Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Bayern ist wie alle anderen Bundesländer verpflichtet, ein flächendeckendes Krebsregister zu führen. Wenn man die Gesetzesvorlage der Bayerischen Staatsregierung liest, klingen im ersten Augenblick alle Maßnahmen und alle Vorhaben schlüssig und durchführbar. Das Krebsregister soll auf vorhandenen Strukturen aufbauen. Mit dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit steht auch schon eine Landesbehörde bereit. Wesentlich hierbei ist die Angleichung der Daten im gesamten Bundesgebiet. Dabei ist es von großem Vorteil, dass die Daten über gleiche EDV-Systeme laufen und diese Daten vom Inhalt und von der Menge her vergleichbar sind.
Ein solches Register macht bundesweit nur Sinn, wenn die Erfassung der Daten sowohl zu klinisch als auch zu epidemiologisch verwertbaren Aussagen führt. Das heißt zum Beispiel, dass lokale Schwerpunkte von Krebserkrankungen herausgefiltert werden können oder die klinische Behandlung vergleichbar gemacht wird. Eine reine Datensammlung, die keinerlei Grundlagen für Forschung und medizinische Behandlung bringt, ist sinnlos.
Bei diesem Bundeskrebsregister besteht nun die große Gefahr, dass wir dieses Krebsregister bedienen, aber dass es keine wirksamen Vorteile für die erkrankten Menschen bringt. Allein die Menge der Daten, die hier zusammenkommen wird, wird ein großes Problem für die Verwertbarkeit darstellen.
Die Finanzierung einer bundeseinheitlichen Registrierung wäre geregelt: 90 % der Kosten würden die Kassen und die Deutsche Krebshilfe und 10 % der Kosten die Länder tragen. Der Gesetzesvorlage ist zu entnehmen, dass auf den bayerischen Staat angeblich keine zusätzlichen Kosten zukommen, obwohl wir gehört haben, dass mindestens 131 Stellen notwendig sind, um diese Gesetzesvorlage in Bayern umzusetzen. Mit Sicherheit werden auch noch eine Menge Sachkosten entstehen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich möchte jetzt im Zusammenhang mit dem Krebsregister nicht über das Geld reden. Ich möchte aber sagen, dass wir eine funktionierende und anerkannte Struktur haben und dieser Struktur eine Struktur überstülpen würden, die uns eine Menge Geld kosten und zu zusätzlichem Bürokratismus führen würde.
In diesem Zusammenhang würde mich interessieren, wie viele Ärzte und wissenschaftliche Mitarbeiter, die am Krebsregister mitwirken, bei einer Umsetzung dieser Gesetzesvorlage unter das Dach des LGL wechseln würden. Ich kann mir das in dieser Form nicht vorstellen; denn dies würde zu einem erheblichen Kompetenzverlust führen. Wir brauchen die Leute vor Ort.
Wenn wir uns die Gesamtsituation der Krebsregistrierung in Bayern ansehen, sehen wir deutliche Schwächen und Ungereimtheiten in dieser Gesetzesvorlage. Für mich ist einer der wesentlichen Knackpunkte die Meldepflicht, die schon genannt wurde. Der Arzt ist gesetzlich verpflichtet zu melden. Er muss das seinem Patienten mitteilen. Ich möchte nicht, dass bestimmte klinische Daten in falsche Hände geraten. Deswegen führt allein die Meldepflicht in dieser Form schon zu einem Vertrauensverlust.
Wir haben in Bayern sechs funktionierende Krebsregister, denen international ein hoher Standard und eine hohe Wirksamkeit bescheinigt wird. Internationale Institute bezweifeln, dass ein deutsches Krebsregister oder ein Zusammenführen der Krebsregister genauso wirksam wäre wie unser bayerisches Krebsregister. Ich frage mich, warum unsere bayerische Art der Registrierung nicht mit dem Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz des Bundes vereinbar ist und ob diese Frage ausreichend untersucht wurde. Das wäre eine wichtige Hausaufgabe.
Ein weiterer Knackpunkt liegt in dem Umstand, dass in der Gesetzesvorlage eine wesentliche Regelung fehlt, nämlich eine gesetzliche Regelung der Datensicherheit für die Patientinnen und für die Patienten. Es kann nicht sein, dass wir im Gesundheitsausschuss des Bayerischen Landtags auf diese Frage keine befriedigende Antwort bekommen und darauf verwiesen wird, die Anonymisierung der Daten würde dann schon in einer uns noch nicht vorliegenden Verordnung geregelt. So geht es nicht. Wir müssen wissen, was in diesem Gesetz steht.
Noch einmal: Das Entscheidende an einem Bayerischen Krebsregister ist, dass die erkrankten Menschen wesentliche Vorteile daraus ziehen und ihnen besser geholfen werden kann. Wir können nur einem Gesetz zustimmen, das dies sicher gewährleistet. Ich bin auf unsere Anhörung im Ausschuss gespannt. Frau Ministerin, wir haben heute versucht, die Experten festzulegen. Unser größtes Problem war, Befürworter dieses Krebsregisters zu finden.
Danke schön, Herr Kollege Leiner. – Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Gesundheit und Pflege als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Dann ist das so beschlossen.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Bestattungsgesetzes (Drs. 17/12957) - Erste Lesung
Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Begründung und Aussprache werden miteinander verbunden. Damit hat die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN insgesamt zehn Minuten Redezeit. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 24 Minuten. Die Verteilung der Redezeit auf die restlichen Fraktionen darf ich, glaube ich, als bekannt voraussetzen. – Ich erteile jetzt Frau Kollegin Gote das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem alten Perikles, unserem Kollegen aus der Antike, 5. Jahrhundert vor Christus, wird folgendes Zitat zugeschrieben: "Ein Volk wird so beurteilt, wie es seine Toten bestattet." Heute könnten wir zugespitzt sagen: Der Tod formt die Kultur. Dafür gibt es viele Belege. Denken Sie nur an das, was wir kunsthistorisch bei den Besuchen von Grabesstätten und Friedhöfen gelernt haben.
Vieles von dem, was wir heute über Kultur, Lebensweise, Religion und Weltanschauung unserer Vorfahren wissen, wissen wir, weil wir uns mit ihren Bestattungskulturen beschäftigt haben. Die Bestattungskultur eines Volkes sagt viel über die Verfasstheit der Gesellschaft, über Soziologie, Kultur, die Stellung und die Selbstwahrnehmung des Individuums in einer Gesellschaft, über Religionen, Weltanschauungen und Lebensentwürfe aus. Die Menschen wollen sich auch im Tod wiederfinden. Das war schon früher so, und das ist auch heute noch so. Das Lebensende soll in gewisser Weise dem Leben entsprechen.
In homogenen Gesellschaften finden wir auch eine homogene Bestattungskultur. Sobald sich aber Gesellschaften entwickelt haben und pluralistischer geworden sind, sobald sich die Menschen emanzipiert
haben und sich mehr und mehr ihrer Individualität bewusst geworden sind und diese auch ausgelebt haben, also spätestens seit der Aufklärung, hat sich die Bestattungskultur verändert. Ein interessantes Feld ist deshalb auch die Friedhofssoziologie. Dieses Feld wird auch von bayerischen Wissenschaftlern beackert, nämlich von Herrn Benkel, Universität Passau, und seinem Kollegen Meitzler, Universität DuisburgEssen. Diese Schriften kann ich Ihnen nur empfehlen. Es gibt auch schöne Bildbände über den Wandel der Grabsteine, der Grabmale, der Erinnerungskulturen usw.
Die Friedhofssoziologie stellt fest, dass die Bestattungskultur immer auch eine Geschichte des Widerstreits zwischen Religionen ist. Das ist klar; denn in der vorchristlichen Zeit wurden die Leichen verbrannt. Das hat man bei christlicher Religionszugehörigkeit nicht mehr getan. Dann gab es die ersten Friedhöfe rund um die Kirchen, die aber nicht für alle Menschen, sondern nur für die Eliten gedacht waren. Schließlich hat man Friedhöfe außerhalb der Städte gebaut, wobei sich auch die soziologische und soziale Struktur verändert hat. Die Friedhofs- und Bestattungskultur hat also immer auch eine historische Dimension. Sie war und ist immer im Wandel.
Zurzeit erleben wir eine regelrechte Friedhofsflucht. Hierzu gibt es viele Untersuchungen, sowohl von der Wissenschaft als auch von den Bestattern, denen es natürlich ein Anliegen ist, dass ihr Geschäft nicht kaputtgeht. Viele von Ihnen, die in der Kommunalpolitik tätig sind, werden aber auch feststellen, dass die Kommunen ihre Friedhofsgebühren erhöhen müssen – in meiner Heimatstadt Bayreuth wurde jüngst ein entsprechender Beschluss gefasst –, weil die Nachfrage nach Gräbern zurückgeht und immer mehr Menschen günstigere oder ökonomischere Alternativen wählen, Stichwort Urnenbeisetzung usw. Viele Menschen suchen alternative Bestattungsformen und wollen in der Natur, etwa in Wäldern, bestattet werden. Viele Menschen wollen eine Seebestattung oder Luftbestattung. Darüber haben wir hier bereits einmal diskutiert. Treibende Kräfte sind ein sozialer Wandel, zum Teil aber auch pragmatische und ökonomische Überlegungen sowie eine Individualisierung von Sinnkonstruktionen, ganz individuelle religiöse Vorstellungen und individuelle Formen von Erinnerungskulturen.
Das deutsche Bestattungsrecht ist jenseits verschiedener Reformen in verschiedenen Bundesländern sehr, sehr restriktiv gefasst. Es lässt wenig Individualismus zu. Das bayerische Bestattungsgesetz ist ganz besonders restriktiv, weil Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, sich seit vielen Jahren jeglichen Reformen verweigern. So kann es nicht weitergehen. Deshalb haben wir heute einen Gesetzentwurf mit
sehr, sehr moderaten Reformen vorgelegt. Unsere Vorschläge zielen auf eine stärkere Berücksichtigung anderer Religionen als der christlichen Religion ab. Ich nenne hier die jüdische und die islamische Religion.
Wir schlagen in unserem Gesetzentwurf die folgenden vier Punkte vor: Wir fordern, dass die Gemeinden auf ihren Friedhöfen Räume für rituelle Leichenwaschungen zur Verfügung stellen, dass es Möglichkeiten für unbefristete Ruhezeiten gibt, welches sowohl für Juden als auch für Muslime sehr wichtig ist, dass kein frühestmöglicher Bestattungszeitpunkt mehr festgelegt wird – das ist für die muslimischen Menschen sehr wichtig – und dass die Sargpflicht endlich aufgehoben wird. Das wäre ein sehr moderater Einstieg in eine sinnvolle Modernisierung des Bestattungsgesetzes.
Warum wollen wir das? – Wir wollen ein Signal setzen, dass der Gesetzgeber für den kulturellen Wandel in der Gesellschaft sensibel ist und den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger Rechnung trägt. Wir wollen für die große und wachsende Gruppe der Muslime ein Signal setzen, dass auch sie bei uns Heimat finden und dazugehören; denn Heimat ist auch da, wo man sich bestatten lassen will. Leider ist es heute immer noch so, dass sich viele Menschen türkischer Herkunft in der zweiten und dritten Generation zur Bestattung in die Türkei zurückfliegen lassen, weil sie hier nicht die richtigen Möglichkeiten finden, um sich nach ihrem Glauben bestatten zu lassen. Daher ist die ewige Toten- und Grabesruhe ein sehr wichtiges Stichwort.
Der Gesetzentwurf soll aber auch für die große und wachsende Gruppe der religions- und bekenntnisfreien Menschen ein Signal sein, dass auch deren Bedürfnis nach individualisierten Formen der Bestattung gesehen wird, auch wenn hierzu noch weitergehende Reformen nötig wären.
Unser Gesetzentwurf ist konsensfähig. Ich erinnere an unsere Anhörung im letzten Jahr, wobei sich zehn von elf Expertinnen und Experten genau für die von uns heute vorgelegten Reformvorschläge aussprachen. Viele andere Bundesländer haben sich längst auf den Weg zu einer solchen Reform gemacht. Nur noch Bayern, Berlin, Sachsen und Sachsen-Anhalt, also nur noch vier Bundesländer, halten an der Sargpflicht fest.
Was wünschen sich die Menschen? Ich zitiere Ihnen aus einer aktuellen Umfrage von Aeternitas e.V., der Verbraucherinitiative Bestattungskultur. Diese Verbraucherinitiative hat gefragt: Welche Form der Be
stattung würden Sie sich wünschen, ungeachtet aller gesetzlichen Vorschriften? Die Umfrage führte zu folgendem Ergebnis: Nur 24 % der Befragten wünschen sich ein übliches Sarggrab auf einem Friedhof. 19 % würden ein Urnengrab auf einem Friedhof wählen. Alle anderen Befragten haben eine ganz andere Vorstellung; denn in absteigender Häufigkeit wurden eine pflegefreie Beisetzungsform außerhalb eines Friedhofs, eine pflegefreie Beisetzungsform auf einem Friedhof, eine Seebestattung, eine anonyme Bestattung, eine Urne zu Hause oder im Garten gewählt. Nur 5 % der Befragten hatten keine Vorstellung ihrer Bestattung. Das Umfrageergebnis zeigt: Für die Menschen ist die Bestattungsform eine wichtige Frage. Die Menschen wissen, was sie wollen. Mehr als die Hälfte der Menschen wünscht sich etwas anderes, als wir ihnen heute anbieten.
Sehen Sie, wie weit unser Bestattungsrecht von den Empfindungen und Vorstellungen der Menschen entfernt ist? – Das ist ein unhaltbarer Zustand. Unser bayerisches Recht spiegelt hier die kulturellen Realitäten in unserer Gesellschaft längst nicht mehr wider. Die Menschen werden ihren Weg finden, wenn wir nichts tun. Wir wissen bereits heute, dass die gesetzlichen Regelungen vielfach umgangen werden. Das Bedürfnis der Menschen ist so stark, dass sie für ungesetzliche oder nebengesetzliche Regelungen kreativ werden. Bereits jetzt gibt es an den Grenzen Bayerns zu Baden-Württemberg einen Begräbnistourismus. Sie können die Bestatter fragen; diese werden es bestätigen.
Geben Sie sich endlich einen Ruck und springen Sie über Ihren Schatten. Nehmen Sie die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Bedürfnissen nach individualisierten Bestattungsformen ernst. Das bayerische Bestattungsgesetz ist von der Lebenswirklichkeit der Menschen meilenweit entfernt. Die kulturelle Emanzipation der Gesellschaft ist viel, viel weiter, als Sie es sind. Machen Sie sich mit uns auf den Weg, um den kulturellen Abstand zwischen Gesetzgeber und Volk in diesem Punkt zu verringern.
Danke schön, Frau Kollegin Gote. – Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Freiherr von Lerchenfeld, CSU. Bitte schön.
(Vom Red- ner nicht autorisiert) Herr Präsident, Hohes Haus! Zum wiederholten Male stellt heute die Opposition – sprich die GRÜNEN – einen Antrag zur Änderung des Bestattungsgesetzes. Dieses Thema haben wir in dieser Legislaturperiode bereits mehrfach behandelt. Der
uns vorliegende Gesetzentwurf weist keinerlei neuen Ansätze auf. Daher möchte ich uns allen eine zeitraubende Debatte ersparen. Grundsätzlich bleibt es dabei: Erstens ist die Würde des Menschen nach dem Grundgesetz auch postmortal anzusetzen; die Würde des Menschen gilt also auch postmortal. Zweitens wird in Bayern nach dem derzeit geltenden Bestattungsgesetz sowohl den jüdischen als auch den islamischen Bestattungsriten ausreichend entsprochen. Drittens besteht daher für eine Anpassung des Bestattungsgesetzes kein Bedarf.
Detaillierte Ausarbeitungen dazu finden Sie im Protokoll zur 41. Plenarsitzung vom 26.03.2015, im Protokoll der 42. Sitzung des Innenausschusses vom 11.11.2015, in der Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/9181 des Innenausschusses vom 26.11.2015, im Protokoll der 42. Sitzung des Verfassungsausschusses vom 26.11.2015, im Protokoll der 61. Plenarsitzung vom 09.12.2015 und in dessen Beschlussfassung auf Drucksache 17/9470 vom 09.12.2015. Daran sehen Sie, wie oft schon über dieses Thema in diesem Haus gesprochen wurde, nämlich sechsmal. Sicherlich haben Sie diese Protokolle mit großem Interesse gelesen. Darin steht alles, was wir, die CSU, und was Sie, die Opposition, dazu gesagt haben. Daher wird die CSU-Fraktion Ihren neuerlichen Schaufensterantrag ablehnen.
Danke schön, Kollege von Lerchenfeld. – Für die SPD hat sich der Kollege Taşdelen gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zufällig habe ich letzten Samstag an einer sogenannten Stadtverführung in Nürnberg teilgenommen. Im Rahmen dieser Stadtverführung kann man an einem Wochenende verschiedene Plätze und Sehenswürdigkeiten in Nürnberg besichtigen. Die Stadtverführung hatte das Thema "Wo Muslime in Nürnberg ihre letzte Ruhe finden". Wir haben unter anderem die Grabfelder für Muslime am Südfriedhof besucht. Dabei wurde mir klar, dass wir dieses Thema jahrzehntelang vernachlässigt haben. Wir haben den Muslimen, die hier verstorben sind, nicht die Möglichkeit gegeben, sich so bestatten zu lassen, wie es nach ihren Riten und ihrer Religion Brauch ist. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir heute über Bestattungen reden und darüber, ob beispielsweise die Sargpflicht noch zeitgemäß ist.
Natürlich ist in den letzten Jahren einiges passiert. Sie, Herr Kollege Freiherr von Lerchenfeld, sagen,
dass beispielsweise den Riten der Muslime Genüge getan wurde. Das stimmt so nicht. Muslime müssen mit Erdkontakt bestattet werden. Daher kommt eine Bestattung im Sarg für sie nicht infrage. Das ist nicht möglich. Die Hinterbliebenen stehen vor der Entscheidung, ob sie einen Menschen, den sie hier verloren haben, in ihrer Nähe bestatten, damit sie jeden Freitag oder Sonntag das Grab besuchen können, um auch mit dem Verstorbenen reden zu können. Die Alternative wäre, den Angehörigen in seine erste Heimat, und das sage ich gewissermaßen in Anführungszeichen, zu "verfrachten", weil sie ihren Angehörigen nach islamischem Ritual bestatten möchten.
Viele Menschen entscheiden sich dafür, ihre Angehörigen hier zu bestatten, weil sie sie in der Nähe haben wollen. Das ist aber keine Wahlfreiheit, sondern Zwang. Deswegen haben wir im letzten Jahr in unserem Integrationsgesetz die Abschaffung der Sargpflicht gefordert. Wir werden den vorliegenden Gesetzentwurf der GRÜNEN unterstützen.
Über die Frage, ob wir an jedem Friedhof Waschräume für Leichen brauchen, können wir in den Ausschüssen diskutieren. Über die Abschaffung der Sargpflicht und über den frühestmöglichen Bestattungszeitpunkt müssen wir aber nicht mehr diskutieren. Den Menschen wäre geholfen, und es wäre auch zeitgemäß, wenn wir diesen beiden Forderungen nachkommen würden. Deshalb kündige ich die Unterstützung der SPD-Fraktion für den Gesetzentwurf an.
Langfristig gesehen müssen wir diesen Menschen die Möglichkeit geben, ihre Angehörigen nach islamischem Ritual hier zu bestatten. Im Moment ist es so, dass diejenigen, die ihre Verstorbenen nach islamischem Ritual bestatten möchten, diese in ihrer ersten Heimat bestatten müssen, weil das hier nicht möglich ist. Diese Menschen stehen vor der Schwierigkeit, die Verstorbenen in die erste Heimat fliegen zu müssen. Als Schlimmstes kann ihnen dabei passieren, dass ihr Angehöriger an einem Freitagnachmittag oder Freitagabend stirbt. Dann wissen sie nämlich nicht, ob und bis wann sie die erforderlichen Papiere zusammen haben und wann sie den Verstorbenen in die erste Heimat fliegen können. Sie wissen auch nicht, ob die Angehörigen Urlaub bekommen.
Ich habe diese Situation vor einigen Wochen bei einem Bekannten erlebt. Ich habe einen Bekannten besucht, der seinen Vater verloren hat. Der Vater wollte ausdrücklich nach islamischem Ritual beerdigt werden. Die Familie stellte sich nicht die Frage, wie man trauert und ob man trauert, sondern die Familie stellte sich folgende Fragen: Werden wir die Papiere rechtzeitig erhalten? Wenn wir die Papiere rechtzeitig be
kommen, geht dann am Samstag überhaupt ein Flug? Wie viele Plätze sind in diesem Flugzeug frei? Wenn zu wenige Plätze frei sind, wie sieht es dann mit einem Flug am Sonntag aus? Bis wann werden die Papiere kommen, Samstag oder Sonntag? Die Schwester des Bekannten und seine Schwägerin wussten nicht einmal, ob sie mitfliegen könnten, weil sie nicht wussten, ob sie Urlaub bekommen würden. Sie konnten ihren Chef nicht anrufen bzw. nicht erreichen. So wussten sie nicht, ob sie Urlaub bekommen würden.
Ich glaube, dass wir diese Probleme lösen können, wenn wir den Menschen die Möglichkeit geben, ihre Angehörigen hier nach ihrem Brauch bestatten zu lassen. Es wäre ein gutes Zeichen von diesem Hohen Hause, den Menschen zu signalisieren, dass sie hier zu Hause sind und ihre Angehörigen hier beerdigen können.