um die Partizipation und die Teilhabe jener Menschen, die zu uns kommen und bei uns leben. Vorher ist schon wieder der Begriff "Leitkultur" gefallen. Ich meine, dass dieser Begriff zu hinterfragen ist. Ich würde lieber von einer Wertebasis sprechen, auf die wir uns verständigen können;
denn mit der Leitkultur gibt es das Problem, dass zwar der Mensch von Natur aus ein Kulturwesen ist, sich Kultur und Identität verschafft, wir aber darauf achten müssen, dass wir an der Kultur der Anderen nicht schuldig werden, dass wir die Kultur der Anderen respektieren und ihr auch respektabel entgegentreten.
Auf die Wertebasis, die etwas Gemeinsames darstellt, können wir uns auch verständigen. Das ist die Basis, auf der unsere Gesellschaft fußt. Im Grunde sind das die Menschenrechte, die Grundrechte; das sind unsere Rechte oder Werte wie die Gleichheit, die Freiheit oder die Toleranz. Ich meine, da müssen wir ansetzen, insbesondere bei der Toleranz. Voltaire sagt zum Beispiel, dass Toleranz die Menschlichkeit, die Mitmenschlichkeit schlechthin ist. Toleranz ist das Verzeihen der gegenseitigen Dummheit. Wenn wir etwas lockerer miteinander umgehen und unsere gegenseitigen Dummheiten mit einem Schmunzeln verzeihen können, können wir auch toleranter sein und toleranter miteinander umgehen.
Ich meine daher, dass wir es schon wagen sollten, eine Wertediskussion zu führen. Daran würden wir sehen, dass auch die Einigkeit ein großer Wert in unserer Gesellschaft ist, die Einigkeit, die uns zusammenführt und zusammenhält, egal welche Kultur man hat und welche Kultur man in sich trägt. Die Kultur trennt uns ja schon innerhalb Bayerns. Hier im Hause möchte man manchmal meinen, dass schon zwischen Oberbayern und Franken ein fast unüberwindlicher Graben liegt. Deshalb sollten wir uns auf unsere gemeinsamen Werte verständigen und diese pflegen, sie aber auch einfordern; denn Menschenrechte sind auch Menschenpflichten, die wir uns gegenseitig schulden. Das beste Grundgerüst für den Frieden und die Verträglichkeit innerhalb einer Gesellschaft ist das Besinnen auf unsere Menschenrechte, sie zu leben, einzufordern und zu verwirklichen.
Ich meine, in diesem Sinne sollten wir einen solchen Gesetzentwurf angehen und erarbeiten. Dies muss auch in einen solchen Gesetzentwurf. Diesbezüglich – das muss ich leider sagen – springt der Gesetzentwurf der SPD etwas zu kurz. Man merkt, dass er in einer Zeit geschrieben wurde, in der die jetzige Situa
tion noch nicht berücksichtigt werden musste. Die jetzige Situation lehrt uns im Grunde Integration. Wenn Hunderttausende von Menschen nach Bayern und nach Deutschland kommen, dann sind wir gefordert, eine gelingende Integration zu schaffen; denn ich möchte mir nicht vorstellen, wie unser Land aussehen würde, wenn diese Integration nicht gelingt. Bayern war und ist schon immer ein integrationsfreudiges Land gewesen. Im Herzen Europas bleibt einem auch nichts anderes übrig. Über 500 Jahre als römische Provinz haben sich hier eingeprägt wie auch Schweden oder Franzosen, die hier durchmarschiert sind. Daher, meine ich, kann man das, was ansteht, schaffen, wenn wir es richtig anpacken.
Unser großer Appell an das Hohe Haus lautet: Lasst uns gemeinsam an diesem Gesetz arbeiten. Liebe Staatsregierung, nehmen Sie bitte den Dialog mit den Oppositionsfraktionen wieder auf, damit wir unsere Ideen einbringen können. Dann können wir es vielleicht schaffen, gemeinsam einen großen Wurf zu landen, der als Zeichen dieses Hauses, das dann ins Land hinausgeht, gesehen wird. Damit könnten wir zeigen, dass wir alle im Land mitnehmen wollen. Das wäre die große Bitte, hier nicht im kleinen Parteiengezänk unterzugehen, sondern zu versuchen, gemeinsam etwas zu machen. Ich bitte die Staatsregierung: Lassen Sie uns das gemeinsam machen. Nehmen Sie den Dialog wieder auf! – Danke schön.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! – Lieber Martin Neumeyer, bei deinem Currywurst-Gespräch wurde dir gesagt, dass die Menschen keine Geduld mehr hätten. Sie wollten Fakten, keine Debatten. Lieber Martin, ich bin in den 1980er-Jahren als Gastarbeiterkind nach Deutschland gekommen. Mein Schulweg ging an vielen Mauern und Wänden vorbei, an denen fast überall "Ausländer raus" etc. stand.
Wir haben den Fall Mehmet hier im Bayerischen Landtag monatelang diskutiert. Der damalige Innenminister hat diesen Fall aufgebauscht. Der damalige CSU-Generalsekretär und heutige Finanzminister hat die Minarett-Diskussion und die Kruzifix-Diskussion monatelang geführt. Neuerdings hat er eine Feier anlässlich zehn Jahre ausgeglichener Haushalt angekündigt, anstatt einen Gedenktag für die zehn Milliarden Euro einzulegen, die bei der BayernLB versenkt wurden.
Es gab eine Unterschriftenaktion von Stoiber, bei der Menschen ins Rathaus gekommen sind und gefragt haben, wo sie gegen Ausländer unterschreiben können, und eine Ausländermaut von Dobrindt, zu der mir Menschen im Wahlkampf gesagt haben, sie fänden es richtig, dass ich Maut zahlen müsse. Ich habe gesagt: Ich muss doch keine Maut zahlen. Die Antwort war: Natürlich müssen Sie Maut zahlen, Sie sind doch Ausländer. – Wir haben hier im Bayerischen Landtag Debatten genug geführt. Das reicht tatsächlich. Jetzt müssen wir endlich mal handeln.
Was ist die Frage? Was ist euer Angebot, lieber Martin Neumeyer, liebe Bayerische Staatsregierung? – Das Angebot kann doch nicht ernsthaft lauten, dass die Bayerische Staatsregierung ein Keulengesetz formuliert und zeitgleich der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung zur Besänftigung bei Migrantinnen und Migranten zum Currywurst-Essen geht. Das geht nicht.
Bitte bleiben Sie am Rednerpult. – Herr Taşdelen, bitte gehen Sie noch einmal zum Rednerpult. Wir haben eine Zwischenbemerkung des Kollegen Neumeyer.
Ich muss ganz ehrlich sagen: Dieses "Ausländer raus" ist kein Titel der CSU gewesen. Ich habe das nur bei rechten Parteien gehört und gelesen, aber nicht bei der CSU. Ich wäre da sehr vorsichtig, das so eindeutig festzulegen.
Das Nächste ist: Ich habe den Zusammenhang mit Mehmet nicht ganz verstanden. Dieser junge Mann hat viele Vergehen begangen und ist strafrechtlich verfolgt worden. Was es daran zu kritisieren gibt, verstehe ich nicht. Ich verstehe auch nicht, wieso du Moschee und Muezzin in Zusammenhang mit dieser Diskussion bringst. Das entzieht sich meinem Wissen.
Es gab nie eine Unterschriftenaktion gegen Ausländer. Das war die Aktion zur doppelten Staatsbürgerschaft. Das ist etwas ganz anderes. Zur Demokratie
gehört, dass sich manche für die doppelte Staatsbürgerschaft aussprechen und manche dagegen. Das ist eine Entscheidung. Das ist doch die Riesenchance, wie ich vorher zu erklären versucht habe, dass man miteinander ins Gespräch kommt.
Aber wir müssen eine Streitkultur finden, eine diskussionsoffene Streitkultur, die uns etwas bringt. Uns bringt so etwas ganz ehrlich nichts. Ich esse gern Currywurst und rede gern mit den Menschen. Ich esse genauso gern Döner. Ich nehme das alles auf. Ich weiß, dass unterschiedliche Meinungen existieren. In dieser Situation über ein Gesetz der Staatsregierung zu diskutieren, darin liegt die Chance. Auch über einen SPD-Gesetzentwurf kann und muss man diskutieren. Aber die Entscheidung fällt jetzt, wenn wir über Werte diskutieren. Das ist die Basis für das zukünftige Zusammenleben.
Kollege Martin Neumeyer, ich versuche, das jetzt mal zu erklären. Ich komme zuerst zu dem Migranten, von dem du erzählt hast, der gesagt hat, wir haben keine Geduld mehr, Menschen wollen Fakten und keine Debatten. Ich habe lediglich dargelegt, dass diese Debatten hier im Hohen Haus – damals war ich nicht Mitglied dieses Hohen Hauses – monatelang geführt wurden. Warum debattiert man monatelang über einen straffällig gewordenen Jugendlichen im Hinblick auf das Integrationsverhalten oder im Hinblick auf alle Migrantinnen und Migranten in Bayern?
Wenn jemand straffällig wird, muss er vor Gericht und muss die Strafe annehmen, die der Richter ihm auferlegt. Warum diskutieren wir diesen Fall im Hinblick auf alle Migrantinnen und Migranten? – Das ist das Problem.
Wir beide wissen ganz genau, dass diese Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft war. Bei den Menschen, die Stoiber und Koch damals erreichen wollten, ist das so angekommen, als würde man gegen Ausländer unterschreiben.
(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Unruhe bei der CSU – Martin Neumeyer (CSU): Das stimmt doch nicht! – Glocke der Präsidentin)
Ich rede jetzt nicht von eigenen Gefühlen. Ich rede von Fakten. Menschen sind im Nürnberger Rathaus aufgetaucht und haben gefragt, wo sie gegen Ausländer unterschreiben können. – Diese Debatten bringen uns nicht weiter, lieber Martin Neumeyer.
(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Dr. Flo- rian Herrmann (CSU): Da können doch wir nichts dafür!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht um Menschen, die bei uns bleiben werden. Es geht um Menschen, die aus einer anderen Kultur kommen. Es geht um Kinder und Jugendliche, die sich in der nächsten Zeit bei uns integrieren werden. Dafür müssen wir jetzt die Voraussetzungen festlegen. Vorgestern hat die Staatsregierung einen Gesetzentwurf für ein Bayerisches Integrationsgesetz verabschiedet. Das Gesetz umfasst beide Seiten der Integration: Fördern und Fordern.
Herr Taşdelen, Sie wissen, wir haben mit allen Fraktionen ein Gespräch geführt, und wenn Sie mich fragen, ein sehr gutes Gespräch. Wir haben mit dem Integrationsrat gesprochen. Wir haben soweit möglich, die Anregungen in den Gesetzentwurf eingebracht. Wir sind uns einig. Das möchte ich auch der Frau Kamm sagen. Die Ministerien stimmen sich permanent und täglich ab.
Aber wir sind uns nach wie vor mit allen Fraktionen einig, dass die Solidarität mit den Schwächeren und den Hilfsbedürftigen eine Gemeinschaftsaufgabe ist. Es ist eine Verpflichtung eines jeden Einzelnen und einer jeden Einzelnen, Verantwortung für sich und die Seinen und die Ihren zu übernehmen. Gelingende Integration setzt aber auch voraus, dass wir nicht nur fördern, sondern auch fordern.
Sie kommen aus einem Kulturkreis, der eine andere Tradition hat, der ein anderes Brauchtum hat, der andere Werte hat, der eine andere Sprache hat und der andere Religionen mit sich bringt.
Der Gesetzentwurf der Staatsregierung fordert daher von den Migrantinnen und Migranten ausdrücklich die Achtung der Rechts- und Werteordnung, aber natürlich auch unserer Leitkultur. Deswegen haben wir die Leitkultur auch in einer Präambel erfasst. Der Gesetzentwurf der SPD bleibt dagegen auf dem halben Weg stehen. Er regelt umfassend das Fördern und vernachlässigt das Fordern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Geschehnisse der Sylvesternacht in Köln haben deutlich gemacht, wie wichtig ein gemeinsames Werteverständnis, die Vermittlung sowie die Einforderung unserer Werte sind.
Die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie das staatliche Gewaltmonopol gelten in ganz Deutschland für alle Menschen gleichermaßen. Jeder muss sich daran halten und diese Vorgaben auch akzeptieren.