Protocol of the Session on December 10, 2015

Eigentlich gab es überhaupt kein Konzept von der CSU, sondern lediglich das Formulieren von Zielen. Wir sollten fragen, ob von den formulierten Zielen – das ist in Ihrer Klage nachzulesen – etwas erreicht ist. In der Klageschrift für das Bundesverfassungsgericht heißt es: Die Bundeshauptstadt Berlin muss eine besondere Rolle bekommen – Ziel verfehlt; die Einwohnerwertung der Stadtstaaten muss weg – es ist nur eine minimale Absenkung erreicht; die Gemeindefinanzen sind mit 64 % zu hoch in den Ausgleich einbezogen – der Anteil steigt jetzt sogar noch, nämlich auf 75 %, also auch hier: Ziel verfehlt; mehr Steuerautonomie für die Länder – auch dieses Ziel ist nicht erreicht. Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht hat sich damit als völlig irrelevant erwiesen. Sie hat erstens inhaltlich mit dem Kompromiss null zu tun, nichts, und zweitens haben die Verhandlungen vor dem Gericht noch nicht einmal begonnen. Die CSU ist also mit den Inhalten der Klage gescheitert, noch bevor die Verhandlungen überhaupt begonnen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Klage ist und war eine reine Verschwendung von Steuergeldern. Wenn das Ziel verfehlt ist, dann sollten Sie die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht auch endlich zurückziehen. Es ist einfach im besten Interesse Bayerns, die Klage zurückzuziehen. Sie müssen sich nämlich schon entscheiden, ob Sie dem Kompromiss zustimmen oder die Klage weiterführen. Ziehen Sie die Klage nicht zurück, dann besteht die Gefahr, dass der gefundene Kompromiss gar nicht so umgesetzt werden kann. Und dann? Was geschieht, wenn das Bundesverfassungsgericht die Gemeindefinanzen noch stärker einbeziehen will? - Dann steht Bayern schlechter da; dann werden sämtliche Berechnungen in diesem Kompromiss obsolet, und es geht wieder von vorne los.

In der Begründung des Antrags heißt es: Schuldentilgung bis 2030. Immer wieder hieß es von Ihrer Seite, es gebe eine komplette Schuldentilgung bis 2030, und mit diesem Kompromiss sei das jetzt möglich. Aber auch dieses Ziel ist nicht erreicht worden. Das war schon im Vorfeld klar; denn Finanzminister Söder hat seine finanziellen Ambitionen, seine Ziele, die er sich gesteckt hat, im Laufe der Jahre immer weiter nach unten geschraubt. Noch im Februar 2014 hieß es hier, und zwar wörtlich: Maximal eine Milliarde Euro in den Länderfinanzausgleich soll es geben. Dann wurde im gleichen Jahr die Forderung in "eine Milliarde Euro weniger in den Länderfinanzausgleich" geändert. Das ist ein ganz schöner Unterschied. Nur diese dramatisch abgemagerte Zahl ist möglicherweise erreicht worden. Zur Schuldentilgung reicht das allerdings ganz sicher nicht; denn wenn Bayern im aktuellen Tempo weiter tilgt, ist Bayern 2054 schuldenfrei.

Wenn nach den Vorstellungen der CSU tatsächlich die zusätzliche Milliarde aus dem Finanzausgleich ab 2020 in die Schuldentilgung gesteckt wird, dann dauert es immer noch ziemlich, bis zum Jahr 2038. Vor der letzten Landtagswahl klang das anders, Herr Ministerpräsident und liebe CSU-Fraktion. Da sagten Sie: Wir sind schuldenfrei bis 2030.

Dazu kommt, dass die CSU zur Erreichung dieses Ziels tatsächlich ihre Haushaltspolitik ändern müsste und nicht wie jetzt nach dem Motto "Mehreinnahmen ist gleich Mehrausgaben" handeln dürfte. Sonst gibt es weder beim Schuldenabbau noch bei der Pensionsvorsorge irgendeinen Fortschritt.

(Zuruf des Abgeordneten Oliver Jörg (CSU))

Dann ist zu erwarten, dass das zusätzliche Geld in den Haushalt fließt und nicht in die Schuldentilgung. Jetzt davon zu sprechen, dass die CSU ihr Ziel erreicht habe, geht schlicht und ergreifend völlig an der Realität vorbei.

Das Fazit ist: Das Ergebnis des Kompromisses begrüßen wir, und es ist wohl auch realistisch. Aber gemessen an den Ankündigungen der CSU ist es absolut kein Erfolg.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt ist die Staatsregierung aufgefordert, für die Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat zu sorgen. Das wäre im Interesse Bayerns. Einen Dringlichkeitsantrag braucht es dazu nicht, liebe CSU.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Als nächsten Redner bitte ich unseren Ministerpräsidenten, Herrn Seehofer, zum Rednerpult.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In unserem Grundgesetz ist geregelt, dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen auszugleichen ist. Dafür gibt es seit vielen Jahrzehnten den sogenannten Länderfinanzausgleich, der im Prinzip gerechtfertigt ist und von uns grundsätzlich auch immer unterstützt worden ist. Wir stehen in Bayern zu Solidarität. In dieser Debatte geht es nicht um die Frage, ob die Solidarität gegenüber anderen, strukturschwächeren Ländern geübt wird, sondern es geht allein um die Frage, ob der Länderfinanzausgleich gerecht gestaltet ist.

(Beifall bei der CSU)

Solidarität und Gerechtigkeit sind nicht nur im Länderfinanzausgleich, sondern in der ganzen Gesellschafts

politik ein Geschwisterpaar; das eine kann es ohne das andere auf Dauer nicht geben. Deshalb sagen wir Ja zur Solidarität, aber Nein zu einem unfairen System des Länderfinanzausgleichs.

(Beifall bei der CSU)

Die derzeitigen Auswirkungen des Systems sind extrem ungerecht. Im Wesentlichen zahlen drei Länder für zwölf andere Länder – gelegentlich ist noch Hamburg mit dabei. Also finanzieren drei Länder das gesamte System von 16 Bundesländern.

Bayern zahlt mit aktuell circa 5 Milliarden Euro pro Jahr alleine weit mehr als die Hälfte des gesamten Länderfinanzausgleichs, und wir zahlen heute als Freistaat Bayern in einem Jahr mehr in den Länderfinanzausgleich, als wir in 40 Jahren bis zur Deutschen Einheit erhalten haben. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CSU)

Der derzeitige Länderfinanzausgleich bestraft also Leistung: die Leistung unserer Mittelständler, unserer Handwerker, unserer Arbeitnehmer. Deshalb haben wir immer klar gesagt: Es muss gerecht zugehen. Der Solide, der Tüchtige darf am Ende nicht der Verlierer sein; was in Bayern erwirtschaftet wird, muss auch im Wesentlichen in Bayern bleiben. Das ist unsere Position.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, jetzt wird immer gesagt: Da gab’s doch die Zustimmung im Jahre 2001. - Die gab’s, und der Länderfinanzausgleich, wie er 2001 entwickelt und verabschiedet wurde,

(Volkmar Halbleib (SPD): Die Stimmung war euphorisch!)

übrigens auch mit meiner Zustimmung, hat viele Jahre lang eine positive Wirkung entfaltet. Aber er hat nicht auf die Situation reagiert, dass sich die Realitäten zwischen strukturstarken Regionen – Bayern – und strukturschwächeren Regionen immer weiter auseinanderentwickelt haben. Im Freistaat Bayern und partiell auch in etlichen anderen Bundesländern sind große Anstrengungen unternommen worden, die Wirtschaftsstruktur, die Finanzkraft zu verbessern, mit großem Erfolg – wir sind wirtschaftlich heute die Nummer 1 in Deutschland; das war nicht immer so. Andere Länder haben ebenfalls Anstrengungen unternommen. Ursache der Probleme ist nicht der im Jahr 2001 verabschiedete Länderfinanzausgleich, sondern die Tatsache, dass Bayern eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik betrieben hat, während andere Länder das nicht gemacht haben, liebe Freunde.

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Zurufe von der CSU: Bravo!)

Das wird übrigens von keinem der anderen Ministerpräsidenten bestritten.

(Volkmar Halbleib (SPD): Auch von uns nicht!)

Ich wundere mich immer darüber, dass manche hier so tun, als wären sie mit in den Konferenzsälen gesessen, als hätten sie an den Kamingesprächen teilgenommen, als wüssten sie genau, wie andere reagiert und argumentiert haben.

(Volkmar Halbleib (SPD): Hat keiner von uns gemacht! – Zuruf der Abgeordneten Claudia Stamm (GRÜNE))

- Liebe Frau Stamm, in Berlin geschieht viel. Ich habe das gerade wieder im Zusammenhang mit den Flüchtlingen erlebt. Wissen Sie: Wir schlagen die Transitzonen vor; die SPD möchte besondere Aufnahmeeinrichtungen in Bamberg und in Manching, und die gleiche SPD, die dies in Berlin betrieben hat, teilt uns heute im Bayerischen Landtag mit, dass sie dem eigenen Vorschlag nicht zustimmen kann. – Meine Damen und Herren, das ist doch pervers!

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Kerstin Schrey- er-Stäblein (CSU): Unglaublich!)

So kann man nicht Politik machen. – Und jetzt, Frau Stamm, zur einfachen Realität! Sie können sich ja noch während der Sitzung erkundigen. Ich habe halt nun einmal den Vorteil, neben dem Amt des Bayerischen Ministerpräsidenten auch eine Partei zu führen. Deshalb kann ich Ihnen sagen: Den Vorschlag, über den wir heute reden, haben wir einen Tag vor der Ministerpräsidentenkonferenz in der Landesvertretung von Sachsen - Sachsens Ministerpräsident amtiert momentan als Bundesratspräsident – ausgearbeitet. Das waren Stanislaw Tillich als amtierender Bundesratspräsident, Volker Bouffier aus Hessen und ich für die Union und Olaf Scholz als Erster Bürgermeister von Hamburg für die SPD. Dieser Vorschlag wurde am Mittwochabend in der Landesvertretung des Freistaats Sachsen in einer stundenlangen Debatte mit vielen Alternativen entwickelt. - So kommen solche Vereinbarungen zustande.

Vorweg darf ich aber noch erwähnen: Am nächsten Tag habe ich meinem Kollegen Kretschmann, der in der Ministerpräsidentenkonferenz nach dem Alphabet unmittelbar neben mir sitzt, gesagt: Winfried, ich hab auch für dich mitverhandelt! – Und er war mit dem Verhandlungsergebnis sehr zufrieden.

(Peter Winter (CSU): Da schau her! – Dr. Florian Herrmann (CSU): Hört, hört!)

Er vertritt nämlich auch ein Zahlerland. - So läuft das in der Praxis.

(Beifall bei der CSU)

Und dann Ihre Pirouette: Wir sind zwar mit dem Ergebnis zufrieden – oder nein, es ist ein Erfolg, aber es ist kein Erfolg für euch! – Das ist schon ein bisschen eigenartig. Das ist eine große Pirouette.

(Volkmar Halbleib (SPD): Das ist die politische Realität im Unterschied zu den großen Tönen, die hier gespuckt werden!)

- Einige Realitäten, nur Realitäten: Wir haben für den Freistaat Bayern seit 2011 immer wieder versucht, eine Verhandlungslösung herbeizuführen. Fast jedes der Kamingespräche, an denen nur die Ministerpräsidenten, aber nicht die Mitarbeiter teilnehmen, seit 2011 hat sich auch mit dem Länderfinanzausgleich beschäftigt – zwei Jahre lang. Und trotz aller Bemühungen hatten wir keinen Erfolg. Bayern hat gemeinsam mit Hessen im März 2013 Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht, weil wir die ungerechte Ausgestaltung des Länderfinanzausgleichs als Ultima Ratio gerichtlich überprüfen lassen wollten und wollen, solange keine Verhandlungslösung zustande kommt. Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat in den letzten Monaten mehrfach erklärt: Wenn es keine Verhandlungslösung gibt, wird sich auch Baden-Württemberg beim Bundesverfassungsgericht um eine Klärung bemühen. Wieso man etwas als negativ einschätzt, wenn es der Freistaat Bayern tut, aber plötzlich als positiv, wenn es Baden-Württemberg ankündigt, ist eine weitere Eigenartigkeit in dieser Debatte.

(Beifall bei der CSU)

Wir sind im Jahr 2013 für diese Klageerhebung heftig kritisiert und gescholten worden, auch hier, von der Opposition. Herr Rinderspacher, Sie werden sich erinnern; Sie sprachen vom Bumerang, vom Rohrkrepierer. Das war Ihre Analyse. Und jetzt erleben wir nicht einen Bumerang, nicht einen Rohrkrepierer, sondern unser Vorgehen erweist sich als Volltreffer. Da wurde ein großer Erfolg erreicht, und zwar durch den richtigen Druck und den Einsatz, den wir in den letzten vier Jahren in Verhandlungen und ab 2013 durch eine Klage gezeigt haben. Das ist ohne Zweifel von Erfolg gekrönt.

(Beifall bei der CSU)

Nun ist es gelungen, dass sich die Ministerpräsidentenkonferenz – nur die Ministerpräsidenten haben sich in den letzten Jahren mit diesem Thema beschäftigt, weil es für jedes Land besonders wichtig war – am 3. Dezember verständigt hat. Am 2. Dezember war diese Vorbereitung. Ich spreche nicht jeden Tag, aber in diesem Fall bewusst von einer historischen Lösung. Alle 16 Ministerpräsidenten haben zugestimmt. Wenn nur ein einziger Nein gesagt hätte, hätte es keine Vereinbarung gegeben; denn es gehört zum Kern einer Ministerpräsidentenkonferenz, dass sie nur einstimmig entscheiden kann.

Herr Halbleib, Sie haben von zwei Planeten gesprochen, auf denen wir angeblich leben. Dazu darf ich Ihnen nur sagen: Die SPD stellt neun von diesen 16 Ministerpräsidenten – zu meinem Bedauern, aber sie stellt neun. – Hier wird dann gelegentlich mit lauter so Zwischentönen – irgendwie muss ja am Lack gekratzt werden – das, was neun Ministerpräsidenten zusammen mit den anderen Ministerpräsidenten, auch mit mir, vereinbart haben, plötzlich mit einigen Fragezeichen versehen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Das eine ist Rhetorik, das andere ist das Ergebnis!)

Ich werde einige Ihrer Fragen beantworten. Wir stellen fünf Ministerpräsidenten, die GRÜNEN stellen einen; auch Herr Ramelow hat zugestimmt.

(Volkmar Halbleib (SPD): Rhetorik und Ergebnis passen halt nicht zusammen!)

Ich darf Ihnen nur sagen: Solche einstimmigen Beschlüsse kommen nicht so zustande, wie es jetzt kurzatmig behauptet wird: Das ist ein Vertrag zulasten des Bundes; darauf kann man sich leicht verständigen. – Nein, es ist ein Ausgleich der Interessen aller 16 Bundesländer – ein, wie ich finde, sehr gelungener Interessenausgleich.

(Beifall bei der CSU)