Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Dr. Paul Wengert, Klaus Adelt u. a. und Fraktion (SPD) Keine halben Sachen bei der Rettungshelfergleichstellung (Drs. 17/13811)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Bernhard Pohl u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Helfergleichstellung konsequent umsetzen (Drs. 17/13824)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Unser erster Redner ist Herr Kollege Dr. Wengert. Bitte schön, Herr Dr. Wengert.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich sollte ich hier gar nicht stehen müssen;
denn ich hatte geglaubt, dass gilt, was in diesem Hohen Haus beschlossen wird, und zwar auch für die Staatsregierung.
gleichstellung hat mich eines Schlechteren belehrt. Der Ausdruck "eines Besseren" wäre hier unangebracht. Die Durchführenden des Rettungsdienstes kämpfen seit Jahren um diese Gleichstellung. Was eigentlich etwas Selbstverständliches sein sollte, erweist sich mehr als anstrengender Hindernislauf.
Initiativen der SPD-Fraktion wurden abgeblockt. Ein Antrag vom 17.03.2015, endlich einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, wurde von der CSUMehrheit mit der haarsträubenden Begründung kaltschnäuzig abgeschmettert, die SPD beantrage eine gesetzliche Regelung im Schnellschussverfahren. Erst ein erneuter Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion vom 7. April diesen Jahres brachte den Durchbruch, als wir neben weiteren Punkten einen Zeitplan für eine Gesetzesvorlage zur Rettungshelfergleichstellung einforderten.
Nach dem einstimmigen Beschluss des federführenden Ausschusses für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport schien der Weg zur Rettungshelfergleichstellung frei zu sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, doch dann streuten Ihre Vertreter im Haushaltsausschuss Sand ins Getriebe, indem sie die Rettungshelfergleichstellung unter Haushaltsvorbehalt stellen wollten. Unsere Retter helfen aber immer, und zwar unabhängig von der Kassenlage des Freistaats und nicht nur, wenn es ihnen gerade gefällt.
Angesichts zu erwartender überschaubarer Kostenerstattungen durch den Freistaat von weniger als einer halben Million Euro im Jahr tun solche haushalterischen Überlegungen weh. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat sich zum Glück durchgesetzt, sodass das Plenum unserem Antrag am 9. Juni einstimmig folgte.
Was gestern vom Kabinett als Gesetzentwurf beschlossen wurde, entspricht aber nicht dieser Entscheidung des Landtags; es sei denn, Sie hätten es über Nacht noch geändert. Dem Landtag ging es um eine Gesetzesvorlage zur Rettungshelfergleichstellung, und zwar unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen nach § 44 Absatz 1 Satz 3 des Ausführungsgesetzes zum Bayerischen Rettungsdienstgesetz, wonach Voraussetzung für die Freistellung die Alarmierung durch die Integrierte Leitstelle ist.
Dem Anspruch der Rettungshelfergleichstellung entspricht der Gesetzentwurf auch deswegen nicht, weil
anders als bei Feuerwehrleuten Ausbildungs- und Übungszeiten von Rettungshelfern nicht zu Freistellungs- und Entgeltfortzahlungsansprüchen führen sollen. Warum eigentlich diese Ungleichbehandlung? Warum keine Gleichbehandlung mit den Feuerwehrleuten? Warum tun Sie sich damit ohne Not so schwer?
Die Arbeitsgemeinschaft Bevölkerungsschutz, in der sich Arbeiter-Samariter-Bund, BRK, DLRG, Johanniter-Unfall-Hilfe und Malteser Hilfsdienst einschließlich der assoziierten Mitgliedsverbände THW und MHW zusammengeschlossen haben, hat auf vier engzeilig beschriebenen Zeilen ihre Bedenken und Anregungen vorgetragen und die Mängel des Gesetzentwurfs aufgezeigt. So haben zwar künftig die Mitglieder von Schnelleinsatzgruppen Freistellungs- und Entgeltfortzahlungsansprüche, wobei jedoch die Dynamik von Einsätzen nicht ausreichend berücksichtigt wird. Im Einsatz befindliche Einzelpersonen wie Fachberater oder Angehörige von Fach- und Einsatzstäben sollen von der Regelung ausgeschlossen bleiben. Auch der Umstand, dass sich Einsatzeinheiten oft erst auf überregionaler Ebene formieren, bleibt im Gesetzentwurf unberücksichtigt. Ergänzungsmodule wie zum Beispiel die Besatzung des neuen Gerätewagens Logistik werden ebenso nicht von der Freistellung erfasst.
Herr Kollege Herrmann, in der Ausschusssitzung am 13. April haben Sie gesagt, dass das zentrale Kriterium wohl sei, wenn jemand alles liegen und stehen lassen müsse, um zum Einsatzort zu gelangen. Wenn das nach wie vor gelten soll, dann wird dieser Gesetzentwurf diesem Anspruch nicht gerecht.
Weil der Gesetzentwurf lückenhaft ist, neue Fragen aufwirft, ohne alte zu beantworten, und weil die Helfergleichstellung im Ergebnis nicht vollständig gewährleistet ist, bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag. Die Staatsregierung soll den Gesetzentwurf zurückziehen und eine Neufassung vorlegen, die die hier aufgezeigten Lücken und Mängel beseitigt und die vollständige Helfergleichstellung gewährleistet. Mit halben Sachen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unseren Rettungshelferinnen und –helfern nicht gedient.
Danke schön, Herr Dr. Wengert. Bitte bleiben Sie noch. Die Kollegin Brendel-Fischer hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön.
Herr Wengert, mich hat ein Eintrag von Herrn Stärk, dem Landesgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes, gestern Abend etwas verwundert. Sie haben sicher gelesen, was er schreibt.
Ich glaube, dass ein Landesgeschäftsführer sehr nahe an dem ist, was sich in Bayern in dieser Sache flächendeckend entwickelt hat. Er lobt das, was wir in den letzten Jahren dafür getan haben, sehr. Ich sehe das, was Sie hier aufziehen, als parteitaktisches Vorgehen an.
Frau Kollegin, wenn Sie den Pressespiegel vollständig gelesen haben, dann haben Sie vielleicht auch gelesen, dass Herr Stärk in der "Süddeutschen Zeitung" damit zitiert wird, dass der Gesetzentwurf leider nicht vollständig ist, weil er genau die Ausbildungs- und Übungszeiten nicht berücksichtigt. Im Übrigen hat Herr Stärk den vierseitigen Brief mit einer recht umfangreichen Mängel- und Vorschlagsliste unterschrieben.
Ich habe nicht zu beurteilen, ob Herr Stärk sich in verschiedenen Publikationen widerspricht oder nicht. Ich kann nur das sagen, was wir von dem Gesetz halten, wie es uns bisher bekannt ist.
Danke schön, Herr Dr. Wengert. – Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Pohl. Bitte schön, Herr Pohl.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im Herbst 2013 parteiübergreifend – FREIE WÄHLER, CSU und SPD – die Förderung des Ehrenamts in die Bayerische Verfassung hineingeschrieben und sie dort verankert. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, jetzt frage ich Sie: Wollen wir diesen Verfassungssatz ernst nehmen?
Wollen wir ihn mit Leben erfüllen, oder wollen wir zusehen, wie die Staatsregierung mit ihrem Gesetzentwurf auf halbem Weg stehen bleibt und die Helfergleichstellung gerade nicht vollständig im Gesetz verankert?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich verstehe das unter gar keinem Gesichtspunkt, weder unter dem Gesichtspunkt des Ehrenamtes noch unter finanziellen Gesichtspunkten. Das sage ich jetzt gerade als Haushaltspolitiker. Wenn wir kein Ehrenamt mehr haben, dann zahlen wir drauf. Es wird teurer, wenn wir staatliche Stellen mit den Leistungen der Rettungshelfer beauftragen, als wenn wir sie von ehrenamtlichen Menschen erledigen lassen. Überdies lähmt dieses Vorgehen auch gesamtgesellschaftliches Engagement. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir die Menschen im Ehrenamt haben. Ich unterscheide nicht zwischen der herausragenden Tätigkeit der Feuerwehrleute und der Tätigkeit anderer Helfer im Katastrophenfall.
Ich verstehe nicht, warum die Helfer nur dann den Feuerwehrleuten gleichgestellt werden sollen, wenn eine Alarmierung durch die Integrierte Leitstelle erfolgt. Ich verstehe nicht, warum Aus- und Fortbildung sowie Übungen nicht berücksichtigt werden. Leisten etwa DLRG oder Rotes Kreuz im Vergleich mit anderen Organisationen eine minderwertige Hilfe? Wir dürfen doch nicht zulassen, dass Feuerwehren und das Rote Kreuz gegeneinander ausgespielt werden.
Lieber Kollege Dr. Herrmann, Sie haben im Innenausschuss einen Beschluss herbeigeführt. Ich war sehr überrascht, als das, was Sie uns vorgelegt haben, im Haushaltsausschuss mit einem Haushaltsvorbehalt versehen wurde. Gott sei Dank hat das Hohe Haus das korrigiert. Insgesamt kann man aber nicht zufrieden sein, wenn der Gesetzentwurf wieder auf halbem Weg stehen bleibt.
Ich sage noch etwas: Dieser Gesetzentwurf ist doch überfällig. Wir haben das Problem nicht erst seit vorgestern. Seit vielen Jahren kämpfen wir gemeinsam um die Helfergleichstellung, und deshalb bin ich auch den Kollegen von der SPD dankbar, dass sie diesen Antrag eingereicht haben. Wir haben einen ähnlichen Antrag mit gleicher Intention nachgereicht, weil wir seit Jahren für dieses Ziel kämpfen. Wir dachten, wir wären am Ziel. Leider haben wir uns aber getäuscht. Leider ist die Staatsregierung mutlos und will die komplette Helfergleichstellung um den Tod nicht im Gesetz verankern.
Wir verstehen das nicht. Wir fordern mit unserem Dringlichkeitsantrag die Staatsregierung noch einmal auf: Ziehen Sie diesen Gesetzentwurf zurück. Bessern Sie ihn nach. Legen Sie uns möglichst bald einen Gesetzentwurf vor, der die vollständige Helfergleichstellung enthält. Wir können ihn dann in großer Einmütigkeit in diesem Hohen Haus beschließen. Ich sage es ganz deutlich: Das erwarten alle Rettungshelfer von uns, und das erwarten sie zu Recht.
Danke schön, Herr Pohl. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Tomaschko. Bitte schön, Herr Tomaschko.
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! Die beiden Dringlichkeitsanträge der SPD und der FREIEN WÄHLER versteht nun wirklich niemand mehr. Draußen warten die Hilfsorganisationen sehnsüchtig auf einen Gesetzesvorschlag. Die Fraktionen SPD und FREIE WÄHLER fordern die Staatsregierung nun dazu auf, diesen Gesetzentwurf wieder zurückzuziehen. Lieber Herr Wengert, erlauben Sie mir, Sie persönlich anzusprechen. Als ehemaliger Amtsrichter und langjähriges Mitglied des Bayerischen Landtags – jetzt kommt ein Lob – muss ich Ihnen als Neuling nicht erklären, wie in diesem Land und in diesem Hohen Hause Gesetze verabschiedet werden. Sie haben einen Dringlichkeitsantrag eingereicht. Die FREIEN WÄHLER sind auf diesen Zug aufgesprungen, der leider in die falsche Richtung fährt. Herr Wengert, ich bin nicht davon ausgegangen, dass ich Ihnen das erklären muss. Ihr Dringlichkeitsantrag erweckt jedoch diesen Eindruck.
Es ist das verfassungsmäßig garantierte Recht der Staatsregierung, dem Landtag nach Artikel 71 der Bayerischen Verfassung Gesetzesvorlagen zu unterbreiten, und zwar in der Fassung, wie sie es für richtig hält oder es draußen mit den Verbänden und Hilfsorganisationen abgestimmt hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn der Landtag damit nicht einverstanden ist, kann er nicht durch Dringlichkeitsanträge, sondern nur durch Änderungsanträge diese Gesetzesvorlage umformulieren.