Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.
Meine Damen und Herren, nun haben wir zwei Tagesordnungspunkte, die vielleicht auch unsere jungen Zuhörer auf dem Besucherrang interessieren. Vielleicht haben sie noch Lust zuzuhören!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren jetzt ein hochaktuelles Thema, denn wie ich den Medien entnommen habe, wird die Ministerpräsidentenkonferenz dieses Thema heute oder morgen debattieren.
Damals bei der Antragsstellung wusste ich das nicht, und damals bei der Antragsstellung bin ich auch davon ausgegangen, dass die Kultusministerkonferenz das als Thema haben würde.
Nichtsdestoweniger bin ich damals etwas irritiert gewesen, als ich in den Urlaub fuhr, als plötzlich während meines Urlaubs in Deutschland eine Debatte entstand, die sich mit dieser Thematik beschäftigte.
Als Sommerloch bezeichnet man landläufig die nachrichtenarme Zeit, in der die Politik Sommerferien macht, eigentlich im Urlaub ist, auf Wiedersehen sagt und sonst nichts macht. Das ist häufig dann die Chance für Hinterbänkler in den Parteien oder auch für andere, mit teilweise abstrusen Vorschlägen in den Medien Gehör zu finden, denn Zeitungen und Nachrichtenagenturen wollen auch in dieser Zeit weiterhin mit Text gefüttert werden.
konnte ich davon ausgehen, dass ich in Ruhe verreisen könnte. Aber diese Einschätzung war leider falsch. Sie können sich vorstellen, dass dieses Thema, das in der Sommerlochdebatte Gegenstand war, nämlich die Rechtschreibregeln wieder zurückzunehmen, in einem deutschsprachigen Ausland mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt wird. Daher habe ich natürlich dort wahrgenommen, wie die Deutschen – jetzt vom Ausland her betrachtet – sich hier einlassen.
Acht Jahre nach der Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung im Juli 1996 durch Deutschland, Österreich, die Schweiz, Liechtenstein und die Länder mit deutschsprachiger Minderheit und sechs Jahre nach dem Inkrafttreten der neuen Rechtschreibung an den Schulen und in den Amtsstuben taucht für mich nahezu aus dem Nichts die Forderung nach einer Rücknahme der Rechtschreibreform auf der politischen Agenda auf. Maßgeblich angestoßen wurde diese Debatte durch zwei CDU-Ministerpräsidenten, nämlich die im Saarland und in Niedersachsen. Im Schlepptau versammelten sich dann die Gegner der Reform aus allen Ecken und politischen Lagern, auch aus meiner Partei.
Einen Höhepunkt fand die Diskussion durch die Ankündigung des Springer-Verlags und des „Spiegel“, ihre Publikationen künftig wieder in alter Rechtschreibung, sprich in der bis 1998 gültigen, zu erstellen.
Damit entfernen sich diese beiden Medienverlage von der Vereinbarung der deutschsprachigen Nachrichtenagenturen aus dem Jahr 1998 zur Umsetzung der Rechtschreibreform, die sie selbst mitbetrieben hatten. Zwischenzeitlich, wie ich der Presse entnommen habe, ist ein weiteres Presseorgan dabei, das zu machen, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, während der „Spiegel“ noch zögert, das Ganze einzuführen. Irgendwie ist da offensichtlich eine diffuse Gefechtslage entstanden.
in Österreich, genau, zum Wandern! –, darf ich natürlich hier auch ein paar Anmerkungen machen! Ein wenig hat mich diese Diskussion an das Theater mit den Maastrichter Stabilitätskriterien des Euro erinnert. Zuerst wollten wir Deutschen das und haben uns im zähen Ringen schließlich durchgesetzt. Dann, als die Mühen und Schwierigkeiten der selbst initiierten Regelungen sichtbar werden, sind es ausgerechnet wieder wir Deutschen, die jetzt alles wieder ganz anders haben wollen, die die Kriterien aufwei
chen wollen, weil wir damit in unserer eigenen Innovationskraft und unserer eigenen Stärke überfordert erscheinen. Das gilt nicht nur für die Maastrichter Kriterien, das gilt selbstverständlich auch für dieses Thema, mit dem wir uns jetzt beschäftigen, für die Rechtschreibregeln.
Sie können sich vorstellen, welche Auswirkungen dieses Hickhack, das ja auch bei anderen aktuellen Reformbemühungen in Deutschland erkennbar ist, auf das Image Deutschlands im Ausland hat. Jedenfalls hat man in Österreich, so habe ich das wahrgenommen, über uns und unser Sommertheater nur den Kopf geschüttelt.
Natürlich ist die Rechtschreibung als Teil unserer Sprachkultur von großer Bedeutung, das streitet niemand ab. Selbstverständlich, das räume ich hier bereitwillig ein, hat die Rechtschreibreform nicht in allen Bereichen die erwünschte Vereinheitlichung und Vereinfachung der Rechtschreibung gebracht. Teilweise wurden neue Stilblüten kreiert. Die Eindeutschung von Fremdwörtern und die schwer vermittelbaren Regelungen zur Getrennt- und Zusammenschreibung von Wörtern sind hier nur als Beispiele zu nennen. Doch die Forderung, wegen vereinzelter fragwürdiger Regelungen gleich die komplette Rücknahme der Reform zu fordern, geht viel zu weit. Das ist einfach unangemessen in meinen Augen. Das erscheint mir so, als ob man ein voll funktionsfähiges Auto wegen eines defekten Scheibenwischers verschrotten würde. Auch das alte Rechtschreibsystem hatte seine Blüten und Macken und war in vielen Punkten nicht logisch. Fragen Sie einmal Ausländer, die die deutsche Sprache erlernt haben oder aktuell noch lernen!
Die neue Rechtschreibung hat sich nach meiner festen Überzeugung bewährt. Die Regelungen der Rechtschreibreform haben überwiegend zu einer Vereinfachung der Regeln geführt und damit ihre Zielvorgabe erreicht. Insbesondere von den Schulen, dort, wo eine geregelte Rechtschreibung erforderlich ist, gab es und gibt es durchweg positive Resonanz. Das ist es auch, was mich so ärgerlich gemacht und mich letztlich zu diesem Antrag gebracht hat.
Die Situation an den Schulen hat bei den Argumenten der Kritiker der Reform viel zu oft keine Rolle gespielt. Es ging fast ausschließlich um persönliche Befindlichkeiten der Kritiker, die mit den neuen Regeln aus dem einen oder anderen Grund nicht zurechtkommen oder gebrochen haben.
Dass an den Schulen, und das zu Beginn eines neuen Schuljahres, Verunsicherung damit ausgelöst wird, scheint beim Streitzug gegen die neue Rechtschreibung nicht weiter aufgefallen zu sein. Vielleicht wurde ja ganz bewusst die Verunsicherung von Eltern, Schülern und Lehrern in Kauf genommen, um von anderen Problemen, die in unserem Land weitaus dringlicher sind, abzulenken. Zum
Beispiel hat Herr Wulff in Niedersachsen mit diesem Thema sehr elegant von den harten Haushaltsbeschlüssen seines Landes ablenken und Herr Müller im Saarland sich in seinem Wahlkampf als aufrechter Kämpfer für die deutsche Sprache profilieren können.
Die von Politikern und Medienunternehmen ausgesprochene Forderung nach einer Rückkehr zur alten Rechtschreibung lehne ich ab. Sie würde zu chaotischen Zuständen führen und kann insbesondere den Schülerinnen und Schülern, die seit 1998 ausschließlich die neue Rechtschreibung lernen, nicht zugemutet werden. Aber auch die immensen Kosten, die durch eine erneute Umstellung der Rechtschreibung auf die Schulbuchverlage, Eltern, Schüler und letztlich auch auf den Staat zukommen würden, erscheinen in Zeiten klammer öffentlicher Kassen unverantwortlich. Perfide ist übrigens, das sage ich nur nebenbei, dass gerade in Niedersachsen und im Saarland, was die Lehrmittelfreiheit anbetrifft, Veränderungen vorgenommen wurden, was auch die Schulbücher betrifft, und da ist die Last im Wesentlichen auf die Eltern und die Schüler übergegangen.
Eine komplette Rücknahme der umstrittenen Rechtschreibreform ist nach meiner Auffassung nicht möglich, und ein schlichtes Zurück funktioniert auch deswegen nicht, weil sich die Sprache in den letzten sechs Jahren weiterentwickelt hat. Es müsste also erneut eine Kommission gebildet werden oder die alte wieder tagen, die dann monate-, wenn nicht jahrelang diskutiert. Sinnvoller erscheint es mir da, vereinzelte Stilblüten in der Rechtschreibung wieder einzuschleifen, ein Prozess, der langsam vonstatten gehen sollte, um die Betroffenen nicht weiter zu verunsichern.
Ob die Kultusministerkonferenz oder überhaupt die Politik dafür zuständig sein sollte, wage ich zu bezweifeln. Erfahrungen anderer Sprachen, zum Beispiel der englischen Sprache mit dem entsprechenden Wörterbuch dort, empfehlen eher eine Lösung außerhalb des politischen Feldes, aber auch unsere eigenen Erfahrungen mit dem Duden, der ja fast ein Jahrhundert lang das Thema betrieben hat, sprechen eigentlich dagegen, dass wir hier der Politik ein größeres Feld eröffnen. Die Sprache gehört nicht der Kultusbürokratie, heißt es im „Spiegel“. Richtig, kann ich da nur sagen, aber sie gehört auch nicht den Medien oder einzelnen Ministerpräsidenten.
Für die Schulen ist eine verbindliche Rechtschreibvorgabe erforderlich. Gleiches gilt auch für die Sprache in unseren Amtsstuben und bei Gericht. Ohne eine geregelte Kommunikationskultur ist eine Verständigung zwischen den Menschen nicht möglich. Deshalb brauchen wir hier Regeln, und diese Regeln müssen sich entwickeln können. Deshalb ist es richtig, bei den neuen, wesentlich vereinfachten Rechtschreibregeln zu bleiben und von Zeit zu Zeit,
wie es der Duden früher allein gemacht hat, Veränderungen in den Sprachschatz aufzunehmen, das heißt, die Wörterbücher neu aufzulegen und Veränderungen dabei mitzuteilen.
Meine Damen und Herren, wir haben große Probleme in unserem Land. Schaffen wir uns nicht durch diese chaotische Rücknahmeforderung noch weitere Probleme! Das sollten wir tunlichst vermeiden. Bleiben wir also bei dem seit sechs Jahren in meinen Augen bewährten Rechtschreibsystem!
Zum Antrag der Koalition möchte ich sagen: Ich freue mich, dass Sie mein Anliegen, in anderen Worten zwar, in der Sache aber identisch, unterstützen. Der einzige Unterschied zu meinem Antrag ist die Erwähnung des Rates für deutsche Rechtschreibung. Aus meinem Redebeitrag können Sie entnehmen, dass auch ich der Meinung bin, dass es so etwas geben muss. Früher hat das der Duden allein geleistet, heute muss dies wohl ein solches Gremium leisten. Die Kultusministerkonferenz oder die politische Ebene sehe ich da weniger am Zuge. Von daher hätte es eigentlich nahe gelegen, wenn Sie von der Koalition mit mir einen gemeinsamen Antrag eingebracht hätten.
Ich habe angefangen! Sehen Sie! Dann hätten wir theoretisch etwas Gemeinsames machen können, wenn wir schon der gleichen Auffassung sind.
aber ich habe auch kein Problem damit, dem Koalitionsvorschlag zuzustimmen. Herr Dr. Scherf, der jetzt bei der Ministerpräsidentenkonferenz tätig ist, kann sicherlich ein sehr starkes Votum der Bremischen Bürgerschaft zur Beibehaltung der neuen Rechtschreibregeln gut gebrauchen, und das sollten wir ihm dann so von hier aus auch mitgeben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Wedler, dass Sie Ihrem eigenen Antrag zustim––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.