Protocol of the Session on November 10, 2004

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kenntnis.

Ganztagsschulbesuch verbindlicher machen

Antrag des Abgeordneten Wedler (FDP) vom 27. September 2004 (Drucksache 16/407)

D a z u

Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen vom 6. Oktober 2004

(Drucksache 16/427)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Lemke.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Wedler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antrag wird Ihnen, soweit Sie in der Stadtbürgerschaft sind, bekannt vorkommen, haben Sie doch in der Oktober-Sitzung darüber debattiert und einen Beschluss gefasst. Da ich der Auffassung bin, dass es sich bei dieser Thematik nicht um eine kommunale, sondern um eine Landesangelegenheit, nämlich eine innere Schulangelegenheit, handelt, war ich so frech, den Koalitionsantrag aus der Stadtbürgerschaft mit wenigen Änderungen in den Landtag einzubringen.

Die Änderungen, die ich vorgenommen habe, beziehen sich ausschließlich auf die stadtbremischen Besonderheiten. Der Antrag ist bis auf die Einbeziehung des Magistrats vollkommen identisch mit dem, was die Koalition in ihrem Stadtbürgerschaftsantrag vorgeschlagen hat und was mit einer Ergänzung der Grünen dann Beschlusslage wurde.

Mit der Schulgesetznovelle vom Anfang dieses Jahres hat auch die Ganztagsschule Einzug in unser Bremisches Schulrecht gehalten. Der neue Paragraph 23 a des Bremischen Schulgesetzes und der Paragraph 6 Absatz 3 Bremisches Schulverwaltungs––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

gesetz enthalten zu dieser Schulform einige landesrechtliche Vorgaben. Das Nähere über die Dauer des täglichen Unterrichtsbetriebes und über die Dauer der Teilnahmeverpflichtung der Schüler soll durch Rechtsverordnung geregelt werden, die bisher allerdings noch nicht erlassen wurde.

Das Bremische Schulverwaltungsgesetz regelt in seinen Paragraphen 2 bis 4 die Zuständigkeit im Bereich des öffentlichen Schulwesens. Danach obliegt dem Land und nicht den Kommunen – ausdrücklich dem Land – die innere Schulverwaltung. Zur inneren Schulverwaltung gehören unter anderem die Inhalte und die Organisation des Unterrichts, die Zahl der Schülerstunden und die Dauer des Unterrichts, die Festsetzung der Schüler-Lehrer-Relation, die räumlichen Erfordernisse, die Anforderungen an Lehr- und Lernmittel. Die Ausgestaltung des Ganztagsunterrichts beziehungsweise die inhaltliche Konzeption der Ganztagsschulen gehört danach zweifellos zum Katalog der inneren Schulverwaltung und ist somit eine Landesaufgabe.

Den Stadtgemeinden können nun Aufgaben der inneren Schulverwaltung übertragen werden. Dazu ist allerdings eine Rechtsverordnung des Senats, also der Landesregierung, erforderlich. Eine solche Rechtsverordnung in Bezug auf die inhaltliche Gestaltung der Ganztagsschulen ist mir jedenfalls nicht bekannt. Deshalb bin ich der Auffassung, dass eine Beschlussfassung derart, wie sie in meinem übernommenen Antrag enthalten ist, in den Landtag gehört und nicht in die Stadtbürgerschaft.

Wenn nun, wie im Vorfeld der heutigen Debatte geschehen, argumentiert wird, man wolle Rücksicht auf die Befindlichkeiten Bremerhavens nehmen, dann verkennt man dabei die klare Rechtslage und verdrängt ganz vornehm, dass es bei der Einführung und der inhaltlichen Ausgestaltung der Ganztagsschulen auch um Geld, um finanzielle Regelungen geht. So, wie wir als FDP im Zusammenhang mit der Föderalismusdebatte verlangen, dass der Bund, wenn er den Ländern oder den Kommunen neue Aufgaben überträgt, für die nötigen Finanzmittel sorgen muss, so muss dieses Prinzip auch innerhalb der Bundesländer gelten, also auch hier in Bremen. Hält das Land Ganztagsschulen für richtig und wichtig, dann muss es den Kommunen auch das nötige Geld für deren Einrichtung und Ausgestaltung geben.

Das Herunterziehen der Thematik auf die kommunale Ebene bedeutet deshalb in meinen Augen nichts anderes, als dass Bremerhaven, von der Anschubfinanzierung der Ganztagsschulen einmal abgesehen, bei der endgültigen Finanzierung dieser Schulen allein gelassen wird. Eine Landesaufgabe wird kommunalisiert, ohne den nötigen finanziellen Ausgleich herbeizuführen.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Das ist aber richtig falsch!)

Damit Sie nicht sagen können, die FDP schreibt nur Koalitionsanträge ab und hat ansonsten zur Ganztagsschule nichts zu sagen, möchte ich kurz auf unsere Sichtweise dieser Thematik eingehen.

Die FDP unterstützt die Einrichtung von weiteren Ganztagsschulen als Angebot für Schülerinnen und Schüler in allen Schularten. Insofern können wir den neuen Paragraphen 23 a des Bremischen Schulgesetzes, der die Ganztagsschulen in unser bremisches Schulsystem einführt, durchaus mittragen. Die Ganztagsschule hat für uns nicht nur bildungspolitische, sondern auch frauen- und jugendpolitische Gründe. Wir wollen den Frauen, aber auch den Männern die freie Wahl zwischen Beruf und Familie ermöglichen, ohne dass sie um die Betreuung ihrer schulpflichtigen Kinder Sorge haben müssen. Das gilt insbesondere für die Alleinerziehenden, meistens immer noch Frauen.

Als bremische FDP streben wir den möglichst flächendeckenden Ausbau von Ganztagsangeboten in Bremen und Bremerhaven an, wobei natürlich für uns immer auch der finanzielle Hintergrund maßgeblich ist. Bei der Konzipierung derartiger Angebote bedarf es jedoch unbedingt eines pädagogischen Konzeptes. Einfach nur die Öffnungszeiten der Schulen zu verlängern ist jedenfalls kein geeigneter Ansatzpunkt.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Wer macht das denn?)

Unterrichtsphasen müssen sich in der Ganztagsschule mit Phasen sinnvoller Erholung und Freizeitgestaltung angemessen abwechseln. Wie für die Schüler soll auch für die Lehrer Anwesenheitspflicht bestehen. Die Schule wird dann, auch außerhalb des eigentlichen Unterrichts, zum gemeinsamen Lernund Lebensraum. Wir wollen ein Angebot, das Hausaufgabenbetreuung, musische Aktivitäten, Sport sowie weitere Angebote dieser Art umfasst.

Eine für alle verpflichtende Ganztagsschule lehnen wir allerdings ab. Eltern sollen die freie Wahl haben, ob ihre Kinder auf die Ganztagsschule gehen oder nicht. Schulpflicht und Erziehungsrecht der Eltern stehen in diesem Punkt in Konkurrenz zueinander, das muss man sehen und bei der Gestaltung des schulischen Ganztagsangebotes auch berücksichtigen. Eine solche Sichtweise hat dann selbstverständlich Folgen für das Bereithalten anderer Schulangebote. Entscheidend für uns ist in jedem Fall der in der Nachfrage nach dieser und nach den anderen Schulformen zum Ausdruck kommende Elternwille. Insofern kann ich also das, was die Koalition in ihrem Antrag formuliert hat, vollständig mittragen.

Ganztagsschulen dürfen nicht in eine nachmittägliche Beliebigkeit, in eine Art Schule mit nachmittäglicher Hortbetreuung verfallen, sondern sie müssen als ganzheitliches Schulangebot mit einem ganz

heitlichen pädagogischen Konzept verstanden werden. Dieses Angebot muss, wenn es denn gewählt wird, auch eine gewisse Verpflichtung für die Eltern und Schüler beinhalten.

Dies hat nach meiner Auffassung nicht nur für die Eltern und Schüler Konsequenzen, sondern auch für die Lehrer und ihre Arbeit sowie für die räumlichen und sächlichen Möglichkeiten dieser Schulen. Die Frage des Mittagstisches oder einer Cafeteria muss zum Beispiel geregelt werden. Das Thema der Schüler- und Lehrerbibliothek samt Aufenthalts- und Arbeitsräumen muss geklärt werden, insbesondere auch für die Lehrer, und das ist ein ganz schwieriges Thema. Auch der Medienzugang muss geklärt werden.

Auf Dauer wird man nicht ohne hauptamtliches Personal auskommen. Die jetzige Konstruktion mit Zeit- und Aushilfspersonal ohne oder mit nur unzureichender pädagogischer Qualifikation kann kein Dauerzustand bleiben. Das Finanzierungsproblem muss auch endgültig geklärt werden, da die Anschubfinanzierung des Bundes und die zusätzlichen Pisa-Mittel bald auslaufen.

Ich bitte Sie also, meinem Antrag zuzustimmen und damit zum Ausdruck zu bringen, dass auch Sie der Auffassung sind, dass es sich hierbei um eine Landesaufgabe handelt und dass das Land seine beiden Kommunen, insbesondere aber Bremerhaven, bei der Umsetzung dieser Landesaufgabe nicht allein lässt.

Den Änderungsantrag der Grünen kann ich ohne Weiteres mittragen, er wurde ja auch schon in die Stadtbürgerschaft eingebracht und mitbeschlossen, antragstechnisch würde ich dann diesen Antrag in meinen Antrag übernehmen. – Vielen Dank!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rohmeyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Wedler, in der Schule wäre es zunächst einmal ein reiner Täuschungsversuch gewesen, der mit der Note sechs zu bewerten gewesen wäre, weil Sie einfach abgeschrieben haben, ohne auf das Thema zu achten.

Es ist richtig, Sie haben verschiedene Debatten der Stadtbürgerschaft zum Teil richtig wiedergegeben, die Ganztagsschule hat hohe Anforderungen, die wir auch erfüllen wollen. Wir teilen aber Ihre Auffassung überhaupt nicht, dass die Ausgestaltung der Ganztagsschule eine Landesaufgabe ist. Es ist eindeutig eine kommunale Aufgabe, und dafür ist einerseits die Stadtbürgerschaft der Stadtgemeinde Bremen beziehungseise die Stadtverordnetenversammlung der Seestadt Bremerhaven zuständig. Deshalb, gleich vorweg, lehnen wir Ihren Antrag und ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

entsprechend auch den Änderungsantrag der Grünen ab.

Ganz kurz nur, ich glaube, wir haben über Ganztagsschule in diesem Hause schon so viel gesprochen, möchte ich Ihnen zwei, drei Sätze mit auf den Weg geben. Es macht Sinn, wenn Sie diesen Antrag einmal mit Ihren Kollegen in der Stadtverordnetenfraktion besprechen und dort beraten. Auch in Bremerhaven gibt es eine Entwicklung zur Ganztagsschule. Die noch Körner-Schule wird sich ab dem kommenden Schuljahr als Astrid-Lindgren-Schule als Grundschule auf den Weg zur Ganztagsschule machen, das heißt, es gibt eine Entwicklung in Bremerhaven.

Es ist eine eindeutig kommunale Angelegenheit, wenn Sie sehen, dass sich hier Jugend- und Schuleinrichtungen vor Ort zusammen auf dem Weg zur Ganztagsschule entwickeln.

Es ist eine falsche Einschätzung von Ihnen, wenn Sie sagen, dass die Ganztagsschule irgendetwas bei den Zuweisungen für Unterrichtsstunden verändert. Die Unterrichtsstunden nach der Lehrerstundentafel bleiben völlig unverändert, es geht hier vielmehr um die Betreuung und das pädagogische Konzept in der Kooperation zwischen den Bereichen Bildung und Jugend. Darum ist es hier der falsche Ort, um über den Antrag zu sprechen, und meine Empfehlung wäre, dass Sie es in der Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven versuchen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Hövelmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, verehrter Kollege Wedler! Der Antrag ist inhaltlich richtig Klasse, das ist völlig unbestritten. Wir haben ihn hier einstimmig in der Stadtbürgerschaft beschlossen und in der vorletzten Sitzung der Stadtbürgerschaft auch ausführlich diskutiert. Es liegt noch kein Protokoll vor, deshalb konnten Sie die Debatte auch noch nicht nachvollziehen.

Natürlich gibt es, Sie haben es mit Verve vorgetragen, überhaupt keine einzige Ganztagsschule, die ohne pädagogisches Konzept arbeitet. Das ist komplett ausgeschlossen. Man muss sich dafür bewerben, und wir haben damit auch die besten Erfahrungen gemacht. Den Begriff Ganztagsangebote, nur für Sie fairerweise zur Information, haben wir in der Stadtbürgerschaft längst überwunden. Wir haben einstimmig beschlossen, dass die Ganztagsschulen verbindlich gemacht werden müssen. Es sind also keine Angebote, zu denen man auch einmal hingehen müsste. Das ist Konsens in der Stadtbürgerschaft. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Ansonsten wünsche ich mir für die Schülerinnen und Schüler in Bremerhaven, dass dort die Entwicklung zur Ganztagsschule mit einer noch größeren Dynamik als bisher in Gang kommt.

(Zuruf des Abg. W e d l e r [FDP])

Das genau ist falsch, was Sie machen! Ich hätte es mir verkniffen, aber wenn Sie jetzt hier sagen, wir brauchen dafür Geld, dann sind Sie auf der falschen Fährte. Vielleicht sind Sie in Bremerhaven auch auf die falsche Fährte gesetzt worden. Es gibt in der Stadtgemeinde Bremen haushaltsmäßig keinen müden Cent zusätzlich – und schon gar nicht aus dem Landeshaushalt –, um Ganztagsschulen einzurichten. Die investiven Mittel, die Bundesmittel, stehen zu 25 Prozent für Bremerhaven bereit. Abfordern, würde ich sagen!

Man muss Konzepte zur Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule entwickeln. Deshalb ist auch Ihre Definition der inneren Schulverwaltung nicht richtig. Hier geht es nämlich um zwei Ressorts, und die müssen zusammenarbeiten! Das ist nicht einfach. Das kann nicht vom Landtag entschieden werden, sondern das ist eindeutig eine kommunale Angelegenheit. Die Kollegin Hoch hat es heute hier deutlich bei der Debatte über die Krankenhäuser gesagt. Sie hat uns geschildert, wie unterschiedlich die Entwicklung in der Stadtgemeinde Bremen und in der Stadtgemeinde Bremerhaven in diesem Bereich ist, und sie hat als Bremerhavenerin betont, dass die kommunale Selbständigkeit auch eine unterschiedliche Entwicklung in den beiden Stadtgemeinden mit sich bringt. Ich würde sagen, mit sich bringen kann, denn man muss ja nicht überall das Rad neu erfinden.

Von daher lehnen wir den Antrag mit der Begründung ab, dass wir es uns nicht anmaßen, in die kommunale Selbstverwaltung der Stadtgemeinde Bremerhaven einzugreifen. Aber wir bieten selbstverständlich an, und zwar in ganz kollegialer Art und Weise, nicht oberlehrerhaft, um das auch so deutlich zu sagen, dass wir in einen Dialog mit den Kolleginnen und Kollegen der Stadtverordnetenvertretung in Bremerhaven, um uns auszutauschen, wie man diesen Prozess im Interesse der gesellschaftlichen Entwicklung in Gang setzen kann. So gesehen ist diese Ablehnung eigentlich ein Angebot zur Kooperation.

Das bedeutet allerdings nicht, dass Sie jetzt – und den Eindruck hatte ich leider eben, Kollege Wedler, als Sie so reagiert haben – nach Bremerhaven gehen und sagen, die Bremer geben uns kein Geld, deshalb können wir hier keine Ganztagsschulen einrichten, und das ist wieder einmal typisch! Ich warne Sie davor! Das ist eine Debatte, die Sie nicht gewinnen können, die aber auch der Entwicklung zutiefst schadet.

Ich bitte Sie darum, nach Bremerhaven zu transportieren, dass wir den inhaltlichen Dialog darüber, wie man das mit einem Konzept gut in Gang setzt und wie man das, auch in der Verantwortung, die wir gegenüber den Familien, den Schülerinnen und Schülern und der Schulentwicklung tragen, machen kann, dass wir dort gern zusammenarbeiten, vielleicht auch eine gemeinsame Veranstaltung durchführen. Ich bitte Sie, so fair zu sein, das nach Bremerhaven mitzunehmen. – Ich danke den Kolleginnen und Kollegen für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Crueger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich meinen beiden Vorrednern insoweit anschließen, als dass ich glaube, die inhaltliche Debatte zur Ganztagsschule und zu diesem Antrag wurde in der Tat schon geführt. Es ist mittlerweile auch eine sehr universelle Debatte, die ja erfreulicherweise nicht nur in den Wänden dieses hohen Hauses geführt wird, sondern auch dort, wo sie eigentlich hingehört, nämlich in den Schulen und in der Öffentlichkeit. Insofern verweise ich da auf die Rede meiner Fraktionskollegin Anja Stahmann, die ich ja heute krankheitsbedingt vertrete.