Genau das wollen wir in den Diskussionen rund um das Thema Kindertagesbetreuung immer wieder in den Fokus stellen.
Wie die Rahmenbedingungen verbessert werden können, dazu macht die Opposition seit Beginn dieser Legislaturperiode, auch schon davor, Vorschläge. Ideen sind vorhanden, aufgegriffen werden sie von der Mehrheitsfraktion leider nicht. Von Ihnen gibt es nur Worthülsen. Sie produzieren nichts anderes als Worthülsen.
Heute liegen Anträge der GRÜNEN-Fraktion vor, die es in ähnlicher Form schon mehrfach auch vonseiten der SPD-Landtagsfraktion gegeben hat: auf Verbesserung des Anstellungsschlüssels, mehr Zeit für die individuelle Entwicklungsbegleitung der Jüngsten, Zeit für Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Inhalte, Zeit für Leitungs- und Organisationsaufgaben und Zeit für echte Erziehungspartnerschaft, die heutzutage einen besonders hohen Stellenwert einnimmt.
Kollege Vogel, im Bundesvergleich liegt Bayern ungeachtet all Ihrer schönen Zahlen und Berechnungen, die Sie gerade genannt haben, nicht an der Spitze, sondern nur im Mittelfeld. Bayern hat weit unten angefangen, Herr Vogel. Deshalb erscheinen die Zahlen sehr beeindruckend. Vergleichen Sie in der Debatte aber nicht Äpfel mit Birnen. Ich nenne einige Beispiele: Bei der Personalausstattung in Kinderkrippen liegt Bayern auf Platz sieben, bei der Personalausstattung in Kindergärten auf Platz sechs. Dabei ist gerade die Erzieher-Kind-Relation für die individuelle Begleitung der Kinder im Entwicklungsprozess wichtig. – Eine vollständige Leitungsfreistellung gibt es in Deutschland in rund 37 % aller Einrichtungen. Bayern liegt mit knapp 17 % der Kitas weit abgeschlagen zurück. Fast 10 % der bayerischen Einrichtungen haben ihren Leitungskräften keinerlei Zeitfenster für Verwaltungs- und Organisationsaufgaben eingeräumt. – Fast 20 % aller Arbeitsverhältnisse sind befristet, die pädagogischen Kräfte sind enorm verunsichert; das sind rund fünf Prozentpunkte mehr als im Bundesdurchschnitt. Aus diesen Gründen verlassen pädagogische Fachkräfte ihr Berufsfeld.
Laut dem aktuellen Ländermonitor der Bertelsmann Stiftung fehlen für eine qualitativ hochwertige Bildung, Betreuung und Erziehung im Krippenbereich rund 4.200, im Kindergartenbereich fast 4.600 Vollzeitkräfte. Insgesamt würden also knapp 9.000 Kräfte nur zur Qualitätssteigerung in bereits bestehenden Einrichtungen benötigt. Darin sind überhaupt noch nicht die Kita-Kräfte eingerechnet, die wir in Bayern bräuchten, um den Bedarf an Kitas zu decken. Wir werden damit dem weiteren Ausbau auf rund 40 % noch lange nicht gerecht, und wir werden auch nicht dem Ausbau 20.000 weiterer fehlender Kita-Plätze gerecht.
In diese Zahlen – das möchte ich an dieser Stelle auch anmerken – sind die fehlenden Erzieher und Erzieherinnen in der Kinder- und Jugendhilfe noch gar nicht eingerechnet; soviel zum Fachkräftemangel. Um dem Fachkräftemangel effektiv entgegenzutreten, braucht es aus meiner Sicht eine gute Datengrundlage; denn wir drehen uns in der Debatte immer wieder im Kreis: Wo fehlen heute wie viele Erzieher und Erzieherinnen, Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger? – Diese Frage hat mich umgetrieben. Deshalb habe ich letzte Woche eine Anfrage an die Staatsregierung gestellt mit dem wirklich ernüchternden Ergebnis: Die Staatsregierung weiß, dass sie es nicht weiß – Zitat –:
Das ist durchaus gut, die Anstellungsverträge entstehen vor Ort. Das leuchtet natürlich ein. Ich war selbst Träger einer Kindertageseinrichtung.
Eine entsprechende Statistik besteht nicht, konkrete Zahlen hierzu liegen der Staatsregierung nicht vor.
Wie wollen Sie den Fachkräftemangel beheben, wenn Ihnen keine verlässlichen Zahlen vorliegen, wo Sie in Bayern wie viele Erzieherinnen und Erzieher bräuchten? – Dann wird argumentiert, aufgrund des Fachkräftemangels seien Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen leider nicht möglich. – Das ist eine sehr abenteuerliche Herangehensweise, Herr Kollege Vogel und liebe CSU. Wo bleibt da die verantwortungsvolle Fach- und Personalsteuerung? Wie sollen wir in unseren Debatten weiterkommen, wenn uns nicht einmal eine genaue Analyse zu den blinden und weißen Flecken in Bayern vorliegt?
Der Fachkräftemangel in diesem Berufsfeld kann nur behoben werden, indem endlich die Rahmenbedingungen verbessert werden. Diese Verbesserungen werden natürlich Geld kosten. Investitionen in dieser Lebensphase unserer Jüngsten zahlen sich – darin sind wir uns alle einig – in jeglicher Hinsicht aus. Qualitativ hochwertige Bildung in der Kita legt – wie uns allen durchaus bewusst ist, nur die Umsetzung fehlt – den Grundstein für eine gute Entwicklung der Kinder, für den späteren Bildungserfolg und den zukünftigen sozioökonomischen Status, für eine größere gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung und zukünftig geringere Ausgaben auch in der Kinder- und Jugendhilfe. Nichts ist teurer als keine Bildung, sagte John F. Kennedy. Ich denke, das passt zur heutigen Debatte sehr gut.
Die Erhöhung der staatlichen Mittel für Kinder unter sechs Jahren ist daher ein längst überfälliger Schritt. Auch wenn Bayern die Mittel erhöht hat, liegt der Freistaat doch im bundesweiten Vergleich nicht an erster
Stelle; denn wie mir das Sozialministerium vor Kurzem bestätigt hat, steht es auch um die Investitionen im Elementarbereich nicht zum Besten. 2014 – aktuellere Zahlen liegen nicht vor – hat der Freistaat Bayern im Bereich der frühkindlichen Bildungsangebote pro Kind unter sechs Jahren fast 300 Euro weniger ausgegeben als der Rest der Republik. Auch hier liegt Bayern nicht auf Platz 1, und das ausgerechnet in einem so sensiblen und wichtigen Altersbereich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn sich nicht endlich etwas verbessert, werden noch mehr Erzieherinnen und Erzieher das Berufsfeld verlassen, weil sie an den Grenzen ihrer Belastbarkeit angekommen sind und weil es eben auch nicht ausreicht, ihnen zu sagen, dass sie doch eigentlich einen so erfüllenden Job machen. Bei mir häufen sich die Bitten um Verbesserungen, wie sie auch hier im Plenum und im Fachausschuss oftmals debattiert werden. Ich habe heute extra einmal den Stapel mit Postkarten mitgebracht. E-Mails und Anrufe gehen darüber hinaus permanent bei mir ein. Die Fachkräfte in den Kitas haben langsam die Nase voll. Ihre Forderungen sind immer wieder die gleichen, und sie werden hier im Hohen Haus immer wieder abgelehnt. Wir diskutieren über diese Dinge schon viel zu lange. Nun müssen wirklich Taten folgen. Wir können die Leute draußen in der Praxis nicht permanent weiter vertrösten, liebe CSU. Minister Söder hat gestern in einem anderen Kontext gesagt: Lassen Sie uns doch die Bürger mitnehmen. Ich sage heute: Lassen Sie uns die pädagogischen Fachkräfte in den Kitas mitnehmen. – Es wäre endlich Zeit.
Noch kurz zu den Anträgen der GRÜNEN-Fraktion. Wir werden uns bei der Abstimmung heute so wie im Fachausschuss verhalten. Wir stimmen den Anträgen bis auf den Antrag mit dem Jahresmittelwert auch heute grundlegend zu. Wir haben schon im Fachausschuss dargestellt, warum wir uns enthalten wollen. Da brauchen wir einfach noch ein bisschen Unterfütterung und ein Konzept, wie der Jahresmittelwert bei der Personalberechnung ermittelt werden könnte.
Am Schluss bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit. Ich hoffe, dass jede Debatte immer wieder dazu beiträgt, dass wir ein Stückchen weiterkommen. Ganz am Schluss bedanke ich mich kurz vor der Sommerpause, kurz vor dem neu beginnenden Kita-Jahr bei den pädagogischen Fachkräften in den Kitas, die jeden Tag die Stellung halten, obwohl sie es wirklich nicht leicht haben.
Danke schön. – Für die Fraktion FREIE WÄHLER: Frau Kollegin Gabi Schmidt. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns mit diesem Thema ständig, Herr Kollege Vogel. Wir FREIEN WÄHLER sind auch der Meinung: Was zu einer Verbesserung führen kann, ist ein gutes Gespräch, und bei guten Gesprächen muss man über Fraktionsgrenzen hinweg ergebnisoffen bleiben.
Die Kollegin hat gerade von der Diskussion über Henne und Ei gesprochen, und Sie bringen den Vergleich mit anderen Bundesländern. Ich dachte, Bayern hat den Ehrgeiz und das Alleinstellungsmerkmal, sich nicht vergleichen zu müssen. Sie haben den Anspruch, immer die Besten zu sein. Den gesellschaftlichen Druck, eine sehr gute Kinderbetreuung zu haben, gibt es sicher bei jedem Träger, und da möchte jeder mitgehen. Aber außer Ablehnung kommt eigentlich nichts, und das ist doch sehr erschreckend.
Herr Kollege Vogel, Sie sagen, es gibt keine Erzieherinnen. Sie haben aber auch Lehrer eingestellt, die es nicht gibt. Da haben Sie die Zahl der Stellen auch um 1.000 erhöht, und dabei gibt es die Lehrer gar nicht. Man muss wenigstens einmal damit anfangen, die Stellen zu schaffen. Aber wir tun es nicht.
In der Praxis sieht es oft ganz anders aus. Der Wunsch und der Wille, das Personal aufzustocken und einen besseren Betreuungsschlüssel zu haben, sind da. Auch die Eltern – und viele in Ihrer Fraktion sind junge Eltern – haben garantiert lieber einen besseren Betreuungsschlüssel und würden dann auch mehr Kernzeit buchen. Selbstverständlich kann es nur dann zu einem guten Ergebnis kommen, wenn wir alle zusammenhelfen und den Anträgen zustimmen und wenn Sie das Ihre dazu tun und Ihre Erfahrungen einbringen. Sie lehnen aber jeden Antrag der Opposition ab.
Herr Vogel, entschuldigen Sie: Was das Betreuungsgeld und das Landeserziehungsgeld mit dem Betreuungsschlüssel für Kitas zu tun haben, weiß ich beim besten Willen nicht. Das ist ungefähr so, als würde ich zu meinen Kindern sagen: Ihr habt jetzt ein Frühstück bekommen, und deshalb gibt es kein Abendessen und auch am Sonntag nichts. Ihr Vergleich hinkt unbeschreiblich.
Wir haben einigen Anträgen der GRÜNEN schon bei der Schaffung des BayKiBiG zugestimmt. Man hätte es von Anfang an anders machen können. Ich glaube auch, dass die Erziehung und die Prägung von Kindern keine Geldsache sein können. Es tut mir furcht
bar leid. Sie wollen Geld für eine Startbahn ausgeben. Ich denke, eher würden unsere Kinder einen guten Start ins Leben verdienen.
Beim ersten Antrag gehen wir selbstverständlich mit. Die Kitas werden dadurch, wie ich gerade schon gesagt habe, für die Eltern noch attraktiver. Jeder von Ihnen, der Kinder in einer Kita hat, wird merken, dass oft jemand fehlt und die freie Spielzeit vielleicht länger ist, als Sie wollen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, von der wir die ganze Zeit reden, würde gestärkt. Ich weiß nicht, ob Sie das wollen; denn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erzielt man nicht durch das Betreuungsgeld, sondern durch gute Kitas.
Ein Plus an Fachkräften wäre natürlich wünschenswert. Wir müssen diesen Wunsch und diese Forderung laut äußern, damit der Beruf wieder geschätzt wird und mehr in die Ausbildung gehen. Da müssen wir auch noch an den Ausbildungsprogrammen feilen.
Bei dem Antrag, zu dem noch geprüft wird, verhalten wir uns wie die Kollegin Rauscher. Da bitten wir, die Prüfung abzuwarten. Es ist auch absolut sinnvoll, die Kommunen zu entlasten. Wir müssen die Kommunen weiter entlasten, und der Freistaat muss im Bereich der Erziehung mitwirken. Das würde bei einem Gewichtungsfaktor wie im zweiten Antrag passieren. Er würde eine Entlastung für die Kommunen bedeuten.
Dem Antrag, die Verfügungszeiten zu verbessern, ist zuzustimmen. Die Leiterinnen haben Leitungsaufgaben und wollen sicher an den Kindern dran sein, Herr Vogel. Aber sie müssen doch auch Elterngespräche und Mitarbeitergespräche führen, in Zeiten der Inklusion Vernetzungen betreiben und Kontakte mit Schulen pflegen. Nur so kann es funktionieren. Sie wollen für Ihre Fraktion sicher auch keine festen Verwaltungszeiten, und nur vor Ort zu sein wäre Ihnen sicher zu wenig. Der Vergleich mit einer Kita tut mir leid; aber vielleicht ist es in manchen Bereichen tatsächlich so. Die Eltern fordern auch, dass die Kita-Leitung für Gespräche zur Verfügung steht. Sie wissen auch – gerade Sie müssen das wissen –, wie lange es dauert, die BayKiBiG-Formulare auszufüllen, und das kann nur Aufgabe der Leitung sein. Wir FREIEN WÄHLER fordern schon immer und in jedem Haushalt eine Sockelfinanzierung der Kitas, damit solche Aufgaben erledigt werden können und kleine Kitas entlastet werden. Mit einer Ergänzung durch die von uns geforderte Sockelfinanzierung wäre der Antrag der GRÜNEN optimal.
Herr Vogel, im Ausschuss hat man manchmal das Gefühl, dass zwar die Diskussion ergebnisoffen ist, nur leider die Abstimmung nicht. Legen Sie den Ehrgeiz nieder, der Einäugige unter den Blinden zu sein.
Einen kleinen Moment noch, bitte. Ich erteile Herrn Kollegen Vogel das Wort zu einer Zwischenbemerkung. Bitte sehr.
Frau Kollegin Schmidt, ich möchte Ihnen nur kurz erklären, was der Zusammenhang zwischen dem Landesbetreuungsgeld und der Kinderkrippensituation in Bayern ist.
Bei der Diskussion über das Landesbetreuungsgeld wurde von der Opposition ständig dargelegt, wie schlimm die Situation in bayerischen Kinderkrippen sei. Deshalb ist es schon wichtig, auch einmal darzustellen, dass wir einerseits die Krippeninfrastruktur ausbauen und andererseits mit Betriebskostenzuschüssen fördern wie kein anderes Bundesland. Zusätzlich gewähren wir, um die Wahlfreiheit zu garantieren und zu gewährleisten, trotzdem noch Landesbetreuungsgeld. Das ist kein Entweder-oder, sondern ich habe klar dargelegt, dass für uns beides zusammengehört. Wir sind in beidem vorbildlich.
Das Nächste: Sie haben gesagt, mit dem Antrag II würden die Kommunen entlastet. Ich hoffe, Ihnen ist bekannt, dass die Hälfte der Finanzierung
immer über die Kommunen läuft. Deshalb ist für mich nicht so ganz nachvollziehbar, wie Sie zu der Aussage kommen, das würde die Kommunen entlasten. Wenn die Gesamtkosten über 700 Millionen Euro steigen, bedeutet das, dass die kommunale Ebene die Hälfte zu tragen hätte: 350 Millionen Euro. Das erklären Sie einmal Ihren Bürgermeistern bei den FREIEN WÄHLERN. So weit dazu.
Fangen wir mit Ihrem zweiten Punkt an, Herr Kollege Vogel. Wenn Sie unserer Sockelfinanzierung zustimmen, dann sind die Kommunen entlastet. Das wäre der nächste konsequente Schritt. Dann würde sich das ganz anders aufteilen. Für die Grundaufgaben brauchen wir eine
Das Nächste: Entschuldigen Sie, Herr Vogel, aber wenn Ihr Betreuungsgeld eine Wahlfreiheit darstellen soll, dann hätten Sie dieselbe Summe noch einmal in die bayerischen Kitas und in die Erzieherinnenausbildung geben sollen.
Da haben Sie nichts aufgestockt, überhaupt nichts. Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Erklärung, aber die Summen sind nicht gestiegen.