Protocol of the Session on January 24, 2017

Aber es gibt ja einen Lichtblick. – Jetzt ist er leider nicht da. Bei meinen Recherchen in der Zeitung habe ich tatsächlich einen CSU-Abgeordneten gefunden,

(Volkmar Halbleib (SPD): Hört, hört!)

der auch Mitglied des Bildungsausschusses ist, und der sagt doch tatsächlich: Ich favorisiere die Rückkehr zum G 9. Das würde zwar zu mehr Kosten führen, sagte er gegenüber einer Zeitung, da beispielsweise mehr Lehrer benötigt würden. Er halte es aber für wichtig, dass die jungen Menschen wieder Zeit zum Lernen haben und Wissen vertiefen können. Herr Tomaschko, ich kann Sie beglückwünschen: Das ist eine klare, eindeutige Haltung, genau so, wie wir sie von den CSU-Abgeordneten erwarten würden.

(Beifall bei der SPD)

Warum machen wir dann jetzt einen Gesetzentwurf für ein G 9? – Es ist eine ganz einfache Sache: Wenn die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler in ein neunjähriges Gymnasium geht, weil sie das wählen, dann muss das im Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen auch so festgelegt sein. Umgekehrt geht es nicht. Deshalb gibt es hier Handlungsbedarf, und deshalb legen wir heute konsequent und klar diesen Gesetzentwurf vor.

(Beifall des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Das wäre auch nur recht und billig den Eltern gegenüber, die momentan gerade in den Informationsveranstaltungen sitzen und auf eine klare Ansage des Kultusministeriums bzw. der Staatsregierung warten, wie es mit ihren Kindern ab Herbst weitergeht: Kommen sie in ein G 9, oder müssen sie in einem G 8 bleiben mit irgendwelchen ominösen Dehnungsversuchen, "Mittelstufe Plus" genannt?

Aber es wäre zu wenig, nur die Laufzeit festzulegen. Das ist klar, darin sind wir uns alle einig. Wir schreiben den Artikel 9 neu, indem wir jetzt 5 bis 13 Jahre hineinschreiben, und wir schreiben auch hinein, dass es eine Überholspur, also eine Verkürzungsmöglichkeit, geben muss. Auch darin sind wir uns einig. Wir schreiben aber auch hinein, dass wir einerseits mehr Qualität haben wollen und andererseits auch eine Entlastung für die Schülerinnen und Schüler; denn das sind die beiden Ansagen, die wir aus der Community des Gymnasiums hören. Also steht in unserem Gesetzentwurf: Wir wollen in der Regel wieder 30 Wochenstunden haben, damit wir den Nachmittag wieder für andere Aktivitäten, auch Wahlfachangebote, freibekommen. Das ist eine klare Entlastung der Schülerinnen und Schüler.

Aber wir wollen auch dadurch Qualität erreichen, indem wir die Oberstufe überarbeiten. Hier lohnt es sich, auch einmal mit den Lehrkräften und den Schülern in der Oberstufe zu sprechen. Sie sagen uns klar

und eindeutig: Liebe Leute, wir bekommen Qualität, wenn wir unser Wissen in mindestens zwei Fächern vertiefen können. Früher konnten wir das, das waren die Leistungskurse; warum bitte jetzt nicht wieder? Das wollen wir auch im Gesetz stehen haben.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen ist das eine klare Ansage der Kultusministerkonferenz. Es lohnt sich, einmal nachzulesen. Da steht nämlich, dass es in der Oberstufe in zwei Fächern vertiefte Angebote geben soll. Bei dem jetzigen Oberstufenangebot kann man von einer Vertiefung weiß Gott nicht sprechen. Die Seminare, die wir neu eingeführt haben, sind nämlich nicht dazu da, dies auszugleichen.

Kurzum: Wir sind jetzt an einem Punkt, wo es nicht mehr um Sprüche geht wie: G 8 ist überholt und G 9 ist überholt, sondern wir brauchen ein klares Chassis für das "Auto Gymnasium". Wir wollen uns im Nachgang – wenn dies im Gesetzentwurf geschehen ist – mit allen zusammensetzen und überlegen: Wie schaut das "G 9 neu" aus? Welche Pädagogik brauchen wir? Welche Inhalte brauchen wir? Welche Fächerkombinationen müssen wie gestrickt werden? Es lohnt sich, das in Ruhe und Sorgfalt zu tun, damit wir ein wirklich tragfähiges Gymnasium bekommen. Ja, es ist richtig, was der Kollege Gehring sagte: Es wird teuer. Das haben aber nicht wir zu verantworten.

(Beifall bei der SPD – Volkmar Halbleib (SPD): Der mal hier saß!)

Ja, der saß da drüben, er saß direkt neben mir. Er wollte damals Geld sparen. Er hat auch Geld gespart, aber auf Kosten der Schülerinnen und Schüler.

(Beifall bei der SPD)

Es ist legitim, für ein ordentliches Gymnasium auch Geld auszugeben. Ich weiß aber auch: Nicht nur für das Gymnasium brauchen wir Geld. Das ist eine klare Ansage auch an die anderen Schularten: Wir vergessen euch nicht. Wir haben auch die anderen Schulformen im Blick, müssen aber jetzt eine klare Entscheidung treffen. Deshalb steht im Gesetzentwurf: Wir brauchen mehr Kohle, um mehr Lehrer einzustellen, und wir brauchen eine klare Ansage an die Kommunen: Ihr bleibt nicht allein. Das, was der Staat hier verbockt hat, müsst ihr nicht in Gänze bezahlen. Wir wollen, dass der Staat auch hier für die Kommunen Finanzmittel bereitstellt, damit das auch unterstützt wird.

Alles in allem hoffe ich auf eine interessante Diskussion im Bildungsausschuss über die zwei Gesetzentwürfe. Wir haben zwei fast wortgleiche Gesetzentwür

fe; daher, glaube ich, werden wir gemeinsam daran arbeiten. Schauen wir einmal, wie es bei den FREIEN WÄHLERN ausschaut! Wir werden es ja gleich hören. Aber am Ende dieser Diskussion muss ein klares "G 9 neu" stehen.

(Beifall bei der SPD – Volkmar Halbleib (SPD): Bravo!)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Lederer von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute zwei Gesetzentwürfe vorliegen, und ich darf gleich an die Rede des Kollegen Martin Güll anschließen, der von "Herumgeeiere" gesprochen und diverse Kollegen aus der CSU zitiert hat. Diesem Vorgehen möchte ich mich einmal anschließen:

(Zuruf von der CSU)

Was hat denn die SPD in den letzten fünf Jahren zum Thema Gymnasium gesagt?

(Volkmar Halbleib (SPD): Kalter Kaffee, Herr Kollege!)

Herr Güll hat damals, 2012, als Vorsitzender des Bildungsausschusses nach einer Anhörung zum Gymnasium Folgendes gesagt – ich zitiere –: "Niemand will zurück zu einer generell längeren Schulzeit."

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CSU: Hört, hört! – Volkmar Halbleib (SPD): Alles kalter Kaffee, Herr Kollege! Jetzt geht es um die Zukunft! Sie leben in der Vergangenheit! Um die Zukunft geht es!)

Im selben Jahr hat er einmal gesagt – ich zitiere wieder –: "Kein unsinniges zusätzliches Schuljahr" am Gymnasium.

(Beifall bei der CSU – Kerstin Schreyer (CSU): Na, so was!)

Dennoch hat die SPD in den vergangenen fünf Jahren eine ganze Menge Ideen zum Gymnasium eingebracht: 2012 die flexible Oberstufe, 2013 das Gymnasium der zwei Geschwindigkeiten, 2014 die Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums, 2015 – interessant! – das Wahlrecht für ein neunjähriges Gymnasium. Ich glaube, gerade hat der Kollege Güll das Thema Wahlrecht noch als kritisch angesehen, damals hat es die SPD auf jeden Fall noch gefordert. 2016: G 9 jetzt! Und 2017 haben wir einen Gesetzent

wurf "Einführung des 9-jährigen Gymnasiums in Bayern". Wenn ich richtig zählen kann, sind das sechs verschiedene Ansichten in den letzten sechs Jahren.

(Beifall und Lachen bei der CSU)

Und wer dann von "Herumgeeiere" spricht, dem sage ich: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.

Gehen wir näher auf den Gesetzentwurf ein. Herr Kollege Güll, Sie haben gesagt, damals wurde das G 8 eingeführt, um Geld zu sparen. Demnach haben alle 16 Bundesländer nur im Sinn gehabt, Geld zu sparen; denn überall, wo das G 8 noch nicht bestand, wurde es eingeführt. Und wer glaubt, dass das G 8 das große Geldsparmodell war, der irrt. Kollege Gehring hat vorhin ausgeführt, wie viele Stellen eingespart wurden. Aber wie viele Stellen am Gymnasium in den letzten Jahren zusätzlich geschaffen wurden, hat er verschwiegen. Eine so gute Schüler-Lehrer-Relation, wie wir sie mit dem G 8 derzeit am Gymnasium haben, hatten wir noch nie, auch nicht zu G-9-Zeiten. Zu glauben, das sei ein reines Sparmodell, ist natürlich völlig falsch.

(Zuruf der Abgeordneten Eva Gottstein (FREIE WÄHLER))

Und dass das G 8 nur Nachteile hätte, kann man auch nicht sagen. Es gibt sogar einige Dinge, von denen Sie in Ihren beiden Gesetzentwürfen sagen, man sollte sie beibehalten. Auch hier würde ich mit der Kritik am Bestand ein wenig zurückhaltender sein.

Nichtsdestoweniger kann man sich Gedanken darüber machen, wie wir das Gymnasium in Bayern weiterentwickeln wollen. Dafür gibt es einen klaren Fahrplan: kein Wischiwaschi, sondern einen ganz klaren Dialogprozess. Wir gehen davon aus, dass er im ersten Halbjahr 2017 dazu führt, dass wir die gesetzlichen Regelungen schaffen und dass wir im darauffolgenden Schuljahr, also nicht zu Beginn des Schuljahres 2017/2018, sondern zu Beginn des Schuljahres 2018/2019, in die Breite gehen können. Das ist ein ganz klarer Fahrplan. Hier wird niemand in der Luft hängen gelassen, so wie das da und dort angedeutet wurde.

Im Gesetzentwurf der SPD heißt es, die Einführung des neunjährigen Gymnasiums bringe sehr viele Vorteile. Ich möchte einmal das eine oder andere daraus vorlesen: Es soll eine adäquate Abiturvorbereitung geben und die echte Studierfähigkeit erlangt werden – anscheinend gab es die bislang nicht. Die Jungen sollen am Gymnasium wieder mehr gefördert werden. Es soll zu mehr Bildungsgerechtigkeit führen. – Ich meine, die Bundesbildungsministerin hat vor gar nicht

allzu langer Zeit geäußert, dass Bayern zu den Ländern gehört, in denen die Bildungsgerechtigkeit besonders gut ausgeprägt ist.

(Beifall bei der CSU)

Okay, es gibt nichts, was man nicht noch verbessern kann.

Der Ausbau des gebundenen Ganztags soll durch das neunjährige Gymnasium gefördert werden, es soll endlich eine fundierte Abiturvorbereitung geben. Die Verkürzung der Abiturfächer Deutsch, Englisch und Mathematik soll rückgängig gemacht werden. Angestrebt sind eine deutliche Entschleunigung, Vertiefung, Allgemeinbildung, politische Bildung, kooperative Lernformen, vernetzter Unterricht. All das soll gemacht werden. Und wissen Sie, wie viel mehr Zeit der SPD-Entwurf im Vergleich zu G 8 einplant? – Ganze fünf Unterrichtsstunden!

(Martin Güll (SPD): Pflichtunterrichtsstunden! Nachlesen, Herr Kollege!)

Wir haben also eine Erhöhung der Lernzeit um 1,9 %. Damit haben die Schüler dann am Gymnasium, zumindest in der Unter- und Mittelstufe, weniger Unterricht als an der Mittelschule. In diesen fünf Stunden soll das dann alles gemacht werden. Ich prophezeie Ihnen: Sie werden nur in einigen Fächern, wenn überhaupt, eine längere Lernzeit vorweisen können, und wenn Sie das in mehreren Fächern anstreben, dann müssen sie in anderen sogar kürzen. Das wird hier natürlich verschwiegen. Vor diesem Hintergrund muss ich Ihnen ganz offen sagen: Mit dem, was Sie hier vorgelegt haben, ein neunjähriges Gymnasium mit ganzen 270 Wochenstunden, können Sie schon rein rechnerisch Ihre Ziele nicht erreichen.

Der Gesetzentwurf ist aus meiner Sicht handwerklich sehr, sehr schlecht gemacht. Deswegen können wir ihm derzeit nicht nähertreten.

(Martin Güll (SPD): Besser machen!)

Warten wir mal den Dialogprozess ab. Sie werden demnächst mehr erfahren.

(Volkmar Halbleib (SPD): Wenn der Ministerpräsident entschieden hat, werden Sie Ihre Rede auch anders halten müssen! Das wissen Sie!)

Gehen wir einmal zum Gesetzentwurf der GRÜNEN über. Hier wird sehr wenig über die Details kundgetan. Man hat sich gesagt: Okay, wir schaffen jetzt mal einen Rahmen von neun Jahren – es gibt gewisse Punkte, die man einfließen lassen kann und die durchaus eine Überlegung wert sind, Kollege Gehring

und regeln dann vieles im Detail in weiteren Gesetzen. Aber einen großen Punkt muss ich herausgreifen, bevor die Redezeit zu Ende ist, und zwar den Zeitpunkt, zu dem Sie das einführen wollen: zum 1. August 2017.

(Volkmar Halbleib (SPD): Sie haben das G 8 über Nacht eingeführt! Sie haben wohl politische Amnesie!)