Die Probleme, die hier auch angerissen wurden von meinen beiden Vorrednern, liegen in der demographischen Entwicklung der Bundesrepublik. Für immer mehr Pflege gibt es immer weniger Zahler. Die Kosten werden gedeckelt, die Lohnnebenkosten sollen natürlich nicht steigen, das ist ein Zielkonflikt, der sich schlecht lösen lässt. Darauf ist Herr Pietrzok auch schon eingegangen. Der Druck, der auf die Pflegekräfte entsteht, wird immer höher und stellt sich letzten Endes auch in Qualitätsminderung dar. Wenn der Druck auf die Pflegekräfte zu hoch wird, führt das unweigerlich dazu, dass dann auch an der Qualität ein bisschen gespart wird. Dann ist natürlich ein automatisiertes Verfahren mit kleinen tragbaren Geräten mit dem von Ihnen genannten System eine Möglichkeit.
Der Fehler liegt aber praktisch im System. Es muss eine Reform geben. Die Pflegeversicherung kann nicht länger so getragen werden. Sie wird kollabieren, wenn wir uns nicht an eine Reform heranwagen. Die Pflegesätze sollten dynamisiert werden. Verbesserungen für Demenzkranke sind erforderlich, das ist schon angesprochen, ambulante vor stationäre Pflege. Weiterhin sollten Anreize geschaffen werden für die ambulante Pflege. Die häusliche Pflege soll konsequent den Vorrang haben, und dies soll konsequent umgesetzt werden. Ich habe die Hoffnung, dass die Pflegeversicherung mit der neu zu gestaltenden Bürgerversicherung zusammengebunden wird. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Anhand des vorliegenden Antrags sind nun offenbar die CDU und die SPD zu der glorreichen Erkenntnis gekommen, dass im Bereich der Pflege ein bürokratischer Wasserkopf infolge bundesgesetzlicher Vorgaben immer größere Ausmaße angenommen hat. Aber, meine Damen und Herren, das ist doch nichts Neues. Haben Sie denn ganz vergessen, dass seinerzeit in
der Regierung unter Kanzler Kohl und nun in der rotgrünen Chaosregierung unter Kanzler Schröder dafür gesorgt wurde, dass es überhaupt so weit gekommen ist und dass Sie für dieses gesundheitspolitische Desaster selbst verantwortlich sind?
Meine Damen und Herren, zunächst sei festgestellt, ab 1. April 1995 besteht ein Rechtsanspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung, sobald die Pflegebedürfigkeit attestiert ist. Laut „Deutsches Ärzteblatt“ führte dies zu einer Flut von Begutachtungen, so dass es inzwischen über zwei Millionen Pflegebedürftige in Deutschland gibt, Tendenz steigend. Die nicht exakte Definition bezüglich des Anspruchs auf Pflege bezieht sich auf die Verrichtungen des täglichen Lebens, keineswegs auf einen konkretisierbaren Betreuungsbedarf und schon gar nicht auf die häusliche Krankenpflege, die in den Finanzierungsbereich der Krankenkassen fällt. Schon daran können Sie die nachhaltigen Versäumnisse der rotgrünen Chaosregierung deutlich erkennen.
Bereits vor drei Jahren hat sich die Finanzierung als nicht mehr ausgabendeckend erwiesen. Ein Defizit von rund 400 Millionen Euro trat ein. 2003 waren es schon sage und schreibe 700 Millionen Euro, und für 2004 muss von mehr als 900 Millionen Euro ausgegangen werden. Meine Damen und Herren, glänzen politische Entscheidungsträger der Bundesparteien auch weiterhin durch Versagen, dann sind spätestens 2006, 2007 sämtliche Rücklagen aufgezehrt, und dies, obwohl inzwischen auch Rentner einen vollen Beitrag zur Pflegeversicherung zahlen, was sage und schreibe 1,7 Milliarden Euro Mehreinnahmen ausmacht.
Meine Damen und Herren, bei den Kosten geht es gegenwärtig um über 30 Milliarden Euro, die jährlich anfallen. Dieses Geld kommt rund 2,4 Millionen Pflegebedürftigen zugute. Das sind 2,5 Prozent der Bevölkerung in der Bundesrepublik. Von denjenigen, die Pflegeleistungen erhalten, entfallen 1,4 Millionen auf Empfänger in der häuslichen Pflege und zirka 610 000 Anspruchsberechtigte in Pflegeheimen. Bezogen auf die 30 Milliarden Euro sei gesagt, dass diese auch die Lohnbasis von 190 000 Beschäftigten in den 10 600 ambulanten Pflegediensten und 475 000 Beschäftigten in den 9200 Pflegeheimen bundesweit sind. Zudem arbeitet mehr als doppelt so viel Personal in den Pflegeheimen, in denen weniger als ein Drittel der Pflegebedürftigen betreut wird. Die Heimbetreuung ist in der Pflege zirka sechs Mal so teuer wie die häusliche Pflege.
Meine Damen und Herren, fast ein Sechstel der Pflegeheimbewohner stellt mit nunmehr 90 000 Bewohnern die Gruppe der Behinderten. Mit der Einführung der Pflegeversicherung haben sich nun diverse Einrichtungen wie zum Beispiel psychiatrische Landeskrankenhäuser, Jugendheime und andere Einrichtungen in Pflegeheime umwandeln
lassen. Damit ist die Finanzierung der Betreuung dieser Personengruppe fast vollständig aus dem Bereich der Kommunen und Sozialämter in den Bereich der Pflegeversicherung übergewechselt. Das heißt also, dass Bremen und Bremerhaven deutlich spürbar entlastet wurden, wodurch eigentlich Mittel zur Beseitigung hiesiger Missstände im Bereich der Pflege zugunsten Bedürftiger im ZweiStädte-Staat zur Verfügung stehen müssten.
Ich zitiere aus einer Denkschrift zum Thema, da heißt es: „Wenn heute schon die Finanzierbarkeit an Grenzen stößt, kann unmöglich eine zwanzigprozentig höhere Zahl von Pflegebedürftigen in 40 Jahren mit denselben Mitteln und derselben Qualität versorgt werden.“ Also, statt Leistungskürzung zu erwägen, Leistungen auszugrenzen und den Kreis der Bedürftigen einzuschränken, sollte mit einem möglichst geringen Finanzaufwand eine größere Zahl von Menschen in einem anderen Umfang an Pflege versorgt werden.
Das kann aber nur dadurch erreicht werden, wenn sowohl die rotgrüne Regierung als auch die CDU endlich effektiv den bürokratischen Wasserkopf in der Pflege effektiv abbaut. Tatsache ist, dass die Deutsche Volksunion schon seit Jahren auf parlamentarischer Ebene darauf hingewiesen hat, dass der Verwaltungsaufwand in der ambulanten Pflege in den letzten Jahren unverantwortlich dramatisch aufgebläht worden ist. Tatsache ist auch, dass immer mehr Zeit für die direkte Versorgung der Patienten verloren geht, das können selbst Sie nicht bestreiten, das wurde auch hier schon mehrfach angeführt, aber gleichzeitig die Ausgaben für Verwaltung bei den Kassen und den ambulanten Pflegediensten kontinuierlich ansteigen.
Meine Damen und Herren, die Vorstellungen der Deutschen Volksunion zur Beseitigung des Problems decken sich weitgehend mit den Forderungen des Deutschen Caritasverbandes. Bezüglich unserer Vorschläge zum Abbau des Verwaltungsaufwands möchte ich nur zwei Beispiele anführen, die verdeutlichen, wie der Alltag ambulanter Pflegedienste unnötig belastet wird. So müssen ärztliche Verordnungen innerhalb von zwei Tagen bei den Kassen vorliegen. Dies ist aber in der Praxis nur mit einem höheren zusätzlichen Verwaltungsaufwand für Patienten und Pflegedienste zu erreichen. Als Vertreter der Deutschen Volksunion kann ich die Forderung unterstreichen, die Einreichfrist von Verordnungen einheitlich auf fünf Tage zu verlängern.
Bei vielen Verordnungen ist bereits zu Beginn absehbar, dass sie länger als 14 Tage notwendig sein werden. Trotzdem werden alle Verordnungen zunächst nur für 14 Tage bewilligt. Das ist aus Sicht der Deutschen Volksunion unnötig und vervielfacht den Verwaltungsaufwand bei Kassen, Patienten und Pflegediensten. Die regelhafte Begrenzung der Erstverordnung auf 14 Tage muss daher sofort ver
schwinden. Zudem ist sich die Deutsche Volksunion mit der Caritas dahingehend einig, dass beim Übergang von der stationären in die ambulante Versorgung die behandelnden Ärzte die notwendigen Verordnungen für die häusliche Krankenpflege im Anschluss an den Aufenthalt im Krankenhaus verschreiben könnten. Dies muss den Ärzten in den Krankenhäusern ermöglicht werden.
Meine Damen und Herren, dass der vorliegende Antrag der Fraktionen von SPD und CDU tatsächlich zur Überwindung der von den beiden Parteien verschuldeten Situation beiträgt, muss allerdings sehr bezweifelt werden. Allerdings wird die Deutsche Volksunion auch noch so kleine Schritte unterstützen, die in die richtige Richtung führen, und ich habe schon des Öfteren deutlich gemacht und erwähnt, Kontrollen in den Pflegeheimen müssen unangemeldet durchgeführt werden. Angemeldete Kontrollen sind ein Witz und bringen überhaupt nichts. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es haben sich ja sehr viele Institutionen schon mit den Problemen beschäftigt, und mit Genehmigung des Präsidenten möchte ich zitieren aus einem Papier der Deutschen Forschungsgesellschaft für Gerontologie, die das Problem Bürokratie in der Pflege, wie ich finde, in drei Kernsätzen gut beschrieben hat. Sie sagt nämlich: „Bürokratie zeigt das ‚zweite Gesicht’ der Pflege und weist auf die Doppelfunktion von Pflege hin. Die Versorgung alter Menschen ist zum einen eine höchst individuelle und persönliche Aufgabe, Pflege von Mensch zu Mensch. Sie ist aber auch eine gesellschaftliche Aufgabe, die der Aufsicht und Verwaltung bedarf.“
Ich denke, das beschreibt genau das Dilemma, in dem wir uns bewegen. Auf der einen Seite ist es natürlich notwendig und richtig, dass Heime verpflichtet sind, Pflege- und Betreuungsleistungen zu dokumentieren. Die Dokumentation ist auch ein wichtiges Instrument, um Transparenz herzustellen und die Pflegeprozesse zu steuern. Auf der anderen Seite ist es auch richtig, dass wir feststellen müssen, dass immer weniger Zeit tatsächlich für die Pflege von Mensch zu Mensch zur Verfügung steht. Das ist die Schwierigkeit, die zu bewältigen ist. Der Antrag, der hier vorliegt, geht genau in diese Richtung, und ich unterstütze ihn nachdrücklich.
Es wird zunächst gefordert, dass die Akteure in der stationären Pflege diesen Entbürokratisierungsprozess vorantreiben. Da sind, wie gesagt, viele schon auf dem Wege. Das ist hier schon beschrieben worden. Einige Bundesländer haben etliche Modelle konzipiert. „Plaisir“, das ist mehrfach er
wähnt worden, ist gescheitert. Es gibt den runden Tisch „Pflege“ in Berlin, aber auch Bremen hat sich auf den Weg gemacht. Wir haben vor einigen Monaten schon eine Arbeitsgruppe installiert, die mit Leitungskräften von Bremer Altenpflegeheimen, also Menschen, die aus der Praxis kommen, was ich sehr wichtig finde, mit Beratung des MdK und mit Beratung der Bremer Heimaufsicht genau dieser Frage nachgeht: Wie könnten arbeitsökonomischere Formen von Pflege hinsichtlich der Dokumentation gefunden werden? Selbstverständlich wird diese Arbeitsgruppe die Modelle, die Erfahrungen anderer Länder einbeziehen, und ich hoffe sehr, dass wir dann auch sehr praktikable Handlungsempfehlungen bekommen, die hier in Bremen umgesetzt werden können.
Wenn diese Ergebnisse vorliegen, werden sie selbstverständlich dem Parlament präsentiert. Aber wir müssen vor allen Dingen dann dafür sorgen, dass sie bei allen Heimen auch ankommen. Über diesen Prozess müssen wir uns dann gemeinsam noch Gedanken machen.
Angesprochen ist richtigerweise in dem Antrag das Problem von Doppelprüfungen, immer wieder Thema, wobei sich das schon deutlich verbessert hat aufgrund der Zusammenarbeit in der Arbeitsgruppe nach Paragraph 20 Heimgesetz, wo die Akteure absprechen, wann welche Kontrollen von wem durchgeführt werden, so dass es da zu einer Reduzierung gekommen ist. Wir weisen aber immer wieder darauf hin, dass es eben noch nicht ganz optimal ist, und sind für Anregungen aus der Praxis dankbar – es gibt einen Arbeitskreis stationäre Hilfen, der sich damit beschäftigt –, um den Prozess noch weiter zu optimieren.
Richtig ist auch in dem Antrag, die Bedeutung der Mitwirkungspraxis der Heimbeiräte hervorzuheben. Ich denke, das ist eine ganz wichtige Einrichtung, und sie sind gesetzlich auch noch deutlich stärker in den Mittelpunkt gestellt worden, was ich sehr begrüße. Sie haben eine ganz wichtige Funktion, weil sie eben auch die Transparenz deutlich erhöhen und in der Lage sind, Missstände aufzudecken, und sie sind für Bewohnerinnen und Bewohner, die oft sehr einsam und in großen Nöten sind, wichtige Ansprechpartner.
beiräte eingeladen hatte, wo sehr viele Heimbeiräte anwesend waren, auch Heimbeiräte, die sich freiwillig engagieren, also nicht im Heim leben, und ich muss sagen, ich war sehr beeindruckt von dem Engagement der Menschen, die dort versammelt waren, die es sich richtig zu ihrer Sache gemacht haben und auch Forderungen gestellt haben, um den Prozess weiter voranzubringen, mehr Qualität in die Heime zu bringen. Ich denke, auch da sind wir auf einem guten Weg.
Um das jetzt abzuschließen und die Bürgerschaftssitzung nicht unnötig zu verlängern, sage ich Ihnen zu, wir werden das, was Sie in dem Antrag von uns erwarten, mit Überzeugung in die Bürgerschaft bringen und werden uns dann – danke schön für die Fristverlängerung, die werden wir wohl brauchen – wahrscheinlich nach den Sommerferien das nächste Mal mit dem Thema beschäftigen. – Danke!
Wer dem Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD mit der Drucksachen-Nummer 16/467 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Meine Damen und Herren, damit wären wir an das Ende unserer heutigen Beratung gekommen. Der morgige Parlamentstag beginnt mit einer Schweigeminute. Ich bitte Sie, pünktlich zu erscheinen.