Herr Kollege Oppermann, ich würde Sie gern fragen: Wenn Sie sagen, dass das Ganze sozusagen auch privat und vor dem Notar geregelt werden kann, können Sie trotzdem verstehen, dass es ja auch eine Frage der gesellschaftlichen Anerkennung ist, die man mit einem solchen Gesetz zur eingetragenen Partnerschaft erreichen will? Ich habe den Eindruck, dass Sie zu dieser gesellschaftlichen Anerkennung nicht willens sind.
Ich habe eben versucht klarzumachen, dass die CDU sich hinter dem Grundgesetz versammelt. Die Artikel 1, 2 und 3 habe ich Ihnen aufgezählt und den Artikel 6, der die Familie in besonderer Art und Weise schützt.
(Abg. T e i s e r [CDU]: Setzen! – Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/Die Grünen]: Wieso setzen? Ich stehe noch, ich habe noch eine Frage!)
Herr Kollege Oppermann, ich verstehe Ihre Begründung nicht. Wenn Sie sagen, Ehe und Familie sind vom Grundgesetz privilegiert, was ja richtig ist, warum glauben Sie eigentlich, wenn man andere Lebenspartnerschaften gleichstellt, dass das einen Angriff auf den Schutz von Ehe und Familie darstellt? Das ist doch durchaus nebeneinander denkbar, ohne dass der besondere Schutz von Ehe und Familie angegriffen wird.
Das zweifle ich an! An dieser Stelle unterbreche ich meinen Beitrag, wir haben ja noch eine zweite und dritte Runde. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte erst einmal kurz etwas richtig stellen: Herr Oppermann hat eben gesagt, dass die CDU-Fraktion nicht bereit gewesen wäre, der Großen Anfrage der SPD beizutreten. Ich glaube, so war es nicht ganz richtig. Sie haben vier Wochen lang über der Großen Anfrage gebrütet und geschlummert und haben neue Vorschläge gemacht, die ich dann in letzter Konsequenz nicht mehr bereit war mitzumachen, weil dort Fragen enthalten waren, die von meiner Sichtweise her in die völlig falsche Richtung gegangen sind. Von daher hat die SPD-Fraktion Ihre Fragen nicht akzeptiert, so wird der richtige Schuh daraus.
Der Senat antwortet auf die Große Anfrage mit dem Hinweis, dass die Länder bisher keine Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hätten und er seine Meinung zum Gesetzentwurf zur eingetragenen Lebenspartnerschaft im weiteren Gesetzgebungsverfahren festlegen werde. Nun, diese Aus
sage verwundert schon ein wenig, schließlich erklärte Finanzsenator Perschau am 21. Juli 2000 in einer Presseerklärung, und ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten, es kommt ein komplizierter Satz, aber vielleicht verstehen Sie ihn ja: „Als Angriff auf die Ehe als die Keimzelle jeder menschlichen Gesellschaft und Bruch mit der deutschen, europäischen Rechtstradition hat heute Finanzsenator Bürgermeister Hartmut Perschau den Gesetzentwurf der Berliner Regierungskoalition zu den eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften als neuem familienrechtlichen Institut bezeichnet. Eine Analyse des Gesetzentwurfes zeige, dass es um eine weitestgehende Gleichstellung homosexueller und lesbischer Lebensgemeinschaften“ – das müsste eigentlich heißen, schwuler und lesbischer Lebensgemeinschaften, aber gut – „mit Ehe und Familien gehe.“ Soweit das Zitat! Wenn das jetzt einmal keine Stellungnahme war!
Ich hätte es im Übrigen auch sehr begrüßt, wenn ich mit ihm hier hätte debattieren können, anstatt seine Meinung in der Talkshow „Sabine Christiansen“ am Sonntagabend zu erfahren.
Finanzministerkonferenzen gehen natürlich vor, ich habe dafür Verständnis. Gerade aber, dass so eine Aussage vom Finanzsenator kommt, überrascht umso mehr. Ihnen, Herr Senator Perschau, möchte ich Folgendes sagen: Zu Recht beklagen Sie den Verlust von Steuereinnahmen durch den Wegzug von Bremerinnen und Bremern. Was glauben Sie, welchen Eindruck schwule und lesbische Jugendliche von dieser Stadt haben, wenn der Finanzsenator solche erzkonservativen Töne anschlägt?
Glauben Sie, dass man sich in so einer Stadt als Schwuler und als Lesbe wohl fühlen kann? Ich sage Ihnen, was die jungen Menschen aus Bremen und umzu machen: Sie ziehen nach Hamburg, Köln oder Berlin. Warum? Weil dort ein Klima der Toleranz herrscht! Selbst Herr Diepgen in Berlin hat die Zeichen der Zeit verstanden. Bremen aber leistet sich den Luxus, junge Schwule und Lesben zu vergraulen. Herr Senator Perschau, denken Sie auch im Interesse der Bremer Finanzen um!
Gerade auch Schwule und Lesben sind gute Steuerzahler. Die CDU in Bremen gefährdet damit den liberalen Ruf dieser Stadt.
Lassen Sie mich zu dem Gesetz überleiten, welches am Freitag im Bundestag verabschiedet wurde! Ich möchte an dieser Stelle einmal kurz begründen, warum dieses Gesetz nicht nur für Schwule und Lesben so wichtig ist.
Erstens, Verantwortung in der Gesellschaft stärken: Die rotgrüne Bundesregierung will soziale Bindungen stärken. Familie erscheint heute aber in vielerlei Gestalt. Auch in homosexuellen Lebensgemeinschaften wird füreinander eingestanden, werden Werte gelebt, die für unsere Gesellschaft wichtig sind. Die eingetragene Lebenspartnerschaft trägt diesen Realitäten und der Vielfalt der Lebensformen Rechnung. Sie ist kein Angriff auf Ehe und Familie, wie es demagogisch gern behauptet wird, ganz im Gegenteil, sie stützt Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen wollen und die es jetzt schon tun. Die eingetragene Lebenspartnerschaft stärkt den Familiengedanken!
Zweitens, Diskriminierung abbauen: Bislang gelten homosexuelle Lebenspartner vor dem Gesetz als Fremde, selbst wenn sie jahrzehntelang zusammenleben und füreinander sorgen. Das ist ein absolut unwürdiger Zustand, der schwere Beeinträchtigungen der persönlichen Lebensgestaltung im Mietrecht, beim Erwerb gemeinsamen Eigentums, bei Auskunftsrechten, im Krankheits- und im Todesfall zur Folge hat. Besonders schwerwiegend ist die Rechtlosigkeit, wenn der Partner aus dem Ausland kommt oder wenn Kinder in der Partnerschaft aufwachsen. Gegen diese Diskriminierung helfen keine Verfügungen oder Notarverträge, hier hilft nur eine klare und umfassende rechtliche Regelung.
Drittens, Gerechtigkeit schaffen: Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist ein Gebot der Gerechtigkeit. Schon heute wird in gleichgeschlechtlichen Beziehungen Verantwortung gelebt. Lebenspartner übernehmen mit der Eintragung umfassende Pflichten. Sie sind einander gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet und entlasten damit die öffentlichen Kassen, beispielsweise bei der Sozialhilfe, der Arbeitslosenhilfe und beim Wohngeld. Im Gegenzug ist es nur gerecht, dass Unterhaltsleistungen auch bei der Steuer berücksichtigt und einkommenslose Lebenspartner in die Familienversicherung bei der Krankenkasse einbezogen werden.
Viertens, Integration fördern: Mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft akzeptiert der Staat Lesben und Schwule endlich als vollwertige Bürgerinnen und Bürger. Er holt sie vom Rand in die Mitte der Gesellschaft. Deutschland hat eine unheilvolle
Geschichte der staatlichen Verfolgung, ich habe in meinem ersten Beitrag darauf bereits hingewiesen.
Fünftens, Anschluss an Europa finden: Mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft findet unser Land Anschluss an die Entwicklung in Europa. Die skandinavischen Länder, die Niederlande und Frankreich haben gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften längst rechtlich anerkannt.
Weltoffenheit und Toleranz gelten im Zeitalter der Globalisierung als positiver Standortfaktor. In den 16 Jahren Kohl-Regierung ist Deutschland hier gesellschaftspolitisch ins Hintertreffen geraten. Rotgrün macht Schluss mit dem Hinterwäldlertum.
Sechstens, Weltoffenheit und Toleranz fördern: Die eingetragene Lebenspartnerschaft steht für Toleranz, Achtung der Bürgerrechte und für einen Pluralismus der Lebensformen. In Nachbarländern, die die eingetragene Lebenspartnerschaft eingeführt haben, ist die Akzeptanz von Schwulen und Lesben spürbar gewachsen.
Siebtens und letztens sage ich Ihnen ganz deutlich: Die Verfassung wird nicht gebrochen! Das Verdikt verfassungswidrig wird gern als Totschlagsargument gebraucht, wenn man eine inhaltliche Auseinandersetzung in der Sache scheut. Artikel 6 des Grundgesetzes stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates. Der besondere Schutz der Ehe umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes insbesondere a) das Grundrecht der Eheschließungsfreiheit, b) die Institutionsgarantie für die Ehe, c) ihre Leitbildfunktion, d) die Nichtbeeinträchtigung der Ehe und e) das besondere Benachteiligungsverbot für die eheliche Lebensgemeinschaft.
Keines dieser Prinzipien ist von der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft berührt, denn die Eheschließungsfreiheit ist selbstverständlich in keiner Weise tangiert. An der Institutionsgarantie wird in keiner Weise gerüttelt. Die Leitbildfunktion der Ehe kann naturgemäß nur für die gelten, die sie eingehen können, also nicht für Homosexuelle. Glauben Sie denn wirklich, dass ein potentieller Familienvater seine Angebetete nicht heiraten wird, weil er eventuell auch mit einem Mann eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen könnte? Wohl kaum!
Die Beeinträchtigung der Bereitschaft zur Eheschließung hat nur für solche Lebensformen Bedeutung, die nach dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts mit der Ehe konkurrieren, also für die verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Homosexuelle Paare haben keine Wahl zwischen eingetragener Lebenspartnerschaft oder Ehe. Keine einzige Ehe wird durch das neue Gesetz weniger geschlossen.
Für die eingetragene Lebenspartnerschaft sind keine identischen Rechte, geschweige denn bessere Rechte, wie von Senator Perschau gesagt, als für die Ehe vorgesehen. In einer Reihe von Bereichen sind Regelungen für Ehegatten auf Lebenspartner übertragen worden, in anderen nicht. So gibt es zum Beispiel für die Lebensgemeinschaften kein Adoptionsrecht, kein Ehegattensplitting, keinen Versorgungsausgleich. Staatliche Mittel werden durch die Existenz der eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht geschmälert, diese nimmt niemandem etwas weg.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, nach meinem Beitrag werden Sie sicher alle verstehen, dass ich dem Antrag der Grünen selbstverständlich zustimmen werde.
Ich weiß, dass viele meiner Kolleginnen und Kollegen in der SPD-Fraktion dies auch gern getan hätten.
Denen fällt es außerordentlich schwer, dem Antrag nicht zuzustimmen. Sie wissen aber auch, dass es unter den Koalitionsfraktionen nicht üblich ist, gemeinsam mit der Opposition den Koalitionspartner zu überstimmen. Um der Bedeutung dieses Reformprojektes jedoch gerecht zu werden, wird sich die gesamte restliche SPD-Fraktion der Stimme enthalten. Dies ist als deutliches Zeichen an alle Schwulen und Lesben in Bremen zu werten, und anders als Frau Linnert bewerte ich das als durchweg positiv.