Protocol of the Session on February 23, 2005

Als Kommune in einem Niedersachsen würde Bremerhaven 100 Millionen Euro an Ausgleich verlieren. Das ist die finanzielle Wirklichkeit, wie Bremen und Bremerhaven sich zueinander verhalten.

(Beifall)

Sie bedienen die Dummheit von Menschen, deren Bestreben darin besteht, immer nur den Schuldigen woanders zu suchen. Glauben Sie ja nicht, dass auf so einer Kultur irgendeine sinnvolle Politik gedeihen kann!

(Beifall)

Ich wollte gern noch zwei Sachen zu meinen Vorrednern sagen, zu Herrn Kastendiek und zu Herrn Böhrnsen, um noch einmal herauszubekommen, wo eigentlich die Differenzen bezüglich der Bewertung der Lage sind. Mir ist noch einmal aufgefallen, dass es mit der CDU fast unmöglich geworden ist, über Finanzpolitik zu reden.

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Weil Sie keine Vorstellungen haben!)

Es ist nicht möglich, mit Ihnen darüber zu reden. Große Teile Ihrer Rede bestanden aus Sachen, die ich in vielen Punkten teilen würde. Sie haben viele Dinge genannt wie auch der Senat in seiner Regierungserklärung, die hier in den letzten Jahren, auch nicht nur in Zeiten der großen Koalition, sondern auch davor, gemacht wurden, die sinnvoll waren, die erfolgreich waren, die wir alle gemeinsam wollten oder manchmal auch nicht, die sinnvolle Projekte in Bremen zum Beispiel im Wissenschaftsbereich gewesen sind. Es hat sogar Gewerbeflächen und Wohnungsbauflächen gegeben, die sinnvoll waren und gemein

sam hier beschlossen wurden. Es geht aber darum, dass man auch neben all dem sich über die ökonomischen und fiskalischen Grundlagen für Politik unterhalten muss, oder wollen Sie allen Ernstes sagen, dass ein völlig pleite gegangener Staat, der jegliche finanzielle Handlungsfähigkeit verloren hat, dadurch überlebensfähig wird, dass alle Straßen repariert sind, noch mehr Tourismusprojekte und noch mehr Gewerbeansiedlungen gebaut wurden?

Das wollen Sie doch nicht ernsthaft. In Wirklichkeit ist es so, dass bei unserem ökonomischen System und dem Finanzausgleich, so wie er funktioniert, ein Missverhältnis zwischen der realen Finanz- und Wirtschaftskraft einer Region und den Einnahmen, die der Staat hat, besteht. Für diese Situation müssen Sie doch Politik machen, und es genügt das ewig neue Beschwören nicht, wie schön es in Bremen geworden ist, sondern auch Sie werden sich damit beschäftigen müssen, dass die finanzpolitischen Konsequenzen des Kurses, den Sie in den letzten Jahren hier gefahren haben, die fiskalische Situation unseres Haushalts so katastrophal sind wie nie zuvor, Herr Böhrnsen hat es gesagt, und das sind einfach die Fakten.

Das heißt nicht, dass Sie alles falsch gemacht haben, das heißt auch nicht, dass es nicht sinnvoll war, auf das Universum oder auf den Wissenschaftsbereich zu setzen, das heißt auch nicht, dass die Investition in die IUB falsch war, das haben wir nie behauptet, es heißt aber, dass die finanziellen Ziele nicht erreicht werden, und das sehe ich wie Herr Böhrnsen, das wird, wenn wir nicht ganz viel Glück haben, sehr gut sind und viel Geschick haben, der Eigenständigkeit Bremens den Hals kosten, weil es keine Eigenständigkeit geben kann ohne fiskalische Grundlagen.

Es geht auch nicht darum, einen allgemeinen Streit um die Investitionen anzuzetteln. Nirgendwo sagen Grüne, dass Investieren nicht sinnvoll ist. Die letzten Jahre waren aber dadurch gekennzeichnet, dass vor allen Dingen sehr viel Geld vorhanden war. Sie werden zugeben müssen, dass die Kultur des genauen Hinsehens, ob eine Investition vielleicht wünschbar, aber damit auch gleichzeitig bezahlbar ist, unter Ihrer Ägide schwer gelitten hat. Wir werfen Ihnen nicht nur vor, dass es Flops gegeben hat, über die haben wir hinlänglich geredet, und ich finde das auch irgendwann selbst langweilig, das muss man Ihnen nicht immer wieder unter die Nase reiben, Sie wissen, was Sie gemacht haben, aber Sie könnten dann vielleicht auch einmal mit ein bisschen mehr Nachdenklichkeit hier in die Bütt treten, anstatt so zu tun, als sei alles das Gelbe vom Ei gewesen.

Es ging nicht nur um die Flops, es ging auch darum, dass Sie verschwendet haben. Es ist nicht erforderlich, überall chinesischen Granit auszulegen, wenn man denn konkurrieren will mit anderen

Standorten. Es ist auch nicht notwendig, überbordende Straßenausbauten zu machen oder den Hemelinger Tunnel zu bauen. Es ging nicht nur um die Flops, sondern es ging auch einfach um das Maßstäbliche, um das Zuviel. Es ist nicht notwendig, ein völliges Überangebot an Gewerbeflächen auszuweisen, eine Nummer kleiner hätte es auch getan. Das ist doch die Kritik, womit Sie einfach nichts anfangen können!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Letztes will ich noch sagen, dass es auch Gemeinsamkeiten gibt, auch mit uns. Wir werden uns mit dafür einsetzen, die Eigenständigkeit Bremens zu retten. Wir werden Vorschläge machen wie eben in meiner Rede auch. Wir werden aber mit einer Haltung da herangehen, die sich vielleicht doch ein bisschen vom Senat oder Teilen des Hauses hier unterscheidet. Ich sehe das so, wie es eben auch in der Rede von Herrn Böhrnsen eher betont wurde, Bremens Selbständigkeit ist kein Selbstzweck. Es geht darum, dass es den Bürgerinnen und Bürgern hier gut gehen soll, denen gegenüber ist Politik verpflichtet. Wenn sich dann herausstellt, dass wir finanziell nicht auf Beine kommen, die eine Lebensfähigkeit sichern, dann wird man sich nach anderen Wegen umsehen müssen. Das ist noch lange hin, und ich hoffe, dass da noch ganz viel in den nächsten Jahren passieren kann, aber wir werden keine Blut-Schweißund-Tränen-Politik mitmachen, mit der man den Bremerinnen und Bremern alles Mögliche zu-mutet, was sich stark unterscheidet vom Standard anderer Großstädte, und immer nur damit wedeln, dass man nur so die Eigenständigkeit retten könnte. Das ist genau das Gegenteil von richtig, das ist falsch, damit würde man sie nur verspielen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kastendiek.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Linnert, Ihren Strauß würde ich gern aufnehmen wollen, nur, Sie müssten dann selbst schon die eigenen Voraussetzungen bringen, welche finanzpolitischen Ziele Sie sich für die kommende mittelfristige Finanzplanung in Ihrem Sinne denn vorstellen. Wie sieht es denn aus? Wie wollen Sie die Zinssteuerquote reduzieren? Wie wollen Sie dieses Ausgabenwachstum darstellen, und wo wollen Sie Schwerpunkte setzen?

Genau das habe ich Ihnen auch vorgeworfen in meiner Rede, Frau Linnert, und darauf sind Sie in Ihrem zweiten Beitrag auch nicht eingegangen, dass Sie immer nur das gesagt haben, was nicht geht, aber nicht gesagt haben, was Ihre konkreten Vorstellungen finanzpolitischer Art sind, wie Sie sich zum

Ausgleich des Primärsaldos stellen und wie Sie sich zum verfassungskonformen Haushalt darstellen. Hierzu fehlen schlichtweg Ihre Aussagen, meine Damen und Herren.

Dann Ihr Vorwurf der Maßstäbe und Hemelinger Tunnel! Ich muss sagen, das ist schon ziemlich abenteuerlich. Ich weiß nun nicht, wie lange die Geschichte des Hemelinger Tunnels zurückgeht, Bürgermeister Scherf wird es aufgrund seiner langen Tätigkeit und Erfahrung aus dem Senat sicherlich im Einzelnen sagen können, aber es ist eine unendliche Geschichte. Es ist eine unendliche Geschichte, weil über mehrere Legislaturperioden ein Versprechen, eine Zusage für den größten Arbeitgeber hier im Lande nicht eingehalten worden ist. Wir haben es durch die Maßnahmen und Beschlüsse der großen Koalition geschafft, dieses Versprechen aus dem Jahre 1978 einzuhalten, umzusetzen, und, was viel wichtiger ist, wir haben hier dem größten Arbeitgeber in dieser Stadt in dem internen Wettbewerb der Werke von Daimler-Chrysler einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil in dem Bemühen um Sicherung und Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze geschaffen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Unterhalten Sie sich bitte einmal mit dem Werksvorstand und mit den Arbeitnehmervertretern bei Daimler-Chrysler, die werden Ihnen sagen, was die Maßstäbe bremischer Politik sind. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Regierungserklärung des Senats Kenntnis.

Wahl eines Mitglieds des Vorstands (Wahl eines Schriftführers/ einer Schriftführerin)

Für die Wahl einer Schriftführerin ist von der SPDFraktion die Abgeordnete Sybille Böschen vorgeschlagen worden.

Die Beratung ist eröffnet. – Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Beratung ist geschlossen.

Es ist vereinbart worden, die Wahl gemäß Paragraph 58 unserer Geschäftsordnung als geheime Wahl in Wahlkabinen durchzuführen.

Ich gebe Ihnen jetzt einige Regularien für den Ablauf der Wahl bekannt. Die Ausgabe der Stimmzettel und Wahlumschläge erfolgt nach Namensaufruf an dem Tisch rechts neben den Wahlkabinen. Bitte gehen Sie dann mit Ihrem Stimmzettel in eine der beiden Wahlkabinen und vermerken dort Ihre Wahlentscheidung auf dem Stimmzettel! Sie haben die Möglichkeit, mit Ja, Nein oder Stimmenthaltung zu entscheiden. Fehlt eine Kennzeichnung, gilt die Stimme als nicht abgegeben. Enthält der Stimmzettel mehr Kennzeichnungen als zu Wählende, ist er ungültig. Falten Sie den Stimmzettel, und stecken Sie ihn in den mitgegebenen Wahlumschlag. Es wird gebeten, den Umschlag nicht zuzukleben. Werfen Sie dann den Stimmzettel in die Wahlurne!

Ich weise darauf hin, dass die Schriftführerinnen Stimmzettel zurückzuweisen haben, die erstens außerhalb der Wahlkabine gekennzeichnet oder in den Wahlumschlag gelegt wurden, zweitens nicht in den Wahlumschlag gelegt wurden, drittens sich in einem Wahlumschlag befinden, der offensichtlich in einer das Wahlgeheimnis gefährdenden Weise von den übrigen abweicht. Stimmzettel, die Zusätze oder Kennzeichnungen enthalten, sind ungültig, wenn sie den Willen des Wählers nicht zweifelsfrei erkennen lassen oder die Person des Wählers erkennbar wird.

Sollte sich ein Abgeordneter beim Ausfüllen des Stimmzettels verschreiben, kann er bei den Schriftführerinnen gegen Rückgabe des alten Stimmzettels einen neuen Stimmzettel erhalten.

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Wahl.

Der Wahlgang ist eröffnet.

Ich rufe nun die einzelnen Abgeordneten auf.

(Es folgt der Namensaufruf.)

Meine Damen und Herren, ich frage, ob alle Abgeordneten einen Stimmzettel abgegeben haben.

Es scheint der Fall zu sein.

Dann stelle ich fest, alle Abgeordneten haben einen Stimmzettel abgegeben.

Der Wahlgang ist geschlossen.

Ich bitte die Schriftführerinnen, die Auszählung vorzunehmen!

Ich unterbreche die Sitzung der Bürgerschaft (Land- tag), bis das Auszählungsergebnis vorliegt.

(Unterbrechung der Sitzung 12.51 Uhr)

Präsident Weber eröffnet die Sitzung wieder um 12.59 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Ich gebe Ihnen das Wahlergebnis der Wahl einer Schriftführerin bekannt. Ausgegebene Stimmzettel 79, abgegebene Stimmzettel 79, vernichtete Stimmzettel null. Mit Ja stimmten 66, mit Nein stimmten neun, Stimmenthaltungen vier, ungültig keine.

Meine Damen und Herren, damit stelle ich fest, dass die Abgeordnete Sybille Böschen die Mehrheit der Stimmen erreicht hat, die nach Paragraph 9 Absatz 1 der Geschäftsordnung erforderlich ist.

Ich frage die Abgeordnete Sybille Böschen, ob sie die Wahl annimmt.

(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Herr Prä- sident, meine Damen und Herren, ich neh- me die Wahl an! – Beifall)