Protocol of the Session on May 10, 2016

dern geachtet und geschützt wird. Das gilt natürlich insbesondere für die Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger, die häufig traumatisiert und ohne Eltern oder Geschwister hier ankommen. Um diesen Kindern zu helfen, hat der Bund ein Gesetz erlassen, das zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher beitragen soll.

Wir haben bei den Beratungen im Sozialausschuss darauf hingewiesen, dass bei einer Herkulesaufgabe wie der der vorläufigen Inobhutnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen natürlich zuerst einmal die Strukturen zu schaffen sind. Genau auf Grundlage des im November verabschiedeten Bundesgesetzes haben die Jugendämter in Bayern in den vergangenen Monaten sehr gut gearbeitet und Strukturen aufgebaut, die jetzt sehr gut greifen und funktionieren.

Wie groß die Herausforderung tatsächlich war, zeigen die Zahlen. Während im Januar und Februar noch circa 117.000 Asylbewerber angekommen sind, waren es im März nur noch etwa 6.600 und im April rund 5.000 schutzsuchende Menschen. Ich erwähne das deshalb, weil die Zahlen bedeuten, dass somit auch eine deutlich geringere Zahl an unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bei uns ankommt. Im März waren es 2.567 Jugendliche. Das bedeutet natürlich im Umkehrschluss, dass es zukünftig leichter sein wird, die unbegleiteten Minderjährigen zu betreuen, unterzubringen und vor allem auch auf die anderen Bundesländer zu verteilen und dort sofort zu beschulen, vorausgesetzt natürlich, die Zahlen bleiben auf dem niedrigen Niveau wie derzeit.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN suggeriert bedauerlicherweise und fälschlicherweise, dass Bayern bei der Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bewusst eine Kindeswohlgefährdung zulässt. Das ist schlichtweg falsch, und das weisen wir zurück. Richtig ist vielmehr, dass das Bundesgesetz zur Unterbringung dieser jungen Menschen sehr gut greift. Bayern, das besonders stark belastet war, konnte aus seinen Erfahrungen heraus an seinem Entwurf mitarbeiten und mitbestimmen, sodass viele Fragen im Dialog mit dem Bund im Detail besprochen wurden.

(Beifall bei der CSU)

Einer der wichtigsten Punkte ist, dass es Möglichkeiten der kurzfristigen Familienzusammenführung gibt. Das Jugendamt hat zu prüfen, wie sie jeweils so schnell wie möglich vollzogen werden können. Das passiert auch immer rascher und immer besser.

Natürlich hat es am Anfang in der ersten Phase der Bewältigung Schwierigkeiten gegeben. Das war alles nicht so einfach. Bei dem großen Andrang so vieler junger Menschen hatte man natürlich nicht sofort die Möglichkeit gehabt, bestmöglich zu arbeiten. Das ist jetzt aber bedeutend besser. Im Zuge der vorläufigen Inobhutnahme durch die Aufgriffsjugendämter lässt es sich derzeit sogar realistisch nachweisen, dass junge Menschen schon nach drei Wochen in eine bestmögliche Aufnahme der Jugendhilfe weitergeleitet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Wenn wir im Sinne des Kindeswohls arbeiten wollen, ist dies nur möglich, wenn die Transit- und die Aufnahmekommune zusammenarbeiten. Das ist einfach das A und O. Gerade dann aber, finde ich, sollte man keine zeitlichen Begrenzungen schaffen. Eine Befristung auf zwei Wochen festzulegen, lehnen wir ab. Wir sind vielmehr der Meinung, dass man genau prüfen sollte. Deutlich hat hier die gründliche Prüfung Vorrang vor einer übereilten Verteilungsentscheidung.

(Beifall bei der CSU)

Sehr gut finde ich, dass das Gesetz die verwandtschaftlichen und sozialen Bindungen bei der bundesweiten Verteilung der Kinder und Jugendlichen berücksichtigt. Meine Fraktion und ich persönlich kommen aber mit einer Forderung in Ihrer Antragsbegründung, die ich gerne zitieren möchte, nicht zurecht. Sie schreiben:

Sinnvoll wäre hier allerdings zum einen, einen erweiterten Verwandtschaftsbegriff anzuwenden, und zum anderen, nicht nur soziale Beziehungen zu anderen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zu berücksichtigen, sondern auch zu weiteren erwachsenen Personen, zu denen bereits eine persönliche Verbindung besteht.

Seien Sie mir nicht böse, das sehen wir sehr kritisch und finden wir sehr problematisch. Schon in vielen Fällen der verwandtschaftlichen Beziehungen ist es sehr schwierig, genau zu beurteilen, wie das Verhältnis tatsächlich ist, vor allem wenn es um Großfamilien geht und die Kinder die Verwandten noch nie im Leben gesehen haben.

(Beifall bei der CSU)

Geschweige denn, dass wir jedem netten Onkel um die Ecke traumatisierte Kinder anvertrauen und einfach darauf hoffen, dass sich die Betreuung schon positiv auf das Kindeswohl auswirken wird. Nichts für ungut, aber so etwas kommt für uns nicht infrage.

Viel entscheidender ist, dass das Bundesgesetz sehr gut vorbereitet hat, dass die medizinische Versorgung klappt. Hierzu durchlaufen die Kinder und Jugendlichen in den vorläufigen Inobhutnahmen ein KurzScreening, und selbstverständlich werden vertiefte Untersuchungen zugelassen. Des Weiteren sind im Bundesgesetz die rechtlichen Anschlussmaßnahmen der Jugendhilfe verankert, wenn die Jugendlichen in Bayern bleiben. Hier ist ganz wichtig, dass alle Jugendlichen genau das gleiche Recht haben wie unsere einheimischen Jugendlichen. Das heißt, dass die vorhandenen Partizipations- und Beschwerdestrukturen für alle offenstehen und von allen genutzt werden können.

Ihrer Forderung nach einer unabhängigen Beschwerdestelle können wir leider nichts abgewinnen. Das wäre erneut schlichtweg eine Regelung, die die vorläufige Inobhutnahme nur weiter in die Länge ziehen würde.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Dies, zumal wir neben den Heimbeiräten und den Jugendämtern, die im Übrigen sehr gut verzahnt sind, ineinandergreifen und arbeiten, keine Parallelstrukturen aufbauen oder gewähren wollen. Aus unserer Sicht widerspricht diese Forderung sogar Ihrem Wunsch, die jungen Menschen so schnell wie möglich optimal auf andere Bundesländer zu verteilen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, alles in allem kann man sagen, dass sich Bayern mit all seinen Erfahrungen sehr gut in das Bundesgesetzgebungsverfahren eingebracht hat. Der Schutz des Kindeswohls ist in Bayern unter Berücksichtigung vor allem des Zeitfaktors, einer raschen Verteilung, der Familienzusammenführung, der medizinischen Versorgung, der rechtlichen Vertretung und der Beschwerdestellen optimal gegeben. Unser Ziel ist und bleibt schlichtweg, dass für alle unbegleiteten Kinder und Jugendlichen ein rasches Zur-Ruhe-Kommen, ein Geborgensein und ein vertrauensvoller Schutz gegeben sind. Dazu leisten unsere Jugendämter in Bayern einen hervorragenden Beitrag. Deshalb sehen wir als CSU-Fraktion überhaupt keinen Grund, einen völlig überholten Antrag der GRÜNEN zu unterstützen, geschweige denn, ihm Folge zu leisten.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Frau Kollegin Kaniber. Bleiben Sie bitte noch. – Die Kollegin Kamm hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön.

Ob der Antrag wirklich überholt ist, wird sich erst zeigen, wenn ich Sie frage,

ob Sie die Antwort auf eine Anfrage des Kollegen Linus Förster vom 31. März 2016 kennen, wo aufgeführt ist, dass derzeit in Bayern 4.500 jugendliche unbegleitete Flüchtlinge vorläufig in Not- und Übergangseinrichtungen untergebracht sind. Das ist das Erste.

Zum Zweiten. Sie sagen, dass die Staatsregierung sich mit der Verteilung sehr viel Mühe macht. Aber Sie wissen doch ganz genau, dass es bei der vorläufigen Inobhutnahme nur einen reduzierten Betreuungsstandard gibt und nicht einmal ordentliche medizinische Untersuchungen durchgeführt werden, sodass eine sehr problematische Situation entsteht, wenn die Jugendlichen in den vorläufigen Inobhutnahme-Maßnahmen untergebracht sind, und das ist nach wie vor der Fall.

Zum Thema der verwandtschaftlichen Beziehungen. In dem Antrag – Sie sollten ihn genau lesen und nicht irgendeinen Teilsatz zitieren –

(Jürgen W. Heike (CSU): Das sagt die Richtige!)

wird genau ausgeführt, dass auf Wunsch der Jugendlichen beim Aufnahmeort verwandtschaftliche Beziehungen berücksichtigt werden sollen. Das heißt ja nicht, dass der Jugendliche zum Onkel oder zur Tante kommen soll, sondern, wenn er möchte, in die Nähe, zum Beispiel in das entsprechende Bundesland oder die entsprechende Stadt.

Vielen Dank, Frau Kamm. – Bitte schön, Frau Kaniber.

Liebe Frau Kamm, ich bedauere sehr, Sie dürfen mir glauben, dass ich da sehr gut informiert bin. Das Berchtesgadener Land war eine der am stärksten mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen belasteten Regionen. Die Strukturen greifen momentan sehr gut. Das wissen Sie auch. Ich finde es nicht in Ordnung, dass Sie jetzt Horrorszenarien aufbauen. Die Jugendämter bestätigen uns nämlich auch, dass es momentan wirklich sehr gut läuft. Die verbleibende Zeit wird auf zwei bis drei Wochen reduziert, und ich finde, diese Zeit müsste man schon haben, um zu schauen, wo die Kinder so untergebracht werden können, dass es für sie optimal ist.

Eines gefällt mir nicht, und das wurde auch im Ausschuss schon klargestellt. Unsere stellvertretende Vorsitzende, Frau Weikert, hat sehr deutlich gemacht, dass wir alle insgesamt Sorge haben. Die SPD hat dem Antrag im Ausschuss auch schon nicht recht gegeben, die FREIEN WÄHLER ebenso nicht. Da sollten Sie vielleicht auch überlegen, ob Sie hier das Richtige vertreten. Zum Teil überziehen Sie mit Ihren Forderungen sogar. Auf der einen Seite geht es Ihnen

um eine schnelle Verteilung, auf der anderen Seite suchen Sie nach Reglementierungen, wie man das Ganze noch verzögern kann. Da weiß ich gar nicht, was Sie sich für die Jugendlichen eigentlich wünschen.

Wenn Sie solche Anträge ins Plenum hochziehen, ist das doch das beste Zeichen dafür, dass die GRÜNEN leider nur sehr schlecht nachvollziehen, wie die Staatsregierung und der Freistaat Bayern tatsächlich arbeiten.

Danke schön, Frau Kaniber. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Weikert.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns im Ausschuss bei der Abstimmung zu diesem Antrag tatsächlich enthalten, und ich möchte kurz begründen, warum. Kollegin Kamm und liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, ich wundere mich sehr, dass ihr diesen Antrag jetzt, im Mai dieses Jahres, noch mal ins Plenum hochzieht.

Lassen Sie mich noch einmal kurz auf die Geschichte eingehen. Es kann doch eigentlich gar nicht in eurem Interesse liegen, diesen Antrag hochzuziehen. Ihr wollt das Gesetz jetzt durch eine ganz starre Regelung ändern, die meiner Ansicht nach nicht praktikabel ist und die auch nicht im Sinne des Kindeswohls liegt. Sie können sicher mir und meiner Fraktion nicht absprechen, dass für uns das Kindeswohl an allererster Stelle steht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Kollegin Kamm, dieses Gesetz zur landesweiten Umverteilung ist insbesondere von den CSU-Kollegen im Bund forciert worden – die Kollegin Kaniber hat es vorhin deutlich gesagt –, und zwar vor dem Hintergrund, dass sehr viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu uns gekommen sind. Ist es tatsächlich Ihr Interesse, jetzt, nachdem wir in Bayern sehr gute Strukturen aufgebaut haben, diese schnelle Verteilung noch weiter voranzutreiben?

(Christine Kamm (GRÜNE): Das steht doch gar nicht drin!)

Ich sage für die SPD-Fraktion ganz offen: Nein! Wir haben hier hervorragende Strukturen aufgebaut. Euer Antrag zielt darauf ab, dass ihr die Verteilung – das ist der erste Satz – innerhalb von zwei Wochen gewährleisten wollt. Innerhalb von zwei Wochen soll ein bayerisches Jugendamt mit einem Jugendamt in irgendeinem anderen Bundesland, das vielleicht noch gar keine Erfahrungen mit unbegleiteten minderjährigen

Flüchtlingen hat, all diese Dinge, die ihr in diesem Antrag fordert, berücksichtigen. Das ist der eine Punkt.

Ein anderer Punkt ist mir eigentlich viel wichtiger: Das Schlimme an der aktuellen politischen Diskussion sind die Aussagen des Finanzministers Markus Söder zu diesem Thema. Er will nämlich – und das ist wirklich gefährlich und gefährdet das Kindeswohl – die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge insgesamt aus der Jugendhilfe herausnehmen. Das ist der eigentliche Skandal!

(Beifall bei der SPD)

Da bitte ich wirklich hier alle im Parlament, auch die Sozialpolitiker der CSU, aufzustehen und zu sagen: Leute, das können wir nicht zulassen!

Der Kollege Söder – leider ist er nicht da – braucht vielleicht etwas Nachhilfe bei der Frage, was denn Kinder- und Jugendhilfe überhaupt bedeutet. Nachdem die Bundesrepublik Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet hat, bedeutet Kinderund Jugendhilfe, dass auch jedes Kind, das nichtdeutscher Herkunft ist, einen Anspruch darauf hat. Das will ich noch einmal ganz deutlich feststellen. Dieser Anspruch ist letztlich auch einklagbar.

Kinder- und Jugendhilfe bedeutet, dass eine entsprechende Unterstützung von den Jugendämtern gewährleistet wird, und zwar ausgerichtet auf den Jugendlichen, auf das Kind. Das machen wir aber nicht an irgendwelchen Formalien fest, so wie ihr das in eurem Antrag fordert, sondern es ist und bleibt die Aufgabe der Jugendämter, gemeinsam mit den Jugendlichen einen Maßnahmenplan zu besprechen, die nötige Kinder- und Jugendhilfe zu genehmigen und letztlich auch zu finanzieren.

Das alles will Finanzminister Söder vollkommen aus diesem System herausnehmen. Kollegin Kamm, genau das ist das eigentliche Problem, dass nämlich eventuell überhaupt keine Kinder- und Jugendhilfe mehr gewährleistet wird. Mit dieser Äußerung, die Finanzminister Söder da getätigt hat, spricht er allen Jugendämtern ihre hervorragende Arbeit ab; denn er hat in seiner Erklärung deutlich gemacht, dass die Jugendämter nicht differenzieren würden, sondern dass sie alles gewähren, was verlangt wird. Das stimmt überhaupt nicht, sondern da wird sehr genau hingeschaut. Die Maßnahmen und die Hilfen sind durchaus gestaffelt und nicht bei allen Jugendlichen gleich.

Außerdem spricht er damit sämtlichen Sozialarbeitern, sämtlichen Berufsschullehrern und allen beteiligten Einrichtungen in Bayern ihre hervorragende Arbeit ab, er tritt damit diese Arbeit im Grunde mit Füßen. Kolleginnen und Kollegen hier im Haus, ich bitte sehr

darum, dass wir uns gemeinsam gegen solche Schritte wehren. Wenn ein solcher Ausspruch von einem Finanzminister kommt, dann nehme ich das sehr ernst. Dagegen sollten wir uns alle erheben.

Ich komme zurück auf den Antrag der GRÜNEN. Ich verstehe nicht, warum ihr jetzt auf das Bundesgesetz dahin gehend Einfluss nehmen wollt, dass die Verteilung noch schneller gehen soll und dass jetzt noch mehr bürokratische Hürden aufgebaut werden sollen. Einerseits fordert ihr, die Jugendämter müssten sich abstimmen, andererseits soll das Ganze dann innerhalb von zwei Wochen passieren.

Kollegin Kamm, glauben Sie es mir, ich habe die Erfahrung nach 20 Jahren Arbeit in diesem Bereich: Der Wunsch eines Kindes oder eines Jugendlichen ist manchmal auch eingeflüstert und entspricht nicht immer dem Kindeswohl; da gibt es entsprechende Erfahrungen. So etwas kann man also nicht in einem Antrag festschreiben. Deshalb bleiben wir als SPDFraktion bei unserer Enthaltung zu dem Antrag.