Ihre Berechnung ist deshalb falsch, liebe Kollegen und Kolleginnen, weil seit der letzten Sollstärkenberechnung die bayerische Bevölkerung um 1,5 Millionen Menschen zugenommen hat. Das heißt, Sie argumentieren mit veralteten Zahlen und nehmen gar nicht zur Kenntnis, dass Bayern um 1,5 Millionen Einwohner größer geworden ist.
Hinzu kommt, dass im gleichen Zeitraum die Kriminalität geradezu explodiert ist. Abgesehen von der "normalen" Kriminalität haben wir im Augenblick die Ter
rorgefahr, die Flüchtlingssituation, die Cyberkriminalität und überhaupt alle neuen Kriminalitätsformen. Und Ihnen fällt dazu nur ein zu sagen, wir haben ja mehr Polizeibeamte, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass wir mehr Einwohner und mehr Kriminalität, besonders schwere Kriminalität, haben. Deswegen gefällt es mir gar nicht, wenn ich in der Presseerklärung des Innenministers lesen muss, dem könne man dadurch abhelfen, dass man Obergrenzen für Flüchtlinge schafft. Nein, Herr Staatssekretär! Schaffen Sie statt Obergrenzen für Flüchtlinge lieber Obergrenzen für die Belastung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Das wäre wichtiger.
Zweitens. Ich komme zur persönlichen Situation der Polizeibeamten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich frage Sie: Weswegen geht man zur Polizei? Eigentlich weiß nämlich jeder, dass der Beruf des Polizeibeamten kein normaler Broterwerbsberuf ist. Er ist abgesehen vom Soldatenberuf der einzige Beruf, in dem man bereit sein muss, im Einsatz Leib und Leben zu opfern. Weswegen ist der Polizeibewerber dazu bereit? – Weil er idealistisch ist. Weil er weiß, dass er etwas für die Gemeinschaft leistet. Er gibt Bürgerinnen und Bürgern durch seine Arbeit Sicherheit in dieser Gesellschaft. Sicherheit ist ein ganz hohes Gut. Wir haben es also mit einer besonderen Spezies von Mensch zu tun, die in den Polizeiberuf geht.
Auf der anderen Seite muss man sich fragen, was der Polizeibeamte und die Polizeibeamtin dafür bekommen. Wenn sie bei der Bereitschaftspolizei sind, bekommen sie höchstens ein garantiertes freies Wochenende im Monat und Überstunden zuhauf – im Augenblick haben wir bei der Polizei insgesamt in Bayern zwei Millionen Überstunden. Wenn ich das auf den einzelnen Polizeibeamten umrechne, haben wir eine ganz hohe Zahl mit über 100 Überstunden. Viele haben über 200 Überstunden.
Was bekommen sie weiter? – Sie bekommen eine verminderte Teilnahme am sozialen Leben und eine verminderte Teilnahme am Familienleben. Es ist kein Zufall, dass die Scheidungsquote gerade bei Polizeibeamten höher ist als bei der übrigen Bevölkerung. Sie müssen Einsätze durchführen, die zu posttraumatischen Störungen führen können. Und wir haben im Augenblick den Faktor "Gewalt gegen Polizeibeamte". Das ist also ein Beruf, der sehr hohe Anforderungen stellt.
Sie hören meine Klagen. Ich lese, dass der Innenminister gesagt hat, er verstehe nicht, dass die Opposition andauernd herumnörgele. Dazu kann ich nur
sagen: Nicht wir nörgeln. Ich bin wöchentlich bei Polizeidienststellen und muss immer wieder feststellen, dass die Polizeibeamten nörgeln.
Was sie in ihrem Beruf ertragen müssen, gefällt ihnen nicht. Was mich wirklich – ich will nicht sagen – wundert, aber was ich total anerkennen muss – das begeistert mich, so muss ich es sagen –, ist Folgendes: Die Polizeibeamten klagen zwar, sind aber stolz auf ihren Beruf.
Herr Staatssekretär, das bringt mich dazu zu sagen: Nehmen Sie unsere Anträge ernst, auch wenn sie jetzt abgelehnt werden. Was dort an Inhalt drin ist, sollte in der Polizeiarbeit endlich auch von Ihrer Seite aus zur Durchführung kommen. Deswegen sage ich: Wenn wir schon diese stolzen Polizeibeamten haben, die einen wichtigen Dienst für uns leisten, dann geben Sie den Polizeibeamten auch das, was sie verdienen, nämlich ein halbwegs anständiges, lebbares Berufsund Familienleben.
Vielen Dank. – Jetzt darf ich der Frau Kollegin Schulze das Wort erteilen. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit zwei Zahlen beginnen. Im Jahr 2015 hat die bayerische Polizei über zwei Millionen Überstunden angehäuft. Wenn man das auf Überstunden pro Kopf umrechnet, sind das 62 Stunden pro Polizistin und pro Polizist. Diese Zahlen sind besorgniserregend. Aber ich möchte dazu den kleinen Hinweis geben, dass die Polizei schon in den Jahren zuvor recht belastet war und viel zu tun hatte. Der Kollege Gantzer hat auf die Diskussion bezüglich der Ist- und Soll-Stellen hingewiesen. Wir haben diese Diskussion auch regelmäßig im Innenausschuss.
Das Jahr 2015 war für die bayerische Polizei besonders belastend. Das liegt an der allgemeinen Weltlage. Das liegt an dem G-7-Gipfel. Das liegt an den vielen Großveranstaltungen und natürlich an der alltäglichen Arbeit. Alle hofften, dass nach dem G-7Gipfel endlich Normalität im Arbeitsalltag einkehren würde. Das ist aber nicht passiert. Jetzt ist es unsere Aufgabe zu schauen, wie wir die Belastung der bayerischen Polizistinnen und Polizisten reduzieren können. Da möchte ich einen deutlichen Hinweis an das Innenministerium richten: Da hilft es nicht, wenn man
immer für die großartige Arbeit der Polizistinnen und Polizisten Danke sagt und warme Worte findet, sondern die bayerische Polizei braucht konkrete Maßnahmen, wie sie die Arbeitsbelastung reduzieren kann.
Wir GRÜNE haben in unserem Antrag gute Vorschläge aufgelistet. Die Debatte dazu im Innenausschuss war, ehrlich gesagt, unterirdisch. Ich kann nicht verstehen, warum die CSU-Fraktion da nicht mitgehen konnte.
Fangen wir mit dem ersten Punkt an. Wir GRÜNE möchten, dass zusätzliche Tarifbeschäftigte eingestellt werden. Wir finden es gut, dass jetzt mehr Polizistinnen und Polizisten eingestellt werden. Wir haben das mitgetragen. Wir alle hier im Landtag wissen aber: Die sind morgen natürlich noch nicht einsatzbereit, die müssen erst noch ausgebildet werden. Das ist auch richtig und gut so. Wir sagen aber, es wäre sinnvoll, zusätzliche Tarifbeschäftigte für die Verwaltung einzustellen. Damit könnten wir sofort und schnell die Polizei in Bayern entlasten.
Ein weiterer Punkt ist das Thema Bereitschaftspolizei. Da fordern wir etwas, was in unseren Augen eigentlich selbstverständlich sein sollte. Wir hätten gerne, dass pro Monat mindestens ein im Voraus planbares Wochenende verfügbar ist. Das ist wirklich nicht zu viel verlangt. Auch Herr Kollege Professor Dr. Gantzer hat schon ausgeführt, der Polizeiberuf ist nicht immer sozial kompatibel. Oft leidet das Sozialleben ganz erheblich darunter. Im Gespräch mit Polizistinnen und Polizisten ist das oft ein Kritikpunkt. Wir finden also, hier könnte man klare Regeln an die Belegschaft senden, damit zumindest das möglich ist. Wir wollen doch hoffentlich alle nicht, dass wir die Polizistinnen und Polizisten verschleißen.
Außerdem muss der massive Überstundenberg abgebaut werden, und zwar planbar und möglichst zeitnah. Wenn das nicht geht, dann muss man sich darüber Gedanken machen, ob man einen Teil der Überstunden vielleicht doch ausbezahlt. Wir können doch nicht wollen, dass die Polizistinnen und Polizisten diesen Überstundenberg mit sich schleppen. Das ist auch aus Arbeits- und Gesundheitsschutzgründen nicht zielführend.
Der vierte Punkt, den wir in unserem Antrag fordern, ist wirklich so schön. Ich wünschte, Sie könnten sich endlich einmal einen Ruck geben; denn dann könnten wir die bayerische Polizei massiv entlasten. Wir möchten, dass die Bayerische Staatsregierung Geset
Es gibt viele gute Ideen, wie man die Polizei von unnötigem bürokratischem Aufwand entlasten kann. Einen Punkt haben wir hier schon regelmäßig angesprochen. Ich sage Ihnen, wir GRÜNEN werden diesen Antrag immer wieder stellen, bis auch Sie das endlich verstanden haben. Wir wollen beispielsweise, dass der Besitz von Cannabisprodukten zum Eigenbedarf bis zu sechs Gramm straffrei ist.
Das ist nicht nur eine Forderung von uns GRÜNEN, sondern das sagen auch viele Mitglieder der Polizeigewerkschaft, selbst der Anwaltsverein fordert das. Das wären sinnvolle Optionen und Möglichkeiten, um die Polizei von bürokratischen Aufgaben zu entlasten.
Der letzte Punkt ist sehr, sehr wichtig, vor allem in der momentanen Situation. Wir brauchen eine fundierte Evaluation und eine Aufgabenkritik bei der bayerischen Polizei. Wir müssen wirklich schauen, welche Aufgaben vordringlich zu behandeln sind und wie Ressourcen umgeschichtet werden können. Das alles wären konkrete Punkte, wie wir die bayerische Polizei entlasten können. Ich habe im Innenausschuss die Argumente der CSU-Kollegen nicht verstanden, warum man sich gegen diese sinnvollen Forderungen stellt; denn sie würden der bayerischen Polizei wirklich helfen.
Jetzt aber komme ich zu einem sehr wichtigen Punkt. Noch weniger verstehe ich, wie die CSU immer wieder populistisch neue Forderungen aufstellt, was die Polizei noch alles bearbeiten soll. Heute wurde Herr Seehofer zitiert, der meinte: Wir sind nicht für den Grenzschutz zuständig, aber wir wären es gerne. – Da muss ich schon sagen: Man kann doch nicht auf der einen Seite der Meinung sein, dass die bayerische Polizei überlastet ist und wir schauen müssen, wie wir den Dienst familien- und gesundheitsverträglich machen können, ohne die innere Sicherheit in irgendeiner Form zu gefährden, wenn Herr Seehofer gleichzeitig auf der anderen Seite erklärt, er möchte die Landespolizei für den Grenzschutz einsetzen. Das ist einfach absurd.
Das ist falsch, und das ist auch gesetzlich falsch, und das sollten doch gerade die juristischen Experten in
der CSU-Fraktion wissen: Das geht gar nicht, weil die Bundespolizei für die Grenzsicherung zuständig ist. Ehrlich gesagt bin ich darüber sehr froh.
Zu den beiden Anträgen der SPD und der FREIEN WÄHLER: Wir haben schon im Innenausschuss darüber gesprochen; es sind sehr viele gute Punkte darin enthalten. Vieles überschneidet sich auch mit unserem Antrag. Sie haben in Ihren Anträgen aber drinstehen, dass man die außerbayerischen Einsätze reduzieren sollte. Das finden wir GRÜNEN aber schwierig; denn gerade im Moment ist Solidarität sehr wichtig. Wir in Bayern waren beispielsweise beim G-7-Gipfel sehr froh, dass Polizistinnen und Polizisten aus anderen Bundesländern zu uns gekommen sind. Wir werden uns deshalb bei diesen beiden Anträgen wie schon im Innenausschuss der Stimme enthalten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Hohes Haus! Liebe Frau Schulze, ich bin immer wieder begeistert zu hören,
Ich darf Ihnen vielleicht kurz von meiner Tochter erzählen, die vier Jahre älter ist als Sie. Sie ist Polizeibeamtin in Würzburg.
Meine Tochter kann aufgrund der Möglichkeiten, die so freizügig sind wie in keinem anderen Bereich, insbesondere nicht in der freien Wirtschaft, nämlich auch aufgrund der Teilzeitarbeit, die beiden Enkelkinder – über die ich mich sehr freue – und ihren Dienst hervorragend in Einklang bringen.
Was ich damit sagen will, ist Folgendes: Wir sollten hier nicht pauschalisieren. Die Einsatzbelastung, die die bayerische Polizei in vielen Teilen hat, sollten wir nicht zu einer Generalisierung verwenden und von einer Polizei sprechen, die frustriert, überlastet und politisch nicht unterstützt irgendwo am Rande der Gesellschaft dahinvegetiert. Das Gegenteil ist der Fall. Wir sind stolz auf unsere Polizei, wir unterstützen unsere Polizei. Wir wissen, dass es in vielen Bereichen Spitzen der Belastung gibt. Diese Überlastung müs
sen wir als politisch Verantwortliche sukzessive abbauen. Da bin ich Ihnen, Herr Professor Dr. Gantzer, sehr dankbar, dass Sie seit vielen Jahrzehnten hier im bayerischen Parlament für unsere Polizei einstehen. Haben Sie aber bitte auch Verständnis; denn Sie haben vorhin etwas frustriert geklungen, als Sie sagten, dass wir Ihre Anträge ablehnen. Sie haben selbst darauf hingewiesen: Diese Anträge wurden im Dezember als Dringlichkeitsanträge eingereicht. Im Januar wurden sie im Innenausschuss behandelt, und heute stehen sie, auf Wunsch eines Antragstellers, zur Behandlung im Plenum an, was wir auch sehr gern tun.