Protocol of the Session on November 16, 2000

(Beifall bei der SPD)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, in Anlehnung an Martin Luther King habe ich zum Abschluss einen Traum. Ich träume von einer Zeit, in der es wirklich egal ist, wer wen und wie liebt. Ich träume von einer Zeit, in der Menschen, die gemeinsam füreinander einstehen und Verantwortung füreinander übernehmen wollen, dies auch öffentlich

bekunden können. Ich träume von einer Zeit frei von Diskriminierung, frei von Vorurteilen, frei von Schranken. Doch nur beim Träumen darf es natürlich nicht bleiben. Ich bitte Sie: Helfen Sie mit, diesen Traum möglichst schnell in die Wirklichkeit umzusetzen! Dieser Appell richtet sich an alle Mitglieder des Hauses, also auch an die Fraktion der CDU sowie an den Senat. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Oppermann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Engelmann, ich fürchte, mich werden jetzt viele in diesem Haus falsch verstehen. Sie haben gesagt, dieses Gesetz hat für die Finanzen des Staates keine Folgen. Das stimmt nicht, ich möchte das nur zur Richtigstellung sagen, 10 000 eingetragene gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften oder Lebenspartnerschaften hätten einen Rentenanspruch auf eine jährliche Zahlung von 1,5 Milliarden DM, und der Rentenkasse geht es jetzt schon schlecht.

(Abg. E n g e l m a n n [SPD]: Das ist ja ein tolles Argument!)

Ich habe es ja gesagt, ich werde wahrscheinlich falsch verstanden werden. Die Damen und Herren haben alle eingezahlt, selbstverständlich haben sie dann auch einen Rechtsanspruch darauf. Nur, Sie sagten, es hätte keine Folgen, es hätte aber zusätzliche Folgen.

Bei der Arbeitslosenhilfe und beim Bezug von Sozialhilfe wurden gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften bislang besser gestellt. Es wurde nicht gegenseitig aufgerechnet, das ist jetzt mit dem Gesetz, wenn es denn ein Gesetz wird, aufgehoben. Ehegattensplitting gibt es nicht, aber der Staat, das Gesetz räumt ihnen die Möglichkeit ein, dass der besser Verdienende 40 000 DM seines Einkommens dem weniger gut Verdienenden überträgt, damit werden für die Lebenspartnerschaft Steuern gespart, und der Staat bekommt weniger Einnahmen.

Wir haben der Antwort des Senats entnehmen können, dass der Senat bei der Vergabe von Wohnraum keine Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Paaren in Bremen und Bremerhaven sieht. Selbst die Vergabe von Wohnraumberechtigungsscheinen läuft in Bremerhaven und Bremen unproblematisch. Das ist sicherlich auch ein Vorteil des etwas anonymeren Lebens in der Großstadt, aber auch ein Zeichen der liberaleren Einstellung der meisten Menschen gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Die Nachfolge im Miet

recht müsste man regeln, das ist ganz selbstverständlich.

Wie an den Schulen mit dem Thema männliche und weibliche Homosexualität umgegangen wird, das hängt sicherlich ganz und im Wesentlichen von dem Fingerspitzengefühl des Unterrichtenden ab und auch von der Altersgruppe, in der es stattfindet, aber das Wesentliche ist wohl das Fingerspitzengefühl dessen, der den Unterricht in der Klasse leitet. Der Antwort des Senats habe ich entnommen, dass es in Bremen und Bremerhaven in den Schulen kein besonderes Problem damit gibt.

Meine Damen und Herren, gerade die Grünen tun so, als ob alle Menschen jetzt nach diesem neuen Gesetz Hurra schrien. Ich möchte einen der ihrigen als Zeugen anführen, dass dem nicht so ist: Herbert Rusche, Homosexueller und, wenn meine Informationen richtig sind, Gründungsmitglied der Grünen und Ex-Bundestagsmitglied, erklärt in einer Presseerklärung, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Im Gegensatz zu den Beteuerungen der Initiatoren dieses Gesetzes handelt es sich hierbei weder um eine geschlechtliche Gleichstellung noch um ein Dokument gesellschaftlicher Akzeptanz für Homosexuelle.“

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Der will mehr!)

Hören Sie weiter zu! Rusche vertritt die Meinung, dass durch dieses Gesetz die Ungleichbehandlung von Homosexuellen und Heterosexuellen gesetzlich festgeschrieben wird. Sieben Jahre nachdem der Paragraph 175 gestrichen wurde, werden schwule Männer wieder Gegenstand eines HomosexuellenGesetzes und lesbische Frauen erstmals Gegenstand eines Gesetzes, das nur für homosexuelle Menschen beschlossen wurde. Ich teile die Schlussfolgerungen, die er daraus zieht, ausdrücklich nicht, Frau Stahmann, führe aber ihn als Betroffenen, als Zeugen an, dass dieses Gesetz, zu dem nach Antrag von Bündnis 90/Die Grünen Bremen ja sagen sollte, durchaus auch bei Teilen der Betroffenen auf Ablehnung stößt. Dass die Kirche das ablehnt, finde ich nur selbstverständlich, das möchte ich auch nicht weiter ausführen.

(Abg. E n g e l m a n n [SPD]: Welche Kir- che denn?)

Wir als CDU sagen nein zu diesem Gesetz, das die Eigenschaften von Lebenspartnerschaften als ein eheähnliches Rechtsinstitut vorsieht. Dieses Gesetz ist den Vorschriften über Ehe und Familie in so enger Weise nachgebildet, dass es sich nur noch in kleinen Teilen voneinander unterscheidet. Der Münchner Staatsrechtler Peter Badura erklärt in der Zeitung „Die Welt“, ich zitiere: „Sich die Verfassung einfach nach gesellschaftlichen Bedürfnissen zu

rechtzubiegen oder unterlaufen zu wollen verbietet sich, denn diese ist nicht einfach ein Spiegelbild sozialer Realität, sondern vielmehr ein nachhaltig auf Wirksamkeit, auf Gegenseitigkeit und widerstrebende soziale Kräfte angelegtes Richtmaß.“ Ich wiederhole mich, wenn ich noch einmal sage, wenn alles gleich ist, dann ist nichts mehr von besonderem Wert. Die Wertstellung der Familie wollen wir als Christdemokraten erhalten. Wir werden deswegen den Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen ablehnen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Linnert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Oppermann, ich wollte als Erstes darauf eingehen, dass Sie bei Ihrem ersten Redebeitrag gesagt haben, es geht niemanden etwas an, wer mit wem zusammenlebt. Das sollte zeigen, dass die CDU-Fraktion eine besonders liberale Position vertritt. Ich möchte Ihnen da gern widersprechen. Es geht uns etwas an, gerade in der Politik geht es uns etwas an! Wenn Menschen nämlich zusammenleben, und sie bitten darum, dass der Staat ihr Zusammenleben sich einmal genauer ansieht, dann geht uns das etwas an! Es ist klar, dass der Staat mit seinen rechtlichen Regelungen massiv in das Privatleben von Menschen eingreift, in das von Alleinstehenden, in das von Verheirateten, in das von in Gruppen lebenden Menschen, in das von Wohngemeinschaften, und da geht es uns etwas an. Da geht es uns nämlich als Leute an, die dafür zuständig sind, wie der Staat mit seinen Bürgerinnen und Bürgern umgeht, wie die Gesetze, Regelungen und Verordnungen gegenüber den Lebensgemeinschaften sind. Da geht es uns etwas an!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

So, wie Sie das hier gesagt haben, ist das einfach zynisch. Das heißt nämlich: Uns geht das gar nichts an, seht zu, wie ihr klarkommt! Wir verweisen euch darauf, es gibt ja Rechtsanwälte und Notare. Ich finde das zynisch! Ich finde, der Staat muss dem Bedürfnis von Menschen, ihre Lebensgemeinschaft zu unterstützen, nachkommen, und das tut dieses Gesetz.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Jetzt zur Sache mit der Ehe und Familie! Als Erstes müssen Sie einfach, auch als CDU-Fraktion, die ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

gesellschaftliche Realität zur Kenntnis nehmen, dass mittlerweile eine Mehrzahl von Kindern dauerhaft in so genannten Patchwork-Verhältnissen aufwächst. Die alte Leitkultur, der Sie ja immer so nachtrauern, nämlich Heirat, Kinder bekommen, er arbeitet, und sie ist bei den Kindern zu Hause, dieses Leitbild funktioniert nicht mehr. Das kann man jetzt vielleicht bedauern, man kann vielleicht auch sagen, die geistigmoralische Wende der CDU-Regierung ist daran Schuld. Das würde ich nicht sagen, ich würde sagen, moderne Gesellschaften mit einer sozialen Sicherheit für Menschen entwickeln sich so. Die Politik ist herausgefordert, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen und nicht den Menschen mit ihrer Art, wie sie zusammenleben wollen, Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das ist nämlich das Verfassungsgebot! Insbesondere wenn es in diesen Bindungen Kinder gibt, dann ist es besonders erforderlich, sie zu schützen, nämlich die Familie. Dann sage ich Ihnen noch einmal – Sie haben das, glaube ich, nicht zur Kenntnis genommen –, dass auch in schwulen und lesbischen Lebensgemeinschaften Kinder aufwachsen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es ist erforderlich, über die Regelung des kleinen Sorgerechtes sicherzustellen, dass es da keine Diskriminierung und Abwertung des Lebenspartners im Umgang mit den Kindern gibt, der hat ja auch eine Erziehungsaufgabe.

Zum Bundesverfassungsgericht möchte ich gern noch etwas sagen. Es ist ja richtig, dass man davon ausgehen kann, dass das Bundesverfassungsgericht weiterhin der Auffassung ist, dass die Ehe vor anderen Lebensgemeinschaften privilegiert werden soll. Wir sind auch fest davon überzeugt, dass das Lebenspartnerschaftsgesetz das nicht antastet. Es gibt eine ganze Reihe von Regelungen, die immer noch eine Distanz zur Ehe beinhalten.

Dann will ich Ihnen aber, wenn Sie jetzt hier schon mit dem Bundesverfassungsgericht wedeln, noch eine andere Sache zur Kenntnis geben. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich erst 1993 darauf hingewiesen, dass es vielfältige Behinderungen der privaten Lebensgestaltung bei homosexuellen Paaren gibt, die aus der fehlenden Möglichkeit zur rechtlichen Absicherung resultieren. Es hat betont, dass mit Fragen nach der Vereinbarkeit des derzeitigen Rechtszustandes mit Artikel 2 des Grundgesetzes, nämlich freie Entfaltung der Persönlichkeit, in Verbindung mit Artikel 1, Schutz der Menschenwürde, und Artikel 3, Gleichheit vor dem Gesetz, diese Fragen aufgeworfen werden. Die rotgrüne Bundesre

gierung wird mit ihrem Lebenspartnerschaftsgesetz dieses Verfassungsdefizit heilen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es wird dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes, diese Regelungsbedarfe wahrzunehmen, Rechnung tragen. Deshalb sage ich, ich kann es mir nicht vorstellen, dass es verfassungswidrig ist, es sei denn, man möchte gern, dass das Verfassungsgericht das tut, wobei ich ja immer noch glaube, dass das Ihr wirkliches Motiv ist, sicherstellen, dass es Regelungen für bessere und für schlechtere Menschen gibt.

Wenn Sie wirklich, wie Sie hier sagen, so liberal und offen sind, dann fordere ich Sie noch einmal auf, das zu tun, was Hamburg tut. Hamburg wirbt, Hamburg wirbt für die betroffene Gruppe, für die Gruppe der Schwulen und Lesben. Wenn man da am Bahnhof ankommt, findet man ein Faltblatt vor, daraus kann man ersehen, welche Angebote die Stadt für Schwule und Lesben macht, Beratungsangebote, Kneipen und Treffpunkte. Es ist ein tolles Stadtmarketing, und Bremen als Stadt hat eine oberzentrale Funktion im Umland. Ja, dann machen Sie das doch!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Zurufe von der CDU)

In Ordnung, ich habe das verstanden, Herr Herderhorst findet die Idee gut. Wir werden das einmal in den Wirtschaftsförderungsausschüssen auf die Tagesordnung bringen und sehen, ob das auch geklappt hat. Wir möchten gern, dass um diese Zielgruppe geworben wird, und wenn man das mit dem Werben auch ernst meinte, dann wäre es natürlich auch besser, wenn die Vertreter der Regierung sich weniger mittelalterlich in der Öffentlichkeit äußern würden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Oppermann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Linnert, ich habe vorhin gesagt, dass die Zeit der heilen Welt vorbei ist. Das hätten Sie auch hören können. Dass auch Kinder außerhalb von Ehen geboren werden, gab es schon immer so, aber es gab auch andere Zeiten in dieser Republik. Wenn ich gesagt habe, es geht in diesem Land niemanden etwas an, wer mit wem wie und auf welche Art und Weise zusammenleben will, dann unterstreiche ich das noch einmal.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin im Ländlichen groß geworden, und ich bin 1944 geboren. Viele der Väter meiner Freunde sind aus dem Krieg nicht zurückgekommen. Die Frauen haben dann mit anderen Männern zusammengelebt. Dann kam zu der Zeit noch die Polizei und sah nach, wo die Bettwäsche liegt oder ob ein zweites Bett getrennt von dem Schlafzimmer der Mutter war. Deswegen: Das geht niemanden etwas an, und das ist tiefe CDU-Überzeugung!

(Beifall bei der CDU)

Dass ich das persönlich bedauere, dass so viele Ehen kaputtgehen, dafür bin ich in meiner Fraktion bekannt. Viele Beschlüsse, die ich gern aus alter Tradition haben wollte, sind nicht mehr zeitgemäß, damit muss ich leben. Ich habe lange genug für andere Beschlüsse gekämpft, aber ich trage die Beschlüsse, die die CDU-Fraktion, und nicht nur die Fraktion, auch meine Partei jetzt gefasst hat, mit Bedauern, dass die Zeiten anders geworden sind, mit. Ich bin seit 30 Jahren glücklich verheiratet und habe nicht einen von diesen Tagen bedauert.

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Adolf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Engelmann hat auf sehr eindrucksvolle Weise den langen Weg der Diskriminierung hier aufgezeigt. Ich bedanke mich dafür, weil ich glaube, dass es eine sehr sachliche Darstellung war, der wir alle nur zustimmen können!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich glaube, es ist auch bei der CDU unstrittig, dass es diesen langen Weg der Diskriminierung gibt. Die Veränderungen im familiären Zusammenleben von Männern, Frauen, Eltern und Kindern sind ja vielschichtig und auch schon langjährig vorhanden. Familienreformpolitik der siebziger Jahre hat darauf Rücksicht genommen, hat Reformgesetze erlassen, ich nenne nur das Recht des nichtehelichen Kindes, das in den siebziger Jahren verbessert wurde, das Adoptionsgesetz, Ehe- und Familienrecht, die reformiert wurden. Allerdings war es so, dass gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften von all diesen Reformen bisher nicht profitiert haben, auch das, glaube ich, können wir unstreitig feststellen.

Zum aktuellen Sachstand vielleicht so viel: Frau Linnert hat eben schon darauf hingewiesen, 1993 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Eheschließung nur verschieden geschlechtlichen Paaren zusteht, das ist richtig. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch gleichzeitig einen Weg ge