Ich sage Ihnen noch etwas: Ich nehme fast täglich an einer Veranstaltung zum Thema Integration teil. Dort weise ich darauf hin, dass neben der eigentlichen Integration auch Ursachenbekämpfung und Verteilung wichtige Aufgaben sind. Wenn es um das Thema Integration geht, sagen viele: Das braucht es nicht. – So, wie wir hier über dieses Thema debattieren, ist es in der Bevölkerung noch nicht angekommen.
In der aktuellen Situation haben wir die Chance, auf die Bedeutung der Integration deutlich hinzuweisen. Integration betrifft diejenigen, die mit einem Status nach der Genfer Flüchtlingskonvention bei uns sind, und diejenigen, die eine Bleibeperspektive haben. Die Angebote müssen die Bereiche Sprache, Bildung, Arbeit, Sport – das sind nur Beispiele – umfassen. Aber manche lehnen nicht nur einzelne Punkte, sondern das Integrationskonzept insgesamt ab. Sie sagen, das brauche es nicht. Insoweit haben wir Überzeugungsarbeit zu leisten.
Ein Gesetz reicht übrigens nicht aus, um eine Gesellschaft zusammenzuhalten. Wir brauchen zusätzlich die Wertedebatte. Wenn wir die Chance, diese Debatte jetzt zu führen, nicht nutzen, dann haben wir verloren. Ich meine das ganz ernst. Voraussetzung ist die Akzeptanz grundlegender Prinzipien und Werte wie Freiheitssinn, Demokratie, Solidarität, Zivilcourage, Rechtsstaat und Friedensliebe. Wir brauchen eine offene, demokratische Diskussionskultur, eine ehrliche
Streitkultur. Wir dürfen jemanden, der anderer Meinung ist, nicht sofort in eine bestimmte Schublade stecken, um nicht hören zu müssen, was er zu sagen hat. Es ist wichtig, dass wir gemeinsam das Ziel der Integration formulieren und es anstreben. Ich wiederhole: Wir müssen die Chance nutzen, jetzt in diesem Land die Debatte über unsere Werte zu führen und darüber, wie sie auch in Zukunft unsere Leitprinzipien sein können. Anscheinend haben einige schon vergessen, wie wertvoll unsere Werte sind und dass deren Geltung nicht selbstverständlich ist.
Diese Chance müssen wir nutzen. Die Menschen, die zu uns kommen, sind eine weitaus größere Herausforderung, als wir sie in früheren Zeiten hatten. Wir wissen nicht, was heuer passiert. Die Menschen, die zu uns in hoher Anzahl kommen, sind Analphabeten, Menschen mit einer anderen kulturellen Prägung, einer anderen religiösen Ausrichtung, einer anderen Wertevorstellung, anderer Ethnien und haben ein anderes Verständnis vom Umgang mit Frauen. Bei dieser großen Herausforderung müssen wir gemeinsam an einem Strang ziehen und schauen, dass wir es für Deutschland und für die Menschen schaffen.
Ich habe vorher gesagt, dass ich morgen vor einer Woche beim Currywurst-Essen war. Ich gehe wieder zum Currywurst-Essen, weil man da erfährt, was die Leute denken, und das ist für die Politik wichtig.
Danke schön. – Bevor der nächste Redner, Herr Dr. Fahn, zum Rednerpult geht, gebe ich bekannt, dass die SPD-Fraktion zu diesem Gesetzentwurf namentliche Abstimmung beantragt hat. Also, die Uhr läuft sozusagen. – Bitte schön, Herr Dr. Fahn.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mich hat bei der ganzen Diskussion gewundert, dass von Herrn Neumeyer nicht nur zum Gesetzentwurf der SPD, sondern auch zum Gesetzentwurf der Staatsregierung, der seit Dienstag vorliegt, eigentlich sehr wenig gesagt wurde. Ich versuche aber, mich auf den Gesetzentwurf der SPD zu beschränken.
Herr Neumeyer, ich muss trotzdem einen Satz zu Ihnen sagen. Sie haben geäußert, der Gesetzentwurf der Staatsregierung sei gut und richtig. Der Integrationsrat sei angehört worden. Ich weiß aber, dass dabei maximal 20 Personen anwesend waren. Ein Protokoll dazu gibt es nicht. Herr Taşdelen hat gesagt, die CSU solle noch mal in sich gehen. Das würde ich unterstützen. Deswegen haben wir heute einen Dringlichkeitsantrag für eine parlamentarische Anhörung zu diesem
Thema gestellt; denn es ist uns ganz wichtig, dass die Experten in den Landtag kommen und wir ihnen Fragen stellen können. Das ist viel besser und wichtiger als eine einfache Anhörung, bei der Abgeordnete gar nicht dabei sein können, oder eine Anhörung der Verbände, die ohnehin nur schriftlich erfolgt. Ich sage das hierzu vielleicht als kleiner Einstieg.
Es ist klar: Die CSU hat das Integrationsgesetz immer abgelehnt. Herr Neumeyer hat ein solches Gesetz bereits am 17.05.2013 gefordert. Aber dann hat die CSU eine Arbeitsgruppe bzw. einen Arbeitskreis eingerichtet nach dem Motto: Wenn man nicht weiß, wie es weitergeht, wird ein Arbeitskreis gegründet. Dann hat die SPD ihren Gesetzentwurf eingebracht. Das finde ich ausdrücklich lobenswert, weil der Gesetzentwurf der SPD Bewegung in die ganze Diskussion gebracht und dazu geführt hat, dass die Staatsregierung mit einem Gesetzentwurf nachgezogen hat.
Für uns ist auch wichtig: Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die wir nur parteiübergreifend lösen können. Ich sage das nachher noch mal, weil wir bei diesem Gesetzentwurf der Staatsregierung das Gefühl haben, dass das Parteiübergreifende leider nicht mehr gewollt ist.
Herr Huber, wir hatten das Gespräch in der Staatskanzlei, und da waren alle Parteien dabei. Aber dann – das Gespräch war zu Ende, wir waren eigentlich ganz optimistisch – haben Sie die Pressemitteilung herausgegeben, dass kein zweites Gespräch stattfinden wird. Das fanden wir insgesamt nicht gut. Ich sage nach wie vor: Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die man nur parteiübergreifend lösen kann. Ich muss klar sagen: Das wäre eigentlich die große Chance gewesen, die wir leider nicht genutzt haben.
Trotzdem können wir dem Gesetzentwurf der SPD aus verschiedenen Gründen nicht zustimmen. Ich möchte folgende wichtige Punkte nennen: Bei der Integration müssen die Kommunen eine zentrale Rolle spielen. Das ist für uns ganz wichtig; denn wir sagen: Der Integrationsprozess gelingt oder misslingt an der Basis. Das sind die Gemeinden, die Städte und die Landkreise. Die Kommunen müssen bei der Integration die Schlüsselstelle einnehmen. Das kommt in diesem Gesetzentwurf nicht sehr deutlich zum Ausdruck. Dabei müsste es gerade aufgrund des demografischen Wandels von den Kommunen ausgehende Integrationskonzepte geben, ähnlich wie bei den seniorenpolitischen Gesamtkonzepten, die auch von unten nach oben kamen.
Ich habe mit großer Freude registriert, dass die SPD auch einen Dringlichkeitsantrag eingebracht hat, in dem es konkret um die Kommunen geht. Diesen Antrag begrüßen wir natürlich. Aber dieses Anliegen ist im Gesetzentwurf nicht so deutlich enthalten.
Ein weiterer Punkt ist – wie wir auch bei den anderen Gesetzentwürfen feststellen –, dass von der SPD und den GRÜNEN immer neue Strukturen gefordert werden. Wir FREIE WÄHLER sagen: Statt neue Strukturen zu schaffen, ist es erst einmal wichtig, vorhandene Strukturen zu stärken bzw. auszubauen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt; denn vonseiten der SPD werden ein Landesbeirat und in den Landkreisen entsprechende Beiräte gefordert. Ein Landesbeirat kann sinnvoll und nützlich sein. Aber wir haben den Integrationsrat, der – das hat Herr Neumeyer auch gesagt – gut ist, aber verbessert werden muss. Das wollen wir auch klar optimiert haben. Wir fordern aber auch: Der Landesbeirat muss bessere Strukturen haben und sich häufiger treffen. Auch das sehen wir im Gesetzentwurf nicht umfassend enthalten. Dazu werden wir einige Anträge stellen. Nach dem Gesetzentwurf der SPD hätte man jetzt eine Doppelstruktur: neue Beiräte und den vorhandenen Integrationsrat. Diese Doppelstruktur bedeutet für uns Bürokratie und ist deshalb abzulehnen.
Auch bei der Partizipation gibt es Unterschiede. Unionsbürger sollen auch das Amt des Bürgermeisters und des Landrats bekleiden können. Wir FREIE WÄHLER sagen: Gemeinde- oder Kreisräte ja – Bürgermeister und Landräte nein.
Ich will mich jetzt kurz fassen, weil auch mein Kollege Florian Streibl hierzu konkrete Ergänzungen bringen möchte. Es gibt auch Gemeinsamkeiten; viele Punkte des Gesetzentwurfs werden von uns begrüßt, zum Beispiel ausdrücklich die Forderung nach einem Landesbeauftragten, der vom Landtag bestellt wird – dazu haben wir einen Antrag gestellt –, und die Forderung, für die Integration, die Geld kostet, Finanzmittel bereitzustellen. Auch das ist wichtig; das steht in Ihrem Artikel 13. Auch wir sagen: Wir brauchen Finanzmittel, damit die Integration gelingt. Auch da heißt es: Ohne Moos nichts los.
Letzter Punkt: Beim Thema Integration bezieht sich Herr Neumeyer nicht nur auf Flüchtlinge, sondern auch auf viele weitere Menschen, die zu uns kommen. Deshalb ist es wichtig, ein Integrationsgesetz in einen größeren Zusammenhang zu stellen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über den Entwurf der SPD-Fraktion für ein Bayerisches Partizipations- und Integrationsgesetz. Dieser Gesetzentwurf reiht sich in eine Reihe von Vorstößen der Opposition im Bayerischen Landtag ein, die auf eine Verbesserung der Partizipation und Integration von Menschen mit Migrationshintergrund abzielten, aber in der Vergangenheit von der CSU bedauerlicherweise jeweils ohne tiefere, eingehende Auseinandersetzung abgelehnt worden sind. So erging es in der letzten und vorletzten Legislaturperiode leider auch den Gesetzentwürfen der GRÜNEN für ein Partizipations- und Integrationsgesetz.
Es stellt sich die Frage: Brauchen wir ein Integrationsgesetz? Wozu brauchen wir es? Integration funktionierte in der Vergangenheit in vielen Fällen auch ohne ein solches Gesetz. Nach 10 Millionen Heimatvertriebenen kamen ab 1949 4,5 Millionen Flüchtlinge aus der DDR, ab 1960 14 Millionen Gastarbeiter, 1989 1,2 Millionen Menschen angesichts der Wiedervereinigung, über 2 Millionen Menschen während des Balkankriegs und zusätzlich 4,5 Millionen Spätaussiedler. Im letzten Jahr kamen, Herr Kollege Neumeyer, 780.000 Asylsuchende. Die Bundesregierung geht davon aus, dass bis 2020 insgesamt 3 bis 4 Millionen Asylsuchende zu uns kommen werden.
Wir gehen davon aus, dass aufgrund der Not, die derzeit in den Kriegsgebieten herrscht, europäische und internationale Hilfe gebraucht wird. Deutschland kann zu dieser Hilfe einen wichtigen Beitrag leisten. Die Grenzzäune mindern die Not der Menschen jedenfalls nicht.
In der Vergangenheit ist die Integration der Menschen, die zu uns gekommen sind, vielfach gelungen. Sie hätte in vielen Fällen aber auch leichter, schneller und erfolgreicher verlaufen können. Noch immer dauert die Integration viel zu lange, beispielsweise bis Asylsuchende hier einen Sprachkurs bekommen, bis Asylsuchende Zugang zu ergänzenden Berufsqualifizierungskursen bekommen und bis Arbeitsplätze und Wohnungen gefunden werden. Zudem würde es unserer Gesellschaft und unseren Migrantinnen und Migranten guttun, wenn die Teilhabe- und Mitwirkungsmöglichkeiten verbessert werden würden und Migrantinnen und Migranten ihr Potenzial, ihre Kenntnisse aktiver und besser in unsere Gesellschaft einbringen könnten.
Ein Integrationsgesetz, das wir wollen, soll daher mehr Klarheit und Rechtssicherheit schaffen, soll die
Verwaltung interkulturell öffnen – die Städte in Bayern sind da weit voraus –, soll die Aufgaben des Staates und seiner Einrichtungen definieren und regeln, bestehende Bürokratiehemmnisse abbauen, wie beispielsweise die Vorrangprüfung, und soll einen Rechtsanspruch und passgenaue Integrationsangebote für die Asylsuchenden definieren.
Wir brauchen eine Erleichterung und Beschleunigung bei Qualifikation und Berufsfindung. Wir brauchen einen gesicherten Aufenthaltsstatus während Ausbildung und ergänzender Berufsjahre. Wir brauchen eine bessere finanzielle Unterstützung derer, die bisher den Löwenanteil der Integration leisten. Das sind vor allem die Kommunen, Ehrenamtliche, die Wohlfahrtsverbände, die Vereine, die Kirchen, die Gewerkschaften und die Initiativen. Wir wollen deren Stärkung. Wir fordern daher die staatliche Förderung von Integrationszentren in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt, damit Migrantinnen und Migranten, Flüchtlinge, Helferinnen und Helfer, Wohlfahrtsverbände, Kommunen, Unternehmen und Initiativen einen Ansprechpartner für die vielfältigen Initiativen der Integration vor Ort haben; denn vor Ort ist der Löwenanteil der Arbeit zu leisten und wird auch derzeit schon geleistet.
In diesem Sinn würden wir uns eine Ergänzung des SPD-Gesetzentwurfs wünschen, dessen Zielrichtung wir aber sehr begrüßen und unterstützen. Wir wünschen uns aber auch eine Klärung der Zuständigkeiten und der Kompetenzen in der Bayerischen Staatsregierung. Es geht nicht länger an, meine Kolleginnen und Kollegen, dass die Aufgaben zwischen Sozialministerium, Integrationsbeauftragtem, Innenministerium und Staatskanzlei stets hin- und hergeschoben werden, unabgestimmt gehandelt wird und widersprüchlich zulasten derer agiert wird, die auf die Hilfe des Staates angewiesen sind.
Aber ja; da kann ich gute Beispiele nennen. Es wäre wirklich gut, wenn das Gegeneinander beendet würde.
Das Hin und Her der unterschiedlichen Behörden ist eine Last für die Asylsuchenden und für die Ehrenamtlichen. Auch Unternehmensverbände würden es zu schätzen wissen, wenn zielgerichteter gehandelt werden würde.
Wir wollen, dass alle bei der Aufgabe der Integration mit anpacken oder zumindest nicht im Wege stehen.
Wir fordern daher ein eigenes Integrationsministerium, das Integration verantwortlich vorantreibt und nicht nur lächelt.
Sie von der Bayerischen Staatsregierung haben nun im Kabinett ein Gesetz vorgelegt, das den Namen "Integrationsgesetz" nicht verdient, das ausschließt, anstatt einzuschließen, das keine Partizipationsrechte und Leistungsansprüche definiert, sondern Asylsuchende mit einer Vielzahl von Auflagen und Sanktionsmöglichkeiten belegt und von Teilhaberechten ausschließt. Durch dieses von Ihnen mit diesem Entwurf angestrebte Sondergesetz für die spezielle Gruppe der nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländer würden Sie Migrantinnen und Migranten stigmatisieren statt integrieren, würden Sie die verfassungsmäßige Ordnung unterlaufen, würden Sie an verschiedenen Stellen rechtswidrige Vorschriften erlassen und würden Sie gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes verstoßen – und das alles nur, um Ihre fragwürdige Ideologie der Leitkultur in einem Gesetz fortzuführen.
Wir werden das bei der Beratung sehen. Ich möchte Sie ermuntern: Packen wir Integration an, zusammen mit den vielen Aktiven in unserer Gesellschaft, mit den Kommunen, den Initiativen, den Unternehmen und den Ehrenamtlichen, die Integration in dieser Gesellschaft vorantreiben wollen. Gehen wir diese Aufgabe an, und stellen Sie sich dieser Aufgabe nicht in den Weg.