Protocol of the Session on July 9, 2003

Positiv ist, meine Damen und Herren, das möchte ich hier auch sagen, dass endlich dem Senat aufge––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

fallen ist, dass ein langfristiges und kluges Entwicklungskonzept für die Seestadt fehlt. Das ist wirklich positiv! Die Stärken der Seestadt Bremerhaven sind schon sehr lange identifiziert, und die kennen wir auch alle. Ich zähle sie deshalb hier nicht auf. Es fehlen aber die konkreten Handlungsschritte: Wie soll der Strukturwandel vollzogen werden? Es ist hier heute auch von allen gesagt worden, dass dieser Strukturwandel noch nicht geschafft ist. Also bitte, wie soll das passieren?

Dazu gibt es nichts in der Regierungserklärung und auch nicht im Koalitionsvertrag. Außer allgemeinen Floskeln war leider nicht viel Konkretes zu finden, aber auch nicht zu hören. Für Bremerhaven überaus enttäuschend! Man kann den Eindruck gewinnen, dass der thematisch aussagearme Wahlkampf fortgeführt wird, der von den Sozialdemokraten in Bremerhaven geführt wurde. Mit Henning fährt man gut, das war der Slogan. Aber wohin fährt man mit Henning? Das haben Sie uns hier auch heute nicht gesagt. Leider ist er nicht da!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. K l e e n [SPD]: Nach vorn!)

Nach vorn, das ist gut! Ich habe ihn aber überholt, das habe ich auch noch fotografiert. Er ist immer rechts abgebogen, das war das Problem.

Wer den Strukturwandel in Bremerhaven, wer Arbeitsplätze schaffen und neue Einwohner gewinnen will, auch Einwohner, besonders junge Leute, in dieser Stadt halten will, der muss auch die Probleme der Stadt benennen und sie bearbeiten. Dazu gehört, meine Damen und Herren, eine Sichtweise, die nicht nur, die Betonung ist auf „nicht nur“, auf Wirtschaftsförderung gerichtet ist. Auch als Herr Böhrnsen über die Seestadt gesprochen hat, hat er ausschließlich Projekte genannt, was in Ordnung ist, die wir auch tragen, Offshore zum Beispiel. Sie haben darauf verwiesen, aber ich hoffe, dass Sie auch einen gesamtheitlichen Blick haben.

Die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Steigerung von Lebensqualität in der Stadt und in den Quartieren, das gehört zusammen! Dazu gehören im Paket positives Image einer Stadt, die Förderung von Kultur, die Bildungsangebote, die Gesundheitsversorgung, alle diese Aspekte. Das ist doch schon lange bekannt, dass Firmen diese Standortfaktoren sehr wichtig finden für eine Ansiedlungspolitik. Die Lebensqualität in den Stadtteilen ist der Motor für die Lebensqualität einer Stadt und für ihre Bürgerinnen und Bürger.

Zeigen wir zum Beispiel auf den Stadtteil Bremerhaven-Lehe! Diesem Stadtteil muss dringend geholfen werden, aber auch Geestemünde, Leherheide und Wulsdorf.

(Abg. B r e u e r [SPD]: Surheide!)

Surheide auch, ja! Mit 20 Prozent Arbeitslosen und zehn Prozent Sozialhilfeempfängern lag Bremerhaven Ende der neunziger Jahre an der Spitze aller kreisfreien Städte Westdeutschlands. Gerade in den Großraumwohnsiedlungen und in den Altbauquartieren konzentrieren sich auch die sozialen Probleme dieser Stadt. Das ist auch der Grund dafür, dass Bremerhaven eine der Pilotstädte für den Stadtumbau West geworden ist. Das ist, denke ich, ein großer Hoffnungsschimmer.

Dieser Hoffnungsschimmer muss von der Landesregierung mit zusätzlichen Programmen flankiert werden. Was passiert denn sonst? Unzufriedenheit und Resignation sind nämlich ein Auslöser für einen hohen Stimmenanteil am rechten Rand unserer Parteienlandschaft, für den hohen Stimmenanteil der DVU und der Schill-Partei in Bremerhaven, und sorgen für eine sinkende Wahlbeteiligung. Auch hier ist die Landesregierung gefordert, diesen unglückseligen Trend umzukehren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Doch hier habe ich heute auch dazu keine Aussagen gehört. Sich die Augen zuzuhalten und sich wie ein Kind zu verstecken, das löst keine Probleme. Ankündigungspolitik wie in den letzten acht Jahren darf nicht vier Jahre fortgesetzt werden. Das ist keine Nörgelei, meine Damen und Herren! Hier geht es um die Zukunft von Bremerhaven und auch um die Zukunft für das Land Bremen. Sie verwechseln immer Nörgelei mit einer Ist-Beschreibung!

Im November des letzten Jahres habe ich noch gedacht, die SPD habe den Zusammenhang von Wirtschaftskraft und Revitalisierung von Stadtteilen verstanden. So stand es jedenfalls in ihrem Lüneburger Programm oder der Erklärung mit dem Titel „Endspurt – Für Bremen und Bremerhaven begeistern!“ Einige Überschriften sind hier heute auch genannt worden: Schaffung attraktiver Zentren in den Stadtvierteln, lebendige Stadtviertel, gepflegte und saubere Stadtviertel und so weiter. Für Bremen sind sie alle hier genannt worden, für Bremerhaven nicht! Für Bremerhaven, denke ich, muss das auch zusammengehören, auch das muss gemeinsam gedacht werden.

Der Hinweis, jetzt sitzen ja wieder zwei Bremerhavener im Senat und tragen Verantwortung für unser gemeinsames Bundesland, ist ein bisschen mager.

(Zuruf der Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD])

Das Argument ist mager, ich meine jetzt nicht die Kilogramm!

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Ach so!)

Ich hätte darüber heute wirklich andere Aussagen erwartet, zum Beispiel, wie es mit der Lebensmittelwirtschaft in Bremerhaven weitergehen kann.

(Abg. Frau W i e d e m e y e r [SPD]: Hat Henning doch gesagt, wird alles gefördert!)

Ja, wird alles gefördert! Aber er muss sagen, wie er es macht! Wer macht was wann womit? Er hat nur Allgemeinplätze genannt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bin eine starke Anhängerin dieser Fragen. Ich kann Ihnen dazu ja auch noch einmal eine lapidare Aussage aus dem Koalitionsvertrag nennen. Das wird nicht mit gefördert. Da heißt es: „Für die Fischund Lebensmittelwirtschaft sind die Standortkosten im Vergleich zu Konkurrenzlagen zu prüfen.“ Das hört sich erst einmal gar nicht so positiv an.

(Abg. Frau W i e d e m e y e r [SPD]: Doch! Wettbewerbsfähigkeit steigern durch Kostenvorteile!)

Ja, wunderbar, wie Sie das sagen, aber es steht da kein klares Bekenntnis dazu!

(Glocke)

Ich will jetzt aber nicht weiter mit Ihnen darüber debattieren. Ich muss das jetzt einmal eben noch zu Ende bringen. Ich bringe nämlich Sachen zu Ende!

Wie wird die Zukunft der maritimen Wirtschaft gestaltet? Auch keine klare Aussage! Eine Zusammenarbeit bei der Förderung der Forschung und der Entwicklung mit dem Bund sei denkbar. Auch da keine klaren Aussagen! Hierzu noch eine Anmerkung: Ich denke, die maritime Technologie ist die Zukunft, und die wird hier verschlafen, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Bremerhavener Vertreter, die diesen Koalitionsvertrag mit ausgehandelt haben, haben sich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

(Zuruf)

Mit Ruhm bekleckert haben sie sich nicht! Sie haben sogar dazu beigetragen, dass gut funktionierende Strukturen zerschlagen werden. Gewerbeaufsichtsamt, Justizvollzugsanstalt, es wurde ja schon darauf hingewiesen.

Was ist mit dem Logistikstandort Bremerhaven? Was ist mit dem Auswanderermuseum? Was ist mit der Übertragung der Hoheit der stadtbremischen Häfen in Landeshäfen? Was ist mit der Bahnverbin

dung? Ich könnte diese Fragen noch fortsetzen, doch nicht heute! Diese Fragen werden Sie in den nächsten Monaten, denke ich, hier detailliert beantworten müssen, und dann bin ich auf Ihre Antworten gespannt. Heute gab es leider nur eine verbale Armenspeisung, kein Leitbild, keine Konzeption, keine Planungssicherheit!

Ich habe vor kurzem mit Menschen darüber gesprochen, die Kinoliebhaber sind. Wenn wir jetzt einen Filmtitel für Ihren Koalitionsvertrag suchen müssten, dann haben sie vorgeschlagen: Im Westen nichts Neues! – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Teiser.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegin Hoch! Die Eigenart dieses Landes macht es ja erforderlich, dass wir keine Regierungserklärung geschlossen debattieren, sondern dass wir über die Städte debattieren. Man kann jetzt noch über Stadtteile debattieren und über Straßen debattieren, wir können irgendwann auch über einzelne Häuser debattieren. Sie sollten sich einmal überlegen, wo Sie hier eigentlich sitzen, ob Sie hier in irgendeinem Stadtteilbeirat in Grünhöfe sitzen oder ob Sie hier im Landtag sitzen, aber ich sehe Ihnen das nach!

Das Problem ist immer, dass man, wenn man, schon bevor man es von Herrn Dr. Scherf gehört hat, unter Außer-Acht-Lassen des Paragraphen 42 unserer Geschäftsordnung seine Rede vorschreibt, dann gezwungen ist, sie auch so vorzulesen, wie sie da steht, ohne darauf einzugehen, was tatsächlich gesagt worden ist.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD – Zuruf vom Bündnis 90/Die Grünen)

Nur insofern ist dieser unendliche Unsinn, den Sie hier erzählt haben, zu erklären.

(Zuruf vom Bündnis 90/Die Grünen: Das ist Gott sei Dank die letzte Rede! – Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Kann- ten Sie die Regierungserklärung nicht vor- her, Herr Teiser?)

Meine Damen und Herren, der Kernpunkt dessen, was vereinbart ist, ist, dass Bremerhaven weiterhin mit 25 Prozent der Investivmittel bedacht wird. Das mag für den einen oder anderen langsam zur Selbstverständlichkeit verkommen sein. Ich sage Ihnen, das ist keine Selbstverständlichkeit, dass in Bremerhaven so überproportional hohe Investivmittel aus––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

gegeben und eingesetzt werden. Da bin ich wieder bei Ihnen, liebe Kollegin Hoch, warum wir auch in den Koalitionsverhandlungen nicht über Grünhöfe und Surheide und Speckenbüttel geredet haben: Es gibt noch eine kommunale Selbständigkeit in Bremerhaven.

(Zuruf vom Bündnis 90/Die Grünen)

Wir bekommen die Mittel, und dann überlegt man sich in Bremerhaven, was man damit am sinnvollsten macht.

Es wäre nicht Aufgabe der Landesregierung oder einer Koalitionsverhandlung auf Landesebene, dem Magistrat in Bremerhaven vorzuschreiben, was er zu tun hat. Insofern werden Sie auch festgestellt haben, dass die Neuregelung des Finanzausgleichs nicht so, wie sie angedacht war, in diesen Koalitionsvertrag aufgenommen worden ist, sondern noch behandelt und ausgehandelt werden muss. Ich sage hier schon an dieser Stelle an den Senat: So, wie es auf Verwaltungsebene ausgehandelt worden ist, das sage ich Ihnen als künftiger Bürgermeister der Stadt Bremerhaven, wird es auf gar keinen Fall zustande kommen! Da werden Sie sich an uns die Zähne ausbeißen, wie auch an einigen anderen Dingen.

Meine Damen und Herren, alles das, was für Bremerhaven wichtig ist, die Fortsetzung des Innenstadtprogramms, die Investitionen in die Häfen, die Investitionen in die Lebensmitteltechnologie, hat seinen Einfluss in diese Koalitionsverhandlungen gefunden, und Bremerhaven kann mit dem Ergebnis dieser Verhandlungen sehr zufrieden sein, wenn ich auch einräume, dass es mir natürlich lieb gewesen wäre, wenn man hätte sagen können: Lass uns doch einmal die Bremerhavener Projekte aus den Prüfungen herausnehmen, das Eisstadion ist von riesiger Bedeutung und für Bremerhaven wichtig, die Auswanderungsausstellung ebenfalls, lass uns das doch alles ungeprüft finanzieren! Meine Damen und Herren, dass wir das nicht durchsetzen konnten, ich glaube, darüber brauchen wir nicht lange zu debattieren.

Was für alle Projekte gilt, gilt auch für diese. Wenn sie positiv beschieden werden, wovon ich sehr ausgehe und was ich auch sehr stark hoffe – insbesondere auch beim Thema Auswanderung –, dann werden wir das alles auf einen guten Weg bringen. Wenn sich allerdings schon, bevor man richtig angefangen hat, herausstellt, dass es sich nicht lohnt, es sich nicht rechnet, dann muss auch der eine oder andere Bremerhavener seine Emotionen zurückstellen, denn es geht ja nicht nur darum, Millionenbeträge für Investitionen aus dem Landeshaushalt zu quetschen, sondern da gibt es auch noch eine Kommune, die anschließend die Folgekosten zu tragen hat, und deswegen müssen wir da sehr vorsichtig sein.

Ich gehe einmal davon aus, dass ungefähr die Hälfte meiner Redezeit um ist, und deswegen will

ich mich einem anderen Thema widmen, bei dem wahrscheinlich die Kollegin Linnert wieder in Richtung Senatsbank schauen und sagen wird: Hört, hört! Auch in der Stadt Bremerhaven gibt es Beamte, Angestellte und Arbeiter. Wir sind gestern überrascht worden durch eine Tischvorlage aus dem Finanzressort.