sie sich vielleicht irgendwann einmal mit Zahlen beschäftigen würden, dann schauen Sie sich das an, wie in Wirklichkeit Bremerhaven im Finanzausgleich zwischen den Kommunen Bremen und Bremerhaven gestellt ist!

(Zuruf von der SPD: Kann er nicht! – Abg. Frau B e r k [SPD]: Er kann ja nicht lesen!)

Als Kommune in einem Niedersachsen würde Bremerhaven 100 Millionen Euro an Ausgleich verlieren. Das ist die finanzielle Wirklichkeit, wie Bremen und Bremerhaven sich zueinander verhalten.