Protocol of the Session on December 12, 2002

(Abg. D r. S c h r ö r s [CDU]: Die lau- fen noch alle ganz gut aus Ihrer Sicht?)

Das ganze Debakel hat übrigens einen lehrreichen Nebeneffekt: Das pauschale Gerede davon, dass Steuersenkungen, egal wie, zwangsläufig die Konjunktur auf Trab bringen, wird man nach diesen Erfahrungen kaum mehr aufrechterhalten können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. D r. S c h r ö r s [CDU]: Da müssen Sie einmal nach Ameri- ka schauen!)

Mir ist es auch unverständlich, wieso die Union auf Bundesebene immer nur das eine Rezept hat. Die Union ist es auch, die zu verantworten hat, dass ein antizyklisches Verhalten des Staates, also auf Krisenzeiten mit Steuererleichterungen zu reagieren, um die Konjunktur anzukurbeln, dass dieses Rezept so einfach nicht mehr funktioniert. In den fetten Jahren, in denen das gegangen wäre, wurden dafür schlicht und einfach keine Grundlagen gelegt. Nicht zutreffend ist auch die ewige Klage vom Spitzenplatz Deutschlands bei der Belastung durch Steuern und Abgaben. Das stimmte noch nicht einmal nach 16 Jahren Kohl-Regierung. Nach der Steuerreform der rotgrünen Bundesregierung stimmt es noch viel weniger. Deutschland hat ein Problem mit ziemlich schlechter Stimmung, da gebe ich Ihnen Recht, zu der ein nicht immer klar erkennbarer Kurs der Bundesregierung leider seinen Anteil geleistet hat. Auch da gebe ich Ihnen Recht. Die notwendige Erhöhung des Rentenversicherungsbeitrags ist eine herbe Niederlage beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Dreh- und Angelpunkt, das hat Frau Wiedemeyer auch gesagt, sind bei der Arbeitslosigkeit die nach wie vor zu hohen Lohnnebenkosten. Deshalb ist es richtig, jetzt im Bundesrat schnell eine Einigung über die Umsetzung des Hartz-Konzeptes zu erzielen. Auch die Umsetzung der für das Frühjahr zu erwartenden Vorschläge der Rürup-Kommission, dazu ist die Union herzlich eingeladen, da gemeinsam mitzuarbeiten und Vorschläge zu entwickeln. Da wird es dann im Übrigen, da kann man dann auch lernen, was das alles dann doch noch mit Bremen zu tun hat, auf das Verhalten Bremens im Bundesrat ankommen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wer hier Reformstau beklagt, muss dann da auch entsprechend springen. Darüber hinaus wird es weiter um einen Abbau unnötiger bürokratischer Hemmnisse gehen und um ein Klima der Modernisierung, in dem Veränderung als Chance wahrgenommen wird. Die Spielregel, sich nicht an den Schwächeren zu vergreifen, während mächtige Interessenvertreter mit viel Geschrei ihre Schäfchen ins Trockene bringen, sollte allerdings nebenbei zumindest für die Grünen noch gelten. Bremens Lage hat sich durch den Nachtragshaushalt weiter verschlechtert. Transparenz und Offenheit in allen Haushaltsfragen sind die Voraussetzung dafür, dass weiterhin Akzeptanz für die notwendige Sparpolitik erzielt wird. Darauf sind alle hier im Haus vertretenen Kräfte angewiesen. Ideologische Geplänkel über die Vermögenssteuer helfen da nicht weiter. Man konnte das zur Belustigung der Bremer Bürger in der Zeitung lesen, wie sich die Koalitionsfraktionen da beharken. Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Wir sind nicht in einer Lage, in der man sich solche Mätzchen leisten kann!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich bin nicht dafür, dass eine Vermögenssteuer eingeführt wird, wo die reichen Länder Konkurrenzvorteile gegenüber den armen nutzen und uns dann hier weiter kaputtkonkurrieren. Das ist die Strategie, die aus Bayern kommt. Das ist zum Nachteil Bremens, das muss man auch klar sagen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir sind nicht in der Lage, in der man Vorschläge aus ideologischen Gründen in Bausch und Bogen ablehnen kann. Wenn wir ein Einnahmeproblem haben, wird uns jeder sagen, dass man dann eben auch schauen muss, welche Steuern man in dem jeweiligen Bundesland generieren kann. Die Grünen sind der Meinung, wenn es gelingt – die Erbschaftssteuer muss sowieso angepackt werden –, eine verfassungskonforme Vermögenssteuer hinzubekommen, wo der Verwaltungsaufwand in einem sehr deutlich positiven Verhältnis zu dem steht, was an Einnahmen erzielt wird, dann sollte man das machen.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde, Sie sollten sich lieber mit einem Konzept auseinander setzen, ob und wie das gehen kann, anstatt von Anfang an zu sagen, so etwas kommt überhaupt nicht in die Tüte. Das schwächt übrigens auch die Situation Bremens im Bundesrat. Ein bisschen besser ist es meistens, wenn man mehr Spielräume hat.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Finanzpolitikpolitik bleibt hier weiter Thema. Vielleicht könnten wir uns doch noch einmal über die Rolle des ISP weiter streiten. – Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Ich warte noch ein bisschen, bis alle draußen sind, dann brauchen Sie sich die Wahrheit nicht anzuhören. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss schon sagen, das ist wohl ein einmaliger Vorgang, dass Sie den Nachtragshaushalt gestern in der ersten Lesung beschließen und wir heute in der zweiten Lesung darüber beraten. Laut der jüngsten Steuerschätzungen werden im Jahr 2002 zirka 150 Millionen und für das Jahr 2003 sogar zirka 160 Millionen Euro in der Bremer Landeskasse fehlen. Sie kommen durch Ihre gescheiterte Finanz- und Wirtschaftspolitik nicht umhin, zur Deckung der laufenden Kosten wieder einmal, und das natürlich auf Kosten der Steuerzahler, neue Schulden machen zu müssen. Meine Damen und Herren, durch Ihre verfehlte Politik befindet sich das Bundesland Bremen weiterhin in einer extremen, katastrophalen Haushaltsnotlage. Der Schuldenstand ist so hoch wie noch nie. Zurzeit zahlt Bremen allein an Zinsen im Jahr über eine Milliarde. Das gewaltige finanzielle Minus konnte nicht wie erwartet abgebaut werden, weil Sie immer neue Kredite aufgenommen haben, die selbst die Sanierungshilfen des Bundes in Milliardenhöhe nicht ausgleichen konnten. Weitere Haushaltslöcher drohen dem Bundesland Bremen in ungeahnter Höhe durch die unsoziale Steuerreform der rotgrünen Chaosregierung. Großspurig haben Sie noch vor kurzem angekündigt, die Einnahmen sollten verbessert werden, und damit meinten Sie natürlich die Steuereinnahmen, und was ist passiert? Nichts! Ganz im Gegenteil, der Einwohnerschwund der Stadt Bremerhaven ist so dramatisch wie noch nie, ebenso dramatisch sind demzufolge auch die rückläufigen Steuereinnahmen in Bremerhaven. Die Folge ist, auch die Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung muss heute wieder einmal durch einen neuen Nachtragshaushalt neue Schulden machen. Ich habe in meiner letzten Haushaltsrede deutlich gemacht, dass Sie bis 2005 und wahrscheinlich auch darüber hinaus keinen gesetzeskonformen Haushalt hinbekommen werden und dass durch Ihre verfehlte Politik die Selbständigkeit des Bundeslandes Bremen gefährdet ist. Des Weiteren sind Ihre Sanierungsträume gnadenlos gescheitert. Sie haben das Geld mit vollen Händen für zweifelhafte Großprojekte hinausgeworfen. Sie können bloß froh darüber sein, dass ich nur eine begrenzte Redezeit habe.

(Lachen)

Eines sage ich aber in aller Deutlichkeit: Staatsschulden sind Diebstahl an unserer Jugend. Sie sparen, obwohl Einsparungen gar nicht mehr möglich sind, trotzdem wieder einmal am falschen Ende, zum Beispiel bei der inneren Sicherheit, bei der Polizei, bei der Feuerwehr, beim Krankenhauspersonal und bei vielen anderen wichtigen städtischen Einrichtungen, also bei den Menschen, die im Gegensatz zu Ihnen trotz einer unerträglichen Unterbezahlung sowie einer unverantwortlich hohen Anzahl an Überstunden und oft auch unter Lebensgefahr sich noch wirklich vorbildlich und uneigennützig für das Wohl der Bürger einsetzen.

Meine Damen und Herren, Sie haben zwar 24 Millionen Euro für das Bildungssystem bereitgestellt. Das ist lobenswert und niedlich, aber das ganze Geld nützt dem Bildungssystem überhaupt nichts, und wenn Sie noch so viele Millionen Euro hineinstecken würden, wenn nicht sehr bald andere Moralwertvorstellungen, wie zum Beispiel Ordnung, Achtung, Sauberkeit und Disziplin, und natürlich auch die Kopfnote im Schulunterricht einfließen. Ich frage Sie: Wie sollen unsere Kinder Ordnung, Achtung, Respekt, Moral, Sauberkeit und Disziplin lernen, wenn zum Beispiel ein achtundsechziger marxistisch ideologisch orientierter Lehrer mit einem konfusen Weltbild, Wollpullover, fettigen Haaren und Jesuslatschen in die Klasse kommt und zu den Schülern sagt, hallo erst einmal, ich bin der Martin, und wer seid ihr? Nun erklären Sie mir einmal, wie unsere Kinder bei einem solchen achtundsechziger maoistischen Wolpertinger Achtung, Respekt, Ordnung und Disziplin lernen sollen, das müssen Sie mir einmal erklären!

Meine Damen und Herren, die rotgrüne Chaosregierung hat uns mit ihren Wahlversprechungen nachweislich belogen und betrogen, aber nicht nur das.

(Zuruf des Abg. D r. D o m a n n - K ä s e [SPD])

Jetzt wird unsere Bevölkerung auch noch auf das Niederträchtigste beleidigt. Sie sollten ruhig zuhören, da können Sie noch etwas lernen! Da sagt zum Beispiel der SPD-Fraktionsvorsitzende Müntefering, weniger für den privaten Konsum und dem Staat dafür mehr Geld geben. Das könnte Ihnen so passen! Da sagt der ehemalige SPD-Fraktionsvorsitzende Stiegler wahrscheinlich in einen Anfall von Größenwahn – –.

(Abg. Frau W i l t s [SPD]: Einem! Spre- chen Sie Deutsch!)

Warten Sie einmal ab, Sie haben nichts anderes zu sagen, als hier Ihre konfusen Zwischenrufe zu tätigen!

Meine Damen und Herren, da sagt der Fraktionsvorsitzende Stiegler, wahrscheinlich in einem Anfall von Größenwahn, die Deutschen seien verzogene Fratzen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Ich darf aber hinzufügen, dass diese Politfratze von Steuergeldern der verzogenen deutschen Fratzen sehr gut leben kann.

Oder aber, da sagte der ehemalige Bundespräsident von Weizsäcker, die Deutschen würden über ihre Verhältnisse leben. Da kann ich nur sagen, diese Politfratzen mit über 10 000 Euro Pension und Diäten leben über ihre Verhältnisse, aber nicht der Bürger. Der einfache Bürger hat kein Geld mehr, um überhaupt über seine Verhältnisse leben zu können.

(Glocke)

Herr Abgeordneter Tittmann, den Ausdruck Politfratzen weise ich als unparlamentarisch zurück. Ich bitte Sie, sich mit Ihren Ausdrücken zu mäßigen!

Ich bitte Sie, Herr Präsident, wenn man das deutsche Volk beleidigt als verzogene Fratzen, dann muss es auch genehm sein, dass man sich dagegen wehrt.

Meine Damen und Herren, die Deutsche Volksunion lässt es jedenfalls nicht zu, dass unsere Bürger von solchen abgehobenen Fratzen beleidigt werden.

(Unruhe bei der SPD – Glocke)

Die Deutsche Volksunion wird immer vehement und demokratisch dagegen angehen – –.

Herr Abgeordneter, ich habe Sie gerade darauf aufmerksam gemacht, dass dieses Wort von mir als nicht parlamentarisch eingeschätzt wird, und ich bitte Sie, sich daran zu halten.

Ja, gut, wenn Sie meinen! Ich habe auch Politfratzen weggelassen.

Ich bitte Sie, meine Bemerkung nicht zu kommentieren!

Die Deutsche Volksunion wird jedenfalls vehement und demokratisch dagegen ankämpfen, dass unsere Bürger durch Ihre verfehlte Politik nicht länger gnadenlos ausgeplündert werden. Unsere Bürger sind schon zu lange durch Ihre Politik bestraft worden. Ich lehne Ihren skandalösen Nachtragshaushalt zum Wohle der Bevölkerung ab. Was man von den vollmundigen Wahlversprechen des Kanzlers halten kann, können Sie sich auf der CD von Elmar Brand, der Steuersong, der Kanzlersong, zutreffend anhören. – Ich danke Ihnen!

Als Nächster hat das Wort Bürgermeister Perschau.

Sie gestatten, dass ich das einen Augenblick genieße, normalerweise muss ich das Pult immer herunterstellen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Zuruf des Abg. T i t t m a n n [DVU])

Herr Tittmann, lassen Sie es gut sein, weil ich denke, es sind hier ja zum Nachtragshaushalt sehr nachdenkliche Reden gehalten worden! Ich will auch gar nicht verhehlen, dass ich mich über bestimmte Meinungsänderungen, auch bei Bremer Professoren, außerordentlich freue.

Ich habe mich über das gefreut, was Herr Hickel und Herr Röper gesagt haben, nicht über jeden einzelnen Satz, aber über die Grundrichtung, denn die stimmt. Ich habe mich auch über Kommentare gefreut, weil es natürlich eine komplizierte Materie ist und weil wir uns alle keinen Gefallen tun, wenn wir den Eindruck vermitteln wollten, es sei alles ganz einfach zu lösen.

Ich will zu diesen bundespolitischen Dingen nicht viel sagen. Ich glaube, dazu haben die Medien in der letzten Zeit ganz viel gesagt, und wenn man das einmal mittelt, dann weiß man ungefähr, wie man das einzuschätzen hat. Ich habe bisher jedenfalls nicht gehört, dass irgendjemand behauptet hat, die Bremer Finanz- und Haushaltspolitik sei Verursacher der Konjunkturkrise, und auch nicht gehört, dass wir die Verursacher der Steuereinbrüche sind. Von daher ist es so, dass uns Schuhe angezogen werden, die ich mir nicht gern anziehen möchte und würde, aber wir kommen an bestimmten Problemen nicht vorbei.

Lassen Sie mich etwas zu den Steuern sagen! Wir haben natürlich vom Bund festgelegte Steuern, und es gibt Landes- und Gemeindesteuern. Wenn ich in der jetzigen Situation unsere Landes- und Gemeindesteuern erhöhe, die deutlich oberhalb der Steuerquote unseres Umlandes liegen, dann würde dies nicht zu erhöhten Einnahmen, sondern zu erhöhter Abwanderung führen. Deshalb habe ich in dem begrenzten Umfang, den uns Landessteuern und Kommunalsteuern lassen, praktisch auch nur ganz begrenzte Steuerungsmöglichkeiten, die, wenn ich sie überziehe, automatisch das Gegenteil von dem bewirken, was wir mit unserer Politik bewirken wollen, nämlich Unternehmen in Bremen zu halten, neue hierher zu ziehen, neue Bürger nach Bremen zu holen und sie in Bremen zu halten und damit natürlich ein Wachstum an Bevölkerung und Arbeitsplätzen

zu schaffen und möglichst wenig solche Effekte zu haben, in denen alles nach draußen drängt, in denen Betriebe nach draußen drängen und Bürger nach draußen drängen. Das haben wir lange Zeit gehabt.

Wenn ich dies einmal im Grundsatz akzeptiere und diese Wechselwirkung sehe zwischen den Steuern, die wir erhöhen können, und den Auswirkungen auf die Wanderungsbewegungen von Unternehmen und Bürgern, dann, denke ich, bewegen wir uns exakt an der Grenze, die wir ausschöpfen können.

Wenn Sie sich die Steuerseite insgesamt ansehen: Wir haben in diesem Jahr etwa 154 Millionen Steuermindereinnahmen als Planwert aus der Steuerschätzung zu erwarten, inklusive der Mindereinnahmen, die sich auch aus den Bundesergänzungszuweisungen und aus dem Finanzausgleich ergeben. Wenn Sie sich das in den Steuerentwicklungsstrukturen ansehen, dann sehen Sie sehr deutlich, dass dieser Betrag sich allein errechnet aus den weggebrochenen Einnahmen der Körperschaftssteuer und der Kapitalertragssteuer. Auf beide Steuerarten haben wir keinen Einfluss.

Die Problematik, die wir hier haben, ist ja nun sattsam dargestellt worden. Wir haben im Verhältnis zum Jahr 1999, wo die ganzen Steuerreformansätze noch nicht waren, zur heutigen Situation Mindereinnahmen allein bei der Körperschaftssteuer von 150 Millionen Euro, nur bei der Körperschaftssteuer! Wir haben dort nicht nur keine Einnahmen, sondern die Erstattungen sind wesentlich höher als die Einnahmen, und das hat sich nicht geändert.

Ich will aber gern dazu sagen, dass ich mir die Steuereinnahmen inklusive November sehr genau angesehen habe, und diese Steuereinnahmen weisen bei uns im Moment ein Minus von 1,6 Prozent aus. Wenn Sie das vergleichen mit dem Durchschnitt der Kommunen, der Länder und des Bundes, dann weiß ich nicht, ob es ein Land gibt – die Länder weisen das nicht monatlich aus, wie wir das tun –, das sozusagen nur ein so niedriges Defizit von 1,6 Prozent hat.