Ich will aber gern dazu sagen, dass ich mir die Steuereinnahmen inklusive November sehr genau angesehen habe, und diese Steuereinnahmen weisen bei uns im Moment ein Minus von 1,6 Prozent aus. Wenn Sie das vergleichen mit dem Durchschnitt der Kommunen, der Länder und des Bundes, dann weiß ich nicht, ob es ein Land gibt – die Länder weisen das nicht monatlich aus, wie wir das tun –, das sozusagen nur ein so niedriges Defizit von 1,6 Prozent hat.
Wir haben neben den Einbrüchen ein erhebliches Wachstum der Umsatzsteuer, das inklusive November bei etwas über zehn Prozent plus liegt. Wir haben davon relativ wenig, weil wir sie geschlossen beim Bund abliefern und weil wir nur 75 Prozent der uns zustehenden Einnahmen pro Einwohner vergütet bekommen. Deshalb sind wir nicht Nutznießer dieser Entwicklung. Wir haben bei der Einkommensteuer einen Zuwachs von über 20 Prozent und bei der Lohnsteuer etwa knapp ein Prozent. Das ist im Grunde die verlässlichste Quote, an der man am ehesten ablesen kann, welche Steuerentwicklung wir haben. Das sind Entwicklungen, mit denen wir rechnen können und die so schlecht nicht sind.
Trotzdem sage ich, das habe ich immer gesagt, Kanzlerbrief hin oder her, das, was wir vertreten können, und das haben ja auch Gott sei Dank hier
die Vertreter der Regierungsfraktionen gesagt und auch im Wesentlichen Frau Linnert, was wir steuern können, ist die Ausgabenseite. Zur Einnahmenseite habe ich gesagt, was passiert, wenn wir unsere Steuerschraube, die Landes- und Kommunalsteuerschraube, nach oben drehen, welche Auswirkungen das hat. Bei den Ausgaben sind wir, denke ich, vorbildlich.
Das, was wir in der Vergangenheit häufig hatten, dass wir konfrontiert werden mit einer Kritik an unserer Sparpolitik und gleichzeitig mit einer Kritik an der Verschuldung und gleichzeitig mit weiteren Vorschlägen, wie man die konsumtiven laufenden Kosten erhöhen kann, ist einfach eine Quadratur des Kreises, die ich leider auch nicht auflösen kann. Wir haben überhaupt keine andere Alternative, als dass wir die Folgen bundesgesetzlicher und bundeswirtschaftlicher Entwicklung zur Kenntnis nehmen müssen. Wir müssen daraus unsere Konsequenzen ziehen.
Meine Damen und Herren, wenn uns Einnahmen in dieser Form wegbrechen, dann kann doch die Konsequenz daraus nicht sein, dass, weil die Einnahmen wegbrechen und wir das nicht zu verschulden haben, wir deshalb unsere Ausgaben drastisch erhöhen. Das kann doch nicht die Konsequenz sein! Die Konsequenz muss doch sein, dass wir unseren eisenharten Sparkurs fortsetzen. Mit jedem Euro, den wir bei wegbrechenden Einnahmen mehr ausgeben, landen wir doch – wo denn sonst? – bei neuen höheren Schuldenbergen. Es kann doch gar nicht anders finanziert werden, wenn die Einnahmen nicht da sind.
Wenn ich über 100 Millionen weniger Geld in der Kasse habe, über 150 Millionen in diesem Jahr und im nächsten Jahr, dann kann ich doch nicht oben darauf satteln und sagen, dafür wollen wir aber im nächsten und im übernächsten Jahr 30, 40, 50 Millionen oder 100 oder 120 Millionen mehr für konsumtive Ausgaben ausgeben, ohne dass das Folgen hat für das Haushaltsdefizit und ohne dass das Folgen hat, dass wir einen verfassungskonformen Haushalt noch viel weniger herstellen können.
Was der Kanzlerbrief sagt, wir können ihn auch als eine normale Mitteilung oder Stellungnahme der Bundesregierung zur Verfassungsgerichtslage betrachten. Nichts anderes sagt er! Er sagt: Wenn das Bundesland Bremen sich im Jahr 2005 immer noch unverschuldet in einer extremen Haushaltsnotlage befindet, dann hat der Bund zwei Möglichkeiten. Die eine ist, er gleicht dieses Defizit aus, und die zweite ist, er müsste sonst – und das sagt die Bundesregierung in dem Brief – ein neues zusätzliches Sanierungsprogramm auflegen, denn es wird niemand beweisen können, dass sich das Bundesland Bremen selbstverschuldet in einer extremen Haushaltsnotlage befindet. Das sagen auch die Professoren nicht, und das sagen auch letztlich die wesentlichen Kommentatoren nicht.
Meine Damen und Herren, wir haben bei diesem Nachtragshaushalt, ich bedauere das mehr als jeder andere, überhaupt keine andere Möglichkeit, als diese Dimension wegbrechender Einnahmen über zusätzliche Schulden auszugleichen in der Hoffnung, dass der Bund sich 2005 für die erste der beiden Varianten entscheidet und das ausgleicht. Wenn er sich für die zweite entscheidet, bin ich auch einverstanden. Wenn er sich weder für die erste noch für die zweite entscheidet, und das sind die beiden Alternativen, die er in seinem Brief dargestellt hat, dann würde er uns ja zwingen, dass wir uns damit massiv auseinander setzen müssen. Deshalb geht es nicht so sehr um die Frage, ob wir die Sanierung schaffen oder nicht. Das ist auch eine Phantomdiskussion. Wir schaffen die Sanierung in dem Maße, wie es der Rechtsrahmen und der gesamtwirtschaftliche Rahmen zulassen.
Wolfgang Schrörs hat vorhin einen Zwischenruf gemacht und hat darauf hingewiesen, dass wir bei den Schulden konsumtiv und investiv unterscheiden müssen. Das wird gern unterlassen, auch von Ihnen, Frau Linnert!
und deshalb müssen die einen Zinsen investiv dem Vermögen und die anderen im Grunde dem Haushalt zugerechnet werden. Das sind zwei unterschiedliche Sachverhalte.
Deshalb, liebe Frau Linnert, gerade weil wir in diesem extremen Spardruck sind, haben wir ja die Verwaltungsmodernisierung so intensiv vorangetrieben, haben wir auch Gewinn- und Verlustrechnung vorangetrieben und betriebliches Rechnungswesen eingeführt, und wenn man betriebliches Rechnungswesen einführt, dann brauchen Sie für das Vermögen eine Vermögensbilanz, damit Sie wissen, wie unsere Vermögenswerte sind.
Mit Verlaub, wenn ich dann auf das Viertel und das Straßenpflaster eingehen darf! Wenn Sie Ihre eigenen Vermögenswerte, und dazu gehört auch die Verkehrsinfrastruktur, verkommen lassen, dann sinkt die Werthaltigkeit Ihres eigenen kommunalen Vermögens ab. Wenn Sie es erneuern und verbes
Deshalb müssen wir im Moment so viele Sanierungsmaßnahmen auch in unserer Infrastruktur leisten. Daran kommen wir überhaupt nicht vorbei, denn die Alternative wäre, dass wir vorsätzlich einen Vermögensverfall unseres kommunalen Vermögens herbeiführen, und das kann ich niemandem raten. Deshalb, meine Damen und Herren, werden wir an diesem Nachtragshaushalt nicht vorbeikommen.
Auch um einem Vorwurf, der immer wieder erhoben wird, noch einmal entgegenzutreten: Jeder, bitte schön, der den Eindruck hat, wir würden Schönfärberei betreiben – und dies kommt ja immer wieder, es ist meistens auch ein gewisser Ausfluss fehlender Sachkompetenz und fehlender Information –, bitte, rufen Sie uns an, wenn Sie solche Vorwürfe erheben! Ich schicke Ihnen gern so einen Stapel Controllingberichte aus den letzten Jahren, wo Sie bis auf die Stelle hinter dem Komma jede einzelne Haushaltsposition, jede einzelne Schuldenposition, jede Beschreibung von Defizit, von Zinssteuerquote, von allen Dingen nachlesen können, und dort steht es schwarz auf weiß, nicht rot auf weiß, schwarz auf weiß!
Meine Damen und Herren, es geht hier überhaupt nicht darum, ob wir jetzt im Moment darüber diskutieren, ob das Glas halb voll oder halb leer ist, sondern es geht darum, dass wir in einer sehr schwierigen Situation sind. Wir kommen aus dieser schwierigen Situation allein nicht heraus, und weil es so ist, werden wir unseren Eigenanteil leisten müssen. Deshalb mahne ich alle diejenigen, die gern wieder die Spendierhosen anziehen und die sagen, ja, wenn wir denn möglicherweise auch im Jahr 2005, wenn auch unverschuldet, noch in einer extremen Haushaltsnotlage sind, dann können wir doch jetzt im Grunde einmal fröhlich in die Tasche greifen und anständig die Spendierhosen anziehen.
Politiker neigen dazu, dass sie lieber ja als nein sagen, und natürlich möchte jeder vom Wähler gelobt werden. Viele der Demonstranten, die jetzt auch unsere Straßen bevölkern, wollen ja von uns, dass wir in unserer Haushaltsnotlage bei sinkenden Einnahmen immer mehr ausgeben. Wenn wir ihnen folgen, dann allerdings müssen wir uns große Vorwürfe machen, weil wir dann sehenden Auges unseren Eigenbeitrag zur Sanierung verweigern und im Grunde genommen dramatisch mehr ausgeben, als wir einnehmen. Das kann ich uns gemeinsam nicht raten und kann ich uns nicht wünschen.
Ich bedanke mich für das große Verständnis in dieser Debatte, auch für das Verständnis für die Notwendigkeit dieses Nachtragshaushalts. Meine große Bitte ist, dass wir das, was wir uns selbst gesetzlich auferlegt haben, nämlich das Sanierungssicherstellungsgesetz, auch auf allen Seiten des Parlaments einhalten und dass es zum Maßstab unseres politischen Handelns wird. Wir können nicht überall ja sagen! Wir müssen an vielen Stellen nein sagen, wenn wir die Sanierung Bremens tatsächlich hinbekommen wollen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Noch einmal ganz kurz: Ich glaube, das mit den Zinsen haben Sie eben leicht vereinfacht dargestellt, ich möchte das einmal freundlich formulieren. Wir haben natürlich eine Diskussion, das lässt sich auch nicht leugnen, auch hier im Hause, aber nicht nur wir, sondern sie wird bundesweit geführt. Über die Frage, wann es gerechtfertigt ist, Zinsen als Investition zu verbuchen und wann nicht, gibt es durchweg unterschiedliche Auffassungen, und wir wissen, dass auch der Senat hier in der Diskussion mit dem Rechnungshof ist, und wir haben uns auch im Rechnungsprüfungsausschuss wiederholt damit beschäftigen müssen.
Natürlich teilen wir die Auffassung, dass erst einmal Zinsen konsumtive Ausgaben sind. Ich glaube, die ganze Diskussion bringt uns im Endeffekt insofern nicht weiter, weil die Zinsen gezahlt werden müssen. Egal, ob wir sie investiv oder konsumtiv verbuchen, sie sind etwas, was unser derzeitiges Ausgabeverhalten natürlich maßgeblich mitbestimmt und auch einschränkt, weil wir jeden Euro, den wir irgendwo für Zinsen abliefern, für andere Sachen nicht ausgeben können, investiv oder konsumtiv, das spielt da keine große Rolle.
Ich glaube – und ich habe letzte Woche Gelegenheit gehabt, auf einer finanzpolitischen Sprecherkonferenz in Berlin zu sein –, das Ausgabeverhalten bei Investitionen wird auch bei allen anderen sehr kritisch betrachtet. Bremen muss sich ganz besonders dafür rechtfertigen, dass wir hier nach wie vor, und ich stehe dazu, ich finde, es ist gut, auch eine hohe Investitionsquote haben, weil die Investitionsausgaben und die Veränderung der Wirtschaftsstruktur die adäquate Antwort auf unsere Probleme ist, die wir hier in Bremen haben.
Es ist aber sehr schwer zu vermitteln. Ich bin mir sicher, dass jede Investition genau betrachtet werden muss und gerade in diesen schlechten Zeiten, in denen wir überall sparen müssen, sich rechnen ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
muss. Da muss einmal mehr hingeschaut werden. Es muss auch erlaubt sein, so verstehe ich den Appell von Frau Linnert, zu überlegen, ob die eine oder andere Investition dann in diesen Zeiten wirklich gerade jetzt notwendig ist oder ob man nicht auch bestimmte Sachen verschieben kann.
Die Alternative ist nicht, dieses Geld zu nehmen und es konsumtiv auszugeben. Das sage ich hier noch einmal klar und deutlich, und das sage ich auch im Namen meiner gesamten Fraktion! So sind Diskussionen um Investitionen, um veränderte Investitionsschwerpunkte auch zu verstehen. Wenn es denn so ist, dass wir zum Beispiel gemeinsam mit dem Senat die Erkenntnis haben werden, dass es für Bremen eine sinnvolle und eine vorwärts gerichtete Investition ist, Europäische Kulturhauptstadt 2010 zu werden, dann ist es für mich auch selbstverständlich, dass solche Ausgaben dann auch im Rahmen der vorhandenen Investitionsmittel prioritär eingesetzt werden müssen. Das heißt, dann muss man auch überlegen, welche anderen Sachen vielleicht zugunsten eines guten Projektes zurückzustehen haben.
Was die konsumtiven Ausgaben anbelangt, ich habe es vorhin vergessen zu erwähnen, was aber noch einmal ganz deutlich macht, wir wissen jetzt schon um Haushaltsprobleme, die wir im nächsten Jahr haben. Frau Linnert hat das angesprochen. Im Bereich Soziales gibt es viele Probleme allein dadurch, dass Niedersachsen mittlerweile einfach entschieden hat, die Investitionszuschüsse für Bremer in niedersächsischen Pflegeheimen zu streichen, und zwar von einem Tag auf den anderen. Das sind Millionenbeträge, die von uns hier zusätzlich geschultert werden müssen. Wir finden davon nichts im Nachtragshaushalt.
Wir wissen, und wir haben auch gehört, von Problemen im Kulturressort. Heute geisterte es schon durch die Nachrichten: Es wurde als Erfolg gefeiert, dass das Kulturressort im nächsten Jahr bis zu 1,9 Millionen Euro zusätzlich ausgeben kann. Aber es findet sich nicht im Nachtragshaushalt. Das bedeutet schlichtweg, dass im Rahmen der vorhandenen Mittel, die wir im nächsten Jahr haben, diese zusätzlichen Mehrbedarfe von allen geschultert und dargestellt werden müssen.
Ich denke, das zeigt doch, wie ernst wir das nehmen, auch mit der Sanierung, und dass es hier nicht einfach darum geht, einen Nachtragshaushalt aufzustellen und zusätzliche Ausgaben zu beschließen. Das bedeutet auch eine ganz große Verantwortung, und zwar für alle von uns.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Wiedemeyer, wir sind uns in der Einschätzung im Wesentlichen einig. Ich will zu den investiven Notwendigkeiten nur etwas sagen: Wir haben natürlich zu Beginn des Sanierungsprogramms ein dramatisches investives Defizit gehabt
und einen riesigen Reparaturrückstau. Wir haben vor allen Dingen einen furchtbar verschleppten Strukturwandel gehabt. Das heißt, wir müssen in die Modernisierung des Arbeitsmarktes investieren, in die Modernisierung der Wirtschaftsstruktur investieren, wir müssen in die Modernisierung der Infrastruktur investieren, damit wir unsere Wettbewerbsfähigkeit als Standort verbessern, die Sogwirkung erhöhen und die Voraussetzungen verbessern, dass wir mehr Arbeitsplätze schaffen können. Deshalb ist es so, ich habe wiederholt darauf hingewiesen, ich will die Millionensummen und Milliarden nicht wieder nennen, was wir an Rückstau haben, nur wenn wir unsere Investitionsquote herunterschrauben, verlangsamen wir das Aufholtempo. Das andere, Frau Abgeordnete, darauf wollte ich auch nur hinweisen, es gibt keine Investitionsentscheidungen,
Frau Linnert, die nicht mit großer Mehrheit dieses Hauses beschlossen worden sind, und das wird auch in Zukunft so sein.
Wenn der Maßstab für die Entscheidungen dieses Hauses darin liegt, genau zu prüfen bei jeder Investition, ob die regionalwirtschaftlichen Effekte auch erzielt werden, die wir gern haben möchten, wobei die Prognosefähigkeit auch selbst unter Menschen begrenzt ist, aber durchaus denkbar und möglich ist, wenn wir dies zum Maßstab machen, ist dagegen nicht nur nichts zu sagen, sondern es ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, dafür zu sorgen, dass die Investitionen, die wir beschließen, diese regionalwirtschaftlichen Effekte auch erzielen.
Meine Damen und Herren, es ist sicherlich so, wir brauchen beides! Wir brauchen die konsumtive Sparsamkeit, und wir brauchen eine überdurchschnittliche Investitionsquote, weil wir sonst kein Aufholtempo gegenüber anderen Standorten und anderen Ländern entwickeln können. Wenn wir auf das eine oder das andere verzichten, werden wir wieder weiter zurückfallen. Das darf nicht sein. Deshalb darf man den falschen Propheten nicht folgen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Schade, Herr Senator Perschau, das war, nachdem ich das Gefühl hatte, da ist finanzpolitisch vielleicht auch von beiden Seiten eine Art von neuer Verständigung und Annäherung eingeleitet, jetzt ein Rückfall in alte Zeiten. Das, was Sie gesagt haben, läuft auf eine einzige Aussage hinaus: Jeder investierte Euro ist ein guter Euro. Das ist einfach Nonsens.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Bür- germeister P e r s c h a u : Da haben Sie nicht zugehört!)
Ich habe extra dieses Pflasterbeispiel genannt, weil man nämlich sehen kann, wie sich Investitionsentscheidungen verselbstständigen.