Protocol of the Session on February 24, 2004

(Beifall bei der SPD)

Oder wie es Franz Müntefering, der Meister der kurzen und knappen Sätze, heute Morgen in der ARD ausgedrückt hat: „Wer sich drückt, muss zahlen!“ Ich glaube, meine Damen und Herren, das ist das richtige Prinzip.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man sich die Debatte der vergangenen Tage anschaut, dann sollte man nicht übersehen, dass es auch viele Unternehmer gibt, die in diese Richtung denken. Es gibt eine Umfrage des nicht gewerkschaftsnahen, sondern des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft aus dem letzten Jahr. Dieses hat Unternehmen befragt, wie sie denn dazu stehen. Diese Umfrage hat ergeben, von den ausbildenden Betrieben in Deutschland sind 58 Prozent für eine Ausbildungsabgabe. Warum? Weil sie sehen, dass sie ihre Verantwortung erfüllen, und sie wollen, dass andere sich beteiligen. Diese Umfrage hat weiter ergeben, aber das wundert dann niemanden, dass von den nicht ausbildenden Betrieben 60 Prozent dagegen sind. Das zeigt aber die Aufgabe, um die es geht.

Meine Damen und Herren, abschließend und jedenfalls für die erste Runde zusammenfassend möchte ich sagen, wir müssen sicher stellen, dass jeder Jugendliche einen Ausbildungsplatz erhalten kann. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass dafür eine Ausbildungsplatzabgabe nötig sein kann. Dabei will niemand eine große Bürokratie aufbauen, dabei muss Raum sein für tarifvertragliche und andere freiwillige Vereinbarungen. Wir wollen eine flexible Regelung. Wir wollen den Vorrang für freiwillige Lösungen, vor allem aber, meine Damen und Herren, wollen wir ein wirksames Instrument gegen die Ausbildungsplatzmisere in Deutschland. Wir wollen das im Interesse der Jugendlichen in unserem Land, in Bremen und Bremerhaven. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kastendiek.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch von unserer Seite, der CDU-Fraktion, ist es völlig unstrittig, dass jeder junge Mensch, der keinen Ausbildungsplatz findet, der Schwierigkeiten haben wird, seine Zukunft so zu gestalten, wie er sich das vorstellt, ein ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

junger Mensch zu viel ist, der keine Zukunft hat, wie er sich sie vorstellt und keinen Ausbildungsplatz hat. Das, meine Damen und Herren, ist hier völlig unstrittig und ist, glaube ich, von allen Rednern bisher auch nachhaltig zum Ausdruck gebracht worden.

Trotzdem haben die Zahlen in den vergangenen Jahren, und hier beziehe ich mich auf die Aussage meiner Vorredner, belegt und bewiesen, dass die bisherigen Instrumente, wie sie zwischen Politik, Wirtschaft, Verbänden und Kammern angewandt worden sind, funktioniert haben. Wir haben, wenn ich die Zahlen der Bundesrepublik zum 30. September nehmen darf – das ist ja die Zahl, die in den vergangenen Wochen zu dieser sehr intensiven Diskussion insbesondere innerhalb der rotgrünen Bundesregierung geführt hat – 35 000 unvermittelten Ausbildungsplätzen knapp 15 000 unvermittelte Bewerber gegenüber stehen, also eine Ausbildungslücke von 20 000. Im Jahre 2002 war das Ergebnis fast ausgeglichen. Im Jahr 2001 standen 24 500 Plätze gegenüber 20 500 Bewerbern im Jahr 2000. 1999 war knapp ausgeglichen oder hatte einen knappen Überhang von Ausbildungssuchenden.

Diese Zahlen belegen, meine Damen und Herren, dass wir in den vergangenen Jahren durchaus hier ein funktionierendes System zur Kenntnis nehmen konnten und dass wir im vergangenen Jahr, leider wieder seit langem, einen starken Überhang von Bewerbern gegenüber Ausbildungsplatzsuchenden gehabt haben. Nun darf man an der Stelle nicht wieder in die alten Rituale verfallen oder auf alte Rituale verweisen, wie sie in den vergangenen Jahren reflexartig in der Öffentlichkeit immer wieder zum Ausdruck gekommen sind. Da wurde mit Argusaugen auf den 30. September geschielt, der Stichtag wurde genommen. Dann wurde die Zahl veröffentlicht, und es wurden, wie es dann gerade politisch opportun erschien, entsprechende Konsequenzen in die eine oder andere Richtung gefordert.

Dieses Mal haben wir eine andere Situation und nicht nur aufgrund der dramatisch hohen Zahl, die unstrittig da ist, sondern weil wir innerhalb der rotgrünen Regierung in Berlin auch eine Situation zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir auf der einen Seite die Agenda 2010 haben, die große Teile der Regierungsfraktion in Berlin verärgert und verunsichert, man hat es an der Kanzlerdämmerung der letzten Wochen und Tage sehen können, und dass jetzt hier zwanghaft ein Ausgleich gefunden werden soll, womit Gewerkschafter und der linke Flügel innerhalb der Bundestagsfraktion befriedigt werden sollen. Das ist eine Diskussion, die sich leider nicht an der gesellschaftlichen Diskussion und Notwendigkeit von Berufsausbildung orientiert oder über das System der Berufsausbildung über die Chancen von jungen Menschen geführt wird, sondern in der Schlagworte fielen wie Umverteilung von oben nach un

ten, ein Ausgleich der Opfer der kleinen Leute, ein Ausgleich für Gewerkschaften und linke Flügel.

Die Ursachen und deren Bekämpfung, meine Damen und Herren, spielen in Berlin bei den Regierenden und den Handelnden in den Bundestagsfraktionen kaum eine Rolle. Es wird nicht zur Kenntnis genommen, dass vielen Unternehmen schlichtweg das Wasser bis zum Hals steht, dass sie schlichtweg gar nicht mehr ausbilden können und vor der Verantwortung des Einzelnen selbst zu dem Ergebnis kommen: Ich kann es leider nicht mehr sicherstellen, über drei Jahre eine Ausbildung für junge Menschen zu gewährleisten. Auch in diesem Zusammenhang müssen Zahlen genannt werden: 90 000 Schüler verlassen im Jahr ohne Abschluss die Schulen, eine dramatisch hohe Zahl! Nicht ohne Grund ist immer wieder in Betrieben von mangelnder Ausbildungsfähigkeit junger Menschen zu hören.

Nun haben diese dramatischen Zahlen verschiedene Reaktionen hervorgerufen, und eine dieser Reaktionen ist jetzt eine staatliche Ausbildungsabgabe, wie sie Frau Schön von den Grünen und Herr Böhrnsen von der SPD verlangt haben. Entsprechend wurden auch schon die SPD-Senatoren hier in Bremen getadelt.

Die Reaktion auf diese Forderung nach einer staatlichen Ausbildungsabgabe macht vor der Vernunft und vor Parteigrenzen nicht halt. Ich möchte einige Personen zitieren, die in der Bundesrepublik eine nicht ganz unwesentliche Rolle spielen, innerhalb der Grünen vielleicht weniger, aber innerhalb der SPD normalerweise ein doch gewichtiges Wort mitzureden haben.

Der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens zum Beispiel, Peer Steinbrück, lehnt Zwangmaßnahmen ab. Die Ministerpräsidentin Heide Simonis aus Schleswig-Holstein lehnt auch die Lehrstellenabgabe ab, Kurt Beck aus Rheinland-Pfalz hält nichts von der Ausbildungsabgabe, Matthias Platzeck, Ministerpräsident Brandenburgs, lehnt eine Ausbildungsabgabe ab. Die Wirtschaftsminister der Bundesländer, bis auf Berlin, lehnen die Abgabe ab. Wirtschaftsminister Clement, auch stellvertretender Parteivorsitzender der SPD, warnt vor Bürokratie und schrecklich viel Ungerechtigkeit.

Der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Herr Professor Dr. Möschel, zitiert in die ähnliche Richtung. Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit der SPD, Rainer Wend, lehnt eine Abgabe ab. Die „Wirtschaftswoche“ spricht in ihrer Ausgabe von letzter Woche von einer ausgewiesenen Dummheit. Die „FAZ“ sieht die Diskussion in den Bundestagsfraktionen von SPD und Grüne über die Ausbildungsplatzabgabe als einen Beleg für das Maß ideologischer Verbohrtheit der Umlagebefürworter, meine Damen und Herren! Bil

dungssenator Lemke hält nichts davon, Arbeitssenatorin Röpke hält sie nicht für notwendig, und von Finanzsenator Dr. Nußbaum ist Ähnliches zu hören.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Herr Lemke hat etwas gesagt!)

Keiner innerhalb des Senats scheint dafür zu sein, und diese Liste der Gegner der Ausbildungsabgabe lässt sich, glaube ich, endlos weiterführen. Dem einen oder anderen wird aufgefallen sein, dass es nur Vertreter der SPD waren, die ich hier eben gerade zitiert habe.

Es wird, meine Damen und Herren, mit der Ausbildungsplatzabgabe ein bürokratisches Monster geschaffen. Hunderte von notwendigen Beamten werden hier beschäftigt. Gerade Ihr letzter Beitrag, Herr Böhrnsen, hat hier vorn doch zu sehr viel Verwunderung geführt, wie Sie die Ausbildungsplatzabgabe handeln wollen. Sie stellen zum 30. September fest, entweder gibt es genügend Ausbildungsplätze oder zuwenig, und dann wird die Ausbildungsplatzabgabe erhoben oder nicht erhoben. Da frage ich Sie einmal unter uns: Was machen Sie denn mit den 700 Beamten, die Sie das Jahr zuvor für die Erhebung der Ausbildungsplatzabgabe gebraucht haben? Lassen Sie die wieder ein Jahr tatenlos herumsitzen und bis zum nächsten 30. September warten? Dieses Beispiel zeigt doch eindeutig, wie absurd eine Ausbildungsplatzabgabe ist.

(Beifall bei der CDU)

Das Beispiel der Bauindustrie zeigt doch eindeutig, wohin eine staatliche Umlage führt. Wir haben seit 1994 bis zum Jahr 2002 einen – trotz Umlage, meine Damen und Herren! – Rückgang in den Ausbildungszahlen von 20 000 auf 9000 Ausbildungsplätze. Das ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass Umlagefinanzierung kein Mittel dafür ist, neue zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen die Ausbildungsfähigkeit von Unternehmen wieder stärken. Den Betrieben steht das Wasser bis zum Hals. Sie leiden unter dem Reformstau von Rotgrün, sie leiden unter dem negativen Wirtschaftswachstum. Das Berufsbildungsgesetz muss reformiert werden. Die Modularisierung, die Anerkennung von Berufsschulleistungen, die Modernisierung der Berufsschulen sind hier wichtige Stichworte. Wir werden in den kommenden drei Wochen ein entsprechendes Positionspapier hierzu vorlegen, übrigens als erste Landtagsfraktion. Die Ausbildungsfähigkeit junger Menschen muss wieder gestärkt werden. Die Zahl von 90 000 Schulabgängern ohne Schulabschluss ist hier ein eindeutiges Zeichen.

Die Eigenanstrengungen von Kammern und Betrieben, von Verbänden und Unternehmen zu stärken, die Ausbildung als gesellschaftliche Verpflichtung auf einem hohen Niveau verstehen, die sie trotz vielerlei Belastungen aufrechterhalten wollen, ist, glaube ich, unstrittig.

Wir müssen diese gesellschaftliche Notwendigkeit weiter stärken. Wir müssen diese Freiwilligkeit zum Prinzip erheben, damit junge Menschen in diesem Land, in Bremen und Bremerhaven, eine Zukunft haben, damit auch unsere Gesellschaft eine Zukunft hat. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die von der rotgrünen Chaosregierung geplante Ausbildungszwangsabgabe ist unverantwortlich. Sie bläht den staatlichen Wasserkopf noch mehr auf. Darüber hinaus ist diese geplante Zwangsabgabe zum Beispiel für Handwerkerbetriebe und andere kleinere mittelständische Unternehmen, die nachweislich schon seit Jahren über Bedarf ausbilden, eine schallende Ohrfeige und eine Missachtung ihrer bis jetzt schon geleisteten Ausbildungssolidarität.

Meine Damen und Herren, hier wird eine traditionell aus eigenem Interesse und gesellschaftlicher Verantwortungsbereitschaft erbrachte Leistung von gerade kleineren Unternehmen zum Zwang umdefiniert. Die Folge wird sein, dass kleinere Betriebe, die auf Grundlage der aktuellen Rezession, also auf Grundlage Ihrer Politik, eine Ausbildungspause machen müssen. Durch diese Zwangsabgabe werden sie überdimensional hart bestraft, und andere, größere Unternehmen, werden sich einfach von der Verpflichtung freikaufen. Das kann es ja wohl nicht sein!

Um die Zwangsabgabe umsetzen zu können, muss natürlich auf Kosten der Bürger ein behördlicher Apparat mit mehreren hundert Beschäftigten geschaffen werden, also ein unnötiges, teures bürokratisches Monstrum geschaffen werden. Hier sage ich im Namen der Deutschen Volksunion: Diese Zwangsmaßnahme ist völlig überflüssig. Damit sorgen wir nicht für mehr Lehrstellen, sondern für noch mehr Bürokratie mit der Folge, dass es in Zukunft noch weniger Lehrstellen gibt als bisher. So warnt der Rat der fünf Wirtschaftsweisen in seinem jüngsten Gutachten deutlich vor einem kontraproduktiven Zwangsinstrument. Ich sage Ihnen heute schon voraus, dass es bei der Umsetzung dieser Zwangsmaßnahme genau solche Schwierigkeiten geben wird wie bei der verfehlten und gescheiterten Einführung der RiesterRente oder des berüchtigten 630-DM-Gesetzes der rotgrünen Chaosregierung.

Meine Damen und Herren, die geplante Umlage wird zu einer Fehlsteuerung und einer unverantwortlichen Wettbewerbsverzerrung führen, denn der Aufwand dieser geplanten Zwangsabgabe steht in keinem Verhältnis zum Nutzen. Dass diese Zwangsabgabe keine Garantie für mehr Lehrstellen ist, zeigt deutlich das Beispiel Bauindustrie. Hier, Frau Schön, sind Sie mit keinem Wort auf effektive Zahlen eingegangen. Ich kann Ihnen die geben. Trotz Ausbildungsumlage sank dort, und nun sollten Sie genau zuhören, die Zahl der Auszubildenden von 1995 bis 2001 von etwa 85 000 auf sage und schreibe 51 000 Ausbildungsplätze.

Ich aber sage Ihnen, stärken Sie gerade den wichtigen Mittelstand, denn er ist der Motor der Wirtschaft! Betreiben Sie endlich eine effektivere Politik der Entbürokratisierung, denn ich höre schon seit Jahrzehnten, dass endlich eine Politik der Entbürokratisierung stattfinden soll! Innovation und so weiter, das höre ich schon seit 20 Jahren, aber bis jetzt ist nichts, aber auch gar nichts passiert, ganz im Gegenteil. Immer mehr und immer neuere Vorschriften und Gesetze werden auf Kosten der Bürger, des Mittelstandes und des Wirtschaftsaufschwungs eingebracht und auch umgesetzt. Entlasten Sie steuerlich effektiv und spürbar gerade den Mittelstand und nicht nur die großen Kapitalgesellschaften! Betreiben Sie also insgesamt eine bessere Wirtschafts- und Finanzpolitik!

Meine Damen und Herren, die rotgrüne Chaosregierung treibt durch ihren Zickzack-Reformkurs und durch ihre Politik insgesamt gerade die Kleinunternehmen skrupellos in den wirtschaftlichen Ruin. Ich habe nachweislich noch nie, aber noch nie so viele kleine Betriebe sehen müssen, die Insolvenz anmelden müssen, wie unter dieser rotgrünen Regierung. Da wundern Sie sich noch, dass gerade die kleineren Betrieben gar nicht mehr ausbilden können, obwohl sie es gern möchten! Das wundert mich überhaupt nicht mehr. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich noch Realist!

Jetzt will die rotgrüne Regierung durch eine Zwangsabgabe auch noch die letzten wenigen übrig gebliebenen Betriebe endgültig ruinieren. Das macht die Deutsche Volksunion nicht mit, das sage ich Ihnen gleich. Fazit dieser Aktuellen Stunde ist also, betreiben Sie eine bessere, eine sozialere, eine gerechtere, nachvollziehbare Politik! Es kann nicht angehen, dass unsere Bürger durch eine Reformpolitik in der linken Tasche vielleicht 20 Euro im Monat mehr haben, und aus der rechten Tasche wird ihnen wieder durch Ihre unsozialen Reformen monatlich 60 Euro an Mehrbelastung herausgenommen. Damit erreicht man mit Sicherheit keinen neuen, dringend erforderlichen Wirtschaftsaufschwung, ganz im Gegenteil!

Meine Damen und Herren, betreiben Sie für Bremen eine bessere Wirtschafts- und Finanzpolitik im Sinne und Interesse des kleinen Mannes und des

Mittelstandes, dann, aber auch nur dann, werden gerade kleinere Betriebe wieder freiwillig gern neue Ausbildungsplätze schaffen und ausbilden! Die Deutsche Volksunion wird vehement dafür kämpfen, dass der Mittelstand durch diese Zwangsabgabe nicht auch noch für die Unfähigkeit der rotgrünen Bundesregierung bestraft wird. Die Deutsche Volksunion ist gegen eine Zwangsabgabe. Wenn Sie effektive Vorschläge, Beschlüsse und Anträge zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit einbringen, dann werden Sie die DVU zu 100 Prozent uneingeschränkt an Ihrer Seite finden.

Herr Böhrnsen, bevor Sie eine solche Rede halten, sollten Sie erst einmal für eine diesbezügliche einheitliche Meinungsbildung innerhalb Ihrer Bremer SPD sorgen, denn meines Wissens haben Herr Dr. Scherf sowie Frau Senatorin Röpke, also verantwortliche SPD-Politiker des Landes Bremen, hierzu eine ganz andere Meinung. Also, Herr Böhrnsen, wo steht Ihre SPD eigentlich? Hinzufügen möchte ich noch, Herr Müntefering wird ja nun SPD-Chef, das finde ich ganz toll. Ich finde es toll, wenn die SPD in so schwierigen Zeiten nicht ihren Humor verliert.

Meine Damen und Herren, wenn ich nachweislich, und das gehört auch zu dieser Aktuellen Stunde, täglich aus Nachrichtenmagazinen entnehmen muss, dass gerade die SPD und die Operettengewerkschaft ver.di, freundschaftlich Hand in Hand, sich nicht einmal dafür schämen und solidarisch mit der blutroten kommunistischen PDS in Mitteldeutschland und nicht nur dort demonstrieren, dann weiß man, aus welcher blutroten Ecke eine solche Zwangsabgabe kommt. – Ich bedanke mich!

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Wedler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann mich dem, was Herr Kastendiek hier vorhin gesagt hat, vollständig anschließen. Das Thema dieser Aktuellen Stunde ist von den Grünen einzig und allein, davon gehe ich einmal aus, dazu gewählt worden, um die Regierungskoalition hier in Bremen vorzuführen und die SPD-Fraktion und die SPD-Senatoren, die sich unbotmäßig verhalten haben, zur Ordnung zu rufen. Außerdem kann man die Berliner Koalitionsfarben hier in Bremen einmal kurz aufschimmern lassen. Eine aktuelle Notwendigkeit für das Thema in der Bürgerschaft sehe ich zurzeit nämlich nicht. Die Ausbildungsplatzabgabe wird im Deutschen Bundestag beschlossen. Bremen kann dabei höchstens über den Bundesrat mitwirken. Das steht derzeit nicht an.

Es handelt sich bei dem Thema primär um ein SPD-Thema. Niemand sonst bei uns im Land verlangt danach, auch nicht im Deutschen Bundestag. Die gesamte Wirtschaft, wenn ich mir das anschaue, ist dagegen. Ich habe da noch keine positive Äußerung gehört. Das heißt also, wir diskutieren etwas,

was die SPD eigentlich in sich ausmachen müsste und wozu sie erst einmal ihren eigenen inneren Frieden finden müsste. Das Thema ist in der SPD, wie wir wissen, sehr umstritten, wie man bei unserer Senatsbank erkennen kann und wie man es auch bei anderen SPD-Politikern erkennen kann, zum Beispiel an unserem Bundeswirtschaftsminister oder an vielen Ministerpräsidenten, das ist hier eben schon gesagt worden.

Es ist sehr die Frage, ob ein Gesetz zur Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe überhaupt zustande kommt, denn das muss man sich im Deutschen Bundestag erst einmal ansehen, wie die Mehrheiten dort laufen. Die Klimmzüge und Tricks, die da versucht werden, um an dem Bundesrat vorbeizukommen, sprechen eigentlich Bände für die Umstrittenheit dieser Gesetzesmaterie. Gesetzgeberische Aktivitäten im Deutschen Bundestag haben nach meiner Einschätzung einen überwiegend deklamatorischen Charakter für die Seele der SPD. Ich glaube nicht, dass sie konkrete Probleme lösen, mit denen wir es hier tatsächlich zu tun haben werden. Es gibt viele in der SPD, die am liebsten die Wirtschafts- und Sozialpolitik der letzten Zeit zurückdrehen möchten, und genau für diese Personen ist dieses Thema sehr gut geeignet.

Natürlich beklagen wir in der FDP ebenso wie Sie bei den Grünen und bei der SPD, aber eben auch bei der CDU, das Problem der hohen Arbeitslosigkeit, gerade auch bei den jungen Leuten, und genauso beklagen wir natürlich auch das Problem der fehlenden Ausbildungsplätze für die jungen Leute. Die beiden Themen hängen sehr eng miteinander zusammen, Arbeitslosigkeit und fehlende Arbeitsplätze. Das muss man sehen, wenn man über diese Dinge diskutiert. Fehlende Arbeitsplätze haben etwas mit den Betrieben, mit ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage zu tun. Wenn Betriebe nicht mehr existieren können, Arbeitsplätze abbauen oder ihre Tätigkeit ins Ausland verlagern, dann schnellen natürlich die Arbeitslosenzahlen in die Höhe. Dann werden selbstverständlich auch Ausbildungsplätze berührt, ihre Zahl sinkt ebenfalls. Darüber, Herr Böhrnsen, haben Sie und auch Frau Schön nichts gesagt. Sie haben nichts zu der wirtschaftlichen Situation und der Abhängigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung für die Zahl der Ausbildungsplätze hier gesagt.

Wenn wir die Arbeitslosigkeit bekämpfen, tun wir gleichzeitig auch etwas für die Anzahl der Ausbildungsplätze. Sie wissen alle, dass wir in der FDP, was die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit anbetrifft, zum Teil andere Vorstellungen haben als Sie bei den Grünen und bei der SPD. Reglementierungen und neue Abgaben gehören jedenfalls nicht zu unserem Instrumentarium. Herr Clement, der Bundeswirtschafts- und -arbeitsminister steht uns mit seinen Vorstellungen dabei sehr viel näher als zum Bei

spiel die SPD-Linken oder gar der frühere Bundesfinanzminister Lafontaine.

Die Wirtschaft muss von überflüssigen bürokratischen Fesseln und Bevormundungen befreit werden. Die Lohnnebenkosten müssen gesenkt werden. Die Einkommensbesteuerung muss vereinfacht und drastisch unter Abbau möglichst aller Minderungstatbestände abgesenkt werden, das Maut-Desaster muss schnellstens durch Einführung einer einfachen und funktionsfähigen Ersatzlösung beseitigt werden, um Verkehrsprojekte nicht zu gefährden und um damit auch keine Bremswirkung in der wirtschaftlichen Entwicklung auszulösen.Nur eine florierende Wirtschaft bietet genug Arbeitsplätze und damit dann auch genügend Ausbildungsplätze.

Jeder Kundige weiß, dass die Masse der Arbeitsund Ausbildungsplätze in der mittelständischen Wirtschaft, im Handwerk und bei den vielen kleinen und mittleren Dienstleistern bereitgestellt wird.Es liegt in unser aller Interesse, diese Betriebe zu schützen und am Leben zu halten. Bürokratische Hemmnisse und verzichtbare finanzielle Belastungen wie zum Beispiel eine Ausbildungsplatzabgabe sind das genaue Gegenteil von dem, was nötig ist.