Protocol of the Session on November 16, 2000

Die große Koalition muss nun nicht auch noch in diesem Punkt nachhaltig den liberalen Ruf Bremens ruinieren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es gab die zentrale Begründung für die große Koalition, in der letzten Zeit ist es ein bisschen leiser geworden, aber am Anfang war es ganz toll, das war Bundestreue. Bremen als ein Nehmerland und als ein Land, das ganz toll unterstützt wird, soll sich bundestreu verhalten. Nun seien Sie doch einmal bundestreu!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Oder gilt eine solche Begründung eigentlich nur, wenn es eine konservative Bundesregierung gibt?

Zu meinen Kolleginnen und Kollegen von der SPD möchte ich gern noch etwas sagen. Aus der Zeitung konnte ich erfahren, dass sich ein Großteil Ihrer Fraktion bei unserem Antrag enthalten will. Die Grünen haben vor ein paar Wochen eine Reise nach Berlin gemacht und dort mit Vertretern der Grünen gesprochen. Wir haben uns ein bisschen darüber informiert, wie es da eigentlich in der Koalition ist, welche Mög

lichkeiten es da gibt, welche Spielregeln es da gibt. Da kann ich Ihnen nur sagen, dort gibt es einen sehr viel liberaleren Umgang in der großen Koalition miteinander und sehr viel mehr Freiheiten, die man sich da lässt.

(Unruhe bei der CDU)

Gut, das ist jetzt Ihre Sache, wie Sie das untereinander regeln! Was man aber auf jeden Fall lernen konnte, ist, in diesem Fall machen Sie das, was man auf jeden Fall sagen kann, ein freierer Umgang ist gut für die Demokratie. Wenn nicht Koalitionsverträge, nämlich Verträge, die zwischen Parteien geschlossen werden, die freien Entscheidungen frei gewählter Abgeordneter in verfassungswidriger Weise außer Kraft setzen sollen, dann müssen Sie hier heute zustimmen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

40 von Ihnen haben die Initiative „Bremen sagt ja“ unterschrieben. Sie sollten sich jetzt hier nicht anders verhalten. Sie sollten hier auch mit Ja abstimmen. Sagen Sie ja zu unserem Antrag!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Oppermann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Frau Linnert, ich bin immer im Zweifel, wenn ich Ihre Vorstellungen über CDU-Menschen höre. Sie sollten vielleicht einmal Ihre Berührungsängste mit CDUMenschen überwinden. Alles das, was Sie gesagt haben, kann ich mit einem einzigen Wort abtun: Quatsch!

(Beifall bei der CDU)

Es geht in diesem Land niemanden etwas an, wer mit wem auf welche Art und Weise zusammenleben will. Dies, manche mögen es nicht glauben, ist auch eine der fundamentalen Aussagen der CDU. Deswegen war eines unserer Mottos in der letzten Zeit auch „Toleranz ja, Ehe nein“. Das ist eine der Kampagnen gewesen, die wir in der letzten Zeit gestartet haben.

Wir wären als Christdemokraten auch schlechte Demokraten, wenn wir den Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes, die freie Entfaltung der Person, Artikel 3, die Gleichheit vor dem Gesetz, und Artikel1, die Menschenwürde, die uns unser Grundgesetz auferlegt, nicht ohne Wenn und Aber respektieren würden. Unser Grundgesetz, so habe ich gelernt und auch unterrichtet, ist ein aktives Gesetz, das alle Bür

ger dieses Landes auffordert, dieses Grundgesetz und das, was darin steht, zu schützen und umzusetzen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist gut, dass in der heutigen Zeit die Zahl derer, die offen oder versteckt mit Fingern auf Mitmenschen zeigen, die sich zu einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft bekennen, immer weiter abnimmt. Das war, wie wir alle in diesem Haus wissen, wir sind alt genug, nicht immer so. Dass das Herr Engelmann in eindrucksvoller Weise geschildert hat, finde ich gut. Das gehört auch zu dieser Debatte, und ich danke Ihnen ausdrücklich dafür, dass Sie diesen Weg hier aufgezeigt haben.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Nun mag es in solchen aus freier Entscheidung gewählten Lebensgemeinschaften Probleme geben, die einer Regelung bedürfen. Das ist auch gar nicht streitig. Dass aber Rotgrün nun gleich ein Gesetz macht, dass eine solche Verbindung der Ehe nahezu gleichgestellt wird, ich glaube nicht, dass das von den meisten Menschen in unserem Land begeistert aufgenommen wird und dass das geteilt wird.

(Beifall bei der CDU – Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Gesetzliche Regelungen sollten sich auf ein Gebiet beschränken, in dem es sonst keine zivilrechtlichen Lösungen gibt. Es sind einige von Herrn Engelmann aufgezählt worden. Es hätte genügt, dort Hilfe zu geben, wo Hilfe notwendig ist, alles andere wäre durch eine notariell beurkundete Erklärung der Partner zu regeln gewesen. Ich gehe auch auf diese Besuchsregelung im Krankenhaus ein. Wer sich entscheidet, in einer bestimmten Art zu leben, muss eben auch für alle Dinge Vorsorge treffen, und wenn man seine Liebe offen bekennen will, kann man auch zum Notar gehen und sagen, wir wollen unser gegenseitiges Auskunfts- und Besuchsrecht regeln lassen.

Die Neuregelung hat zur Folge, dass mehr als 100 Gesetze und Verordnungen geändert werden müssen. Ich habe mir das einmal ausdrucken lassen, meine Damen und Herren, sieben Seiten davon sind Gesetzestext, 65 Seiten sind Verordnungen, die zu verändern, neu zu regeln sind. Ich finde, das ist eine ganz tolle Beschäftigungstherapie.

(Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/ Die Grünen]: So kann man Abneigung auch kaschieren!)

Die CDU-Fraktion hat aber den gleichen Respekt vor den Artikeln 1 und 2 wie auch vor dem Artikel 6 des Grundgesetzes. Ausdrücklich haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes in diesem Artikel die Ehe und Familie gleichberechtigt unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellt, weil nur aus der Verbindung zwischen Mann und Frau Kinder entstehen können, nur diese Kinder sichern die Existenz unseres Gemeinwesens.

(Zuruf des Abg. K l e e n [SPD] – Abg. F o c k e [CDU]: Das ändert aber nichts an den Tatsachen!)

Hören Sie doch ganz ruhig zu!

(Glocke)

In den folgenden Absätzen 2 bis 5 des Artikels 6 des Grundgesetzes sind genau diese Rechte der Kinder, auch der nichtehelichen Kinder, verankert. Das begründet die Wichtigkeit des Artikels 6 des Grundgesetzes. Auch für diesen Artikel 6 „Schutz der Ehe und Familie“ gilt, dass wir alle aufgefordert sind, diesen Artikel zu schützen und umzusetzen.

(Beifall bei der CDU)

Ehe und Familie sind die Keimzelle jeder staatlichen Gesellschaft und die beste Grundlage dafür, dass Frau und Mann aus gegenseitiger Liebe und Achtung die partnerschaftliche Verantwortung füreinander und insbesondere als Eltern den Kindern gegenüber tragen. Dass die reine Lehre heute nicht mehr gilt, wissen wir alle. Auch außerhalb von Familien werden Kinder geboren, das war übrigens schon immer so, das ist keine Erfindung der Neuzeit.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen)

Deshalb sagt die CDU heute auch, und das ist für Sie vielleicht auch interessant, Familie ist dort, wo Kinder sind.

(Abg. K l e e n [SPD]: Das gilt selbst für Patrick Lindner!)

Die Rechte, die sich aus dem Grundgesetz ableiten lassen, gelten auch für die allein erziehende Mutter, auch für den allein erziehenden Vater mit einem oder mehreren Kindern. Wegen dieser umfassenden Bedeutung von Ehe und Familie ist die Rechtsordnung in Deutschland so gestaltet, dass der Wert der Familie weder beschädigt, gemindert noch verschleiert werden kann. In der Vergangenheit hat das Bundesverfassungsgericht alle Versuche, die zentrale Stellung der Familie und Ehe aufzuweichen,

entschieden zurückgewiesen. Die CDU-Fraktion in diesem Haus stützt und teilt diese Aussage des Grundgesetzes und Bundesverfassungsgerichtes.

Meine Damen und Herren, wenn alles gleich wichtig ist, dann ist am Ende eigentlich gar nichts mehr wichtig.

(Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/ Die Grünen]: So ein Unsinn!)

Das haben die Verfasser des Grundgesetzes auch schon gewusst, deswegen noch einmal die Aussage: Die typischerweise auf Familie angelegte Ehe verdient den Schutz der Verfassung und hat allein Anspruch auf Förderung, denn ohne Familie wäre die Generationenfolge nicht gewährleistet. Das Argument, die Familie und ihr Fortleben mit den Kindern sind eine Quelle, die der Staat braucht und deshalb unter den besonderen Schutz staatlicher Gewalt stellt, ist mehrfach von den obersten Richtern bei Entscheidungen benutzt worden.

(Beifall bei der CDU)

Dagegen verstößt dieses Gesetz! Wir leben doch nicht in den Tag hinein! Der Spruch, den gerade die Grünen immer vor sich hertragen, wir haben die Erde nur von unseren Kindern geliehen, hat doch Bedeutung. Der Staat privilegiert die Familie, weil sie die kleinste, aber wichtigste soziale Einheit unserer Gesellschaft bildet und die Quelle der Sozialisation des Menschen ist.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie, Herr Kollege Engelmann und die SPD-Fraktion, haben nun Fragen an den Senat gestellt, in denen Sie Auskunft über die Lebenssituation von Lesben und Schwulen in Bremen und Bremerhaven erfahren wollten. Wir haben uns in dem Zusammenhang ja getroffen und an einigen Formulierungen gefeilt, eine von Ihnen habe ich wieder gefunden, die haben Sie weiterhin darin gelassen. In meiner Fraktion ist aber der Verdacht entstanden und hat sich verstärkt, dass es Ihnen vielleicht gar nicht in erster Linie um die Beantwortung der Fragen geht, sondern dass Sie sich vehement für die Durchsetzung oder den Beschluss dieses Lebenspartnerschaftsgesetzes einsetzen wollen. Das hat uns dazu bewogen, obwohl wir die Fragen, die Sie gestellt haben, durchaus hätten unterschreiben können, nicht zu dieser Großen Anfrage beizutragen wegen der grundsätzlich unterschiedlichen Haltung.

(Beifall bei der CDU)

Eigentlich, so meine ich, können Sie doch mit den Antworten ganz zufrieden sein, abgesehen davon,

dass der Senat noch keine abschließende Meinung zum Lebenspartnerschaftsgesetz hat, das wird Sie ärgern, das verstehe ich auch. Die Antworten auf einige Fragen sind durch den Beschluss in Berlin allerdings überholt, aber ich werde hier trotzdem auf die einzelnen Fragen eingehen.

Die Unterstützung von Selbsthilfegruppen und Initiativen, die sich als Ziel gesetzt haben, gleichgeschlechtliche Lebensformen zu unterstützen, hat, wie wir der Antwort des Senats entnehmen können, in Bremen Tradition. Diese Tradition setzen wir auch in Zeiten knapper Kassen in Bremen und Bremerhaven gemeinsam weiter fort, auch mit den Stimmen der CDU-Deputierten. Einschränkungen müssen im Moment alle Initiativen auf sich nehmen, das ist in Zeiten knapper Kassen eben so.

Die meisten Dinge, die Sie kritisieren oder nachfragen, können auch ohne ein solches Gesetz geregelt werden. Wenn sich zwei Menschen darüber einig sind, für sich eine solche Lebensgemeinschaft zu bilden, können sie zum Notar gehen und zwischen sich alle Dinge regeln lassen. Das gilt auch für das Erbrecht! Außerhalb des Pflichtteils hat jeder Erblasser für seine Entscheidung sehr viel Spielraum. Ich sehe die Juristen auf unserer Seite nicken. Ein solcher Vertrag, der diese zwei Menschen bindet, bindet auch andere Menschen an die Entscheidung dieses Paares. So wäre eine Auskunft im Krankenhaus und in der Schule die normalste Sache der Welt.

(Beifall bei der CDU – Glocke)