Protocol of the Session on December 8, 2015

Wir haben von politischer Seite nicht das Recht, uns in diese Wahlfreiheit der Familien einzumischen. Sie sehen im Übrigen – über Zahlen kann man streiten –: 73 % der bezugsberechtigten Eltern in Bayern, die das Bundesbetreuungsgeld in Anspruch nehmen – das sind drei Viertel aller Eltern –, wollen das Betreuungsgeld in Anspruch nehmen. Zu interpretieren, warum sie das tun, ist überhaupt nicht unsere Sache. Übrigens ist es auch nicht unsere Sache zu vermuten, dass dieses Geld nicht für die Kinder, nicht für die Familien, sondern für etwas anderes verwendet wird. Das ist billige Polemik. Das ist sogar menschenverachtend. Das sollte in den Diskussionen bitte unterbleiben. Frau Kollegin Rauscher, Sie haben das nicht angesprochen.

(Doris Rauscher (SPD): Nein! Aber zur Klarstellung, Herr Unterländer!)

Diese Diskussion wird aber geführt, um dies deutlich zu sagen.

(Doris Rauscher (SPD): Von Ihnen, aber nicht von mir!)

Deswegen sage ich ganz klar: Familien müssen darüber selbst entscheiden können, und Familien müssen auch finanzielle Entlastungen in diesen Bereichen in Anspruch nehmen können.

Herr Kollege Unterländer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Nein!)

Wenn das meine Fraktion für mich beantwortet, dann sage ich Nein. Sie können gerne im Anschluss eine Frage an mich richten.

Was die finanzielle Belastung anbelangt, möchte ich auf ein Positionspapier des Landesfrauenrates hinweisen, in dem auch weiterhin finanzielle Entlastungen, verständlicherweise natürlich in einer weitergehenden Struktur, gefordert werden. In diesem Zusammenhang ist das Betreuungsgeld ein wichtiger Weg. Wir sollten den Familien und den Frauen nicht vorschreiben, für welche Lebensbiografie sie sich entscheiden.

Meine Damen und Herren, nachdem das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass nicht der Bund, sondern die Länder für diesen Kreis zuständig sind, danken wir der Bayerischen Staatsregierung ausdrücklich, dass sie einen Gesetzentwurf zur nahtlosen Weiterführung des Betreuungsgeldes beschlossen hat. Viele Eltern haben sich an uns gewandt, da sie Sorge hatten, dass das Betreuungsgeld in Zukunft nicht mehr gewährt wird. Meine Damen und Herren, vertrauenswürdige Politik hat aber etwas damit zu tun, nach entsprechenden Vereinbarungen auf Bundesebene auch als Freistaat Bayern glaubwürdig zu bleiben. Dies gilt übrigens auch für andere Parteien, die an der Bundesregierung beteiligt sind.

Eines muss in diesem Zusammenhang auch noch zurechtgerückt werden: Krippenplätze werden weiterhin bedarfsgerecht ausgebaut und stehen in diesem Zusammenhang auch zur Verfügung. Dass in Ballungsräumen häufig noch Defizite vorhanden sind – das sind ja auch politische Entscheidungen –, hat verschiedene Ursachen. Deswegen meine ich, dass man klar sagen kann: Im Freistaat Bayern werden beide Varianten möglich gemacht, wenn das Betreuungsgeld eingeführt wird, nämlich die Inanspruchnahme von Krippen- oder Tagespflegeplätzen auf der einen Seite und die Inanspruchnahme des Betreuungsgeldes auf der anderen Seite. Das muss auch so sein. Deshalb ist das gegenseitige Ausspielen von Familien und die Unterstellung – ich darf das noch einmal sagen –, sie würden das Geld nicht für die Kinder verwenden, fragwürdig und beleidigend, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Wir werden deshalb den Weg der weiteren Unterstützung der Familien in dieser wichtigen Lebensphase

gehen und freuen uns diesbezüglich auch auf die Beratung und eine baldige Realisierung dieser Leistung, wobei das Gesetz selbstverständlich rückwirkend in Kraft tritt. Die nahtlose Inanspruchnahme ist ganz, ganz wichtig, weil sich Menschen in ihrer Familienplanung auch darauf verlassen haben, dass sie das Betreuungsgeld in Anspruch nehmen können.

Mein Damen und Herren, zu der Frage, ob dies nur Mütter tun: Schauen Sie sich doch einmal an, wie die Inanspruchnahme des Betreuungsgeldes und der Elternzeit ist.

(Doris Rauscher (SPD): 22 Monate!)

Da sind wir doch auch auf einem guten Weg. Wir sind sicherlich nicht auseinander, dass die Erziehungspartnerschaft, das Miteinander von Frauen und Männern bei der Kindererziehung, eine Voraussetzung für eine gedeihliche Entwicklung unseres Gemeinschaftslebens ist. Dazu trägt jede Lösung bei, die Familien materiell entlastet und die Mütter und Väter, die sie in Anspruch nehmen, auf den richtigen Weg bringt.

Meine Damen und Herren, das Betreuungsgeld ist auf Bundesebene geschaffen worden. Da nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil eine Länderzuständigkeit gegeben ist, werden wir uns mit der Umwandlung des Bundesbetreuungsgelds in ein Landesbetreuungsgeld zu befassen haben. Ich freue mich, wenn die Eltern die positive Nachricht bekommen, dass das Betreuungsgeld in Bayern ab sofort nahtlos weitergeführt wird. Das ist eine Leistung, die wir als CSULandtagsfraktion im Interesse unserer Familien und im Interesse unserer Kinder unbedingt wollen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. Bitte verbleiben Sie am Rednerpult. Wir haben zwei Zwischenbemerkungen, zunächst von Frau Kollegin Dr. Strohmayr.

Sehr geehrter Herr Unterländer, Ihr Hauptargument für das Betreuungsgeld war die Wahlfreiheit. Sie wollen es ermöglichen, haben Sie gesagt, dass Frauen und Männer selbst entscheiden können, ob sie ihre Kinder zu Hause betreuen oder in eine Kinderbetreuung geben wollen. Ich frage Sie jetzt: Glauben Sie tatsächlich, dass man ein Kind von 150 Euro ernähren kann? Kann also eine Alleinerziehende von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen und zu Hause bleiben, wenn man ihr anbietet, dafür 150 Euro im Monat zu bekommen? - Das frage ich Sie.

Ich möchte Sie auch darauf hinweisen, dass es bereits eine Antwort vieler Frauenverbände gibt. Die

Antwort heißt: Nein. Wenn wir Mütter und Väter tatsächlich unterstützen wollen, wenn sie ihre Kinder zu Hause betreuen, müsste die Leistung doch erheblich höher als derzeit geplant ausfallen.

Ich bitte Sie noch einmal, in der Diskussion nicht immer wieder zu behaupten, dass Familienmodelle gegeneinander ausgespielt werden. Wir wollen nicht die einen Familienmodelle gegen andere ausspielen. Jeder soll selber entscheiden, wie er das handhabt. Aber wir sind dagegen, Gelder auszuschütten, die nicht reichen, um die Familie zu Hause zu ernähren.

Diese Frage verstehe ich, ganz ehrlich gesagt, deshalb nicht, weil die Familien und auch die Alleinerziehenden nicht allein vom Betreuungsgeld leben. Sie haben ein eigenständiges Einkommen und erhalten im Bedarfsfalle noch zusätzliche Leistungen wie das Elterngeld, das Kindergeld und auch steuerliche Erleichterungen. Insofern stimmt das nicht. Aber es ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, ob man allen Lebensmodellen in unserem Gemeinwesen den gleichen Zugang zu öffentlichen Leistungen gibt. Das wird durch das Betreuungsgeld gewährleistet. Sonst wäre es nicht der Fall.

Danke schön. Noch einen Moment. Jetzt kommt Frau Celina.

Sehr geehrter Herr Unterländer, Sie haben in Ihrer Rede von einer finanziellen Entlastung gesprochen. Aber die finanzielle Entlastung einer Familie ist eine eindeutige Angelegenheit der Steuerpolitik. Sie wird dort geregelt. Sie aber wollen Eltern, die ihr Kind ohne Kita betreuen, eine Prämie geben und die Eltern, die ihr Kind in eine Kita geben, als die schlechteren Eltern behandeln.

(Widerspruch bei der CSU)

Ihnen sind Eltern, die sich entscheiden, ihr Kind in die Kita zu geben, weniger wert. Wie wollen Sie das bitte den Eltern erklären?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man merkt, liebe Frau Kollegin Celina, dass Sie mir nicht zugehört haben.

(Kerstin Celina (GRÜNE): Doch!)

Ich habe ausdrücklich gesagt, dass im Freistaat Bayern beide Leistungen von Familien, Müttern und Vätern in Anspruch genommen werden können. Das gilt übrigens nur für den frühkindlichen Bereich; es geht nur um die Kinder unter drei Jahren und nicht um Kindertagesstätten. Das wird immer alles vermischt.

Ich sage Ihnen, für uns ist die Wahlfreiheit, dass die Eltern selber entscheiden, die Option. Sind nicht die Milliarden, die der Freistaat Bayern gemeinsam mit den Kommunen zum Ausbau der Kinderbetreuung investiert, der beste Beweis dafür, dass wir ein klares Signal für die erhöhte Nachfrage und die optimale Förderung von Kindern im frühkindlichen Bereich durch Tageseinrichtungen setzen?

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Als nächste Rednerin bitte ich Frau Gottstein zum Rednerpult.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen über ein Gesetz, das von betroffenen Eltern und den Fachverbänden mehrheitlich abgelehnt wird. Das Gesetz soll rückwirkend in Kraft treten. Man tut so, als gäbe es keinen Bestandsschutz für diejenigen, die momentan Betreuungsgeld bekommen. Das muss man einmal ganz klar sagen. Die Eltern, die ihren Antrag bis zum Stichtag gestellt haben, bekommen es weiter. Das Argument, sie hätten sonst keine verlässliche Planung, ist also hinfällig. Die Eltern, die momentan Betreuungsgeld vom Bund bekommen, und die, die es bis zum Stichtag beantragt haben, bekommen es weiterhin. Deswegen hätte es das Gesetz nicht gebraucht.

Das einzig Gute, das wir an dem Gesetz sehen, ist, dass Sie die Gewährung des Kindergeldes an den Nachweis der Früherkennungsuntersuchungen koppeln. Das ist ein sinnvoller Nachschlag in einem sinnlosen Gesetz.

Sie begründen das Gesetz mit dem lächerlichen Argument, dass 73 % der Anspruchsberechtigten das Geld in Anspruch nehmen. Das kommt mir so vor, als wenn Sie sagen, die Straßenbahnbenutzung ist in Zukunft kostenlos, und das wollen die Leute, weil dann 100 % diese Maßnahme in Anspruch nehmen können. Sie behaupten auch noch, die Leute hätten eine Wahlfreiheit, weil sie jetzt umsonst Straßenbahn fahren könnten, selbst in Gegenden, wo es gar keine Straßenbahn gibt. Es ist doch lächerlich, von 73 % Zustimmung zu einer Maßnahme zu sprechen, bei der man Geld bekommt, ohne dafür irgendetwas tun zu müssen. Das heißt in diesem Fall, dass man sowieso auf das Kind aufgepasst hätte. Ich würde das Betreuungsgeld auch nehmen, wenn ich sowieso daheimbleiben würde. Aber das bedeutet doch keine Wahlfreiheit.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Die Wahlfreiheit habe ich nicht für 150 Euro. Eine Wahlfreiheit habe ich dann, wenn ich mein Kind in der

entsprechenden Zeit wirklich betreut weiß und wenn es überall, wo ich auch wohne, qualifizierte Betreuungsmöglichkeiten gibt.

Sie machen einen weiteren Denkfehler. Denn ich bekomme das Geld ja auch dann, wenn mein Kind unqualifiziert betreut wird. Sie tun so, als würde das Kind, wenn ich die 150 Euro in Anspruch nehme, automatisch zu Hause betreut. Das stimmt aber nicht. Bedingung ist ja nur, dass die Einrichtung nicht staatlich gefördert sein darf.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Sie nehmen also ganz klar in Kauf, dass unsere guten, qualifizierten Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren nicht in Anspruch genommen werden, weil das Kind vielleicht im Rahmen der Nachbarschaftshilfe betreut wird oder weil jemand, der das Betreuungsgeld in Anspruch nehmen kann, das Kind betreut und sozusagen Geld unter der Hand bekommt. Das ist für das Kind vielleicht wesentlich schlechter, und es erfährt auch nicht die heile Familienbetreuung.

Herr Unterländer, Sie haben zwar gesagt, Sie wollen kein Gegeneinander aufbauen. Sie haben aber in Ihrer Argumentation zu Anfang sehr wohl ein Gegeneinander der guten Familie, die ihr Kind zu Hause betreut, und der anderen aufgebaut, die ihr Kind nicht zu Hause betreut. Genau dieser Zungenschlag stört.

(Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Überhaupt nicht! – Zuruf von der CSU: Das hat er nicht!)

Das hat er schon. Sie können es im Protokoll nachlesen.

Elf Verbände lehnen das Gesetz ab. Das heißt, alle wichtigen Fachverbände haben sich dagegen ausgesprochen: die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen, die Diakonie, der Paritätische Wohlfahrtsverband, der Verband alleinerziehender Mütter und Väter, die AWO, der Landesfrauenrat, der Katholische Deutsche Frauenbund. Sie alle sagen: Das ist das falsche Signal. Darauf hören Sie nicht. Das verstehen wir nicht. Das sind doch die Leute, die etwas davon verstehen. Wenn Sie den Fachverbänden nicht vertrauen, ist es umso verwunderlicher, dass Sie dem Deutschen Jugendinstitut nicht vertrauen. Frau Kollegin Rauscher hat die Ergebnisse vorgestellt. Diese zeigen, dass falsche Anreize geschaffen werden. Das Schlimmste an der ganzen Sache ist, dass Sie den Eltern nicht vertrauen. Rund 63 % der Eltern fordern bessere Betreuungsformen. Wir leugnen nicht, dass sich viel getan hat. Fast 50 % der Kinder unter drei Jahren werden inzwischen auch in Bayern außerhalb der Familie betreut. Um echte Wahlfreiheit zu errei

chen, dürfen Sie dieses Geld nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilen. Selbstverständlich nimmt man das Geld gerne in Anspruch. Vielleicht ist es auch eine kleine Anerkennung. An anderer Stelle fehlt es jedoch. Das ist die falsche Entscheidung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)