Frau Staatsministerin, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Der Herr Kollege Scheuenstuhl hat eine Zwischenbemerkung angemeldet. – Bitte schön, Herr Scheuenstuhl, Sie haben das Wort.
Frau Ministerin, eine Frage zu dieser Kompensationsverordnung, zu den dazu vom Landratsamt festgelegten, zu gestaltenden Flächen und zur Kontrolle: Es hat keinen Sinn, nur etwas festzulegen, ohne es zu kontrollieren. Ist es möglich, in diesem Ökokonto abzufragen, wann die Umsetzung geprüft wurde und wann die Nachprüfung stattgefunden hat, ob sich die Fläche wie im Antrag prognostiziert entwickelt hat? Mir sind etliche Flächen bekannt, die insbesondere dann, wenn es im Rahmen einer Baumaßnahme zu Ausgleichsmaßnahmen kommen sollte, nicht umgewidmet wurden. Können Sie zu den folgenden Fragen etwas sagen?
Wer kontrolliert, erstens, ob die Maßnahme so durchgeführt wurde, zweitens, wie sich die Fläche entwickelt, drittens, wie viele Verstöße schon gemeldet wurden? Viertens: Wie sieht es mit der Umsetzung der Kompensationsverordnung insgesamt aus?
Herr Kollege Scheuenstuhl, zunächst ist natürlich Sinn und Zweck der Ausgleichsmaßnahmen, dass sie dann auch so umgesetzt und kontrolliert werden. Ich war vor Kurzem auf der Jahrestagung des amtlichen Naturschutzes und habe mich mit den Teilnehmern intensiv über dieses Thema ausgetauscht. Sinn und
Zweck ist die Kontrolle. Die Maßnahmen sollen in der Qualität erhalten werden können. Zuständig sind fachlich die unteren Naturschutzbehörden vor Ort sowie die Landschaftspflegeverbände. Selbstverständlich könnten wir immer noch mehr Personal brauchen, um das zu kontrollieren. Ich kann Ihnen nicht auswendig sagen, wie viele Verstöße es in Summe gibt. Das liefere ich Ihnen aber gerne nach.
Danke schön, Frau Staatsministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/13146 und die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz auf Drucksache 17/14448 zugrunde. Der federführende Ausschuss empfiehlt Zustimmung. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU und der FREIEN WÄHLER. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Enthaltungen? – Sehe ich keine. Damit ist das so beschlossen.
Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. – Widerspruch erhebt sich nicht. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das sind wiederum die Fraktionen der CSU und der FREIEN WÄHLER. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Enthaltungen? – Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, da Sie sich sonst der Stimme enthalten. – Ich sehe keine Stimmenthaltungen. Damit ist das Gesetz angenommen. Es trägt den Titel: "Gesetz zur Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes".
Abstimmung über eine Verfassungsstreitigkeit und Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. Anlage 1)
Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.
Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. des jeweiligen Abstimmungsverhaltens seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, der FREIEN WÄHLER und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Sehe ich keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit übernimmt der Landtag diese Voten.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Kerstin Schreyer, Josef Zellmeier u. a. und Fraktion (CSU) Kein EU-Beitritt der Türkei (Drs. 17/14475)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Christine Kamm u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Türkei: Fortsetzung der massiven Menschenrechtsverletzungen hat Einfrieren der Beitrittsverhandlungen zur Folge (Drs. 17/14495)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aussetzen (Drs. 17/14496)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Volkmar Halbleib, Hans-Ulrich Pfaffmann u. a. und Fraktion (SPD) Beitrittsgespräche EU-Türkei aussetzen (Drs. 17/14497)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist Herr Kollege Dr. Martin Huber von der CSUFraktion. Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Ministerin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Europa ist eine Wertegemeinschaft. Basis sind die Kopenhagener Kriterien: Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit sowie die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte von Minderheiten. Wer Mitglied der EU werden will, muss sich an diese Werte und Regeln halten. Leider müssen wir feststel
len, dass sich die Türkei unter Erdogan nicht zu Europa hin, sondern von Europa weg entwickelt hat. Anstatt für ein Europa zu stehen, das verbindet, fordert Erdogan zum Beispiel die in Deutschland lebenden Türken auf, Integration zu verweigern. Anstatt auf einer europäischen Türkei zu bestehen, will Erdogan eine Großtürkei schaffen. Ich zitiere den türkischen Präsidenten, der am 10. November dieses Jahres, am Todestag des türkischen Staatsgründers Atatürk, gesagt hat: "Wir werden nicht Gefangene auf 780.000 Quadratkilometern sein. Unsere Brüder auf der Krim, im Kaukasus, in Aleppo und Mossul mögen jenseits der physischen Grenzen sein, aber sie sind innerhalb der Grenzen unserer Herzen." – Haben wir da noch Fragen?
Innerhalb der Türkei agiert Erdogan ebenfalls nicht nach europäischen Maßstäben. Daher begrüßen wir das überwältigende fraktionsübergreifende Votum des Europäischen Parlaments, die laufenden Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auszusetzen. Wir erwarten von der Europäischen Kommission, dass sie dieses Votum aufgreift und sogar noch weiter geht, indem sie die Verhandlungen nicht nur aussetzt, sondern stoppt.
Europa steht vor der vielleicht größten Bewährungsprobe seit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Die Kriege und Krisen dieser Welt treiben Millionen von Menschen in die Flucht. Viele suchen Halt in Europa. Natürlich sind Partner nicht immer einer Meinung. Aber echte Partner erpressen sich nicht. Wer mitten in einer solchen Herausforderung Vereinbarungen wie das EU-Türkei-Abkommen aus innenpolitischen Motiven, aus Eitelkeit und Egoismus aufkündigen will und die Kündigung dieses Abkommens als Drohung und zur Erpressung einsetzt, sagt doch klipp und klar: Europa, mit dir will ich nichts zu tun haben, es sei denn, du tanzt nach meiner Pfeife. Darauf kann unsere Antwort nur lauten: Europa darf sich nicht erpressen lassen.
Seien wir doch ehrlich: Der Beitrittsprozess ist schon lange ins Stocken geraten. Von den 35 zu behandelnden Beitrittskapiteln wurde gerade einmal eines abgeschlossen, das Kapitel über Wissenschaft und Forschung im Jahr 2006. Es geht um nichts weniger als die glaubwürdige Vertretung unserer europäischen Werte. Der türkische Präsident Erdogan tritt nicht erst seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli dieses Jahres rechtsstaatliche Grundsätze mit Füßen. Wie sieht die Realität aus? – Seit dem Putschversuch gilt der Ausnahmezustand. Das hat zur Folge, dass 36.000 Menschen in Untersuchungshaft genommen
worden sind. Darunter befinden sich auch Journalisten und Oppositionspolitiker. Mehr als 75.000 Staatsbedienstete wurden entlassen oder suspendiert. Zehn Mitglieder der Großen Nationalversammlung wurden verhaftet. Sie gehören alle der Oppositionspartei HDP an. Türkische Diplomaten stellen Asylanträge in Deutschland. Meine Damen und Herren, rechtsstaatliches Handeln sieht anders aus.
Wie geht die Türkei mit den Menschenrechten um? – Der UN-Sonderberichterstatter untersucht seit vorgestern Foltervorwürfe gegen die Türkei. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sollen Häftlinge durch Schlafentzug, Schläge und sexuellen Missbrauch gefoltert worden sein. Erdogan plant außerdem die Wiedereinführung der Todesstrafe. Meine Damen und Herren, das passt nicht zu Europa. Wer in die Europäische Union will, muss europäische Regeln akzeptieren.
Darüber hinaus sind grundsätzliche Fragen nicht geklärt. Wie sieht es mit der Anerkennung der Republik Zypern durch die Türkei aus? Wie geht die Türkei mit der kurdischen Minderheit im Lande um? Wie konkret sind die Pläne für ein Großosmanisches Reich, das Erdogan immer wieder thematisiert und in dessen Tradition er sich sieht?
Genauso durchsichtig sind die Manöver, die er in Deutschland fährt. Der Islamverband DITIB ist ein Verein, der unter der Aufsicht der türkischen Behörden steht. DITIB hat in Deutschland Pro-Erdogan-Demonstrationen mitorganisiert. In Deutschland mussten türkische Bildungseinrichtungen geschlossen werden, weil Erdogan-Anhänger diese als Gülen-nah betrachtet und Druck ausgeübt haben. Der Kampf zwischen Erdogan-Gegnern und Erdogan-Befürwortern findet auch in Deutschland statt. Es kann nicht sein, dass dieser Konflikt in unserem Land und vor unserer Haustür ausgetragen wird, während wir gleichzeitig mit der Türkei Beitrittsverhandlungen führen und so tun, als gäbe es in der Türkei keine Probleme. Deshalb war unsere Forderung richtig: Keinen Flüchtlingsrabatt in der Visa-Frage. Der Türkei-Deal ist ein guter Plan B. Plan A muss jedoch sein, dass wir Europäer unsere Grenzen selber schützen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass wir der Zivilgesellschaft in der Türkei und den bei uns lebenden Türken immer wieder sagen: Eine Türkei, die sich an europäische Regeln hält, ist für uns ein wichtiger und geachteter Partner. Eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU überfordert aber beide, die EU und die Türkei. Wir sagen deshalb seit Jahren Nein zur Vollmitgliedschaft, aber Ja zur privilegierten Partnerschaft. Zur Wahrheit gehört aber auch: Viele in Europa und Deutschland
haben das anders gesehen mit dem Resultat, dass in dem Verhältnis EU – Türkei wertvolle Zeit verschenkt wurde. Ich gratuliere den GRÜNEN und der SPD zu ihrem neu gewonnenen Realitätssinn in dieser Frage. Ich muss aber auch sagen: Ein Aussetzen der Verhandlungen geht nicht weit genug. Das wäre unehrlich, auch gegenüber der Türkei.
Das Signal muss vielmehr lauten: Stopp der Verhandlungen zum Beitritt. Stattdessen: Beginn der Gespräche über die privilegierte Partnerschaft. Ich möchte hier auch erwähnen: Die CSU muss in ihrer Türkeipolitik keine einzige Silbe zurücknehmen. Keine einzige.
So lassen Sie uns heute gemeinsam ein Signal senden, das da heißt: Ja, wir wollen mit einer demokratischen rechtsstaatlichen Türkei Gespräche und Verhandlungen über eine echte Partnerschaft führen. Was zur Zeit aber in der Türkei geschieht, das ist nicht akzeptabel. Es verlangt ein ebenso starkes Signal, das sagt: So geht es nicht weiter! – Europa darf sich nicht erpressen lassen.
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Kamm vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Europäische Union ist die richtige Antwort auf zwei verheerende Kriege im letzten Jahrhundert. Sie ist die Antwort auf aggressiven Faschismus und Nationalismus, der vor allem von deutschem Boden aus Tod und Verderben über den Kontinent gebracht hat. Immer engere Zusammenarbeit in Europa muss verhindern, dass sich diese Geschichte wiederholt.
Meine Kolleginnen und Kollegen, Europa ist mehr als eine Zollunion. Europa ist ein Wertebündnis, weil sich nicht nur Krieg nicht wiederholen darf, sondern auch Faschismus und Diktatur.
Aus gutem Grund hat die EU daher festgelegt, welche Voraussetzungen ein EU-Mitgliedstaat erfüllen muss. In den Kopenhagener Kriterien wurden unter anderem Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Men