Protocol of the Session on September 28, 2016

Da brauchen Sie gar nicht zu lachen, Kollegen in der CSU-Fraktion. Wir sind nämlich hier der Gesetzgeber, und es ist wahrlich nicht lustig, wenn ein Ministerpräsident sich hinstellt und eine idiotische Paragrafenbremse verkündet, die verhindert, dass für krebskranke Menschen ein vernünftiges Gesetz im Freistaat Bayern gemacht werden kann.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Einer der weiteren Knackpunkte ist, dass die Daten beim Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, einer landesunmittelbaren Behörde, gesammelt werden. Ich betone das an dieser Stelle, weil ich das Gefühl habe, dass das auch bei Herrn Dr. Zapf nicht so angekommen ist. Ich glaube, kein Mensch von denen, die sich gegen diese Lösung sträuben, zweifelt die Kompetenz des LGL an. Die Frage ist nur: Sind diese sensiblen Daten aus Sicht des Patienten an einer Landesbehörde gut aufgehoben? Oder sollte man Lösungen finden, wie sie andere Bundesländer

gewählt haben, die das Register zum Beispiel rechtskonform an die Ärztekammern, an gemeinnützige Gesellschaften oder an andere Stellen andocken, aber nicht überwiegend unmittelbar an ein Ministerium oder eine Landesbehörde? – Ich glaube, dass es schon sehr wichtig ist, was man an dieser Stelle den Patienten vermittelt.

Von Ärzteseite wird – das meine ich als Ärztin zu Recht – die Meldepflicht moniert. Jetzt weiß ich, dass die im Bundesgesetz steht. In den bayerischen Registern haben wir insgesamt über 90 % Meldungen, und die gesetzgeberischen Vorgaben aus Berlin werden durchaus erfüllt. Daher glaube ich nach wie vor sehr wohl, dass sich die Patienten zu einer Speicherung ihrer Daten bereit erklären, wenn ihnen der Arzt erläutert, warum es wichtig und richtig ist.

Zukünftig muss ein Arzt aber nicht sagen, er bitte den Patienten, das zu tun, weil es aus den und den Gründen für ihn wichtig ist, sondern er muss ihm sagen: Erstens, Sie haben Krebs, und zweitens muss ich Ihre Daten melden, weil das so im Gesetz steht. – Das ist ein massiver Eingriff in das Arzt-Patienten-Verhältnis und in die ärztliche Schweigepflicht, den man, finde ich, so nicht hinnehmen darf.

(Beifall bei der SPD)

Frau Ministerin, Sie haben gerade gesagt, es wird ein Register am LGL geben. Das wird es nur dann geben, wenn dieses Hohe Haus dem so zustimmt. Wir haben beschlossen, am 8. November eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf durchzuführen. Ich kann nur hoffen, dass auch Ihre Fraktion bereit sein wird, deutliche Änderungen an diesem Gesetz vorzunehmen; denn wenn der Datenschutzbeauftragte uns im Ausschuss sagt, dieses Gesetz könne nur gut werden, wenn die entsprechenden Verordnungen gut seien, dann werden Sie es uns nicht verübeln, dass wir als Abgeordnete einem Gesetz nicht zustimmen können, das von einer Verordnung abhängig ist, auf die wir null Komma null Einfluss haben. Das werden wir als SPD-Fraktion nicht tun. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir es in der Anhörung mit der entsprechenden Expertise der geladenen Expertinnen und Experten noch schaffen, das Gesetz auf einen anderen und guten Weg zu bringen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Sonnenholzner. – Der nächste Redner ist Kollege Seidenath für die CSU. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns heute in

Erster Lesung mit dem Gesetzentwurf der Staatsregierung für ein Bayerisches Krebsregistergesetz. Das große Ziel dieses Gesetzes ist es, die Versorgung der krebskranken Patientinnen und Patienten in Bayern weiter zu verbessern.

Der Mensch steht dabei im Mittelpunkt, der kranke Mensch, aber auch der noch gesunde Mensch, der Gefahr läuft, an Krebs zu erkranken. Das ist der Grund, warum Krankenkassen und auch der Staat so viel Geld in die Hand nehmen: rund 11,5 Millionen Euro pro Jahr. Das ist der Grund, warum wir eine zusätzliche Einrichtung in Gemünden am Main schaffen. Das ist auch der Grund, warum insgesamt 131 Vollzeitstellen für diese Aufgabe geschaffen werden und zur Verfügung stehen.

Meine Damen und Herren, die Fakten belegen, dass das auch nötig ist. Krebs ist die zweithäufigste Todesursache. Jeder zweite Mann und jede dritte Frau sind im Laufe ihres Lebens von einer Krebserkrankung betroffen. Deshalb lohnen sich hier alle Anstrengungen, und deshalb ist es eine gute Nachricht, die vom heutigen Tag ausgeht: Wir wollen und wir werden die Versorgung der krebskranken Patientinnen und Patienten in Bayern weiter verbessern. Dafür steht dieses Bayerische Krebsregistergesetz.

Schon bisher – wir haben es gehört – gibt es in Bayern Krebsregister, sechs an der Zahl, in München, in Augsburg, in Regensburg, in Erlangen, in Bayreuth und in Würzburg. Das sind bisher Register, die wohnortbezogen das Auftreten von Krebserkrankungen speichern, also epidemiologische Register. Wohnort und Art der Krebserkrankungen werden gespeichert.

Die neue Komponente ist nun, dass auch die Behandlungen, dass auch die angewandten Therapien gespeichert werden. Es kommt also eine behandlungsbezogene, eine klinische Komponente dazu, und das alles flächendeckend. Deshalb wird das künftige bayerische Krebsregister ein epidemiologisches und ein klinisches sein. Es wird einen guten Überblick geben, nicht nur über die Örtlichkeit, wo der Krebs auftritt und welche Krebsart auftritt, sondern auch darüber, welche Therapie wie anschlägt. Zudem wird die Datenbasis breiter, da die Daten aller sechs bestehenden Register zusammengeführt werden. Das wird vor allem für seltene Krebsarten Erkenntnisgewinne bringen; denn das ist das Ziel des Gesetzes, das sind die Chancen, die sich mit diesem neuen Gesetz verbinden. Wir wollen diese Chancen auch für die Bürgerinnen und Bürger, für die Betroffenen und ihre Familien nutzen.

Das will auch das Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz des Bundes. Es ist am 9. April 2013 in Kraft

getreten und wird jetzt durch das neue Gesetz, das wir in Erster Lesung beraten, ausgeführt. Die darin enthaltenen Punkte müssen bis Ende 2017 umgesetzt sein.

Nun gibt es, meine Damen und Herren, bei diesem Unterfangen den einen oder anderen Fallstrick. Da ist zum einen die Kritik, dass die Nutzbarkeit der bisherigen sechs epidemiologischen Krebsregister eingeschränkt und dass deshalb die Versorgungsqualität leiden werde. Diese Kritik kommt gerade aus dem Bereich des Tumorregisters München.

Dazu kann ich nur sagen: Wir schätzen die Arbeit der bisherigen sechs Register ungemein. Dort wird eine großartige Leistung erbracht. Wir wären ja dumm, würden wir die Versorgungsqualität verschlechtern. Alles Positive, was bisher für die Menschen durch diese Krebsregisterdaten bewirkt werden konnte, soll auch weiter bewirkt werden können, und sogar noch mehr; denn es kommen ja Vergleichsdaten aus anderen Regionen Bayerns dazu.

Fakt ist, dass die bisherigen Krebsregister nicht immer eine saubere Basis zur Nutzung der von ihnen gesammelten Daten hatten und haben. Das wird sich durch das neue Gesetz ändern, weshalb natürlich auch die bisherigen Register vom neuen Bayerischen Krebsregistergesetz profitieren. Deshalb werden wir großen Wert darauf legen, dass die Altdaten der bisherigen sechs Register weiter genutzt werden können und ein behandlungsbezogener Datenabruf auch weiterhin möglich ist.

Zum anderen – Frau Sonnenholzner hat es angesprochen – lautet die mit diesen Fragen eng zusammenhängende Kritik, der Datenschutz werde nicht ernst genommen. Wir haben uns mit dem Datenschutzbeauftragten der Staatsregierung, mit Herrn Professor Petri, intensiv ausgetauscht, auch im Landesgesundheitsrat am Montag, und wir stehen auch weiterhin mit ihm in Kontakt.

Das Krebsregistergesetz ist über seine Meldepflicht in der Tat ein Grundrechtseingriff, sogar ein erheblicher. Das darin enthaltene Widerspruchsrecht dämpft diesen Eingriff zwar ein bisschen, aber der Eingriff bleibt und kann nur durch die Aussicht gerechtfertigt werden, dass auf diese Weise andere Grundrechte, die auf Leben und Gesundheit, besser geschützt werden. Hierfür müssen aber Anforderungen eingehalten werden, die Normen müssen klar und bestimmt formuliert sein. In den Beratungen, die wir jetzt im Parlament folgen lassen werden, werden wir vor allem auch darauf ein Augenmerk zu richten haben, ob die Normen von ihrer Klarheit und ihrer Bestimmtheit her optimal aus

gestaltet sind oder ob hier gegebenenfalls Ergänzungsbedarf besteht.

Dies sind Fragen, die bei der Anhörung am 8. November im Ausschuss näher beleuchtet werden müssen. Meine Damen und Herren, wir sehen deshalb den Ausschussberatungen mit Freude und Spannung entgegen.

Lassen Sie mich aber an dieser Stelle den Blick noch einmal weiten. Der Vergleich von Daten über häufige Erkrankungen kann dazu beitragen, dass Krankheiten besser verstanden werden, dass die Versorgung verbessert wird, dass vielleicht sogar gute Wege für eine Prävention gefunden werden, damit diese Krankheiten erst gar nicht ausbrechen können. Neben onkologischen Erkrankungen, die beim Krebsregister im Mittelpunkt stehen, gibt es weitere Diagnosen und Erkrankungen, von deren Sammlung und Vergleich ein enormer Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger ausgehen würde. Deshalb könnte es in einem bayerischen Gesundheitsdatenzentrum, das von uns vorgeschlagen wird, ein erweitertes Gesundheits- und Versorgungsmonitoring geben, das mit streng anonymisierten Daten, also mit hoch geschützten Daten arbeitet, aber wichtige Ergebnisse bringt.

Ein solches Vorgehen ist umso wichtiger, je häufiger die Krankheit auftritt und je unbekannter ihre Ursachen sind. Wir denken deshalb insbesondere an das Thema Demenz. Das betrifft eine ständig steigende Anzahl von Menschen in unserem Land. Inzwischen sind es bereits 220.000. Wir wollen den Ursachen von Demenz auf die Spur kommen.

Auch deshalb sind wir interessiert daran, dass das Bayerische Krebsregister – es kann, wenn Sie so wollen, ein Nukleus dieses bayerischen Gesundheitsdatenzentrums sein – ein Erfolgsmodell wird, dass es funktioniert und dass es belegt, dass doch der Staat am besten mit so sensiblen Vital- und Krankheitsdaten umgehen kann und eben nicht Apple und nicht Google oder andere Softwarefirmen. Auch aus diesem größeren Zusammenhang heraus freuen wir uns auf die Beratungen im Ausschuss. – Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Die nächste Wortmeldung: Kollege Dr. Vetter für die FREIEN WÄHLER. Bitte sehr.

Herr Präsident, Frau Ministerin, Kolleginnen und Kollegen! Wenn du den Sumpf trockenlegen willst, darfst du nicht mit den Fröschen sprechen.

(Staatssekretär Franz Josef Pschierer: Das ist ein Zitat!)

Ein altes, ein berühmtes Zitat.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Ein berüchtigtes Zitat! – Kathrin Sonnenholzner (SPD): Das mögen die Kollegen aber nicht, wenn Sie sie als Frösche bezeichnen!)

Ich habe das Gefühl, dass die Bayerische Staatsregierung in dem Fall genau das verfolgt und in die Tat umgesetzt hat.

(Zuruf der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner (SPD))

Nein, nein. Der Sumpf, Frau Sonnenholzner, ist eben kein Sumpf, sondern das sind die sechs bestehenden bayerischen Krebsregister, und die Frösche sind Menschen, die dort arbeiten.

Dazu, warum ich das sage, eine zweite Vorbemerkung. Jedes Gesetz muss den Menschen dienen. In diesem Fall, beim Krebsregistergesetz, gibt es halt gewisse Besonderheiten. Hiervon ist ein sensibler Bereich betroffen. Es geht um Patienten, Männer, Frauen, Kinder, Krebskranke, die Angehörigen mit Ängsten, mit Verunsicherungen. Ärzte gehören dazu, Psychologen, Physiologen, Physiotherapeuten. Oft sind jahrelange, ja jahrzehntelange komplexe Behandlungen erforderlich. Diese komplexen Behandlungen haben in Bayern dank der sechs Standorte unserer regionalen Krebsregisterzentren bestens funktioniert.

Dass jetzt ein neues Gesetz kommen muss, ist klar, und keiner der Beteiligten lehnt es ab. Aber – jetzt komme ich noch einmal zu dem Sumpf und zu den Fröschen – ich kritisiere, Frau Ministerin, dass dieses Gesetz, das uns heute vorgelegt wird, ohne Einbeziehung dieser Experten, ohne die Ärzte, die Leistungserbringer, die Patienten hinter verschlossenen Türen zustande gekommen ist und daraufhin natürlich harsche Kritik von der Kassenärztlichen Vereinigung, von der Landesärztekammer, zumindest von fünf Registern in Bayern, von Patientenverbänden geerntet hat. Wenn Sie am Montag im Landesgesundheitsrat dabei gewesen wären, hätten Sie – auch mir haben die Ohren geklingelt – massivste Kritik der Beteiligten gehört – noch einmal –, nicht daran, dass dieses Gesetz jetzt kommt bzw. umgesetzt werden muss, sondern an der Art und Weise, wie es jetzt kommen soll und hoffentlich nicht kommen wird.

Die Expertise derer, die etwas davon verstehen, müsste auch jetzt noch eingeholt werden. Bei den Beratungen in den Ausschüssen und bei der Anhörung

haben wir ja noch die Zeit dazu. Es geht um die Expertise derer, die in der Praxis mit onkologischen Patienten zu tun haben. Das sind halt nicht nur – entschuldigen Sie bitte – die Ministerialbürokratie und das LGL.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich zitiere einfach zwei Aussagen vom Montag: Professor Engel, die das Tumorzentrum in München hervorragend organisiert, spricht von einer massiven Verschlechterung der Datenqualität, und Herr Professor Petri, der Datenschutzbeauftragte, sagt, das, was wir haben, sei eine Notlösung; das Gesetz könnte effektiver ausgestaltet werden. Er spricht von erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, Kolleginnen und Kollegen. Er spricht davon, dass der Gesetzestext an einigen zentralen Punkten – nicht irgendwo, sondern an einigen zentralen Punkten – nicht verständlich und unklar ist.

Darum unser Fazit heute: Mit uns FREIEN WÄHLERN wird dieses Gesetz, so, wie es jetzt vorgelegt ist, nicht durchgehen. Wir werden ihm nicht zustimmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Noch einmal: Ein Krebsregister alleine heilt keine Patienten. Es sind noch erhebliche Fragen bezüglich des Datenschutzes und der Schweigepflicht offen. Und ich weiß nicht: Werden die Daten bei der Bayerischen Staatsregierung oder beim LGL verwaltet, und Google und andere große IT-Mitbewerber haben dann keinen Zugriff? – Ich höre das gern, aber mir fehlt der Glaube. Das sollte so sein. Wir werden diesen Zustand irgendwann einmal erreichen. Mit diesen Daten werden aber auch unheimliche Begehrlichkeiten geweckt. Daran müssen wir denken. Wir müssen die Bedenken von Herrn Professor Dr. Petri zerstreuen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Ziel muss sein, eine Verbesserung der Patientenversorgung zu erreichen, und nicht, Daten zu sammeln.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich hoffe jetzt auf die Beratungen in den Ausschüssen und auf die Anhörung, die wir zeitnah durchführen werden. Würden wir jetzt versuchen, dieses Vorhaben durchzudrücken, würden diejenigen, die täglich am Patienten arbeiten, demotiviert. Das können wir uns nicht leisten. Dies wäre ein Schaden für unsere krebskranken Menschen. Ich glaube deshalb, dass wir in den gemeinsamen Beratungen noch einige Verbesserungen erreichen können.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Dr. Vetter. – Für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Herr Kollege Leiner. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Bayern ist wie alle anderen Bundesländer verpflichtet, ein flächendeckendes Krebsregister zu führen. Wenn man die Gesetzesvorlage der Bayerischen Staatsregierung liest, klingen im ersten Augenblick alle Maßnahmen und alle Vorhaben schlüssig und durchführbar. Das Krebsregister soll auf vorhandenen Strukturen aufbauen. Mit dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit steht auch schon eine Landesbehörde bereit. Wesentlich hierbei ist die Angleichung der Daten im gesamten Bundesgebiet. Dabei ist es von großem Vorteil, dass die Daten über gleiche EDV-Systeme laufen und diese Daten vom Inhalt und von der Menge her vergleichbar sind.