Protocol of the Session on January 30, 2004

Dass die Lloyd-Werft eine Informationssperre gemacht hat, darüber kann man diskutieren. Ich finde es in der Sache richtig, denn bevor man Genaues weiß, sollte man nicht in die Öffentlichkeit gehen, und hinterher, wenn man etwas Genaues weiß, kann man, glaube ich, sich sachlich und fundiert äußern und dann auch in der Öffentlichkeit möglicherweise Farbe bekennen oder sich den Diskussionen stellen. Insofern finde ich den Antrag von Herrn Tittmann nicht sachgerecht, und das, was sich damit an Diskussionen, Erörterungen, Beschimpfungen, Beschuldigungen, populistischen Unterstellungen verbindet, finde ich unangemessen. Ich werde den interfraktionellen Dringlichkeitsantrag der drei Fraktionen daher unterstützen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Bödeker.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nur einige ganz kurze Anmerkungen machen! Zunächst einmal, wenn hier die Behauptung aufgestellt wird, es würde nicht geholfen, dann muss man bedenken, dass bei der Übernahme der Werft durch drei Geschäftsführer am 28. März letzten Jahres 70 Prozent einer englischen Kapitalgesellschaft übernommen worden sind, das waren 18 Millionen Euro. Davon sind zehn Millionen Euro über die Kreditanstalt für Wiederaufbau finanziert worden, sechs Millionen Euro über die Aufbaubank und zwei Millionen Euro sogar über die Städtische Sparkasse Bremerhaven. Ich meine, wenn das keine Unterstützung ist, dann weiß ich nicht, was Unterstützung ist.

Eines ist mir aber gerade aufgefallen, und das ist ganz wichtig, und Herr Tittmann hat sich hier gerade entlarvt! Wir werden das Protokoll ganz genau betrachten, und wir werden das Protokoll dann auch genau überwachen. Er hat nämlich gesagt: Die letzte Bremerhavener Werft wird zerstört. Die letzte Bremerhavener Werft! Als Bremerhavener weiß er nicht, dass wir SSW haben, wir haben Bredo und wir haben MWB. Wer nicht einmal den Werftenstandort Bremerhaven als Bremerhavener kennt, sollte in diesem Haus nicht debattieren!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau H ö - v e l m a n n [SPD]: Richtig!)

Das Wort hat Herr Bürgermeister Perschau.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich sehr für die Solidarität des Hauses. Der Senat ist davon ausgegangen, dass sie besteht. Wir sind uns gemeinsam darüber einig, dass die Lloyd-Werft eine hervorragende Werft ist, dass sie hervorragende Schiffe baut, dass sie exzellente Facharbeiter hat, dass sie eine hervorragende Führung hat und dass das natürlich, weil das alles so zusammenkommt, die Lloyd-Werft in die Lage versetzt hat, schwierige Zeiten zu überstehen und sich auch nach dem Vulkan-Konkurs ein Renommee aufzubauen, das nur wenige Werften in Europa überhaupt erreichen. Insofern sind wir uns einig, dass wir natürlich den Werftenstandort, die Lloyd-Werft erhalten wollen, die Arbeitsplätze erhalten wollen.

Wir sind seit dem Tag dieses Unglücks praktisch in Dauergesprächen. Es gibt sehr viele Verfahrensbeteiligte, es gibt sehr viele Versicherer, es gibt Banken, es gibt einen Auftraggeber, es gibt uns, und wir müssen sehr viele Gespräche führen. Es gibt die EU, es gibt die Bundesregierung, insofern denke ich, dass wir diese Gespräche in unmittelbarer, enger Zusammenarbeit weiterführen müssen, bis wir zu Ergebnissen kommen. Sie wissen so gut wie ich, dass es noch eine Weile dauern wird, bis der Umfang des Schadens ermittelt werden kann, und auch für den Ermittlungsprozess wird man erneut Zeit benötigen. Insofern wird sich sicherlich auch für die Werft eine Fülle von Problemen stellen, an denen wir gemeinsam arbeiten.

Hier ist viel darüber gesagt worden, dass es eine Nachrichtensperre gibt. Ich glaube, dass das klug ist und dass das Fabulieren und Spekulieren der Werft nicht hilft, sondern ihr eher schadet. Gerade wenn wir die Familien der Mitarbeiter, die Mitarbeiter selbst, die Werft im Blick behalten wollen, dann müssen wir auch dafür Sorge tragen, dass die Werft nicht ins Gerede kommt, dass die Spekulationen über die Werft nicht ins Kraut schießen. Wir sind da

ran interessiert, dass wir erfolgreich zu Ende verhandeln können, und ich hoffe, und ich bin mir ganz sicher, dass wir dafür Ihre Unterstützung haben. Der Antrag, der eine große Zustimmung haben wird, signalisiert das, und insofern denke ich, dass die Solidarität in schwieriger Zeit wichtig ist.

Wir werden die Verhandlungen weiterführen und werden dann, wenn wir die politischen Gremien damit befassen müssen oder sollten, darüber auch im Detail natürlich gemeinsam zu entscheiden haben, denn die Entscheidung über all das, was die Zukunft der Lloyd-Werft ausmacht, soweit es staatliches Handeln betrifft, liegt in Ihrer Hand. Wir werden es gemeinsam vorbereiten, und ich denke, meine Damen und Herren, es ist deutlich geworden, mit welchem Respekt, mit welcher Anerkennung die Lloyd-Werft in Bremerhaven betrachtet wird und dass wir uns über die Bedeutung dieser Werft klar sind und uns bemühen, entsprechend so zu handeln in einer sehr schwierigen und hochkomplizierten Situation. – Herzlichen Dank für die Solidarität!

(Beifall)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Herr Bödeker, selbstverständlich weiß ich als Bremerhavener Abgeordneter, dass wir noch mehrere Werften haben.

(Abg. G r o t h e e r [SPD]: Ja, jetzt! – Hei- terkeit und Beifall)

Nein, das wusste ich schon immer! Ich wollte nur darauf hinweisen, dass durch Ihre Politik auch noch die letzte Werft in Bremerhaven geschlossen wird, nicht nur die noch bestehenden, sondern auch noch die allerletzte von Ihnen ruiniert wird. Ich weiß nicht, ob man darauf besonders stolz sein kann,

(Zuruf des Abg. F o c k e [CDU])

und wenn Sie über das Schicksal der Menschen, die Sie schon durch Ihre sozialdemokratische Politik zugrunde gerichtet haben, lachen können, da weiß ich nicht, ob das angemessen ist!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag des Abgeordneten Tittmann, DVU, abstimmen.

Wer dem Antrag des Abgeordneten Tittmann, DVU, mit der Drucksachen-Nummer 16/118 seine Zu

stimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und Abg. W e d l e r [FDP])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 16/130 abstimmen.

Wer diesem Antrag mit der Drucksachen-Nummer 16/130 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig)

Baumschutz wiederherstellen

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 20. Januar 2004 (Drucksache 16/119)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Eckhoff, ihm beigeordnet Staatsrat Logemann.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Dr. Mathes.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit dem 1. Januar 2003 haben wir hier in Bremen und Bremerhaven eine Baumschutzverordnung, die ihren Namen nicht verdient.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Diese Baumschutzverordnung, und das muss noch einmal ganz klar und deutlich gesagt werden, ist das Ergebnis der politischen Beschlüsse von CDU und SPD, und ich werde sie auch im Folgenden nicht mehr Baumschutzverordnung nennen, sondern Baumfällverordnung, denn das Ergebnis dieser Verordnung ist, dass es, und das ist wirklich bedauerlich, seitdem zu einem erheblichen Fällen von auch besonders ökologisch und naturhistorisch wertvollen

Bäumen gekommen ist. Bremen will Kulturhauptstadt werden und vernichtet seine Naturdenkmäler!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Bevor weiter mit der Motorsäge Fakten geschaffen werden, muss nun endlich gehandelt werden. Da unsere grüne Position jetzt offensichtlich mehrheitsfähig geworden zu sein scheint, haben wir diesen Dringlichkeitsantrag eingebracht. Es ist schon lange klar, dass es mit dem Außerkraftsetzen des bisherigen Baumschutzes in einem Übermaß zu einer unverantwortlichen Abholzerei auf Privatgrundstücken gekommen ist. Aktuelle Beispiele sind hier die Vernichtung des Rekumer Wäldchens durch die Gewosie und die Fällung von vier alten Eichen im Huchtinger Dorfkern. Dieser Baumfrevel wäre mit der alten Baumschutzverordnung nicht möglich gewesen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich muss auch noch einmal betonen, wir haben das nachher auch noch einmal in der Fragestunde in der Stadtbürgerschaft, deswegen will ich das hier nicht vertiefen, es wurde zwar gestern anderes geäußert, aber es ist in der Tat so, dass es nach der alten Verordnung nicht möglich gewesen wäre, dort einen solchen Kahlschlag zu betreiben. Noch einmal zur Geschichte: Die neue Baumfällverordnung wurde von der SPD gegen anfänglichen Widerstand der CDU durchgepeitscht, und ich bedauere es sehr, dass damals die CDU umgefallen und dem Willen ihres Koalitionspartners gefolgt ist. Aber nun scheint endlich auch die SPD aufgewacht zu sein und erkennt, was sie angerichtet hat. Mit dieser neuen Erkenntnis erwarten wir die Unterstützung unseres Grünen-Antrags.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Lieber Herr Kleen, ich kann es mir leider nicht verkneifen. Ich möchte Sie erst einmal an die von uns initiierte Aktuelle Stunde im April 2003 erinnern, und zwar zum Thema „Auswirkungen der neuen Baumschutzverordnung in der Stadtgemeinde Bremen, Baumschutz oder Kahlschlag“. Damals schon haben wir die große Koalition aufgefordert, wegen der Zunahme der Vernichtung ökologisch wertvoller Baumbestände diese Baumfällverordnung zurückzunehmen. Immer und immer wieder habe ich betont, dass Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der großen Koalition, den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht haben. Herr Kleen, können Sie sich vorstellen, wie ich mich freute, als ich dann im „Weser-Kurier“ gelesen habe, Herr Kleen: Die voreilige Veränderung der Verordnung ohne Baumschutzkataster sei völliger Blödsinn, der zweite Schritt sei vor dem ersten gemacht worden?