Protocol of the Session on September 30, 2015

Ich bin dem Kollegen Taşdelen für seinen Hinweis auf Politiker, die nur an die Wahl denken, sehr dankbar. Es tut mir leid, dass ich es heute auch so sagen muss; es ist nur am Rande einer Erwähnung wert; das ist aber für mich an Peinlichkeit und auch an Menschenunwürdigkeit nicht zu übertreffen.

Was?

Ich kann es Ihnen gleich vorlesen.

Herr Kollege Herold, Ihre Zeit ist um. Zwei Minuten sind vorbei. Kommen Sie jetzt bitte zum Ende!

Am 2. September 2015 haben die FREIEN WÄHLER geschrieben, wenn sich die FREIEN WÄHLER bei den Themen Flüchtlinge und Asylbewerber engagierten

Jetzt geht das wieder los!

und dies in der Öffentlichkeit kommuniziert werde,

Hören Sie doch jetzt bitte auf! Sie haben zwei Minuten!

steige der Bekanntheitsgrad bei den Wählerinnen und Wählern. – Das ist an Peinlichkeit nicht zu übertreffen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Bitte sehr, Herr Aiwanger. Ihnen stehen auch zwei Minuten zur Verfügung.

Ich würde der CSU empfehlen, dem Kollegen Herold endlich einmal eine gewisse Redezeit einzuräumen. Dann bräuchte er nicht mittlerweile zum dritten Mal seinen Privatkrieg mit Frau Schmidt zu führen

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

und zu sagen, dass Frau Schmidt irgendwann einmal in Neustadt an der Aisch bei einem Asylbewerber etwas anderes gesagt hat. Machen Sie das vor Ort aus. Damit langweilen Sie hier nur.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Zum Gesinnungswandel sage ich Ihnen auch: Vor zwei Monaten hat Kollege Söder gesagt, wir müssten Grenzkontrollen einführen. Damals hat es Herr Seehofer abgelehnt. Vor rund drei Wochen hat Herr Seehofer gesagt: Wir machen Grenzkontrollen. Also auch Herr Seehofer hat seine Meinung zum Thema Grenzkontrollen geändert. Kommen Sie jetzt nicht mit Frau Schmidt in Neustadt an der Aisch. Das ist Kleinkram.

(Hans Herold (CSU): Sie ist immerhin die stellvertretende Bundesvorsitzende der FREIEN WÄHLER!)

Das wären Sie auch gerne.

(Lachen bei der CSU)

Abschließend noch so viel: Wenn Sie mit dem Thema Willkommenskultur oder mit Ähnlichem kommen wollen, dann sage ich Ihnen: Auch die CSU spielt hier mit zwei Flügeln. Eine Frau Stamm sagt in der Weihnachtszeit – ich meine die letzte Weihnachtsrede; Sie können sich die Protokollauszüge besorgen –: Wir stehen für die Willkommenskultur; alle Menschen sind uns herzlich willkommen. – Was sagt man denn sonst in der Weihnachtszeit? Aber wenn Weihnachten vorbei ist, kommen wieder die Hardliner aus der Kiste und hauen drauf.

(Heiterkeit und Beifall bei den FREIEN WÄH- LERN)

Tun Sie doch nicht so, als müssten Sie den FREIEN WÄHLERN zeigen, wie man gerade Wege fährt! Keiner fährt so zickzack wie die CSU. Das wissen Sie selber.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Wider- spruch bei der CSU)

Sie sind an der Regierung; Sie könnten es ändern. Der einzige Lichtblick heute besteht darin, dass wir mehr Asylrichter bekommen. Damit ist wenigstens etwas passiert.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Nächste Wortmeldung: Kollege Markus Rinderspacher.

Verehrte Frau Präsidentin, Hohes Haus! Die Bilder, die uns in diesen Tagen und Wochen erreichen, berühren uns zutiefst, unabhängig davon, wo wir politisch stehen. Das Bild von Aylan! Der dreijährige Junge war mit seiner Familie aus dem syrischen Kobane geflohen, und auf der Flucht mit seinen Eltern ertrank er im Mittelmeer.

Seine Leiche wurde nahe Bodrum in der Türkei an den Strand gespült. Eine Tragödie!

Ich erinnere an die Bilder der Flüchtlinge, die im Transporter qualvoll erstickt sind, die Bilder von Menschen, die sich in Booten auf den Weg über das Mittelmeer machten, und die Bilder von verzweifelten Familien auf den Bahnsteigen mit völlig erschöpften und hungrigen Kindern, Großeltern, Frauen und Männer in überfüllten Zügen, Menschen am Rande ihrer Existenz, am Ende ihrer Kräfte, Menschen die mit Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken an der ungarischen Grenze taktiert werden.

Eine Plenarrede in diesen Zeiten kann nicht ohne die Einleitung beginnen, dass wir die Verzweiflung der Schutzsuchenden wahrnehmen, die Not derer, die unter widrigsten Umständen ihre Heimat verlassen und existenzielle Gefahren für ihre Familien in Kauf nehmen, die Menschen aus den Krisenregionen des Nahen und Mittleren Osten, aus Afghanistan, aus afrikanischen Kriegsgebieten südlich der Sahara auf der Flucht vor Vertreibung, Krieg und politischer Verfolgung.

Angesichts dieser Schreckensbilder sind wir ausgesprochen dankbar dafür, dass in Bayern so viele Menschen Hilfe anbieten, dass es viele gibt, die nicht gleichgültig wegschauen, sondern mit anpacken.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin stolz auf dieses Bayern und auf diese ungeheuere Welle der Hilfsbereitschaft, die es in unserem Lande gibt.

(Beifall bei der SPD)

Es geht uns zu Herzen, wenn am Münchner Hauptbahnhof Flüchtlinge mit offenen Armen, solidarischem Applaus und mit konkreter erster Hilfe empfangen werden. Refugees welcome! Am Münchner Hauptbahnhof steht die Bürgerschaft für die ankommenden Flüchtlinge Spalier und spendet stehenden Fußes Applaus. Die Münchnerinnen und Münchner reichen Wasserflaschen und Obst, packen an beim Kistenschleppen und machen sich zu Kofferträgern der Schutzsuchenden. Diese Geste taucht den bayerischen Sommer in ein wärmendes Licht. Die Weltstadt öffnet ihr Herz. Das Münchner Symbol der Hilfsbereitschaft steht für all jene im Freistaat, die Solidarität mit den Schwächsten leben, von Passau bis Neu-Ulm, von Bamberg bis Lindau.

Herr Ministerpräsident, dass die CSU diese Bilder als völlig kontraproduktiv, ja als schädlich für unser Land geißelt – die Kanzlerin hat dazu das Notwendige gesagt –, kann ich nicht nachvollziehen. Wir sagen:

Diese Bilder zeigen unser Bayern von seiner menschlichsten und seiner freundlichsten Seite. Sie sind ein großartiger Ausweis für die Empathie in unserem Lande.

(Beifall bei der SPD)

Die Bilder zeigen die freundlichen Deutschen, die nicht klagen und jammern, sondern hilfsbereit anpacken, das Deutschland, das sich aufgrund seiner Geschichte in besonderer Weise bewusst ist, welches Geschenk es ist, Hilfe in der Not und offene Türen vorzufinden. Ohne die Hilfe, die uns selbst zuteil geworden ist, wären wir heute nicht in der Lage, mit unseren Kräften anderen zu helfen.

Den hauptamtlich Beschäftigten in den Kommunen, in den Schulen, bei der Polizei, den Feuerwehren, den Hilfsorganisationen, den Kirchen und nicht zuletzt auch in den Bezirksregierungen bin ich ausgesprochen dankbar für die großartigen Leistungen der letzten Monate. Meine Damen und Herren, der innere Zusammenhalt, die innere Stärke eines Landes bewähren sich in besonderen Situationen, und was die Seele eines Landes ausmacht, zeigt sich in einer solchen Bewährungsprobe.

Ich würde mich freuen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn der bayerische Ministerpräsident auch unmittelbar vor Ort ein Zeichen der Dankbarkeit und der Anerkennung setzen würde. Herr Seehofer ist bis heute der einzige Ministerpräsident in Deutschland, der kein einziges Mal in seiner siebenjährigen Amtszeit eine Flüchtlingsunterkunft in seinem Bundesland besucht hat.

(Barbara Stamm (CSU): Woher wissen Sie das?)

- Weil er es in einem Interview mit dem ZDF so in den Raum gestellt hat. – Deshalb sage ich, Herr Ministerpräsident, dieser Besuch ist überfällig. Sie können ihn allerdings nachholen und damit drei Botschaften vor Ort vermitteln.

Botschaft eins: Schutzbedürftigen reichen wir in unserem Land die helfende Hand.

Botschaft zwei: Dank und Anerkennung für unsere großartigen Helfer in Bayern.

Botschaft drei: Wir schützen die Minderheiten in unserem Lande vor rechtsextremer Gewalt. Es gibt in Bayern auch Menschen, die mit Hass und Gewalt gegen Minderheiten und Flüchtlinge agieren. Es gab Brandanschläge auf bayerische Unterkünfte, und es gibt Menschen, die ihre Freude über den immer offener zutage tretenden Rassismus nicht verbergen wollen. Diesen Brandstiftern in Wort und Tat sagen wir un

missverständlich: Wir dulden in Bayern keinen Rassismus, keine Toleranz für Fremdenfeinde, Neonazis und rechte Gewalt.

(Beifall bei der SPD)

Wir stehen vor der Herausforderung, in diesem Jahr etwa 800.000 bis 1 Million Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen. Das gehört zur Wahrheit. Es gibt Grenzen der Aufnahmefähigkeit, und wir werden in Deutschland nicht jedes Jahr eine solche Anzahl von Asylbewerbern aufnehmen können. Das würde uns überfordern.

Wir sind uns einig: Nur eine europäische Lösung kann eine gute Lösung sein. Es kann nicht sein, dass Bayern mehr Flüchtlinge aufnimmt als Frankreich, als Spanien oder als Großbritannien. Die Flüchtlingskrise in Europa kann nur gelöst werden, wenn alle EUStaaten besser und enger zusammenarbeiten als bisher.

Ich finde, es sollte der Konsens aller anständigen Demokraten in Europa sein, dass Humanität eben kein Preisschildchen hat und als Grundwert unserer Wertegemeinschaft unveräußerlich ist.