Protocol of the Session on December 10, 2015

Es gibt noch offene Fragen. Ich freue mich darüber, dass die Fortfinanzierung der Gemeindeverkehrsfinanzierung mit insgesamt immerhin 330 Millionen Euro geregelt ist. Allerdings – das muss an dieser Stelle ganz deutlich gemacht werden – haben die Staatsregierung und die CSU ihre Ziele bei dieser Lösung definitiv nicht erreicht. Das muss an dieser Stelle festgehalten werden. Was wollten Sie denn? – Finanzminister Söder hat von einer Halbierung des Länderfinanzausgleichs gesprochen. Das wären 2,7 Milliarden Euro. Jetzt sind wir bei 1,2 Milliarden Euro. Defacto wird der Beitrag noch nicht einmal reduziert, weil in Zukunft die Entflechtungsmittel wegfallen. Bay

ern wird 250 Millionen Euro, analog zu den anderen Bundesländern, weniger erhalten. Deshalb liegt der finanzielle Effekt der Entlastung im Vergleich nicht bei 50 %, wie es martialisch versprochen wurde, nicht bei 30 %, sondern voraussichtlich bei 20 % im Jahr 2020.

Eine Entlastung vor dem Jahr 2020 wird es nicht geben. Das hatten Sie auch versprochen und mit der Klage in die Welt gebracht. Herr Freller, Sie haben jetzt gegen Berlin polemisiert, da verstehe ich Sie überhaupt nicht. Das ist Ihr gutes Recht. Das können Sie machen, wie Sie wollen. In diesem Papier stehen zwei Dinge drin. Nordrhein-Westfalen war bisher schon Geberland und wird auch in Zukunft Geberland bleiben. Das war der erste Punkt.

Zweiter Punkt. Sie haben über Berlin geschimpft. Nur: Bei diesem Kompromiss, dem der Ministerpräsident zugestimmt hat, wird der Effekt so sein, dass Berlin bei der zukünftigen Lösung pro Kopf und Einwohner mehr entlastet wird als Bayern. Berlin wird mit 141 Euro pro Kopf entlastet,

(Zuruf von der CSU)

Bayern mit 105 Euro pro Kopf. Das ist doch die Wahrheit, die Sie hier hätten aussprechen müssen. Dass Sie das nicht tun, spricht Bände.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben keine Deckelung erreicht und werden bei der Finanzkraft noch Diskussionen erleben. Dass man in solchen Verhandlungen nicht alles erreichen kann, ist klar.

(Markus Rinderspacher (SPD): Obergrenze!)

Dass Forderungen der CSU und der Staatsregierung einerseits und das Ergebnis andererseits auf zwei völlig unterschiedlichen Planeten stattfinden, haben Sie zu verantworten.

(Heiterkeit bei der SPD)

Das passt überhaupt nicht zusammen. Ihre Polemik und die Lösung, über die wir jetzt reden, sind zwei verschiedene Dinge.

(Beifall bei der SPD – Markus Rinderspacher (SPD): So ist es! Genau so ist es!)

Ich glaube, es ist wichtig, dass sich die 16 Bundesländer geeinigt haben. Man sollte mit Blick auf die Gesamtverantwortung aber auch sagen, dass es eine Einigung auf Kosten des Bundes ist. Ich denke, sie ist durchaus im Länderinteresse. Aber da gehört auch dazu, dass sich die CSU und die Staatsregierung bei ihrer Mitwirkung in Berlin keinen schlanken Fuß ma

chen, wenn es um die Finanzierung dieser zusätzlichen Mittel auf Bundesebene geht. Da geht es um die Frage der Fortführung und der Abschmelzung des Solidaritätszuschlags. Da erwarten wir, dass Sie auf Bundesebene zu Ihrer Finanzierungsverantwortung für den Länderfinanzausgleich der Zukunft stehen; denn sich hier einen schlanken Fuß zu machen, wäre wirklich schlecht. Sie müssen sagen, wie das in Zukunft finanziert wird, weil zunehmende Herausforderungen auf Bundesebene auf uns zukommen. – Danke schön für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD – Markus Rinderspacher (SPD): Ausgezeichnet! Sehr gute Rede!)

Bitte verbleiben Sie am Rednerpult. Wir haben noch eine Zwischenbemerkung. – Herr Halbleib, kommen Sie bitte zurück ans Rednerpult? Wir haben noch eine Zwischenbemerkung.

(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Kollege Halbleib, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Ich habe nur eine kurze Frage: Was haben Sie als Landtags-SPD oder SPD insgesamt dazu beigetragen, das Ungleichgewicht des Länderfinanzausgleichs zu korrigieren?

(Heiterkeit und Beifall bei der CSU – Markus Rinderspacher (SPD): Unsere Anträge haben wir gestellt! Ungezählte Anträge haben wir gestellt!)

Lieber Herr Kollege, es wäre vielleicht gut gewesen, wenn Sie sich bei den erfahrenen Kollegen erkundigt hätten. Die SPD-Landtagsfraktion war die erste, die im Bayerischen Landtag den gegenwärtigen Länderfinanzausgleich als korrekturbedürftig bezeichnet

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Die Klage habt ihr abgelehnt!)

und ganz klare Forderungen erhoben hat, das zu ändern. Da waren Sie bei der CSU noch auf Ablehnungskurs!

(Beifall bei der SPD)

Da haben Sie die Argumente noch vom Tisch gewischt. Erkundigen Sie sich mal, lesen Sie mal die Plenarprotokolle und unsere Anträge nach.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Winter (CSU))

Viel Spaß bei der Lektüre! Dann würden Sie solche Fragen nicht stellen.

(Beifall bei der SPD – Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Schauen Sie sich mal Ihr Abstimmungsverhalten an! – Karl Freller (CSU): Zur Klage!)

Danke schön. Nächster Redner ist der Kollege Muthmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir ist es an dieser Stelle für solche Aufregung ein bisschen zu früh. Das Paket ist noch gar nicht abschließend geschnürt, lieber Charly Freller. Wenn die Ächtung des bisherigen Finanzausgleichs in dieser Art notwendig wäre, dann hätte der Herr Ministerpräsident am Dienstag, als Sie die Altlasten Ihrer Vorgänger aufgezählt haben, den Länderfinanzausgleich nennen können oder müssen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich darf an die zuletzt formulierten Zielsetzungen gerade des Finanzministers erinnern: Halbierung der Lasten für Bayern. Jetzt haben wir mit 1,2 Milliarden Euro im Jahr 2020 ein erstes Ergebnis nach der Länderrunde. Die Landesregierung wollte das Ergebnis eher. Sie wollte mehr. Wir sollen jetzt auf Antrag der CSU an dieser Stelle die vorliegenden Zahlen schon einmal feiern. Aber das ist uns zu früh.

Ich will anerkennen, dass die Gefechtslage bei diesen Verhandlungen ausgesprochen schwierig ist. Was der Finanzminister gestern weitestgehend zu Recht zur Finanzkraft und zur Leistungskraft des Freistaats Bayern gesagt hat, wird wohl auch in den anderen Ländern und in Berlin gehört. Dann stellt sich das Problem, die Belastungen wegzuverhandeln und zu reduzieren. Das ist gewiss schwierig. Ich finde es ein Stück weit ganz erstaunlich,

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Das erzähle ich Ihnen gleich, wie das geht!)

dass hier überhaupt Bewegung erreicht wurde. Das wollen wir an dieser Stelle durchaus anerkennen. Aber eine abschließende Bewertung wäre angesichts der bisherigen Informationslage und der bisherigen Beteiligten sicherlich verfrüht und ist uns noch nicht möglich. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass die Wirkung erst ab 2020 eintritt, nicht, wie ursprünglich geplant, schon sehr viel früher. Es wurde mal gesagt, wir wollen auch mittels der Klage und mit unseren Verhandlungen eine frühere Entlastung erreichen. Das ist nun zunächst nicht der Fall. Außerdem fehlt abschließend noch die Bereitschaft des Bundes, den zusätzlichen Lastenbeitrag zu übernehmen. Zudem würden wir gerne wissen, was an sonstigen Absprachen und verhandlungsbegleitenden Themen geklärt oder nicht geklärt ist. Wir haben beim Thema des

Länderfinanzausgleichs das Erreichen von mehr Transparenz und vor allem Leistungsanreizen für diejenigen, die profitieren, immer für richtig gehalten. Ob und inwieweit das in diesem Zusammenhang der Fall ist, muss noch näher untersucht werden. Ich glaube, noch wichtiger als der Betrag im Detail ist vor allem eine deutliche Verstärkung der notwendigen Leistungsanreize in dem neuen System. Wir haben in den letzten Jahren immer beklagt, dass das deutlich zu wenig der Fall ist.

Dann gibt es aus kommunaler Sicht auch im Verhältnis zum Bund noch eine ganze Reihe anderer Erwartungen. Insbesondere unsere Kommunen haben immer gefordert, dass im Bereich der Eingliederungshilfe mehr Unterstützung seitens des Bundes notwendig ist, um finanzielle Gestaltungsfreiheiten zu erreichen. Ich nehme nicht an, dass das in diesem Paket ganz konkret mit verhandelt worden ist. Aber besteht denn die Gefahr, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, dass der Bund, um dieses Paket zum Abschluss zu bringen, angesichts der Zugeständnisse die Bereitschaft bezüglich erwarteter Leistungen in Richtung Bayern oder der Länder an anderer Stelle etwas zurückfahren wird?

Wir begrüßen es so kurz vor Weihnachten sehr, dass es überhaupt Bewegung gibt und eine Chance, eine neue Vereinbarung mit einer Entlastung Bayerns zu treffen, eröffnet worden ist. Das begrüßen wir. Aber eine Gesamtbewertung ist angesichts der vielen offenen Fragen und angesichts des Umstandes, dass sich der Bund noch nicht erklärt hat, einschließlich der Frage der Verstärkung der Leistungsanreize bei den Nehmerländern nicht möglich. Es gibt noch einiges zu tun. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei den noch notwendigen abschließenden Verhandlungen, werden das Ergebnis, sobald es unter Einigung aller Beteiligten vorliegt, bewerten und danach unser Votum abgeben. Bis dahin herzlichen Dank und viel Erfolg!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Frau Stamm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich begrüßen wir es, dass sich alle 16 Ministerpräsidenten auf einen Kompromiss geeinigt haben. Das sage ich Ihnen gerne noch einmal, Kollege Freller. Es ist so, dass Bayern entlastet wird und trotzdem alle Länder bessergestellt werden. Das ist wegen der Schuldenbremse, die ab 2020 gelten soll, auch gar nicht anders machbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Kompromiss basiert zurzeit auf der Hoffnung, dass der Bund mitspielt; denn er muss zahlen, er muss mehr drauflegen. Die Entlastung Bayerns um voraussichtlich rund eine Milliarde Euro ist wichtig. In diesem Landtag haben wir fraktionsübergreifend schon öfter betont und sind uns einig, dass Bayern entlastet werden muss. Wichtig ist, dass der Ausgleich jetzt nicht für eine neue Dynamik sorgt und die mögliche Entlastung wieder aufgesaugt wird; Kollege Halbleib hat das gut dargestellt und auch ein bisschen in die Vergangenheit geblickt.

Zur Erinnerung: Auch die Neuregelung vor 16 Jahren ist hier begrüßt, euphorisch gefeiert worden usw. Sie hat aber im Laufe der Jahre die steigenden Zahlungen Bayerns nicht aufhalten können. Eine Reform mit solchen Minimalwirkungen brauchen wir nicht noch einmal.

Ob es dazu kommt oder nicht, ist auch eine Frage im Detail des neuen Gesetzes. Dazu steht im Antrag der CSU leider nichts. Sehr aufklärend war der Antrag der CSU also nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN – Volkmar Halbleib (SPD): Man kann von der CSU nichts Unmögliches verlangen!)

Das passt aber zu den früheren CSU-Anträgen zu diesem Thema, die konzeptionell nichts zu bieten hatten. Das neue Modell soll den Ländern jetzt mehr Anreize geben, die ihnen zustehende Steuer tatsächlich vollständig zu erheben. Damit ist zumindest für uns in der Opposition die wirklich große Hoffnung verbunden, dass die Steuerverwaltung in Bayern nicht weiterhin geschwächt, sondern endlich besser ausgestattet wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Kompromissvorschlag sieht einen reinen Umsatzsteuervorausgleich vor, und zwar, bevor das Geld im Länderhaushalt landet. Damit würden die Neiddebatten hoffentlich ein Ende haben, Kollege Freller, die nämlich immer zulasten anderer Bundesländer gehen.

Wir hatten vor fünf Jahren hier im Landtag mit einem Dringlichkeitsantrag einen Vorschlag für einen Grundpfeiler gemacht. Damals hieß der Finanzminister Fahrenschon. Er hat vor dem Modell gewarnt, den Umsatzsteuervorausgleich zu verändern. Er hat gesagt, die CSU solle bitte dagegen stimmen. – Jetzt stimmt die CSU genau so einem Modell zu, versucht, den Kompromiss als ihren Erfolg zu feiern, und sagt, sie wollte das eigentlich schon immer. – Ich finde das Ganze relativ schief, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eigentlich gab es überhaupt kein Konzept von der CSU, sondern lediglich das Formulieren von Zielen. Wir sollten fragen, ob von den formulierten Zielen – das ist in Ihrer Klage nachzulesen – etwas erreicht ist. In der Klageschrift für das Bundesverfassungsgericht heißt es: Die Bundeshauptstadt Berlin muss eine besondere Rolle bekommen – Ziel verfehlt; die Einwohnerwertung der Stadtstaaten muss weg – es ist nur eine minimale Absenkung erreicht; die Gemeindefinanzen sind mit 64 % zu hoch in den Ausgleich einbezogen – der Anteil steigt jetzt sogar noch, nämlich auf 75 %, also auch hier: Ziel verfehlt; mehr Steuerautonomie für die Länder – auch dieses Ziel ist nicht erreicht. Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht hat sich damit als völlig irrelevant erwiesen. Sie hat erstens inhaltlich mit dem Kompromiss null zu tun, nichts, und zweitens haben die Verhandlungen vor dem Gericht noch nicht einmal begonnen. Die CSU ist also mit den Inhalten der Klage gescheitert, noch bevor die Verhandlungen überhaupt begonnen haben.