Diese Beurteilungsform verlangt allerdings moderne Lehr- und Lernformen, damit sich die genannten Fähigkeiten zielgenauer beurteilen lassen. Das heißt, der Unterricht muss vor allem handlungsorientiert und fächerübergreifend sein und jederzeit die Möglichkeit eines sinnvollen Methodenwechsels gewährleisten. Die Schule muss weg vom permanenten frontalen Belehren hin zum handlungsorientierten Lernen, denn Lernen benötigt immer wieder Nähe und Distanz zum Handeln. Es besteht aus laufendem Experimentieren, aus Umwegen und Fehlversuchen.
Die Zukunft benötigt keine Schüler mit dem Bewusstsein eines Dienstes nach Vorschrift und einer dauernden Anpassung, sondern Schüler, die vor allem selbständig im Team denken und handeln lernen.
Als Fraktion begrüßen wir deshalb, dass der Senat einen Modellversuch über Beurteilungsmöglichkeiten in den Schlüsselqualifikationen an zirka 30 Schulen aller Stufen durchführen will. Wir erwarten aber hierzu eine wissenschaftliche Begleitung und die Einbeziehung der Erfahrungen aus den anderen Bundesländern.
ben! Die Beurteilung des Schulverhaltens ist immer etwas anderes als die Beurteilung des Arbeitsverhaltens im Betrieb. Von daher sollten die Beurteilungen nicht am Ende der Bewerbungsjahrgänge stattfinden, da die Arbeitgeber genug Möglichkeiten besitzen, das Verhalten des künftigen Auszubildenden zu testen, sei es durch das Anbieten von Praktika, durch Einstellungstests und -gespräche oder als dritten Punkt die dreimonatige Probezeit. Ich denke, das ist ausreichend, einen Schüler zu beurteilen.
Fehlzeitenanzeigen werden nicht benötigt, denn Fehlzeiten sollten umgehend angemahnt werden. Ich erwarte von der Schule, dass die Eltern umgehend informiert werden, wenn jemand fehlt. Dann muss man die Fehlzeiten nicht gesondert ausweisen.
Auch an den Teilzeitberufsschulen, meine ich, sollten wir diese Beurteilung entfallen lassen, denn die Schüler werden permanent in ihrem Betrieb beurteilt. Das würde nur zusätzliche Arbeit erzeugen.
Auch sollte der Arbeitsaufwand für die Lehrkräfte ermittelt werden, damit die Beurteilungsform weiterhin individuell vonstatten gehen kann und nicht aus Zeitgründen Textbausteine verwendet werden. Es ist auch möglich, die Beurteilung in Rasterform durchzuführen.
Doch nun eine kleine Bemerkung zum Schluss! Wir haben heute Morgen sehr viel über neue Werte und Werteverfall gehört. Falls jemand die Hoffnung hat, durch diese Kopfnoten in alter Form diese Werte neu zu definieren, dem kann ich nur sagen, der täuscht sich! Werte müssen nicht dauerhaft proklamiert werden, sondern von uns, den Erwachsenen, auch tatsächlich gelebt werden.
Wenn wir dies beherrschen, dann sehe ich für die Zukunft und für das Wertebewusstsein unserer Jugend keine Probleme. — In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin etwas verunsichert, was den Beginn dieser Debatte angeht, weil mir gesagt worden ist, dass Radio Bremen seit heute Morgen meldet, dass es diese Debatte gibt und die Grünen gegen Kopfnoten seien. Ich kann mich überhaupt nicht daran erin
Das ist durchaus möglich, aber ich finde, dass es irgendwie auch typisch für die Situation ist. Diese Debatte wird ein bisschen nach dem Motto geführt: Die Antwort ist Ja, aber wie, bitte, lautet die Frage? Frei nach Woody Allen!
Es ist in dem Beitrag des Kollegen Brumma deutlich geworden, dass sich unter dem Begriff Kopfnote ganz verschiedene Strategien verstecken, und die Einigkeit der großen Koalition in dieser Frage, auch das konnte man den Redebeiträgen entnehmen, bezieht sich auf den Begriff Kopfnote, und alles das, was sich unterhalb dessen abspielt, ist kontrovers, wie etwas kontroverser eigentlich nicht sein kann.
Aufgekommen ist diese Debatte in Sachsen, das wurde auch schon gesagt. Ich möchte, weil das ganz nett ist, noch einmal kurz darauf hinweisen, was dort als Kopfnote verstanden wird, nämlich Ordnung, Mitarbeit, Betragen und Fleiß. Dann ist in der Pressemitteilung, damit das nicht ganz so hoffnungslos erscheint, Folgendes gesagt, ich zitiere mit der Genehmigung des Präsidenten: „Vergeben werden die Ziffernnoten ,Eins‘ bis ,Fünf‘, die Note ,Sechs‘ wird nicht erteilt, um dem Ziel einer ermutigenden, zur Besserung anhaltenden Erziehung gerecht zu werden.“
Ich glaube, das kennzeichnet es ganz gut. Wenn wir über den Begriff Kopfnoten reden, dann reden wir über Beurteilung von Schlüsselqualifikationen bis hin zur traditionellen Werteerziehung, was auch immer das heißt, also das, was früher in den Zeugnissen meiner Generation oben darüber stand mit dem Schwatzen, mehr Aufmerksamkeit und was das alles ist.
Das stand jedenfalls im Kopf meines Zeugnisses. Wir können unsere Zeugnisse einmal austauschen, Herr Beckmeyer, wenn wir uns gegenseitig verpflichten, diese nicht an Dritte weiterzugeben!
Natürlich hat die Debatte einen sehr ernsten Hintergrund. Ich glaube, dass der Hintergrund deutlich ernster ist als nur der Wunsch, das haben zu wollen, wie es früher einmal war. Ein wesentlicher Punkt ist das, was die Wirtschaft an Anforderungen setzt, das muss man ganz klar sagen. Die Wirtschaft möchte gern einen Teil ihrer eigenen Beurteilungspraktiken schon als Indikator, nicht als endgültigen Maßstab,
in das Vorfeld verlagern. Das heißt, sie möchte bei der Bewerbung schon sehen, wie die jungen Menschen in der Schule beurteilt werden. Da muss ich an der Stelle sagen, das halte ich auch erst einmal für ein legitimes Interesse, obwohl ich es nicht richtig finde, dass man Schule nur an der Verwertbarkeit im Arbeitsleben ausrichten sollte. Bildung ist schon noch etwas mehr!
Ich finde, das ist für die Jugendlichen an sich zum heutigen Zeitpunkt kein großes Problem, weil das Leitbild in den meisten Betrieben ein durchaus demokratisches ist, das sich orientiert auf den selbständig handelnden Menschen und nicht auf den anweisungsbezogenen Automaten. Gerade dieses Leitbild hat es möglich gemacht, dass eine der wichtigsten pädagogischen Schriften dieser Zeit, nämlich das Gutachten von Nordrhein-Westfalen, sowohl von Reformpädagogen als auch Wirtschaftsleuten getragen wird. Genau dieser fortschrittliche pädagogische Ansatz drückt sich auch in dem Wunsch der Wirtschaft aus. Ich würde da keine Gefahr sehen, dass nun gesagt wird, die Wirtschaft will die Jugendlichen nur unter Kapitalverwertungsbedingungen beurteilen. So einfach ist die Welt an der Stelle nicht. Das würde ich auch als Anspruch durchaus akzeptieren.
Ein zweiter Gesichtspunkt ist, was das Bewusstsein der Schüler und Schülerinnen ausdrückt. Da fangen aber auch gleichzeitig die Probleme an. Jeder, der mit Jugendlichen zu tun hat und sich vielleicht an seine eigene Universitätszeit erinnert, weiß, dass oft die Dinge wichtig sind, die auch in Beurteilungen eingehen, das heißt also, es ist durchaus zwiespältig, was dort passiert. Auf der einen Seite wollen wir alle eine Veränderung des Schullebens in Richtung Schlüsselqualifikationen, eigenständiges und eigenverantwortliches Arbeiten, mehr Qualität in der Schule, auf der anderen Seite sagen wir aber, wenn das auch beurteilt werden soll, dann wird das ganz schwierig.
Ich finde, man muss sich hier letztlich entscheiden, in welcher Form man damit umgehen will. Es ist, glaube ich, auf Dauer eine Illusion zu sagen, wir beurteilen nur Mathematik und Deutsch, also die klassischen Fächer, und das, was wir eigentlich wollen, beurteilen wir lieber nicht, weil man damit natürlich den Stellenwert zerstört. Das ist völlig klar.
Das Dritte, das ich anmerken möchte, ist, dass ich die Debatte teilweise nicht so ganz verstehe. Wir haben nämlich, das ist angesprochen worden, Lernentwicklungsberichte, und das sind genau solche Formen von Beurteilungen, in den Grundschulen. Nun haben verschiedene Schulen in der Sekundarstufe I versucht, die Praxis der Lernentwicklungsberichte nach oben hin fortzusetzen, und das ist auf heftigen Widerstand gestoßen, und zwar hauptsäch
lich ausgerechnet von der CDU und auch von der Bildungsbehörde. Die CDU reagierte heftiger, weil sie gesagt hat, sie wolle Ziffernnoten, „Eins“ bis „Sechs“, durch alle Kategorien, das ist so schön einfach, so einen Menschen einzuteilen.
Ich finde, an dieser Tradition anzuknüpfen, dass sich also dort eine Reform von unten entwickelt, das ist die Aufgabe und nicht etwa, top to down, von oben ein neues Modell zu propagieren und aufzusetzen. Das ist für mich die Aufgabe.
Ich habe bei Ihnen so lange Beiträge bezahlt, da können sie hin und wieder auch wenigstens einmal klatschen.
Wenn man einen solchen Anspruch formuliert, dann muss man sagen, man kann natürlich nur etwas beurteilen, was auch Realität in der Praxis ist. Da fangen bei uns die Probleme an. Die heutigen Schulen sind eben nicht die, die in erster Linie Schlüsselqualifikationen vermitteln. Die heutigen Schulen sind nach wie vor die, die im Fünfundvierzigminutentakt im Wesentlichen eindimensional, lehrerzentriert ablaufen.
Nein, das geht nicht gegen die Kollegen, das geht dagegen, wenn Sie so wollen, dass sich die Schulen bei weitem noch nicht im ausreichenden Maße verändert haben. Die Qualität von Schule steht nicht unbedingt im Mittelpunkt, auch nicht in den öffentlichen Debatten manch jetziger Schulreform, sondern ganz andere Sachen. Ich sage Ihnen nur, wenn man die Klassenverbände immer größer macht, zum Beispiel Gymnasialklassen in der Sek I 33 Schüler mit einer Lehrkraft, und dann im Zweistundentakt die Lehrkraft wechselt, dann ist eine sachgerechte Beurteilung von individuellen Verhaltensweisen und Fähigkeiten in dieser Form nicht möglich. Das muss man einfach akzeptieren.
Durch besondere Anforderungen, zum Beispiel durch die Anforderung des integrativen Unterrichts, also Einbeziehung von lernbehinderten Kindern, aus welchen Gründen auch immer das so ist, wird es natürlich auch schwieriger, Einzelne zu beurteilen, weil deren Verhaltensweisen ja noch schwieriger zu kategorisieren sind, weil die Ausgangsbedingungen einfach sehr unterschiedlich sind. Deswegen kann ich verstehen, dass die Schülerinnen und Schüler
an der Stelle ganz deutlich sagen, wir sehen in erster Linie die Gefahr der Disziplinierung, weil die Realität mit dem, was hier an Anspruch formuliert wird, überhaupt nicht übereinstimmt.
Meine letzten drei Minuten haben begonnen, deswegen möchte ich jetzt nicht auf die Notengebung im Allgemeinen eingehen, sondern sagen, worum es uns geht. Eigentlich geht die Debatte um die Qualität von Schule. Diese wird mit der Kopfnotendebatte auf das Objekt Schüler reduziert. Das halten wir für falsch.
Es gibt des Weiteren keinen gesellschaftlichen Konsens über die zu beurteilenden Handlungen. Also, wir wissen doch: Werteverfall auf allen Ebenen! Wir hatten ja heute Morgen auch so eine Diskussion. Das hat auch mit Werteverfall zu tun, was wir als Erwachsene den Jugendlichen vorleben. Wenn wir nach dem Motto handeln, legal, illegal, schön ist die Welt, dann ist es einfach so, dass wir uns nicht wundern müssen, wenn die Jugendlichen sich so verhalten, wie wir es ihnen vorleben. Irgendwo haben die das nämlich immer her.
Ja, das ist so im Leben! Dass Sie empfinden, dass ich Mist rede, liegt wahrscheinlich daran, dass wir einfach in zwei unterschiedlichen Parteien sind.