Protocol of the Session on July 9, 2003

Moratorium beim Ausbau der Stadthalle Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 1. Juli 2003 (Drucksache 16/4)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Bürgermeister Perschau.

Meine Damen und Herren, die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben den Antrag zur Stadthalle aus zwei ganz entscheidenden Gründen gestellt. Der erste Grund ist die Frage der Architektur dieser Halle, und der zweite Grund ist die Frage der Wirtschaftlichkeit.

Man muss unsere Stadthalle nicht mögen, das sage ich vorweg. Das hat aber nichts damit zu tun, dass die Stadthalle eine Architektur aus den sechziger Jahren hat, die schützenswert ist. Was diese Halle auszeichnet, ist, dass sie statische Lösungsprobleme sichtbar macht. Genau darum geht es bei der Änderung, und diese kappt die Statik, setzt Pfosten darunter und macht die eigentlichen, nach außen gehenden Träger zur Farce. Im Grunde genommen könnte man sie dann auch aus Pappmaché da anhängen, sie haben dann nämlich überhaupt keine Funktion mehr. Im Gegenteil, das macht den Umbau eher teurer, weil man die Dinger so befestigen muss, dass das Ganze hält.

(Vizepräsidentin D r. T r ü p e l über- nimmt den Vorsitz.)

Ein Nachteil dieser Architektur liegt nämlich genau darin, dass Sie die Sicht in der Halle selbst nicht verbessern. Sie schaffen sozusagen mehr Plätze, auf denen schlechter geschaut werden kann. Das scheint in Bremen irgendwie System zu sein. Im Weserstadion, das hat man tiefergelegt, konnte man offensichtlich auch nicht mehr richtig schauen. Jetzt wird die Halle höher gelegt, mit dem gleichen Effekt: Wieder kann man nicht richtig schauen, und Sie sagen, wunderbare Idee! Nein, ich glaube, es ist an der Zeit, über diese Frage noch einmal sehr gründlich nachzudenken!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Unser Antrag schließt erst einmal noch gar nichts aus. Was wir einfordern, ist, gründlich nachzudenken. Eigentlich, Herr Böhrnsen, kann man gegen so etwas nicht sein!

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Aber zum richtigen Zeitpunkt!)

Ich habe das heute im „Weser-Kurier“ gelesen. Ich war überrascht, dass die SPD nunmehr auch der Meinung ist, dass dieses Großprojekt auf den Prüfstand gehört. Wohl wahr! Die Frage ist: Warum kommen Sie eigentlich erst auf die Idee, das auf den Prüf––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

stand zu stellen, wenn die Grünen einen Dringlichkeitsantrag stellen?

(Abg. B ö h r n s e n [SPD]: Haben Sie den Koalitionsvertrag gelesen?)

Ach, den Koalitionsvertrag! Herr Böhrnsen, Sie kommen auf die Idee, weil es bundesweit eine Diskussion über die Frage der Wirtschaftlichkeit von Arenen und Hallen gibt

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

und weil ganz deutlich ist, dass Sie sich möglicherweise getäuscht haben.

Ich habe heute Morgen mit großer Aufmerksamkeit die Regierungserklärung des Präsidenten des Senats gelesen. Ich habe gelesen, es wird uns auch als Opposition angeboten – dazu zähle ich dann als Grüner bekannterweise auch –, bei der Problemlösung in dieser Stadt mitzumachen. Genau das machen wir jetzt! Wir nehmen Ihre Einladung herzlich gern an. Ich sage Ihnen, stellen Sie dieses Projekt aus architektonischen Gründen, aber auch aus Wirtschaftsgründen auf den Prüfstand, weil die Frage des Gutachters nämlich – –. Das kennen wir doch: Da kommt Herr Haller daher,

(Abg. Frau W i e d e m e y e r [SPD]: Eben nicht!)

der macht das Gutachten, dann geht das Ding sozusagen in die Grütze, und danach wird dann auch noch von demselben Mann geprüft, wie es eigentlich gewesen ist. Das ist Bremen, und das wollen wir nicht!

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Das stimmt selbstverständlich! Der Gutachter stellt genau zwei – –.

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Frau Dr. Trüpel kann Ihnen das sagen, wie es in den Wirtschaftsförderungsausschüssen war!)

Wenn Sie als neuer Fraktionsvorsitzender doch den neuen Abgeordneten bitte ausreden lassen, wäre ich Ihnen doch sehr dankbar!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf des Abg. K a s t e n d i e k [CDU])

Der Gutachter stellt zwei falsche Prämissen gegeneinander, er sagt nämlich, das ist eine Eins-aHalle. Das stimmt schon nicht. Dann sagt er, wenn man diese Halle nicht umbaut, dann hat das zur Folge, dass die Halle geschlossen werden muss, und

auch das stimmt nicht. An diesen beiden extremen Punkten bewegt sich aber die Diskussion, und das ist völlig verkehrt, weil die Punkte schon nicht stimmen, sondern von dem Gutachter falsch benannt werden. So macht man sozusagen Sachzwangspolitik, die von einer falschen Voraussetzung natürlich automatisch zu einer falschen Lösung führen muss.

Jetzt sage ich noch einmal etwas zu dieser Halle als Architektur! Ich finde es unglaublich, wie mit diesem Teil bremischer Geschichte umgegangen wird. Das ist unabhängig davon, das betone ich noch einmal, ob man persönlich sagt, ich finde das eine gelungene Konstruktion oder nicht. Es gibt auch Leute, die finden das Rathaus ein bisschen kitschig. Da sagt man doch trotzdem nicht, dass das weg muss, sondern das sind erhaltenswerte Güter. Wir haben doch das Problem in der Stadt, so etwas Originelles zu finden, und diese Halle ist weiß Gott über Deutschland hinaus eine sehr originelle Halle, weil sie sich nämlich tatsächlich, und das ist nicht so häufig, zum Prinzip gemacht hat, die statische Lösung sichtbar werden zu lassen. Wenn Sie sich überlegen, wie sich dieser Mann auch dem Platz genähert hat, nämlich hin zum Freimarkt die Höhe und hin zum Bürgerpark das hinunterfallen zu lassen, dass man über dem Dach der Stadthalle sozusagen nicht den Bürgerpark und das Anwesen, das dahinter ist, zerdrückt, das ist eine kluge Idee gewesen.

Ich wünschte mir, die Stadtplaner und Architekten würden sich heute mit ähnlicher Intelligenz solchen Plätzen nähern und nicht diese 08/15-Kästen hinbauen, wo man wahrscheinlich in 30 oder 40 Jahren auch eine Rede dafür halten muss, dass es erhaltenswert ist. Diese Halle hat sozusagen einen eigenständigen Wert an sich. Für den Architekten muss man doch auch das Urheberrecht ernst nehmen.

Wenn Sie etwas bauen, dann möchten Sie auch nicht, dass irgendjemand darin herumpfuscht. Da müssen Sie sich jetzt auch nicht aufregen, Herr Sieling, das hat auch keinen Sinn, ich sage hier ein paar Wahrheiten, die werden in der Architektenszene genauso diskutiert. Der Architekt hat nicht zu Unrecht sein Urheberrecht vor Gericht geltend gemacht. Sie werden sich noch wundern! Der Mann hat gute Chancen, das zu gewinnen. Was machen Sie eigentlich dann?

Ich sage abschließend: Ich möchte gern, dass die Karten auf den Tisch gelegt werden. Dass Sie das nicht tun, ist doch schon deshalb deutlich, weil Sie sagen, wenn man jetzt dieses Projekt abbrechen würde, wären die Kosten zu hoch. Die einen beziffern das mit sieben Millionen, die anderen mit 15 Millionen. Ja, wie viel denn eigentlich? Warum können Sie die Zahlen noch nicht einmal präzise nennen? Wenn das nicht möglich ist, diese Zahlen präzise zu nennen, dann, kann ich Ihnen nur sagen, ist bisher auch nicht präzise, nicht sorgfältig abgewogen und geplant worden, sondern es ist wie immer in Bremen.

Das Musical! Bundesweit die Musicalszene im Grunde genommen im Abschwung, jeder weiß, das Ding bringt es nicht mehr so richtig! Trotzdem sagt Bremen dann, hurra, hier sind wir, wir wollen ein Musical! Die Hallen- und Arenensituation ist eine ganz ähnliche. Es wird wirtschaftlich immer schwieriger, diese Hallen überhaupt voll zu bekommen, geschweige denn, sie einigermaßen wirtschaftlich zu betreiben. Dann kommt Bremen daher und sagt, wir bauen die jetzt noch einmal supertoll aus. Das kann nicht wirklich richtig sein!

Sie haben in der Regierungserklärung heute Vormittag gesagt, Sie wollen jeden Euro dreimal umdrehen. Ich finde, dreimal reicht nicht, drehen Sie ihn ruhig fünfmal um! Bremen ist so pleite, wie ich heute Morgen gehört habe, das ahnte man auch schon vor der Regierungserklärung, das wissen wir auch schon seit Jahren, und will sich tatsächlich leisten, ein Projekt mit über 50 Millionen zu finanzieren. Ich sage Ihnen jetzt schon voraus, mit den Ziffern kommen Sie gar nicht hin, wenn Sie diesen Umbau wirklich realisieren wollen, dann landen Sie weit darüber. Das ist ganz sicher, davon bin ich fest überzeugt, dass das in dem Rahmen gar nicht machbar ist, weil die statisch-technischen Probleme viel größer sind, als das bisher im Gespräch ist.

Sie werden also sozusagen 50 Millionen in den Sand setzen. Das erinnert mich ganz fatal an das Expo-Projekt Space-Park. Ich möchte nicht, dass Bremen sich noch eine solche Ruine leistet. Ich sage Ihnen ganz deutlich, wenn es eine solide, seriöse und ordentliche Prüfung gibt, auch eine betriebswirtschaftliche, die einem wenigstens einmal die dauerhafte Bezuschussung der Halle deutlich nach dem Umbau vor Augen führt, dann kann man darüber reden, ob das sinnvoll ist oder nicht. In der jetzigen Situation kann ich nur empfehlen, dieses Projekt zu stoppen und neu zu überdenken.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich sage Ihnen noch eines, weil man doch den einen oder anderen politischen Gegner im Vorfeld fragt, wie er sich denn dazu verhalten will. Das sage ich jetzt schon einmal, dann brauche ich in der Replik nicht noch einmal nach vorn zu gehen. Das kann man sich vielleicht ersparen. Sie wollen sich als Sozialdemokraten gegen unseren Antrag aussprechen, sind aber irgendwie auch für eine Prüfung. Ich sage Ihnen, wenn Sie uns als Grüne in Ihrer Regierungserklärung einladen mitzumachen, dann nehmen Sie uns auch so ernst, dass Sie sagen, ja, wenn sie dann mitmachen wollen, und sie machen etwas Richtiges, dann stimmen wir dem doch auch zu! Es macht doch keinen Sinn, uns aufzufordern mitzumachen und dann nur aus Prinzip, weil der richtige, der gute, der vernünftige Antrag von den Grünen ist, abzulehnen. Das kann irgendwie nicht ernst gemeint sein. Ansonsten würde ich nämlich denken, dass die Regie

rungserklärung nicht einmal ein paar Stunden an der Stelle gehalten hat. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Liess.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte um die Sanierung, Modernisierung und Aufstockung der Stadthalle ist bekanntlich nicht neu, sondern wir haben diese Debatte im letzten Jahr sehr ausführlich geführt, nämlich einmal ungefähr im Monat Mai, als es um die Entscheidung der Wirtschaftsförderungsausschüsse zum Ausbau der Stadthalle ging, und dann noch einmal bei der Fragestellung im November letzten Jahres, wie wir mit dem Foyer weitermachen.

Bei der damaligen wie auch bei der heutigen Entscheidung geht es um die Frage, ob die Stadthalle bei einer notwendigen Sanierung gleichzeitig funktional aufgewertet werden muss. Dabei handelt es sich dann einerseits um bauliche Veränderungen im Sinne der Sanierung und andererseits um die Frage, ob die Erweiterung der Stadthalle in ihrer Kapazität bei gleichzeitiger Verbesserung der Funktionalität notwendig ist, um den veränderten Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen.

Bewertungskriterien waren und sind, und das sehe ich anders, als Herr Möhle das eben dargestellt hat, in erster Linie die regionalwirtschaftlichen Effekte und nicht in erster Linie die architektonischen Fragen.

(Beifall bei der SPD)

Es hat zwei Gutachten gegeben, eines des eben schon benannten BAW und eines von Symbios, die sich insbesondere über die Frage der Marktbedingungen ausgelassen haben. Ich möchte an dieser Stelle, weil das hier eben eine Rolle gespielt hat, noch einmal darauf hinweisen, dass auch für uns die in der BAWStudie genannte Alternative, entweder findet eine Aufstockung der Stadthalle statt, oder aber die Stadthalle wird geschlossen, keine ernsthafte war.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das finden Sie auch in den Beschlüssen der Wirtschaftsförderungsausschüsse eindeutig wieder, wo bei den Alternativen die Formulierung war: Entweder wir stocken auf, oder aber wir sanieren gründlich, aber wir sanieren, und wir schließen nicht.

Schon vor den Beratungen war also klar, dass Bremen alle Anstrengungen zu unternehmen hat, da––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

mit die Stadthalle ein für Anbieter und Kunden attraktiver Standort bleibt. Ziel ist es nach wie vor, dass wir in Bremen einen Veranstaltungsort vorhalten, der sich im Gefüge der vielen, vor allem im sich vergrößernden Anbieterkreis, behaupten kann. Wir wollen nicht, und ich glaube, da sind wir uns eigentlich einig, dass, wenn wir schon eine Stadthalle betreiben, unsere Bürgerinnen und Bürger sich nach Oldenburg, Kiel, Hamburg oder Hannover begeben, sondern wir möchten schon, dass wir eine Stadthalle haben, die attraktiv genug ist, Menschen hierher zu ziehen, dass sie hier ihr Geld ausgeben können und dass sie hier auch ihre Erlebnisse in der Stadthalle haben können.

Nun ist es von den Planungen her so, wird die Aufstockung der Stadthalle Realität, so wie die Wirtschaftsförderungsausschüsse das im letzten Jahr beschlossen haben, dann wird Bremen von Platz zehn, auf dem es heute steht, auf den Platz vier in der Rangordnung der Hallen insgesamt wieder vorrücken und damit eine Position einnehmen, die Bremen lange Zeit auch gehabt hat.

Ich sage aber deutlich, der Prozess war auch für meine Fraktion alles andere als einfach, sich für diesen Weg der Aufstockung insgesamt zu entscheiden. Wir haben basierend auf den Aussagen des BAW, wonach sich eine Erweiterung der Sitzplatzkapazitäten von 85 Prozent auch regionalwirtschaftlich rechnet, damals Nachfragen gehabt und haben dann dazu beigetragen, dass im Rahmen der Beschlüsse der Wirtschaftsförderungsausschüsse eben nicht die HVG einen Teil ihrer Verwaltungsgebäude im Foyer unterbringen kann. Wir haben unter anderem im guten Einvernehmen mit dem Koalitionspartner gefordert, dass es ein Verkehrskonzept für diesen Bereich gibt und dass es – das ist wesentlich und wird auch wesentlich bleiben – ein modifiziertes Veranstaltungskonzept geben muss, das insbesondere nicht nur die Stadthalle einbezieht, sondern auch die Nutzung der Hallen V und VII. Leider warten wir noch auf diese Konzepte, aber wir haben noch ein bisschen Zeit.

Nach dem heutigen Stand, und nun komme ich zum Antrag der Grünen, der formuliert, dass der Auftrag nicht vergeben werden soll, ist der Auftrag bereits vergeben. Damit ist Bremen bereits rechtlich gebunden. Das heißt im Übrigen nicht, das will ich auch deutlich sagen, dass man aus dieser Bindung nicht austreten kann. Das würde aber bedeuten, dass wir die Planungskosten, die heute mit fünf Millionen schon verausgabt worden sind, wahrscheinlich noch um einen weiteren Millionenbetrag erweitern müssen in Höhe von Regresskosten, die unterschiedlich geschätzt werden, drei Millionen könnten eine realistische Größe sein. Klar ist, Punkt eins des Antrags der Grünen ist hinfällig, der Auftrag ist vergeben.