Protocol of the Session on April 22, 2015

Sehr geehrte Eltern, liebe Schülerinnen und Schüler, wir haben Ihre Wahlzettel ausgewertet. Leider können wir Ihre Wünsche aus organisatorischen und rechtlichen Gründen in der folgenden Form nicht umsetzen: Der verbliebene Regelzug G 8 ist zu klein, und damit kann keine Klasse gebildet werden. … Nach § 36 GSO richtet sich die Klassenbildung nach pädagogischen, personellen, räumlichen und organisatorischen Gegebenheiten. Um diese Vorgaben realisieren zu können, behält sich die Schulleitung nach dieser Wahl eine Auswahl vor.

Es bedarf keiner großen Fantasie, wie die meisten Eltern oder auch Schüler nun auf diesen Brief reagieren werden: Enttäuschung, Wut, Hoffnung, vielleicht doch noch einen Platz in der Mittelstufe plus zu bekommen, ja, Anspannung, dass man nun doch in das ungeliebte G 8 muss.

Meine Damen und Herren, dass eine solche Situation überhaupt entstehen kann, ist ein massives Scheitern des Kultusministers und seines Ministeriums.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): So ein Quatsch!)

Eine Redewendung sagt: Niemand plant zu versagen, aber die meisten versagen beim Planen. Ich füge hinzu: Diejenigen, die die Realität nicht kennen, werden bei der Planung zwangsläufig versagen müssen.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Völlig daneben!)

Es war eben nicht überraschend, dass es nunmehr ein solch großes Interesse an den Modellgymnasien vor Ort gibt, wie Sie sie geplant haben; denn nach derzeitiger Rückmeldung – heutige Pressemitteilung vom Philologenverband – wählen 75 % der Schülerinnen und Schüler die Mittelstufe plus, mithin das G 9. Interessant ist: Je ländlicher das Gymnasium ist, umso höher ist die Quote. Ich kann mich noch erinnern, vor einem Jahr hieß es: Ihr FREIEN WÄHLER seid mit eurer Wahlfreiheit die Totengräber der ländlichen Gymnasien.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Das wäre sie auch gewesen!)

Jetzt sind Sie die Totengräber, wenn Sie nicht reagieren. Jeder Modellversuch muss so ausgestattet sein, dass solche Szenarien mitgedacht werden und es unter Umständen auch Ausnahmeregelungen sowohl für den regulären G-8-Zweig als auch für den G-9Zweig gibt.

Meine Damen und Herren, wir FREIEN WÄHLER haben bereits mit unserem Dringlichkeitsantrag 17/5407 am 25. Februar dieses Jahres darauf hingewiesen und damals einen erhöhten Budgetzuschlag für kleine Gymnasien gefordert; denn dort tritt der genannte Fall am meisten auf. Wir wollten, dass keine Engpässe in der Unterrichtsversorgung entstehen und kleinere Gruppenbildungen möglich sind, um auch die Zweigwahldifferenzierung anzubieten.

Ich hatte bei der Debatte im Bildungsausschuss am 5. März auch gesagt, mit der Einführung der Mittelstufe plus könnte ein erhöhter Bedarf an Lehrerstunden in den Kernfächern entstehen. Aber was haben Sie, Herr Spaenle, festgesetzt? - Die Klassenbildung soll innerhalb des regulären Budgets erfolgen, Klassenmehrung darf es nicht geben, und jedes Gymnasium unabhängig von der Größe erhält nur die vier Anrechnungsstunden für die Projektleitung und -begleitung.

Für uns ist klar, dass Ihre Pilotphase so angelegt ist, dass sie scheitern soll. Doch damit diese sogenannte Pilotphase nicht gleich zu Beginn mit Enttäuschungen endet, fordern wir Sie unmittelbar zum Handeln auf: Alle eingegangenen Anmeldungen der Schülerinnen und Schüler auf Aufnahme in den neunjährigen Bildungsgang im Rahmen der Mittelstufe plus sind unbedingt zu berücksichtigen; bei den G-9-Gymnasien müssen unverzüglich organisatorische und rechtliche Hemmnisse, beispielsweise das Verbot der Klassenmehrung, beseitigt und ein erhöhter Budgetzuschlag für die Lehrerstunden bereitgestellt werden, damit der Eltern- und Schülerwille auch umgesetzt werden kann.

Lassen Sie mich abschließend sagen, was der fränkische Dichter Jean Paul schon gesagt hat: Gegen das Fehlschlagen eines Planes gibt es keinen besseren Trost, als auf der Stelle einen neuen zu machen. Herr Spaenle, Sie können damit jetzt ans Werk gehen. Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Jetzt darf ich Herrn Kollegen Lederer das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Felbinger, gleich zu Beginn möchte ich Ihnen eines mitteilen: Es gibt kein G 9 in Bayern.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben ein grundständig achtjähriges Gymnasium mit einem Lehrplan, der auf acht Schuljahre ausgelegt ist. Wenn Sie G 9 möchten, müssen Sie nach BadenWürttemberg gehen. Dort hat man anfangs gesagt, man werde es flächendeckend einführen, dann hat man es auf 44 Gymnasien begrenzt, und mittlerweile spricht selbst der SPD-Kultusminister von BadenWürttemberg davon, dass es wahrscheinlich nicht fortgeführt wird, zumindest nicht in dieser und voraussichtlich auch nicht in der nächsten Legislaturperiode.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Hört, hört!)

Die CSU hat im vergangenen September in Banz ein Grundsatzpapier zum Gymnasium erarbeitet. Darin ist eine von vier Säulen das Thema Lernzeit, und innerhalb dieses Themas Lernzeit gibt es die Mittelstufe plus. Die Opposition und auch Sie, Herr Felbinger – das muss ich hier noch anfügen -, haben uns, zum Teil noch bevor dieses Thema hier im Plenum und auch bei uns im Ausschuss besprochen wurde, einer ständigen Kritik ausgesetzt. Die Mittelstufe plus führe in die Sackgasse, hat es geheißen, sie verdiene die Note mangelhaft, Murks, "Sitzenbleiberklasse". Sogar ein Vorsitzender des Deutschen Philologenverbands hat das "Sitzenbleiber-Image" heraufbeschworen. Heute hat er sich selbst für den Pilotversuch angemeldet und leitet eine dieser Pilotschulen.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Hört, hört! – Zuruf von den FREIEN WÄHLERN: War der auch in Württemberg?)

Wir haben trotzdem diesen Weg konsequent weiterverfolgt: Wir haben dieser Umsetzung der Mittelstufe plus eine Pilotphase vorgeschaltet, um dort zu testen und weiterzuentwickeln, und zwar gemeinsam mit der Schulfamilie, mit den Lehrern, mit den Eltern, mit den Schülern und mit den Schulleitungen. Die Schulen werden hier jedoch nicht alleingelassen, sondern sie werden begleitet, unter anderem von einer Projektgruppe des Ministeriums, und die daraus gewonnenen Erfahrungen – das ist jetzt das Wichtige – werden dann ausgewertet.

Deshalb müssen wir zuerst die Pilotphase abschließen und dann die Erkenntnisse aus der Pilotphase als

Grundlage für weitere Entscheidungen nehmen. Das ist der richtige Weg. So wird ein Schuh daraus. Sie würden das Pferd von hinten aufzäumen. Ich bitte Sie, diesen Weg gemeinsam mit uns zu gehen; denn es steht sehr viel auf dem Spiel, nämlich eine qualitätsvolle und höchst erfolgreiche Schul- und Gymnasiallandschaft. Das sollten wir nicht der Profilierungssucht opfern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FREIEN WÄHLER, unabhängig davon wäre ich mit einer leichtfertigen Interpretation des Eltern- und Schülerwillens vorsichtig. Die jüngste Vergangenheit hat nämlich gezeigt, dass ausgerechnet Sie nicht unbedingt dafür prädestiniert sind, den Elternwillen richtig zu interpretieren. Das gescheiterte Volksbegehren hat das zur Genüge gezeigt.

(Beifall bei der CSU – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Weil Sie die Leute verunsichert haben. Schaut die Zahlen an!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FREIEN WÄHLER, es ist sehr schade, dass Sie sich zu so einem Dringlichkeitsantrag haben hinreißen lassen, gerade jetzt in einer Phase, in der alle den Blick nach vorne richten und konstruktiv zum Wohle der Gymnasiasten, der bayerischen Bildungslandschaft und natürlich zum Wohle unserer Schülerinnen und Schüler mitwirken wollen. Aber vielleicht ist dem einen oder anderen gar nicht daran gelegen, dass in der bayerischen Bildungslandschaft konstruktiv zusammengearbeitet wird. Schade, dass es sehr viele gibt, die diesen Prozess ausbremsen, behindern und sogar schlechtreden; denn nach einer Infratest-dimap-Umfrage aus dem Jahr 2004 wissen wir, dass 62 % der Bürgerinnen und Bürger Bayerns die Schul- und Hochschullandschaft in Bayern für besser halten als die in anderen Bundesländern.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): 2004?)

Entschuldigung, September 2014.

Herr Aiwanger, für Sie vielleicht ganz interessant: 81 % – 81 %! – derjenigen, die dem Klientel der FREIEN WÄHLER angehören, sind dieser Meinung.

(Zuruf von der SPD: Ihr Klientel! – Hubert Aiwan- ger (FREIE WÄHLER): Nein!)

Sogar mehr als diese 62 %, nämlich 66 %, signalisieren Zustimmung zu diesem Gymnasium.

Herr Kollege, ich kann deshalb vor diesem Hintergrund nicht verstehen, dass Sie von einem ungeliebten G 8 sprechen. So viel zum Thema "Interpretation der Volksmeinung durch die FREIEN WÄHLER".

(Zuruf von den FREIEN WÄHLERN)

Wir haben bei der Weiterentwicklung des Gymnasiums im vergangenen Jahr einen intensiven Dialogprozess geführt und dabei die Schulfamilie, die Kommunen, die Wissenschaft und die bildungspolitischen Sprecher der Fraktionen eingebunden. Ein Ergebnis dieses Dialogprozesses ist die Mittelstufe plus. Ein erster erfolgreicher Schritt auf dem gemeinsamen Weg zur Mittelstufe plus ist bereits getan; denn 47 Pilotschulen wurden sehr sinnvoll ausgewählt.

Kritik gab es dabei im Vorfeld zuhauf. Es gab Zweifel am Erfolg dieses Konzepts. Man sagte, es sei ein unambitioniertes Projekt; die Teilnahme am Pilotversuch sei unattraktiv, ja unmöglich; die Reform sei stümperhaft ausgestaltet; wie soll sie Akzeptanz erfahren? Den letzten Satz haben Sie, Herr Felbinger, unter anderem mit unterschrieben. Heute sagen Sie, dass es bei diesem Projekt eine sehr große Resonanz gebe. Ich verstehe das nicht.

Doch trotz all dieser Unkenrufe ist die Resonanz auf dieses Pilotprojekt sehr positiv. Insgesamt gab es 71 Bewerbungen. Auch konnte bei diesem Pilotprojekt die vielfältige gymnasiale Schullandschaft mit ins Boot geholt werden. Beworben haben sich große und kleine Gymnasien, Stadt und Land, die unterschiedlichsten Ausbildungsrichtungen und Sprachenfolgen.

Die Anmeldung für die Schülerinnen und Schüler für die Mittelstufe plus läuft an den Pilotschulen noch maximal bis zum 4. Mai. Erste Anzeichen lassen vermuten, dass die Nachfrage gut ist, aber natürlich schulspezifisch unterschiedlich ausfallen wird. Kritiker, insbesondere aus den Reihen der GRÜNEN, haben prophezeit, die Mittelstufe plus werde in der Versenkung verschwinden. Ich glaube das nicht, obwohl sie sehr, sehr schlechtgeredet wird. Die Mittelstufe plus bietet den Schülerinnen und Schülern bei pädagogischem Bedarf nun ein Jahr mehr Lernzeit. Sie ist eine von vielen Antworten auf die wachsende Heterogenität der Schülerschaft, welche die CSU gibt. Die Mittelstufe plus setzt genau beim Übergang von der Unterstufe zur Mittelstufe an, also dort, wo sowieso viele Klassen aufgrund von Sprachenfolgen, Zweigen usw. neu eingeteilt werden müssen.

Herr Kollege Felbinger, diese Einteilung ist tagtägliches Geschäft. Genau deshalb ist dies bereits vorher in der Gymnasialen Schulordnung – GSO – geregelt worden; denn es gibt schon heute Konstellationen für Schülerinnen und Schüler – ohne die Mittelstufe plus –, die diese Anforderungen brauchen, wobei man über die GSO Einteilungen vornehmen muss.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Dann lasst doch alle für das G 9 zu!)

So wird es auch bei der Mittelstufe plus sein. Das sehen auch die Verbände der Direktoren und der Eltern so. Das hat bisher gut funktioniert, und ich habe vollstes Vertrauen, dass es auch mit der Mittelstufe plus gut funktionieren wird.

(Beifall bei der CSU)

Durch die Mittelstufe plus erfahren die Schülerinnen und Schüler eine deutliche Entlastung, zum einen in Bezug auf die Wochenstunden, zum anderen in Bezug auf die Anzahl der Fächer pro Schuljahr. Darüber hinaus erfahren sie insbesondere in den Kernfächern eine zusätzliche Förderung. Die Mittelstufe plus ist also ein Fördermodell mit 17 zusätzlichen Wochenstunden und in der 10. Jahrgangsstufe mit nur zwei verpflichtenden Wochenstunden am Nachmittag. Dafür erhalten die Schulen vier zusätzliche Wochenstunden für die Erarbeitung neuer Konzepte und das volle Budget, das übrigens bei kleinen Schulen um bis zu 10 % größer ist als bei großen Schulen. Sie erhalten also das volle Budget, obwohl in der Mittelstufe plus deutlich weniger Wochenstunden pro Schuljahr unterrichtet werden. Der zusätzliche Lehrerbedarf, der durch die Mittelstufe plus entsteht, wird aber nicht im "Schuljahr 9+" wirksam, sondern erst dann, wenn diese Schülerinnen und Schüler in die Q 12 eintreten. Auch zu diesem Zeitpunkt wird es erforderlich sein, im Haushalt die zusätzlichen Lehrerstunden zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund werden wir vonseiten der CSU diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege, bleiben Sie bitte am Rednerpult für eine Zwischenbemerkung des Kollegen Aiwanger. Herr Kollege Aiwanger, bitte.

Herr Kollege, Sie haben jetzt sehr viele schöne Worte gesagt und von Infratest dimap gesprochen. Darum geht es gar nicht. Wir haben in unserem Dringlichkeitsantrag klipp und klar stehen, dass jeder, der die neunjährige Form des Gymnasiums – oder nennen Sie es Mittelstufe plus – wählen will, sie wählen können soll. Uns liegen Briefe von Eltern vor, wonach Eltern von der Schulleitung einen Brief bekommen, in dem steht, dass das G 9 oder die Mittelstufe plus nicht gewählt werden könne, weil zu viele Schülerinnen und Schüler das G 9 wollten. Darum geht es. Ich stelle Ihr neues Super-Plus-Modell gar nicht in Frage. Aber wir fordern, dass Sie jedem, der dieses Modell jetzt wählen will, diese Chance geben; Sie sollten aber nicht den Eltern Briefe schreiben und sagen: Wir bieten das neue Modell Mittelstufe plus an, aber leider ist für dich kein Platz mehr frei. Wir sagen nicht, dass euer Mo

dell schlecht ist. Dieses Modell ist auf unseren Druck hin entstanden. Aber lassen Sie bitte jeden dieses Modell wählen. Sagen Sie nicht: Tut mir leid, wir lassen keinen mehr rein. Darum geht es. Es geht nicht um Infratest dimap oder darum, wie zufrieden die mit irgendetwas sind. Es geht vielmehr darum: Lassen Sie das G 9 jeden wählen, der das G 9 nehmen will. Heute darf er das nicht, Punkt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege Lederer.

Herr Kollege Aiwanger, es ist schön, dass Sie heute dazu übergehen, die Mittelstufe plus zu loben.