Danke schön, Herr Kollege Hartmann. – Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER: Kollege Dr. Fahn. Bitte schön.
Herr Präsident! Zunächst mal begrüßen wir es, dass die CSU auch aufgrund einer Anregung der FREIEN WÄHLER folgenden Passus eingebracht hat: Der Staat unterstützt die ehrenamtliche Arbeit vor Ort durch geeignete Angebote, insbesondere zur Information und zur Koordinierung. Der erste Punkt, den ich hier ansprechen will, ist der Bereich "Ehrenamtliches Engagement". Dieses muss einen höheren Stellenwert erhalten. Integration gelingt vor allem durch das Zusammenwirken ehrenamtlicher Strukturen.
Damit freiwilliges Engagement effizient, sinnstiftend, integrationsfördernd und langfristig wirksam wird, müssen die Rahmenbedingungen für das bürgerliche Engagement besser werden. Sie müssen professionell ausgestaltet werden. Freiwilliges Engagement darf keine hauptberuflichen Strukturen ersetzen. Freiwillige müssen grundlegende Informationen zu den Themenbereichen Integration bzw. Flucht und Asyl erhalten. Ehrenamtliche sollen je nach Einsatz eine Qualifizierung und vertiefende Qualifikationen bekommen. Das betrifft zum Beispiel den Umgang mit traumatisierten Menschen oder rechtliche Fragen im Ehrenamt. Ehrenamtliche sollen eine fachliche Begleitung während des Einsatzes bekommen. Der Staat erkennt den wichtigen Beitrag an, den Vereine und Verbände leisten, wenn sie über Angebote informieren, also für eine Teilhabe werben. Migrantinnen und Migranten werden ermutigt, durch bürgerliches Engagement einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten. Dabei werden sie vor Ort personell und finanziell unterstützt. Wichtig wäre, einen Standard für die hauptberufliche Koordination des bürgerlichen Engagements im Flüchtlings- und Migrationsbereich festzusetzen.
Ich nenne noch einige Zahlen, die ganz wichtig sind: Nach dem neuen Freiwilligen-Survey engagieren sich in Bayern derzeit 47,5 % der Bürger ehrenamtlich. 2009 waren das 36 %. Ebenfalls interessant ist Folgendes: In der letzten Sitzung des Runden Tischs Ehrenamt gab es eine Untersuchung von der Universität Eichstätt durch Prof. Dr. Kals. Dabei kam heraus: Im
Flüchtlingsbereich sind sogar 64 % der Bürger ehrenamtlich tätig. Ich glaube, das ist eine wichtige Zahl, die man bei dieser Gelegenheit mal nennen sollte.
Ich habe die Untersuchung von der Frau Professor Kals. Das zeigt, dass die Bürger – da muss man sich mal bei den Bürgern bedanken – gerade im Flüchtlingsbereich die Arbeit sehr gut unterstützt haben. Ohne dieses ehrenamtliche Engagement der Bürger hätten wir das alles in den letzten Jahren gar nicht so geschafft. Das muss man ganz klar sagen. Der Freistaat hat im neuen Doppelhaushalt die Zukunftsstiftung für das Ehrenamt mit 2,5 Millionen Euro eingebracht. Das ist eine gute Idee. Das ist eine Verbrauchsstiftung. Da könnten wir schauen, inwieweit man hier Gelder für ehrenamtliche Projekte im Flüchtlingsbereich einsetzen kann.
Zweiter Punkt – der Abend ist lang, die Zeit aber immer knapp –: Wir begrüßen in Artikel 3 des Gesetzentwurfs der Staatsregierung, dass der Staat Angebote zur Rückkehrberatung gewährt, um eine bedarfsgerechte Unterstützung zu gewährleisten. Dazu hatten wir bereits – manche erinnern sich noch – am 27.09.2016 einen Dringlichkeitsantrag gestellt. Wir forderten damals, dass im Rahmen der Rückkehrberatung pro betroffene Person eine Prämie von 1.000 Euro gezahlt wird. Die entsprechenden Mittel gibt es auch aus dem Fördertopf der EU, die aufgestockt werden sollten.
Letztendlich helfen wir damit auch den Flüchtlingen und leisten – obgleich das einige damals nicht verstanden haben, aber ich glaube, es ist doch so – einen Beitrag zur Entwicklungspolitik. Wir haben die vielen ehrenamtlichen Projekte in Baden-Württemberg gesehen, die genau das machen. Dort erhalten Flüchtlinge, die zurückkehren, Existenzgründerzuschüsse, Fortbildungsangebote und gegebenenfalls eine finanzielle Hilfe für die Bezahlung der Miete. Warum soll es so etwas in Bayern nicht geben? Artikel 3 dieses Integrationsgesetzes sollte deswegen noch ein wenig offensiver ausgestaltet werden, wir wären dann auch in der Sache ein Stück weiter.
Danke, Herr Kollege Dr. Fahn. – Jetzt haben wir noch eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Scheuenstuhl.
Herr Kollege Dr. Fahn, was mir bei Ihnen fehlt – Sie haben es zwar angedeutet –: Sind Sie der Meinung, dass im Entwurf der Staatsregierung hinsichtlich des Förderns und Forderns genügend getan wird? Können Sie sich vorstellen, dass da noch mehr gemacht wird? Sie hatten ein paar Beispiele genannt; ich denke aber, hier könnte noch viel mehr getan werden.
Wie stellen Sie sich vor, wie wir das verstärken könnten? Wenn sich 64 % aller Bürgerinnen und Bürger Bayerns ehrenamtlich für Flüchtlinge engagierten,
Ich habe es bloß zitiert. – Es wäre mit Sicherheit schön, aber es erscheint mir anhand der Anzahl der Kinder usw. doch etwas viel, wobei es natürlich wünschenswert wäre. Vielleicht könnten Sie diese Zahl nochmals erläutern, damit die CSU und wir glauben, was Sie hier gesagt haben.
– Ja, freuen Sie sich doch, Herr Kreuzer. Diese Zahl ist nicht von mir, sondern sie wurde in der letzten Sitzung des Runden Tisches Ehrenamt – Herr Seidenath musste leider schon früher, um 14.50 Uhr, weg – genannt. Eine Professorin von der Uni Eichstätt hat diese Untersuchung vorgestellt und allen präsentiert.
Das ist kein Lesefehler. Ich habe es sogar abfotografiert und kann Ihnen das Foto mit den 64 % schicken.
(Beifall bei der SPD – Harry Scheuenstuhl (SPD): Bravo! – Zuruf des Abgeordneten Dr. Florian Herrmann (CSU))
Ich gebe Ihnen recht: In dem Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung kommt das Fördern insgesamt zu kurz. Im Prinzip ist er schwerpunktmäßig auf das Fordern ausgelegt, das stimmt. Es gibt aber auch ein paar Punkte "Fördern", das ist in Artikel 3 des Gesetzentwurfs der Staatsregierung enthalten. Deswegen habe ich gesagt: Okay, Artikel 3 muss man
Aber noch einmal: Wir können auch zusammen nach Eichstätt zu der Professorin fahren, und dann wird sie die 64 % – dazu gibt es Untersuchungen – bestätigen. Ich freue mich, dass es 64 % sind.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Fahn. – Jetzt darf ich Frau Kollegin Rauscher von der SPD-Fraktion das Wort erteilen. Bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Artikel 3 Absatz 1 Satz 1 steht: Bildung ist ein zentraler Schlüssel zur Integration. Dazu gehört, in einem ausgewogenen Maß zu fördern und zu fordern. Richtig? – Was ich in Artikel 3 lese, erfüllt das aber nicht. Sie fordern, dass sich Migranten an eine Leitkultur zu halten haben, obwohl Sie es selbst nicht geschafft haben, diese zu definieren.
Wenn ich beim Begriff "Leitkultur" zum Beispiel an den einen oder anderen Nachbarn in meiner Siedlung zu Hause denke und gerade jetzt in der Adventszeit darauf achte, wie die Gärten mit glitzernder und funkelnder Weihnachtsdeko aufgerüstet wurden,
dann will ich hoffen, dass sich Migrantinnen und Migranten an dieser Leitkultur künftig nicht orientieren. Sollten Sie es doch tun, habe ich das zu akzeptieren.
Sie fordern, Migranten müssten sich mit der deutschen Geschichte, mit unserem Rechtssystem, mit unserer Kultur, mit der Wirtschaft und mit der Gesellschaft befassen. Sie fordern, dass sich Migranten durch bürgerschaftliches Engagement zu unseren Werten und zu unserer Gesellschaft zu bekennen hätten. So weit, so gut.
Dafür sollten Migranten gefördert werden, aber die Erläuterung, wie das konkret auszusehen hat, bleiben Sie uns hier im Hohen Haus und allen Betroffenen bis heute schuldig. Konkret werden Sie nur, wenn es um das Fordern geht; da sind Sie in diesem Gesetzentwurf mit einer Vielzahl von Einzelbestimmungen sehr schnell dabei. Das Fördern ist dagegen unterrepräsentiert. Es ist schwammig formuliert, ohne konkrete Inhalte, völlig unverbindlich.
Von einem Gleichgewicht aus Fordern und Fördern kann in Ihrem Gesetzentwurf nicht die Rede sein. Sie setzen sogar noch einen drauf: Sämtliche Integrationsangebote stehen unter Haushaltsvorbehalt, ein Anspruch auf Förderangebote wird grundsätzlich verweigert. Das trifft auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, massiv die Kommunen und letztendlich auch alle Ehrenamtlichen.
Wie stellen Sie sich das eigentlich vor, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU: Wie sollen all jene, die sich tagtäglich draußen mit Integrationsfragen und bemühungen auseinandersetzen und Angebote zur Integration bereitstellen, so eine langfristige Planung überhaupt auf die Beine stellen können, damit Integration draußen auch wirklich gelingen kann? – Das ist doch geradezu grotesk. Das ist doch ein Widerspruch in sich.
Kolleginnen und Kollegen, für uns als SPD ist eines klar: Integration ist ein Geben und ein Nehmen, wie in jeder guten Beziehung. Eine gelungene Integration wird eben nicht, wie in Artikel 3 suggeriert, durch eine Unterordnung von Zugewanderten in die bestehenden Strukturen der Mehrheitsgesellschaft hergestellt werden. Wenn wir eine echte Integration wollen und wenn wir wollen, dass sich Migrantinnen und Migranten aktiv in unsere Gesellschaft einbringen und zum gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben beitragen, dann müssen wir Ihnen die entsprechenden Möglichkeiten einräumen, und zwar nicht eventuell oder vielleicht nach Haushaltslage, sondern ganz entschieden und verlässlich; denn sonst, Herr Zellmeier – jetzt ist er gerade nicht da –, bleibt die finanzielle Last tatsächlich beim letzten Glied in der Kette auf kommunaler Ebene hängen.
Wenn ich mir Ihren Artikel 3 so ansehe, kommen mir große Zweifel, ob Sie wirklich eine echte, zeitgemäße Integration wollen.
Mir stellt sich die Frage, ob es Ihnen nicht doch nur darum geht, programmatische Phrasen zusammenzustellen, und ich finde, die Frage hat der Kollege Unterländer in seinem Wortbeitrag vorher beantwortet; denn er sagte genau das. Für uns als SPD ist klar: Nur wer Förderangebote verlässlich zur Verfügung stellt, kann einfordern, dass sie auch wahrgenommen werden. Alles andere ist nicht fair.
Zum Abschluss mein Appell an die CSU: Greifen Sie die Vorschläge, die wir geliefert haben, die Vorschläge der Verbände und die der vielen Ehrenamtlichen auf; denn nur so kann echte Integration gelingen. Setzen Sie sich nicht hochmütig über die vielen bereichernden Punkte hinweg. Integrationspolitik ist Sozialpolitik, und sie ist maßgeblich und wichtig für ein friedliches Miteinander in unserem Land. Das ist für uns alle von größter Bedeutung. Somit gehört zum Fördern und Fordern auch die entsprechende Unterstützung, bei der Sie aber vollkommen unverbindlich bleiben.
Vielen Dank, Frau Kollegin Rauscher. – Jetzt darf ich für die Staatsregierung Frau Staatsministerin Müller das Wort erteilen. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Artikel 3 enthält wesentliche Aspekte der Integrationsförderung und fasst sie in Programmsätzen auch zusammen. Diese bedürfen in ihrer Durchführung jeweils einer Konkretisierung, was unter anderem durch Förderrichtlinien erfolgt oder schon erfolgt ist. Die Schulen beispielsweise sind ein ganz eigenes Thema. Wir wollen etwaige Bildungsdefizite ausgleichen. Das Bildungsangebot umfasst dabei selbstverständlich nicht nur die frühkindliche oder die schulische Bildung, sondern auch die Erwachsenenbildung. Das ist ganz wichtig; denn die Menschen, die zu uns kommen, haben ein sehr unterschiedliches Bildungsniveau. Das wissen wir doch alle. Das geht von den Analphabeten bis zu den hochkarätigen Akademikern. Integration braucht deshalb auch einen langen Atem und sehr viel Geduld und sehr viel Zeit.
Artikel 3 wendet sich zugleich an die heimische Bevölkerung und betont deren wichtige Rolle bei der Integration von Migrantinnen und Migranten. Im gegenseitigen Verhältnis zueinander sind Rücksichtnahme und Toleranz die Basis und die Brücke zwischen den unterschiedlichen Kulturen. Ich möchte mich heute auch noch einmal explizit bei den vielen Ehrenamtlichen, die in diesem Gesetz auch erwähnt sind, für die Leistungen bedanken, die sie hier erbringen. Ich möchte mich bei ihnen bedanken, dass sie Migrantinnen und Migranten dazu bewegen, selbst ehrenamtlich tätig zu sein. Das ist eine ganz neue Qualität der Integration. Das wollen wir auch fördern. Ich möchte mich auch bei Herrn Dr. Fahn bedanken, der die prozentualen Anteile angesprochen hat.