Ich darf erinnern an den Modellversuch Mittelstufe Plus, der nicht umsetzbar ist. Das hat mittlerweile auch die Staatsregierung erkannt. Wir haben damit zwei Jahre wertvolle Zeit verloren. Jetzt haben wir Vorschläge aus dem Kultusministerium, dass sich die Schulen irgendwie entscheiden sollen, ob sie G 8, G 9 oder beides machen wollen. Dies wird die Situation in Bayern nicht beruhigen. Eine solche Lösung, die jetzt vom Kultusministerium ventiliert wurde, würde an den Schulen und den Standorten in Bayern zu Unruhe und dazu führen, dass es eben keine Klarheit gibt. Sie würde übrigens auch zu viel Unruhe im Landtagswahlkampf führen. Ich kann mir also nicht vorstellen, dass Sie diese Lösung wirklich vorhaben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Kultusminister macht da eine relativ unglückliche Figur. Er kommt mir wie einer vor, der zwischen zwei Mühlsteinen steckt. Auf der einen Seite will der Ministerpräsident Ruhe und eigentlich ein G 9, und auf der anderen Seite will seine CSU-Fraktion beim G 8 bleiben. Weil der Minister aus diesen beiden Mühlsteinen nicht heraus
kommt, agiert er unglücklich und macht Vorschläge, die nicht umsetzbar sind. Herr Minister Spaenle, wir sagen: Schluss mit dem Wischiwaschi beim G 9. Wir brauchen endlich eine klare Aussage.
Es ist schon interessant, dass nach einer Umfrage der Landes-Eltern-Vereinigung nur 9 % der Eltern der Variante des Ministers zugestimmt haben. Die 9 % sind so ähnlich wie das Ergebnis des Volksbegehrens der FREIEN WÄHLER, die auch ein solches Wischiwaschi-Modell vorgeschlagen hatten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt geht es um klare Aussagen. Es ist unsere Aufgabe als Politiker, die Rahmenbedingungen festzulegen, und eine dieser Rahmenbedingungen sind neun Jahre. Deswegen schlagen wir mit unserem Gesetzentwurf folgende Eckpunkte vor: Erstens. Die Regelausbildung am Gymnasium dauert neun Jahre; innerhalb dieser neun Jahre sind Schulzeitverkürzungen möglich. Zweitens. Es gibt kein Zurück zum alten G 9 – also nichts für Nostalgiker –, sondern das Gymnasium muss weiterentwickelt und reformiert werden. Wir brauchen ein "G 9 neu".
Auch da machen wir uns nichts vor: Das "G 9 neu" ist nicht kostenneutral zu bekommen. Man kann es aber auch nicht auf Kosten der Kommunen realisieren. Deswegen sagen wir: Das Land muss die Verantwortung für zusätzliche Lehrerstellen übernehmen, außerdem muss für eine Kostenerstattung an die Kommunen nach dem Konnexitätsprinzip gesorgt werden.
In unserem Gesetzentwurf – das ist ein ganz dürrer Text – umfasst das Gymnasium die Klassenstufen 5 bis 13. Das bedeutet, dass die Schülerinnen und Schüler nach unserem Konzept mehr Lernzeit auf dem Weg zum Abitur bekommen. Ich halte nichts von den Vorschlägen, wie sie aus dem Hause Spaenle kamen, dass der Stoff von acht auf neun Jahre gestreckt werden soll. Nein, die Schülerinnen und Schüler brauchen mehr Zeit, um intensiver und vertieft zu lernen, um mit mehr Übungsphasen nachhaltiger zu lernen, um stressfreier zu lernen, aber auch um nachdenken und reflektieren zu können. Wir müssen dem Gymnasium zudem mehr Zeit für Inhalte und für Persönlichkeitsentwicklung geben sowie – davon war vorhin schon die Rede – für politische und gesellschaftliche Bildung.
Das "G 9 neu" bedeutet eine Reform des Gymnasiums; denn diese Schulart hat sich stark verändert. Vor 14 Jahren lag die Übertrittsquote aufs Gymnasium noch bei 30 %, heute beträgt sie bayernweit 40 %; in einzelnen Orten liegt sie noch wesentlich höher. Die heutige Schülerschaft ist wesentlich heterogener als früher, mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und unterschiedlichen Hintergründen in den Elternhäusern.
Das Gymnasium wird sich in Zukunft einer noch größeren Schülerschaft öffnen müssen. Dabei denke ich zum Beispiel an die Kinder mit Migrationshintergrund oder an die Kinder aus Flüchtlingsfamilien, die ebenfalls das Recht haben müssen, aufs Gymnasium zu gehen, wenn sie die entsprechende Eignung mitbringen. Dann muss sich das Gymnasium aber auch auf diese Schülerinnen und Schüler einstellen.
Daher brauchen wir insgesamt eine Reform des Gymnasiums, eine Veränderung in der Lern- und Leistungskultur, auch in der Leistungsmessung und in der Art und Weise, wie unterrichtet wird. Wir benötigen also das "G 9 neu".
Auch unser Konzept sieht vor, dass die Schulzeit verkürzt werden kann, dass die Möglichkeit besteht, das Gymnasium in acht Jahren zu durchlaufen. Beispielsweise könnte nach der 10. Klasse gewählt werden, ob das Abitur mit Abschluss der 12. oder der 13. Klasse abgelegt wird. Dafür brauchen die Schülerinnen und Schüler jedoch Unterstützung; hierfür wären Förderangebote in den Klassen 9 und 10 notwendig. Sicherlich bestehen noch andere Möglichkeiten der individuellen Verkürzung. Wichtig ist jedoch, dass man das Gymnasium von neun Jahren her denkt und dann in die Verkürzung gehen kann. Das Ganze funktioniert nicht, wenn man es von acht Jahren her denkt und von da aus in die Verlängerung geht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie einem GRÜNEN ein Beispiel aus der Autofahrer-Szene. Niemand würde einen Beschleunigungsstreifen auf der Autobahn länger bauen als die normale Fahrspur; das würde gar nicht funktionieren. Die Beschleunigungsspur muss kürzer sein. So muss auch das Gymnasium auf neun Jahre ausgerichtet sein.
Wenn von der Gymnasialreform die Rede ist, müssen wir auch ein Wort über das Geld verlieren. Dieser Aspekt kommt mir in den letzten Jahren ein wenig zu kurz. Da wird immer wieder der Eindruck erweckt, man könne einfach so acht Jahre auf neun Jahre strecken und der Lehrplan bliebe gleich. Der Minister spricht immer vom "Stoff, der gleich bleibt". Wenn
man jedoch einen Stoff immer mehr dehnt, von acht auf neun Jahre, dann zerreißt dieser Stoff irgendwann, und dann ist er nichts mehr wert. Wir brauchen also eine Neukonzeption der Lernzeit fürs Gymnasium, und zwar ausgerichtet auf neun Jahre. Hierfür werden natürlich mehr Mittel benötigt.
Ich darf daran erinnern, dass im Haushalt 2014 – das ist noch gar nicht so lange her – 1.458 Lehrerstellen gestrichen worden sind mit dem Hinweis: Wegfall der 13. Klasse. Es ist doch logisch, dass zumindest ein Teil dieser Lehrerstellen wieder besetzt werden muss, wenn die 13. Klasse wieder eingeführt wird.
Deswegen sagen wir: Wir brauchen 1.000 zusätzliche Lehrkräfte, die noch aufgebaut werden müssen, wenn wir ein neunjähriges Gymnasium einführen wollen.
Im Zusammenhang mit "G 9 neu" ist wichtig, dass diese neun Jahre im Gesetz verankert werden müssen, und zwar vor allem für die Kommunen. Die Kommunen brauchen Planungssicherheit; sie müssen wissen, wohin die Entwicklung geht. Sie müssen ihre Schulen planen, sie müssen gegebenenfalls Neubauten errichten, weil G 9 natürlich mehr Räume benötigt als G 8. Ein Reformgymnasium braucht ohnehin mehr Räume als das alte G 8. Insofern müssen die Kommunen wissen, wohin die Reise geht, und zwar jetzt.
Außerdem muss klar sein, wie das Ganze finanziert werden soll, damit die Lasten nicht bei den Kommunen hängenbleiben. Wenn die neun Jahre ins Gesetz hineingeschrieben werden, ist klar, dass hier entsprechende Konnexität gilt. Diese Fragen müssen dann mit den Kommunen geklärt und die Kosten erstattet werden. Der Präsident des Bayerischen Städtetags hat eine Summe von 1,5 Milliarden Euro genannt, die auf die Kommunen zukommen könnte. Auch wir gehen mal von dieser Zahl aus; wenn es dann weniger wird, soll es uns allen recht sein. Wir sollten hier jedoch keine falschen Tatsachen vorgaukeln.
Wir brauchen Klarheit, und deshalb ist der jetzige Zeitpunkt genau richtig für unseren Gesetzentwurf. Ich hoffe auf gute Beratungen.
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat sowohl zur Aussprache als auch zur Begründung der Kollege Güll von der SPD das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Fast ist man versucht zu sagen: Man kann diese Diskussionen über die G-8- und G-9-Laufzeit schon bald nicht mehr hören. Dennoch ist es notwendig, jetzt endlich den Sack zuzumachen.
Ich zitiere: Es wird einen gewissen Prozentsatz von Schülerinnen und Schülern geben, um die 30 % meiner Meinung nach, die schneller ans Ziel wollen, und die können das auch. – Das ist eine Erkenntnis des Herrn Ministerpräsidenten. Im Umkehrschluss heißt das: Er ist wie wir der Meinung, dass 70 % oder 75 % der Schülerinnen und Schüler, vielleicht auch mehr, eine längere Bildungs- und Lernzeit brauchen. Der Ministerpräsident hat sich mittlerweile unseren Argumenten angeschlossen, und das ist auch ganz legitim.
Wenn man, so wie es auch der Ministerpräsident gerne macht, an die Basis zu den Bürgerinnen und Bürgern geht und sich dort einmal umhört, dann kann man so einiges an Meinungen sammeln. Daher möchte ich Ihnen kurz ein paar Zitate vortragen, die ich in diversen Zeitungen gelesen habe. Dabei handelt es sich um Zitate von Praktikern, von Schulleiterinnen und Schulleitern.
Erstes Zitat: Bildung und eine entsprechende Reife der Schüler brauchen Zeit. – Das sage nicht ich, sondern das sagt ein Praktiker.
Zweites Zitat: Viele Schüler kommen mit dem G 8 nicht zurecht. Ich wünsche mir eine klare Regelung. – Das wünschen wir uns auch.
Ein drittes Zitat: Ich hoffe auf eine einheitliche Vorgabe zugunsten eines an Bildungsinhalten und Kompetenzen orientierten G 9, das auch in acht Jahren durchlaufen werden kann. – Das wollen wir auch.
Viertes Zitat: Ich war noch nie für die kürzere Variante, weil die Schüler die Zeit vor allem im Endspurt brauchen. – Genau, exakt; dem kann man eins zu eins zustimmen.
Fünftes Zitat: Gerade für uns als Landschule ist das G 8 mit seinen Unterrichtszeiten bis spät in den Nachmittag hinsichtlich der Busanbindung komplizierter. – Auch das ist gelebte Realität.
Letztes Zitat: Mir wäre eine für alle Gymnasien einheitliche Entscheidung am liebsten, wodurch etwa für Familien bei einem Umzug in eine andere Stadt am wenigsten Probleme aufträten.
Herr Kultusminister, genau das ist die Sachlage, und genau aus diesen Gründen muss mit dieser Rumeierei endlich Schluss sein!
Darum ist es jetzt an der Zeit, eine klare Ansage zu machen. Wenn es noch einer weiteren Begründung bedarf, dann schauen wir uns doch einmal die jüngsten Ergebnisse der Umfrage der Landes-Eltern-Vereinigung an. Auch hier – immerhin haben sich dort rund 36.000 Eltern zu Wort gemeldet – ist es eindeutig und klar: Nahezu 80 % der befragten Eltern wollen ein neunjähriges Gymnasium.
Ich würde fast vermuten, dass die Landes-Eltern-Vereinigung – LEV –, wir und andere auch diese Umfrage in den nächsten Wochen noch einmal zum Anlass nehmen, um politisch klare Ansagen zu machen. Wir werden keine Ruhe geben, bis wir das G 9 im Gesetz stehen haben.
Der Bayerische Philologenverband hat sich längst, eigentlich schon kurz nach der Landtagswahl 2013, festgelegt. Neu ist aber, dass sich auch die Direktorenvereinigung, die eigentlich am längsten G-8-Befürworter war, jetzt eindeutig – ich zitiere – "für eine neunjährige Lernzeit als Regelmodell" einsetzt.
Zusammenfassend darf ich feststellen – das freut mich auch, es ist wirklich eine große Freude –: Nahezu alle, die irgendetwas mit dem Gymnasium zu tun haben, sind wie die SPD-Landtagsfraktion der Meinung, dass es ein neunjähriges Gymnasium geben sollte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, was machen wir jetzt? Weiter herumeiern, die Dialogphase nochmals verlängern?
Ja, was reden Sie denn eigentlich in der Dialogphase? Was ist denn da noch zu reden? Es ist doch alles gesagt, über Monate, eigentlich schon über Jahre, und es ist klar entschieden von denen, die im Gymnasium arbeiten müssen, Herr Kollege Jörg. Es ist entschieden.
Aber es gibt ja einen Lichtblick. – Jetzt ist er leider nicht da. Bei meinen Recherchen in der Zeitung habe ich tatsächlich einen CSU-Abgeordneten gefunden,