Protocol of the Session on October 20, 2015

Sie mussten es auch?

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Ja!)

Dann müssen Sie Ihren Laden in Ordnung bringen und die Zügel ein bisschen anziehen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Worum geht es in dem, so hoffe ich, detailreichen Konzept, das Sie uns übermorgen vorstellen wollen?

Ich beginne mit dem Thema, mit dem auch Sie angefangen haben. Die Stromwende ist nicht alles; das ist richtig. Es geht primär um eine Wärmewende. 80 % der Energie wird im Wärmebereich verbraucht.

Dann darf ich allerdings fragen, warum die CSU-Fraktion unsere Haushaltsanträge zur energetischen Sanierung kommunaler und staatlicher Gebäude abgelehnt hat, auch jüngst wieder in den Beratungen zum Nachtragshaushalt. Machen Sie es! Ihre Begründung für die Ablehnung lautete, das würde den Haushalt sprengen. Das glaube ich nicht. Es bleibt dabei: Wir müssen das machen. Wir müssen die energetische Sanierung der staatlichen und kommunalen Gebäude voranbringen. Damit erfüllen wir auch unsere Vorbildfunktion.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Bei Ihren Aussagen zu den Kohlendioxidemissionen müssen Sie noch ein bisschen ehrlicher werden. Wir können uns insoweit tatsächlich an Baden-Württemberg orientieren. Die Zahlen, die Sie, Frau Staatsministerin Aigner, immer für Bayern angeben, werden nur aus den energiebedingten CO2-Emissionen errechnet. Das sind die Emissionen, die die Energiewirtschaft, die Industrie etc. verursacht. Die CO2-Äquivalente, die sich aus den Treibhausgasemissionen der Land- und Forstwirtschaft und der Abfallwirtschaft ergeben, beziehen Sie jedoch nicht ein. Das ist aber eine Menge. Wenn Sie diese CO2-Äquivalente in die Berechnung einbeziehen, kommen Sie leider auf andere Tonnenzahlen. In Baden-Württemberg existiert zum Beispiel ein CO2-Treibhausgas-Monitoring. Es ermöglicht in jedem Jahr den Vergleich mit der Entwicklung auf Bundes- und auf europäischer Ebene. Insoweit besteht Korrekturbedarf. Ich weiß nicht, ob eine Korrektur bis Donnerstag möglich ist. Zumindest werden wir uns am Donnerstag darüber unterhalten müssen. Sie müssen auch insoweit eine ehrliche, transparente Rechnung aufstellen.

Ich war durchaus verblüfft, als Sie kritisiert haben, wie Baden-Württemberg den Anteil der erneuerbaren Energien berechnet. Bisher haben wir das am Verbrauch festgemacht, auch 2011 im Rahmen von "Energie innovativ". Jetzt sagen Sie, Sie wollten auf die Erzeugung abstellen. Sie wissen selbst, dass bei der Bruttoerzeugung nicht alles dort landet, wo es landen soll. Zwischen brutto und netto besteht ein Unterschied.

Erlauben Sie mir die Bemerkung, dass Sie insoweit die Zahlen schon etwas schönen. Anders formuliert, Sie blasen den entsprechenden Anteil des Kuchens auf eine Größe auf, die der Realität nicht entspricht.

Die Vergleichbarkeit mit der Bundes- und der europäischen Ebene ist nur über den Verbrauch möglich. Darüber können wir am Donnerstag noch einmal trefflich diskutieren. Wenn wir Ihrem Ansatz folgten, gäbe es ein Durcheinander in Bezug auf Verbrauch und Erzeugung. Eine Vergleichbarkeit wäre, wie gesagt, nicht möglich. In der Naturwissenschaft beginnt man mit einem Parameter und springt nicht zwischen Verbrauch und Erzeugung hin und her. Das führt jedenfalls nicht zu Vergleichbarkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich weiß, das ist kompliziert; aber so ist das nun einmal mit den Energiefragen.

Mir geht es auch um die Ausbauziele. Sie haben gesagt, bei der Wasserkraft sei eine Steigerung möglich. Das ist richtig. Aber dann müssen wir uns fragen, ob es tatsächlich ehrbar ist, wenn man diese Steigerung schon in ein Energiekonzept aufnimmt, obwohl die Gespräche mit den Naturschützern, insbesondere mit dem BUND Naturschutz, seit Jahren nicht vom Fleck kommen. Darüber werden wir uns am Donnerstag auch unterhalten müssen.

Bei der Windenergie bin ich zutiefst gespannt, welche Ausbauziele Sie noch formulieren, ob Sie die 10-HRegelung tatsächlich mit einrechnen. Dazu haben Sie leider nichts gesagt. Vielleicht kann Herr Blume etwas dazu sagen. Unter Umständen kennt er das Konzept. – Er grinst. Dann wird er es kennen. Vielleicht hören wir dann nachher auch ein paar Prozentzahlen im Hinblick auf den Wind.

Was die Strompreisbremse angeht, habe ich heute im Kabinettsbericht gelesen, dass es darum geht, wie sich das EEG entwickelt. Diesbezüglich ist dieses Jahr tatsächlich ein kleiner Anstieg zu verzeichnen. Dem könnte man natürlich zum Beispiel durch eine Stromsteuersenkung entgegenwirken. Man könnte aber zum Beispiel auch Kohlestrom aus dem europäischen Strommarkt hinausdrücken, damit die erneuerbaren Energien den Strompreis senken. Die Erneuerbaren sind ja eigentlich die günstigsten, und sie senken den Strompreis.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das heißt, es wäre gut gewesen, wenn Sie Sigmar Gabriel kürzlich bei der Kohleabgabe unterstützt hätten; denn wenn er sich hätte durchsetzen können – er hatte leider keine Partner an seiner Seite, sondern nur eine heftige, konfrontative Front -

(Staatssekretär Franz Josef Pschierer: Auch von Ihrer Seite!)

Nein, Sie haben den Antrag hier im Plenum abgelehnt. Er war von den GRÜNEN. Dem haben wir zugestimmt. Darin ging es um die Kohleabgabe: Man möge die Bemühungen von Sigmar Gabriel unterstützen. Wir haben sie unterstützt; Sie haben sie nicht unterstützt. Das ist ein Problem.

(Beifall bei der SPD)

Bei den Ausschreibungsmodellen – das wissen Sie selber – waren die Pilotprojekte für Photovoltaik und Wind im Gange. Sie haben eines problematischerweise nicht ergeben: Sie sollten das Ganze günstiger machen in unserem Land. Das hat nicht funktioniert. Das ist das primäre Problem. Es ging um die Kosteneffizienz. Diese ist durch die Ausschreibungen nicht gesteigert worden. Bei den Ausschreibungen hat die Regionalisierung nicht funktioniert, auch die Akteursvielfalt hat nicht funktioniert. Das heißt, die Bürgergenossenschaften fallen hinten herunter. Es ist gerade für uns in Bayern, wo es sehr viele kleine, auch kommunale Unternehmen gibt, extrem wichtig, dass diese bei den Ausschreibungen nicht hinten herunterfallen. Aber insoweit, Frau Aigner, sind wir bundesweit einig, auch in den verschiedenen Ländern. Daran muss man arbeiten, damit wir bei den Ausschreibungsmodellen vorankommen. Sie können nicht so ausfallen, wie es jetzt ist. Das ist mit Sicherheit richtig. Insoweit besteht Übereinstimmung.

Beim Netzausbau sprechen Sie, soweit ich es vernommen habe, immer über Versorgungssicherheit. Was Sie aber tatsächlich auch berücksichtigten sollten – vielleicht werden Sie das am Donnerstag tun –, ist, dass die Spannung konstant bleiben muss. Das ist der Hauptgrund, warum wir Netze ausbauen müssen. Wir müssen die Spannung konstant halten können. Die Industrie, auch die kommunalen Unternehmen sind darauf angewiesen, dass es keine Schwankungen gibt. Es geht also nicht primär um die Versorgungssicherheit. Mich würde tatsächlich interessieren, wie viele Kosten im Anteil an Redispatch-Maßnahmen für Bayern in Rechnung gestellt werden, das heißt, wie viel Kosten allein im bayerischen Netzraum entstehen, wenn das Netz schwankt. Vielleicht hören wir am Donnerstag auch dazu noch etwas.

Was ich am Donnerstag am liebsten nicht mehr hören würde, ist – das sage ich Ihnen ganz ehrlich –, dass Sie wieder sagen, wieviel Erdverkabelung Sie für Bayern erreicht haben; denn dann muss ich wieder draufklopfen und Ihnen sagen: Die Erdverkabelung beim Netzausbau haben wir schon 2009 gefordert. Sie wollten sie nicht. Jetzt kommt sie, und das ist im Prinzip uns zu verdanken.

(Beifall bei der SPD)

Insofern sollten Sie Ihr "Tablett" eher weniger vor sich hertragen. Wie sagte Ministerpräsident Seehofer so schön? – Er habe die Monstertrassen verschwinden lassen. Das ist ein bisschen naiv. So ist es am Ende nämlich nicht.

(Zurufe von der CSU: Na, na! – Beifall des Abge- ordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Na ja, ich habe es nett gesagt. Da kann er doch nicht meckern.

Dann gibt es noch einen Punkt: die Bürgerverträglichkeit. Beim Energiedialog stand am Schluss: zwei Trassen minus x. Für das x ist nun eine Null herausgekommen. Sei’s drum. Es kommen zwei. Verbuddeln wir mal eben, und dann ist das alles nicht mehr so schlimm.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Jetzt haben Sie ja schon zwei neue beantragt!)

Ja, ich habe es 2009 beantragt, und ein paar "Jährchen" später sind Sie endlich auch in die Gänge gekommen. Aber führen Sie eigentlich seit dem Energiedialog weiter Gespräche mit den Bürgerinnen und Bürgern? - Sie wissen nämlich ganz genau, wo die Trassen in Zukunft verlaufen werden. Sie kennen die Anfangspunkte; Sie kennen die Endpunkte. Machen wir doch nicht einen auf naiv! Wir wissen doch, wohin die Dinger ungefähr kommen werden. Führen Sie jetzt tatsächlich andauernd Gespräche mit den Menschen vor Ort, oder hat seit dem Energiedialog so gut wie nichts mehr stattgefunden? Wie ist es mit der Bürgerverträglichkeit, die Sie immer als Monstranz vor sich hertragen? Waren die Teilnehmer des Energiedialogs seit dem 4. Februar wieder zusammen? Konnten Sie weiterdiskutieren, oder spielt im Moment alles nur in Ihrem Ministerium? - Ich glaube, unsere größte Herausforderung besteht darin, die Menschen vor Ort abzuholen, damit sie tatsächlich die Leitungen akzeptieren, die wir notwendigerweise zur Weiterentwicklung unserer Wirtschaft, unseres Landes und vor allen Dingen auch zur Sicherung unserer Arbeitsplätze brauchen. – Sie nicken, Herr Pschierer. Vielleicht erzählen Sie mir nachher einmal, wie oft Sie sich inzwischen zum Energiedialog wieder getroffen haben.

Es bleiben also viele Dinge, die wir am Donnerstag besprechen müssen. Jetzt bin ich auf die weiteren Beiträge gespannt. Diese dürfen sich meiner Meinung nach nicht nur auf eine dpa-Meldung beziehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Einen herzlichen Dank auch an Sie, Frau Kohnen. – Nun für die CSU Kollege Blume. Bitte sehr.

Herr Präsident, lieber Herr Ministerpräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! "Wer geduldig ist, der ist weise, wer aber ungeduldig ist, offenbart seine Torheit."

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Lieber Herr Kollege Hartmann, so steht es in der Bibel. Ich sage: Hätten Sie sich lieber einmal daran gehalten.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!)

Die Aktuelle Stunde, lieber Herr Hartmann, ist nicht das richtige Format. Sie als jemand, dem ich gar nicht abspreche, dass er im Thema Energiepolitik viel unterwegs ist und sich tiefe Gedanken macht, müssen doch wissen, dass man mit einer Aktuellen Stunde nicht das Format hat, um die Komplexität der Energiewende hinreichend zu diskutieren.

Das Schlimme ist: Sie lernen gar nicht dazu. Ich habe einmal geschaut, zu welchen Themen die GRÜNEN Aktuelle Stunden beantragt haben. Kurz nach Fukushima ging es Ihnen schon nicht schnell genug: "Wo bleibt die Energiewende?" Dann, im Jahr 2014: "Energiewende auf der Kippe – Weichen jetzt richtig stellen!" Und dann immer hysterischer. Februar 2015: "Weg mit den Blockaden, her mit den Entscheidungen: Bahn frei für die Energiewende!" Im Juni dieses Jahres: "Totalblockade der CSU-Regierung durchbrechen – Energiewende retten!" Heute: Mehr Energie aus Sonne und Wind statt verhindern, täuschen und tricksen."

Lieber Herr Hartmann, die Aktuelle Stunde hat bei Ihnen irgendwie Selbsthilfecharakter. Alle paar Monate die grüne Seele mit etwas Sonne streicheln, und dann ist es wieder gut. Ich sage Ihnen: Sie täuschen die Menschen im Land über den tatsächlichen Erfolg der Energiewende.

(Beifall bei der CSU)

Erstens. Die Energiewende ist in Bayern und in Deutschland insgesamt eine fortgesetzte Erfolgsgeschichte. Wir haben in diesem Jahr einen absoluten Rekord zu verzeichnen, was die erneuerbaren Energien angeht.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Das ist aber nicht Ihr Verdienst!)

Wir haben im Jahr 2015 übrigens auch ein Rekordjahr beim Stromexport. Ich sage Ihnen: Bayern hat daran maßgeblichen Anteil.

Wir sind und waren übrigens schon immer Nummer eins bei der Wasserkraft. Stichwort "verhindern". Lieber Herr Hartmann, das ist etwas, was Sie verhindern. Wir waren und sind Nummer eins bei der Photovoltaik und haben ihr Volumen übrigens seit dem Jahr 2010/2011, seit Fukushima, verdoppelt. Wir sind zusammen mit Niedersachsen an der Spitze bei der Biomasse – dazu haben Sie jetzt gar nichts gesagt, Herr Hartmann –, und auch in der Windenergie geht es deutlich voran.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Wenn man sich hier Zubauzahlen anschaut, stellt man fest, es sind seit dem Jahr 2010 421 Windenergieanlagen in Bayern errichtet worden. Wir reden über einen Zubau von 1.100 Megawatt. Das ist mehr als das größte Gaskraftwerk; das ist ein kleines Kernkraftwerk.

Sie vergleichen sich immer so gerne, und Sie sollten sich auch vergleichen, nämlich mit dem Land, in dem Sie Verantwortung tragen, mit Baden-Württemberg. In demselben Zeitraum sind dort nicht wie in Bayern 421 Windräder gebaut worden, sondern nur 30. Nur 30! Man höre und staune.

(Zurufe von den GRÜNEN)