Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen. Ich gehe davon aus, Herr Dr. Scherf, dass Sie von diesem Recht nicht Gebrauch machen möchten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Anlass zur Großen Anfrage ist das Gesetz zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft. Seit gut einem Jahr gibt es diese nun. In Bremen haben bis Ende Juli 2002 83 Paare die Möglichkeit wahrgenommen. Das bedeutet, über 160 Menschen haben mehr Rechtssicherheit in Bremen, über 160 Menschen sind stolz auf ihre Partnerschaft. Alle Paare hatten die Möglichkeit, die Eintragung im Standesamt vornehmen zu lassen. Das ist leider nicht selbstverständlich; Bayern hat bekanntermaßen einmal wieder eine Sonderregelung getroffen und die Notare mit dieser Aufgabe beauftragt.
Am 17. 7. dieses Jahres hat das Bundesverfassungsgericht einen wegweisenden Beschluss gefasst. Es hat die Normenkontrollklagen der Bundesländer Sachsen, Thüringen und Bayern gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz verworfen, und das in vollem Umfang.
Das Urteil hat für Lesben und Schwule eine ähnliche Bedeutung wie die Aufhebung der Strafbarkeit einvernehmlicher sexueller Handlungen unter erwachsenen Männern in der DDR 1968 und in der Bundesrepublik 1969. Die Aufhebung der Strafbarkeit war der Anfang der Emanzipation von Lesben und Schwulen, das Urteil ist der Schlusspunkt. Mit ihm hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass Lesben und Schwule keine Bürger zweiter Klasse, sondern gleichberechtigt sind.
Ich erinnere mich noch sehr gut an die Debatte, die wir im letzten Jahr in diesem Haus geführt haben, als es darum ging, das Standesamt als zuständige Behörde zu bestimmen. Wie ein Rumpelstilzchen führte sich der damalige Staatsrat und heutige Senator Böse im Parlament auf, als er das Bundesgesetz in Grund und Boden reden wollte, das gesamte Gesetz für verfassungswidrig erklärte und sogar das Zustandekommen des Gesetzes als nicht verfassungskonform einstufte. Nun, schon damals war diese Meinung eine Minderheitenmeinung hier im Haus.
Abstandsgebot, das aus Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz abgeleitet wurde. Die Vorschrift lautet: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.“ Daraus hatte das Bundesverfassungsgericht abgeleitet, dass die Ehe gefördert werden muss und die Ehefreudigkeit nicht beeinträchtigt werden darf. Deshalb dürfen eheähnliche Lebensgemeinschaften verschiedengeschlechtlicher Partner nicht mit denselben Vergünstigungen ausgestattet werden wie Ehen, weil sonst die Leute eben nicht heiraten. Diesen Grundsatz haben die Konservativen einfach auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften übertragen. Wir hatten dagegen gehalten, dass dieser Grundsatz für Schwule und Lesben nicht gelte, weil deren Partnerschaften nicht mit der Ehe konkurrieren.
Dies hat das Verfassungsgericht voll anerkannt. Der Gesetzgeber braucht deshalb gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften gegenüber Ehen nicht zu benachteiligen, sondern darf sie mit denselben Rechten ausstatten wie Ehen. Ich darf Ihnen mit Genehmigung des Herrn Präsidenten ein paar Sätze aus dem Urteil des Gerichtes zitieren, die für Sie, meine Damen und Herren der CDU, eine schallende Ohrfeige bedeuten: „Die Ehe wird durch das Gesetz weder geschädigt noch sonst beeinträchtigt. Dadurch, dass die Rechte und Pflichten der Lebenspartner in weiten Bereichen denen der Ehegatten nachgebildet sind, werden diese nicht schlechter als bisher gestellt, auch nicht gegenüber Lebenspartnern benachteiligt. Der Ehe drohen keine Einbußen durch ein Institut, das sich an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können. Mit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft wird auch nicht gegen das Gebot verstoßen, die Ehe als Lebensform zu fördern. Der Ehe wird keine Förderung entzogen, die sie bisher erfahren hat. Aus der Zulässigkeit, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu privilegieren, lässt sich kein Gebot herleiten, diese gegenüber der Ehe zu benachteiligen.“
Das ist immer noch das Verfassungsgericht, keine Wahlkampfbroschüre! „Das Fördergebot des Artikels 6 Absatz 1 Grundgesetz kann nicht als Benachteiligungsgebot für andere Lebensformen als die Ehe verstanden werden.“
Herr Präsident, meine Damen und Herren, das ist genau das, was wir seit Monaten gesagt haben. Schön, dass es das Verfassungsgericht in vollem Umfang bestätigt! Nach dem Urteil können Sie, verehrte Kollegen von der CDU, nicht mehr damit argumentieren, dass die Lebenspartnerschaft die Ehe gefährde. Das Bundesverfassungsgericht hat überzeugend dargelegt, dass dies nicht zutrifft, und noch etwas hat das Gericht entschieden, sogar einstimmig: Das Gesetz ist verfassungsgemäß zustande gekommen. Die ganze aufgeblasene Kritik an der Taktik
Was folgert sich aus dieser Entscheidung? Meine Damen und Herren von der CDU, geben Sie endlich Ihren Widerstand gegen das Gesetz auf! Bekennen Sie sich endlich zu den gesellschaftlichen Realitäten! Nehmen Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ernst! Es ernst zu nehmen bedeutet auch, den Widerstand im Vermittlungsausschuss endlich aufzugeben und das Ergänzungsgesetz passieren zu lassen. Sollte dies nicht geschehen, sind weitere Klagen zu erwarten, dieses Mal allerdings von den Betroffenen selbst, die selbstverständlich auf Gleichbehandlung im Steuerrecht pochen werden. Man kann sie dabei nur unterstützen. Nun wird es auch Zeit, dass wir uns bemühen, das Bundesgesetz in die Landesgesetzgebung zu überführen.
Noch ein paar wenige Sätze zum Zustandekommen der Großen Anfrage: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich kann verstehen, dass Sie insgesamt ein wenig Probleme mit dem Gesetz haben oder hatten. Was ich aber überhaupt nicht verstehe, ist, dass allein die Wörter „Eingetragene Lebenspartnerschaft“ in der Überschrift genügen, damit Sie die Große Anfrage nicht mittragen!
Im Ergebnis der Großen Anfrage hätte ich mir natürlich etwas konkretere Antworten auf die Fragen gewünscht. Ich hätte mir auch gewünscht, dass der Senat selbst die Initiative ergriffen hätte. Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass der Senat die Bremer Gesetze aufgrund neuer Bundesgesetze überprüft und gegebenenfalls Änderungsvorschläge macht. Berlin hat bereits im letzten Jahr seine Gesetze angepasst. Lieber spät als nie! Ich begrüße daher ausdrücklich die Aussage, dass eine Bestandsaufnahme durchgeführt werden soll und die Bremer Gesetze auf Änderung überprüft werden. Seit dem letzten Jahr gibt es in Bremen einen lesben- und schwulenpolitischen Tisch, angesiedelt bei der Senatorin Röpke und dem Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen. Es wäre sinnvoll, dieses Gremium in den Prozess der Umsetzung einzubeziehen und die Ratschläge und Vorschläge zu berücksichtigen.
Zum Abschluss noch einmal mein Appell an die CDU: Geben Sie die Blockade auf, und arbeiten Sie konstruktiv im Vermittlungsausschuss mit! Noch haben Sie die Chance. Nehmen Sie Ihren Wahlkampfspruch endlich selbst ernst, denn es ist längst Zeit für Taten, um Lesben und Schwulen die Gerechtigkeit zukommen zu lassen, die sie verdient haben! – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Geschätzter Kollege Engelmann, Sie mühen sich ja redlich, noch den Anschein zu erwecken, als würde die große Koalition in Bremen für Schwule und Lesben eine fortschrittliche Politik machen. Sie handeln sich allerdings immer nur neue Senatsantworten ein, die eines belegen: Bremen fällt in Zeiten einer großen Koalition als Bundesland mit einer fortschrittlichen und zukunftsträchtigen Gesellschaftspolitik einfach aus.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau W i e d e m e y e r [SPD]: Aber an uns liegt das nicht!)
Karin Röpke begrüßt das Bundesverfassungsgerichtsurteil, Senator Böse bedauert es. Im Bundesrat wird gegen das Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz gestimmt, in Bremen soll nichts weiter passieren. Verpartnerungen finden im Standesamt statt, das ist das Einzige, was wir von der Substanz in Bremen überhaupt erreicht haben, das war es dann. Ansonsten gibt es hier Blockade und Desinteresse, jedenfalls in weiten Teilen der CDU-Fraktion.
Das Lebenspartnerschaftsgesetz ist aus grüner Sicht ein wichtiges Reformvorhaben der rotgrünen Bundesregierung. Es war überfällig. Es entspricht längst gesellschaftlichen Standards, Minderheiten zu helfen, damit sie ein gleichberechtigtes und nicht diskriminiertes Leben führen können. Es erfüllt das Diskriminierungsverbot schwuler und lesbischer Lebensweise mit Leben. Es ist auch ein Erfolg der rotgrünen Bundesregierung, dass das Bundesverfassungsgericht, so wie Herr Engelmann es hier schon dargestellt hat, geurteilt hat. Es nimmt den Geruch weg, dass die Aufwertung der Lebensweise schwuler und lesbischer Partner gleichzeitig auf der anderen Ebene schädigend für Ehe und Familie wirkt. Das war ja die Argumentation. Wir konnten das nie nachvollziehen, wenn man Menschen Rechte gibt, warum man damit gleichzeitig anderen etwas wegnimmt. Das hat das Bundesverfassungsgericht ganz klargestellt. Es ist richtig, es ist im Sinne der Verfassung, Lebensweise schwuler und lesbischer Partner, wenn sie sich denn verpartnern wollen, mit mehr Rechten auszustatten, und darüber sind wir sehr froh.
Das Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz, das jetzt im Bundesrat ist, wird wohl leider der Diskontinuität zum Opfer fallen. Ich sage Ihnen das hier: Weder die Grünen auf Bundesebene noch wir hier in den Landtagen werden aufgeben. Es ist nicht nur verfassungswidrig, diesen Paaren, obwohl sie ja gleichzeitig sich selbst und dem Staat zugesagt haben, sich gegenseitig finanziell zu unterstützen, zu ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
verwehren, dass sie gleichzeitig auch steuerrechtlich entlastet werden, das ist nicht nur verfassungswidrig – darauf hat Herr Engelmann hingewiesen, es wird Klagen geben –, sondern es ist auch schlicht und einfach unfair. Was da passiert, ist ein weiterer Versuch der CDU, eine ideologische Verbohrtheit, die man wirklich mit einem modernen Verständnis von Gesellschaft nicht in Einklang bringen kann, auf den Rücken der Betroffenen auszutragen.
Auch das Antidiskriminierungsgesetz, das die rotgrüne Bundesregierung plant, das auch versuchen soll, die Lebensweise von Schwulen und Lesben sicherzustellen, dass sie wegen dieser Lebensweise nicht diskriminiert werden dürfen, wird in dieser Legislaturperiode auch nicht mehr Gesetzeskraft erreichen. Da kann ich Ihnen auch sagen, es gibt noch viel zu tun. Hier muss sich niemand auf dem Erreichten ausruhen. Trotzdem gibt es große Schritte voran, und ich weiß, dass die Grünen wie auch weite Teile der SPD weiterhin versuchen werden, weitere Reformvorhaben voranzutreiben. Das Antidiskriminierungsgesetz wird auf der Agenda einer nächsten Bundesregierung stehen, das kann ich Ihnen hier versprechen.
Sie hier in der CDU werden eine schrittweise Angleichung der Rechte schwuler und lesbischer Menschen nicht dauerhaft verhindern können. Ich würde Ihnen das raten, lassen Sie es lieber gleich!
Die Blockade in Bremen ist bitter. Die Antidiskriminierungsbestimmungen, zum Beispiel im Staatsangehörigkeitsrecht, könnten hier heute und schnell überarbeitet werden, wenn es um den Zuzug von Lebenspartnern geht. Das steht aus. Auf weitere Reformen in Bremen kann man wahrscheinlich, solange die große Koalition hier am Ruder ist, nicht hoffen.
Es geht auch darum, das Diskriminierungsverbot aus der Bremischen Landesverfassung hier umzusetzen. Da ist einfach Fehlanzeige, da ist Blockade, und ich habe mich ehrlich gesagt über den Satz in der Großen Anfrage auf Seite zwei ziemlich geärgert, da heißt es nämlich: Landesrecht, wie es in Berlin erfolgte, solle hier nicht passieren. Das ist ja klar, Sie können sich nicht einigen, und dann heißt es: Vorsorglich soll aber eine Bestandsaufnahme der möglicherweise zu ändernden Vorschriften des Landesrechtes stattfinden.
Ich weiß nicht, das hätten Sie schon längst machen können, nachdem das Gesetz in Kraft getreten ist, das ist eigentlich auch Ihre Pflicht. Das zeigt schon, dass dieser Regierung dieses Thema, ehrlich gesagt, völlig egal ist, und wenn Herr Engelmann hier nicht immer die Fahne hoch halten würde, dann
wäre aus Sicht der Koalition wahrscheinlich überhaupt nichts passiert. Herr Engelmann, ich sage Ihnen das, bis Bremen zurückkehrt zu einer gesellschaftspolitisch fortschrittlichen Politik, müssen Sie das noch eine Weile aushalten.
Die CDU nimmt für sich in Anspruch, konservativ zu sein. Das sind Sie nicht. Konservativ bedeutet, dass man Gutes erhält, dass man Menschen mit Achtung begegnet und dass man für Werte eintritt. Ich weiß, Herr Eckhoff, Ihnen persönlich will ich das noch nicht einmal vorwerfen, Sie haben ja auch wohlweislich versucht, nach mir zu reden, das ist Ihnen auch gelungen. Ihnen persönlich will ich das nicht vorwerfen, Sie wissen aber ganz genau, dass Sie für Ihre Haltung keine Rückendeckung in Ihrer Fraktion haben. In Wirklichkeit ist die Politik, die die CDU an diesem Punkt macht und leider auch Innensenator Böse, den ich sonst in vielen Punkten schätze, einfach hoffnungslos von gestern, wie man das ja heute an einigen anderen Debatten auch sehen konnte. Schade, Sie müssen sich da wahrscheinlich noch eine Zeit lang miteinander herumärgern.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Nicht der Tag der CDU heute!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wollen wir nach der lebhaften Debatte, die wir gerade hatten, vielleicht jetzt versuchen, das Thema an der einen oder anderen Stelle sachlich miteinander zu diskutieren!
Frau Linnert, ich widerspreche dem ganz eindeutig, dass wir als CDU-Bürgerschaftsfraktion diese starrsinnige Haltung, wie Sie sie uns gerade wieder einmal versucht haben zu unterstellen, an den Tag legen. Wir haben in dieser Legislaturperiode das Diskriminierungsverbot in die Landesverfassung aufgenommen mit unserer Unterstützung. Dies war ein wichtiger Schritt und ist ja auch von den entsprechenden Verbänden diskutiert und begrüßt worden. Insofern brauchen wir uns da beim besten Willen von Ihnen keine Vorhaltungen machen zu lassen, was konservativ ist und was liberal ist. Ich glaube, dass wir da einen vernünftigen Weg finden.
Ich möchte das auch noch einmal ganz deutlich sagen, wir werden bestimmt keinem eine Vorschrift darüber machen, wie er seine persönlichen Lebensumstände wählt, welche Lebensform er wählt und inwiefern er tatsächlich auch diese Lebensform absichert. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu der Frage der eingetragenen Lebenspartnerschaften ist gefällt, und ich habe mir gestern extra noch einmal die CSU-Homepage angesehen, weil ich ja
Es gibt in jeder Frage Positionen in Fraktionen, die mehr dem konservativen Flügel entsprechen, mehr dem liberalen, also, Sie brauchen uns jetzt nicht einzelne Bundestagsabgeordnete vorzuhalten.
Ich möchte noch etwas sagen. Es steht hierin: Trotz dieser Bedenken hat Rotgrün ein Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften erlassen, das gegen die Stimmen von CDU und CSU beschlossen wurde. Damit hat Rotgrün Fakten geschaffen. Viele Menschen haben die neue Regelung zur Grundlage ihrer Lebensplanung und ihrer Entscheidung gemacht. Dies ist nicht rückholbar. Eine deutliche Aussage, selbst auf der CSU-Homepage, im CDU-Wahlprüfstein Beantwortung, zu dieser Frage finden Sie genau den gleichen Umstand.