Ich darf darauf hinweisen, dass wir mit der Forderung nach Binnengrenzkontrollen nicht die Einzigen sind. Sie tun so, als ob das eine bayerische Marotte sei.
Slowenien führt Grenzkontrollen durch. Österreich führt Grenzkontrollen durch. Ungarn führt Grenzkontrollen durch. Selbst Schweden hat wieder mit Grenzkontrollen begonnen.
Der Grund ist, dass all diese Staaten erlebt haben, dass es anders nicht geht. Das ist die Realität.
Ich könnte eine Fülle weiterer Staaten aufzählen. Alle diese Länder wollen das Schengen-System keineswegs auf Dauer abschaffen, im Gegenteil. Aber alle sagen: Da die EU-Außengrenzen im Moment zu wenig kontrolliert werden, können wir auf Binnengrenzkontrollen nicht verzichten. – Sie von SPD und GRÜNEN negieren diese Situation völlig.
Die Bundespolizei meldet täglich das Geschehen. Ich habe deutlich gesagt, dass die Flüchtlingszahlen stark zurückgegangen sind. Wir müssen uns die Zahlen der Bundespolizei jedoch genauer anschauen. So wurden allein gestern 116 Aufgriffe verzeichnet. Die Bundespolizei meldet gleichzeitig, dass von diesen Aufgegriffenen 29 unmittelbar abgewiesen und zurückgeschickt worden sind. Vorgestern wurden 87 aufgegriffen und 44 zurückgeschickt. Das ist die Realität.
Die Zahlen sind im Moment – Gott sei Dank! – niedrig. Wenn aber ein erheblicher Anteil derjenigen, die jetzt über die Grenze kommen, von der Bundespolizei unmittelbar an der Grenze zurückgewiesen wird – erfreulicherweise gibt es dafür endlich eine entsprechende Rechtsgrundlage –, weil sie keinen Anspruch haben, Deutschland zu betreten, dann ist das doch gerade der Beleg dafür, dass es sinnvoll ist, an der Grenze zu kontrollieren;
denn wenn die Kontrolle nicht unmittelbar an der Grenze erfolgt, ist ein sofortiges Zurückschicken nicht möglich. Dann müsste erst das gesamte Verfahren in Deutschland durchlaufen werden. Die Bundespolizei selbst demonstriert jeden Tag, wie sinnvoll es ist, Kontrollen durchzuführen. Wenn sie schon dort steht – meines Erachtens müssten noch mehr Polizisten dort stehen –, dann kann sie die Leute, die keinen Anspruch haben, Deutschland zu betreten, unmittelbar zurückschicken.
Aus den genannten Gründen komme ich zu dem Ergebnis: Wir müssen das fortsetzen. Das sage ich auch vor dem Hintergrund der aktuellen Meldungen.
Vorgestern gab es Ausschreitungen in dem Hotspot auf Lesbos. Die Lage insgesamt zwischen der Türkei und Griechenland ist keineswegs schon so stabilisiert, dass man sagen könnte, alles sei gelaufen. Wir können uns noch nicht beruhigt zurücklehnen. Nach einer Besserung der Witterungsverhältnisse im Mittelmeerraum sind vielmehr stärkere Flüchtlingsströme in Richtung Italien und dann auf der Brenner-Route zu befürchten.
Ich weise darauf hin, dass wir es in Europa neben der Flüchtlingssituation auch mit massiv gestiegenen Terrorrisiken, insbesondere den Risiken islamistischen Terrors, zu tun haben. Alle Ermittlungen in Brüssel und Paris haben ergeben, dass ein erheblicher Teil der Attentäter zuvor Reisebewegungen quer durch Europa vorgenommen hatte. Deshalb ist allein die Terrorgefahr ein Grund, sich mit den Reisebewegungen von Terroristen quer über die Grenzen zu befassen.
Wir begrüßen die bislang getroffenen Maßnahmen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie der Europäischen Union selbst zum Schutz der EU-Außengrenzen. Diese Anstrengungen reichen aber nicht aus. Dies habe ich auch am Dienstag dieser Woche in einem Gespräch mit dem zuständigen Kommissar Avramopoulos, der sich zuvor der Diskussion hier im Landtag gestellt hatte, deutlich gemacht. Ich habe darüber zudem gestern Abend in Brüssel mit dem Generaldirektor der Generaldirektion Migration und Inneres, Herrn Ruete, gesprochen.
Es ist offenkundig – das sage ich auch im Hinblick auf die anderen Länder, die ich Ihnen vorhin genannt habe –, dass sich die Situation an den Außengrenzen in den vergangenen Monaten verbessert hat, aber bei weitem noch nicht zufriedenstellend ist. Die Kommission teilt diese Einschätzung. Ich habe in Brüssel keinen Gesprächspartner gefunden – keinen einzigen! –, der erklärt hätte, alles sei wieder okay und es gebe keine Probleme mehr. Ich habe das Gefühl, die SPDFraktion im Bayerischen Landtag – und die GRÜNEN dazu – sind weit und breit die Einzigen, die behaupten, wir hätten keine Probleme mehr an den EU-Außengrenzen. Sie sind mit dieser Einschätzung weit und breit die Einzigen!
Ich sage Ihnen: Wir müssen die Binnengrenzkontrollen auf jeden Fall bis Ende des Jahres verlängern. Wir müssen die Zeit bis dahin dafür nutzen, entscheidende Verbesserungen für die innere Sicherheit in Europa zu erreichen. Ich nenne ein paar Punkte beispielhaft:
Erstens müssen die Mitgliedstaaten mit EU-Außengrenzen ihre eigenen Anstrengungen ausbauen, um einen ausreichenden Schutz der Außengrenzen zu gewährleisten.
Zweitens muss ein europäisches Einreise- und Ausreiseregister zum Schutz der EU-Außengrenzen eingeführt werden. Ein entsprechendes Einreiseregister in den USA hat sich bewährt. Auch unsere Sicherheitsbehörden müssen wissen, wer sich zurzeit innerhalb der EU aufhält.
Viertens muss die Registrierung von Flüchtlingen europaweit anhand der Fingerabdrücke erfolgen. Da dem IS wahrscheinlich mehrere Tausend echte syrische Pässe in die Hände gefallen sind, genügt die Registrierung der Namen nicht mehr. Nur mit der Registrierung der Fingerabdrücke kann die Maxime erreicht werden: One man, one date.
Fünftens benötigen wir einen europäischen Kriminalaktennachweis. Es muss möglich sein, dass mit einer Abfrage alle Polizeidienststellen in Europa in Erfahrung gebracht werden können, die bereits Ermittlungen gegen die betroffene Person geführt haben. Nur so können selbsternannte Dschihadisten innerhalb Europas wirkungsvoll bekämpft werden.
Sechstens brauchen unsere Sicherheitsbehörden eine europäische Fingerabdruckdatenbank, über die neben Fingerabdruckdaten auch DNA-Daten ausgetauscht werden können. Dies ist derzeit nur nach dem Prümer Rahmenbeschluss möglich, der aber wirkungsvoll nur in 5 von 27 Mitgliedstaaten umgesetzt worden ist. Wir müssen erreichen, dass alle EU-Mitgliedstaaten an diesem System beteiligt sind.
Siebtens müssen die vorhandenen Dateien der Polizeien und Sicherheitsbehörden innerhalb Europas miteinander verknüpft werden. Es ist nicht länger hinnehmbar, dass für Auskünfte aus dem europäischen Fahndungsbestand, aus Eurodac, aus dem Schengener Informationssystem und aus dem Visa-Informationssystem jeweils gesonderte Abfragen erforderlich sind. Diese Handhabung ist auch angesichts der Möglichkeiten der Informationstechnologie vorsintflutlich. Eine Abfrage muss genügen, um an alle Erkenntnisse zu gelangen. Polizeibeamte und Grenzschützer müssen nach einem Mausklick wissen, ob sie es mit einem Kriminellen, einem Extremisten oder einem potenziellen Gefährder zu tun haben.
Meine Damen und Herren, ich weiß, dass das ehrgeizige Ziele sind; dennoch wollen wir sie bis zum Jahresende erreichen. Dazu bedarf es großer Anstrengungen der EU-Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission. Ich habe Herrn EU-Kommissar Avramopoulos vorgestern und Herrn Generaldirektor Ruete gestern noch einmal die Hilfe und Unterstützung Bayerns angeboten.
Wir wollen alles, was uns möglich ist, dazu beitragen, dass wir die Binnengrenzkontrollen innerhalb der Europäischen Union beenden können – aber nur dann, wenn es gelungen ist, dafür zu sorgen, dass die Europäische Union insgesamt wieder ein Raum der Sicherheit ist. Dafür kämpfen wir. Deshalb bitte ich Sie um Unterstützung des Dringlichkeitsantrags der CSUFraktion. Wir müssen klare Signale für die innere Sicherheit in unserem Land setzen. – Vielen Dank.
Einen kleinen Moment, bitte. Vielen Dank für diesen Redebeitrag, Herr Staatsminister. Bevor wir zur Zwischenbemerkung von Professor Gantzer kommen, gebe ich bekannt, dass die FREIE-WÄHLER-Fraktion für ihren Antrag auch namentliche Abstimmung beantragt hat. – Jetzt hat Herr Professor Gantzer das Wort.
Erstens. Sie kennen den Brief, den der Ministerpräsident an die Bundeskanzlerin geschrieben hat. Sie haben sogar daran mitgewirkt, insbesondere an der Formulierung der Einzelforderungen. Eine Forderung war zum Beispiel die Schließung der bzw. scharfe Kontrollen an den Grenzen. Da Sie das so aufgeregt hat, frage ich Sie: Wie beurteilen Sie den Antwortbrief der Bundeskanzlerin, in dem sie schreibt, dass sie eigentlich alle Vorschläge ablehnt, und dann den Hinweis gibt, dass wir unseren humanitären Verpflichtungen nachkommen müssen?
Herr Kollege Gantzer, zum Ersten: Die CSU hat sich zu jedem Zeitpunkt zu den humanitären Verpflichtungen unseres Landes bekannt.
Ich habe Ihnen widersprochen; denn Sie haben versucht, ausgerechnet in diesem Punkt einen Gegensatz zwischen der Kanzlerin und uns zu konstruieren. In Fragen der humanitären Verpflichtungen unseres Landes gibt es keinen Widerspruch zwischen der Kanzlerin und uns.
Heute reden wir schließlich auf Antrag der CSU-Fraktion über die Notwendigkeit, auch weiterhin Grenzkontrollen durchzuführen. Es ist doch Unfug, wenn von Ihnen und den GRÜNEN so getan wird, als ob wirksame Grenzkontrollen ein Widerspruch zur humanitären Verpflichtung unseres Landes seien. Meine Damen und Herren, war Deutschland kein humanitäres Land, so lange es ganz selbstverständlich Grenzkontrollen in ganz Europa gab? War es bis vor 20 Jahren kein humanitäres Land?
Ich weiß nicht, welche Schlüsse Sie für sich daraus ziehen. Ich darf aber darauf hinweisen: Die Bundespolizei hat nach meiner Kenntnis heute mehr Mitarbeiter als vor 20 Jahren. Auch die bayerische Polizei hat heute mehr Mitarbeiter als vor 20 Jahren.
Wenn die Bundespolizei und die bayerische Polizei vor 20 Jahren in der Lage waren, die Südgrenze Deutschlands entsprechend zu sichern, und dies mit weniger Leuten, als sie heute haben, dann bin ich der festen Überzeugung, dass es sowohl der Bundespolizei als auch der bayerischen Polizei gelingt, im Jahr 2016 die Südgrenze Deutschlands,